BGE 85 I 180
 
29. Urteil vom 10. Juli 1959 i.S. Vogt gegen SBB.
 
Regeste
Besoldung des Bundesbeamten. Nachforderung des zu Unrecht darauf angerechneten Betrages einer Militärversicherungsrente.
2. Verzugszins. Eintritt des Verzuges. Zinssatz.
 
Sachverhalt
A.- Der Kläger Karl Vogt steht als Werkführer im Dienste der SBB. Am 14. März 1952 erlitt er im Militärdienst einen Unfall, der den Verlust eines Auges zur Folge hatte. Er versieht seit dem Unfall den gleichen Posten wie vorher. Die Militärversicherung sprach ihm wegen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität eine Pension von monatlich Fr. 194.80 zu (Verfügung vom 19. Juni 1952). Die SBB rechneten hievon in der Zeit vom 15. April 1952 bis zum 1. März 1957 monatlich Fr. 116.90 auf die Beamtenbesoldung an. Seither wurde infolge des Urteils des Bundesgerichtes vom 8. Februar 1957 i.S. Müller (BGE 83 I 63) der Abzug nicht mehr vorgenommen.
Karl Vogt erhob Anspruch auf Nachzahlung der von der Besoldung abgezogenen Beträge (insgesamt Fr. 6838.65 nebst Zinsen). Die Generaldirektion der SBB, von ihm mit Schreiben vom 16. April 1958 um Stellungnahme ersucht, lehnte das Begehren am 26. Juni 1958 ab.
B.- Mit Klageschrift vom 3. März 1959 beantragt Karl Vogt, die SBB seien zu verurteilen, ihm alle von seinem Gehalt in Abzug gebrachten Leistungen der Militärversicherung von monatlich Fr. 116.90 nachzuzahlen, nebst Zins zu 5% seit dem 1. Januar 1955 als dem mittleren Fälligkeitstermin.
C.- Die SBB anerkennen in der Klageantwort gestützt auf das Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Mai 1958 i.S. Monnard (BGE 84 I 209) grundsätzlich, die abgezogenen Beträge nachzahlen zu müssen. Sie unterziehen sich der Klage jedoch nur bis zu dem Betrage von Fr. 5435.85, der Summe der Abzüge für die Zeit vom 16. April 1953 bis zum 1. März 1957. Sie beantragen die Abweisung des weitergehenden Begehrens des Klägers. Sie machen geltend, der Rückerstattungsanspruch für die Zeit vor dem 16. April 1953 sei verjährt. Die auf 5 Jahre festzusetzende Verjährungsfrist sei erst durch das Gesuch des Klägers vom 16. April 1958 unterbrochen worden. Verzugszinsen seien überhaupt nicht oder dann nur seit dem 16. April 1958 und zu einem unter 5% liegenden Satze geschuldet.
D.- In der Replik hält der Kläger an seinen Begehren fest. Er bestreitet, dass Ansprüche der vorliegenden Art der Verjährung unterliegen. Eventuell wäre die Verjährungsfrist eher auf 10 Jahre festzulegen. Man könne sich auch fragen, ob sie nicht erst vom 1. März 1957 an zu rechnen wäre. Der Kläger habe die SBB schon durch Schreiben vom 11. Juli 1952 in Verzug gesetzt. Mit dem ihm vorenthaltenen Lohn hätte er "private Bedürfnisse (wie Anschaffungen usw.) befriedigen können, die durchaus einem Verzugszins von 5% entsprechen", so dass es sich rechtfertige, diesen Satz anzuwenden.
Das Bundesgericht heisst die Klage teilweise gut
 
