BGE 86 I 235
 
33. Urteil vom 23. September 1960 i.S. Wehrsteuerverwaltung des Kantons Luzern gegen X. und Steuerrekurskommission des Kantons Luzern.
 
Regeste
Wehrsteuer; Abzüge vom rohen Einkommen.
2. Die Kosten des Abbruches der sofort durch einen Neubau ersetzten Gebäude sind nicht Gewinnungs-, sondern Anlagekosten.
 
Sachverhalt
A.- X. ist Inhaber eines städtischen Ladengeschäftes. Er erbte es im Jahre 1943 zusammen mit dem Hause, in dem es zuerst einzig betrieben wurde. Im Jahre 1945 kaufte er gemeinsam mit dem Bruder ein anstossendes Haus dazu, und im Jahre 1952 erwarb er auch den hälftigen Anteil des Bruders an diesem Besitz. Er betrieb nun das Geschäft in den beiden Gebäuden, die er nach und nach etwas umbaute. Im Frühjahr 1956 liess er sie abbrechen. Er errichtete an ihrer Stelle einen Neubau, in dem sich wiederum sein Geschäft befindet.
Er ist verpflichtet, kaufmännische Bücher zu führen. Die genannten Liegenschaften nahm er erstmals in die Bilanz vom 31. August 1954 auf. Er bewertete darin die beiden Häuser und den Boden gesamthaft mit Fr. 345'700.--. Nach seinen Angaben ist dies der Gesamtbetrag der Gestehungskosten (Anrechnungspreis für die geerbte Liegenschaft Fr. 100'000.--, Kaufpreis für die andere Liegenschaft Fr. 87'500.-- + Fr. 105'000.--, Umbaukosten Fr. 53'200.--). In der Betriebsrechnung 1955/56 nahm er wegen des Abbruches der alten Gebäude eine Abschreibung auf den Liegenschaften vor, so dass für den Boden ein Buchwert von Fr. 101'500.-- blieb. Ferner belastete er dieser Rechnung die Abbruchkosten im Betrage von Fr. 18'965.--.
Bei der Ermittlung seines steuerbaren Einkommens für die 9. Wehrsteuerperiode (Berechnungsjahre 1954/55 und 1955/56) verweigerte die Veranlagungsbehörde den Abzug der Abschreibung und der Abbruchkosten. Sie erachtete die Abschreibung der alten Gebäude als nicht gerechtfertigt, weil der Bodenwert im Zeitpunkt des Abbruches den Buchwert des die Gebäude und den Boden umfassenden Liegenschaftskontos überstiegen habe. Die Abbruchkosten rechnete sie zu den Kosten der Errichtung des neuen Geschäftshauses (Anlagekosten).
B.- Die kantonale Rekurskommission, an die sich der Steuerpflichtige wandte, setzte in ihrem Entscheid vom 5. Februar 1960 das steuerbare Einkommen herab, indem sie die Abschreibung der Liegenschaften bis auf den vom Pflichtigen angegebenen Anschaffungs- und Buchwert des Bodens von Fr. 101'500.-- und auch den Abzug der Abbruchkosten von Fr. 18'965.-- anerkannte.
Sie führt aus, die alten Gebäude seien mit dem Abbruch aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, so dass der Steuerpflichtige die Liegenschaften bis auf den Bodenwert habe abschreiben dürfen. Unterste Grenze der Abschreibung sei nicht der Verkehrswert des Bodens im Zeitpunkt des Abbruches, sondern sein Anschaffungswert. Die Wertverminderung infolge des Abbruches dürfe mit der nicht verbuchten Vermehrung des Bodenwertes nicht kompensiert werden. Daran ändere es nichts, dass Gebäude und Boden in einem gemeinsamen Konto aufgeführt wurden. Der Wert des Bilanzpostens "Grundstücke" habe während der Berechnungsperiode wegen des Abbruchs der Gebäude zweifellos abgenommen. Es verhalte sich anders als in dem vom Bundesgericht am 1. November 1957 beurteilten Falle (Archiv für schweiz. Abgaberecht Bd. 26, S. 448 ff.).
Die Abbruchkosten seien in erster Linie durch die Ausserbetriebsetzung der bisherigen Gebäude bedingt; sie hingen mit ihr enger als mit dem Neubau zusammen. Sie seien daher als Geschäftsunkosten zu behandeln.
C.- Gegen den Entscheid der Rekurskommission erhebt die kantonale Wehrsteuerverwaltung Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, bei der Veranlagung des X. für die 9. Wehrsteuerperiode die Abschreibung auf den abgebrochenen Gebäuden und die Abbruchkosten nicht, die Abschreibung eventuell nur in einem erheblich herabgesetzten Betrage, vom rohen Einkommen abzuziehen.
Sie macht geltend, es widerspreche dem Grundsatz, dass die Abschreibung nur eine effektive Wertverminderung ausgleichen solle, wenn sie auf einem Immobilienwert zugelassen werde, der nur noch einen Bruchteil des gegenwärtigen Wertes des Bodens ausmache. Hier sei anerkannt, dass der Boden im Zeitpunkt des Abbruches mindestens Fr. 902'500.-- (Fr. 5000.-- je m2) wert gewesen sei. Da der Steuerpflichtige die Liegenschaften in überbautem Zustand erworben habe, sei der Anschaffungswert des Bodens nicht bekannt. Auf jeden Fall habe der Boden bei beiden Grundstücken bereits im Zeitpunkt des Erwerbes den bei weitem wertvolleren Bestandteil gebildet; sein Anteil am Erwerbspreis müsse auf mindestens zwei Drittel geschätzt werden. Boden und Gebäude seien in einem einzigen Bilanzposten zusammengefasst worden, wie sie denn auch zivilrechtlich eine Einheit darstellten. Der im Urteil des Bundesgerichts vom 1. November 1957 aufgestellte Grundsatz, dass eine Entwertung des Gebäudes mit einer dauernden und bedeutenden Steigerung des Bodenwertes kompensiert werden dürfe, sei auch hier anwendbar.