in Erwägung:
3. Öffentlichrechtliche Ansprüche sind in der Regel der Verjährung unterworfen, auch wenn das positive Recht hierüber nichts bestimmt. Das Bundesgericht hat dies wiederholt ausgesprochen, für Ansprüche des Gemeinwesens gegenüber Privaten (BGE 71 I 208f.;BGE 78 I 89Erw. 4; BGE 83 I 218 ff.) wie für Ansprüche von Privaten gegenüber dem Gemeinwesen (BGE 71 I 47;BGE 78 I 191f.). In der Tat ist es im allgemeinen im öffentlichen Interesse geboten, die Geltendmachung öffentlichrechtlicher Forderungen zeitlich zu begrenzen (vgl.BGE 78 I 89). Es besteht kein Grund, für den hier in Frage stehenden Anspruch des Bundesbeamten auf Gehaltszahlung eine Ausnahme zu machen. Auch dieser Anspruch unterliegt der Verjährung, obwohl die Beamtengesetzgebung des Bundes keine Bestimmung darüber enthält.
Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Verjährungsfrist für öffentlichrechtliche Ansprüche beim Fehlen einer besonderen positiven Vorschrift in Anlehnung an die Ordnung zu bestimmen ist, die für zivilrechtliche Ansprüche gilt (BGE 78 I 89f., 191 f.). Hier, wo es sich um eine Beamtenbesoldung handelt, d.h. um eine periodische Leistung, die nach den Erfordernissen eines gesunden Wirtschaftsverkehrs binnen kurzer Zeit zu erbr ingen ist (vgl.BGE 78 II 149Erw. 3 a), rechtfertigt es sich, die Verjährungsfrist nach dem Vorbild des Art. 128 OR auf 5 Jahre festzusetzen (BGE 84 I 216; BGE 83 I 220;BGE 61 I 201Erw. 1).
Nach der in Art. 130 Abs. 1 OR ausgesprochenen allgemeinen Regel beginnt die Verjährung mit der Fälligkeit der Forderung. Abs. 2 daselbst, betreffend Forderungen, die auf Kündigung gestellt sind, kommt nicht in Betracht. Die Verjährung des von Karl Vogt geltend gemachten Anspruchs hat somit jeweils im Zeitpunktc begonnen, da die Monatsbesoldung zur Zahlung fällig war und - zu Unrecht in gekürztem Umfange - bezahlt worden ist.
Nach der Rechtsprechung kann die Verjährung öffentlichrechtlicher Ansprüche auch dann unterbrochen werden, wenn das Gesetz dies nicht vorsieht. Eine Unterbrechung ist anzunehmen, wenn der Anspruch in geeigneter Weise erhoben, geltend gemacht wird (BGE 73 I 131Erw. 3;BGE 76 I 382;BGE 78 I 192). Das ist hier dadurch geschehen, dass der Kläger mit Schreiben vom 16. April 1958 die Generaldirektion der SBB um die nach Art. 58 BO II erforderliche Stellungnahme zu seinem Begehren ersucht hat. Ob die Verjährung auch schon durch sein Schreiben vom 11. Juli 1952 an das eidg. Personalamt unterbrochen worden sei, kann dahingestellt bleiben. Wäre es der Fall, so hätte damals zwar eine neue Verjährungsfrist von 5 Jahren zu laufen begonnen, doch wäre sie mangels neuer Unterbrechung zu Ende gegangen. Eine andere Vorkehr, durch welche die Verjährung hätte unterbrochen werden können, ist für die Zeit vor dem 16. April 1958 nicht nachgewiesen. Die Forderung des Klägers ist daher verjährt, soweit sie die vor dem 16. April 1953 fällig gewordenen Besoldungsleistungen betrifft. Die Verjährung erfasst auch den entsprechenden Zinsanspruch (vgl. Art. 133 OR). Für die Zeit seit dem 16. April 1953 ist der Hauptanspruch des Klägers von den SBB anerkannt.
Die Verwaltung ist aber nicht schon in den Zeitpunkten, da die noch in Frage stehenden Monatsbesoldungen (für die Zeit vom 16. April 1953 bis zum 1. März 1957) ordnungsgemäss zu zahlen waren, in Verzug geraten, geschweige denn schon infolge des Schreibens des Klägers vom 11. Juli 1952 an das eidg. Personalamt. Wohl hat der Kläger in diesem Briefe erklärt, dass er die Anrechnung der Militärversicherungsrente an die Besoldung für unzulässig halte, doch hat er offenbar in der Folge die Zahlung des gekürzten Betrages jeweils ohne Widerspruch hingenommen. Hat somit unter den Parteien an den ordentlichen Zahlungsterminen in der Zeit zwischen dem 16. April 1953 und dem 1. März 1957 Übereinstimmung darüber bestanden, dass die Kürzung - entsprechend der bis zum Urteil Müller herrschenden Auslegung des Gesetzes - gerechtfertigt sei, so kann nicht gesagt werden, dass schon mit dem Ablauf dieser Termine der Verzug eingetreten sei. Erst durch das Schreiben des Klägers vom 16. April 1958 an die Generaldirektion der SBB, welches als Mahnung im Sinne des Art. 102 OR angesehen werden kann, ist die Verwaltung in Verzug gesetzt worden.
Für die Bestimmung des Zinssatzes ist nach der Rechtsprechung Art. 104 Abs. 1 OR, der für das Privatrecht schematisch mindestens 5% vorschreibt, nicht massgebend. Richtig ist vielmehr ein den Verhältnissen auf dem Geldmarkt angepasster Satz (BGE 78 I 90Erw. 5 und Zitate; Urteil vom 21. Juni 1957 i.S. Schenk SA, nicht publizierte Erw. 21). Danach sind hier 3% Zins angemessen.