Die Abbruchkosten seien als Anlagekosten zu betrachten und daher nicht abzugsfähig.
D.- Die kantonale Rekurskommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde, ebenso der Steuerpflichtige.
E.- Die eidgenössische Steuerverwaltung pflichtet der grundsätzlichen Auffassung der Rekurskommission bei, hält aber eine nähere Abklärung des Sachverhaltes für erforderlich und beantragt daher Rückweisung der Angelegenheit an die kantonale Behörde. Sie führt aus, es sei noch zu untersuchen, ob die beiden Liegenschaften überhaupt Geschäftsvermögen des Steuerpflichtigen geworden seien, wenn ja, wann dies geschehen sei. Ferner sei die vom Pflichtigen vorgenommene Bewertung des Bodens zu überprüfen. Schliesslich sei abzuklären, ob die Abbruchkosten bereits vor dem Abbruch im Bilanzansatz für den Boden berücksichtigt worden seien oder nicht.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die in Frage stehenden Liegenschaften zum Geschäftsvermögen des Steuerpflichtigen zu rechnen sind. Er hat sie in seine Geschäftsbuchhaltung aufgenommen, und diese Behandlung entspricht dem wirklichen Sachverhalt: Er hat die eine Liegenschaft im Jahre 1943 aus Erbschaft übernommen, um darin das gleichzeitig übernommene Ladengeschäft weiterzuführen. Die andere Liegenschaft hat er in der Folge erworben, um das Geschäft zu erweitern; deshalb hat er das Haus nach und nach etwas umgebaut. Tatsächlich hat er die beiden Liegenschaften, wie beabsichtigt, für das Geschäft verwendet. Die Abschreibung, die er auf dem beide Grundstücke (Boden und Gebäude) umfassenden Konto vorgenommen hat, ist daher nach Art. 22 Abs. 1 lit. b WStB vom rohen Einkommen abzuziehen, wenn und soweit sie "geschäftsmässig begründet" ist, d.h. eine während der Berechnungsperiode eingetretene Verminderung des Wertes dieses Bilanzobjektes ausgleichen soll.
2. Die Rekurskommission anerkennt die Abschreibung bis auf den vom Steuerpflichtigen angegebenen Anschaffungs- und Buchwert des Bodens von Fr. 101'500.-- in der Meinung, dass der Bilanzposten "Grundstücke" während der Berechnungsperiode infolge des Abbruches der beiden alten Gebäude an Wert im Umfange der Abschreibung verloren habe. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
a) Nach der Schätzung des Steuerpflichtigen, welcher die Rekurskommission sich anschliesst, würde vom ursprünglichen Buchwert der Grundstücke von Fr. 345'700.--, welcher den Gesamtbetrag der Gestehungskosten darstellen soll, nur ein Betrag von Fr. 101'500.--, also nicht einmal ein Drittel, auf den Boden entfallen. Dieses Verhältnis kann offensichtlich nicht stimmen, auch wenn berücksichtigt wird, dass im Betrage von Fr. 345'700.-- Umbaukosten, die der Steuerpflichtige auf Fr. 53'200.-- beziffert, inbegriffen sind. Die kantonale Wehrsteuerverwaltung führt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus, die beiden Gebäude seien im Zeitpunkt des Erwerbes durch den Steuerpflichtigen bereits über 60 Jahre alt gewesen und hätten "technisch und wirtschaftlich den Erfordernissen eines modernen Geschäftsbetriebes nicht mehr entsprochen". "So ist das Grundstück, das der Pflichtige zusammen mit seinem Bruder im Jahre 1945 für Fr. 175'000.-- erworben hat, im Jahre 1943 vom Veräusserer, der dieses Objekt in der Absicht, es abzubrechen und einen Neubau zu errichten, gekauft hatte, zum gleichen Preis erstanden worden." Die Beschwerdeführerin weist ferner darauf hin, dass zur Zeit des Abbruchs der Gebäude der Boden mindestens rund Fr. 900'000.-- wert war. Diese Feststellungen sind unwidersprochen geblieben, und es besteht auch kein Grund zur Annahme, dass sie nicht zutreffen. Aus ihnen ist mit der Beschwerdeführerin zu schliessen, dass für den Boden ein erheblich grösserer Teil der Gestehungskosten, als der Steuerpflichtige angibt, in Rechnung zu stellen ist. Wenn auch die alten Gebäude, namentlich nach dem Umbau, für das Geschäft noch einen gewissen Wert gehabt haben mögen, so war er jedenfalls lange nicht so gross, wie der Steuerpflichtige geltend macht. Wäre eine Abschreibung wegen einer auf den Abbruch zurückzuführenden Wertverminderung überhaupt anzuerkennen, so wäre daher der Abzug auf einen Betrag zu beschränken, der den tatsächlich abgeschriebenen bei weitem nicht erreichen würde; denn der Abbruch hat nur die alten Gebäude zum Verschwinden gebracht, nicht auch eine Entwertung des Bodens zur Folge gehabt.
b) Vor dem Abbruch war der Wert des Bodens dadurch beeinträchtigt, dass die alten Gebäude noch darauf standen. Ein Käufer hätte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge einzig dem Boden Wert beigemessen und das Vorhandensein der alten Häuser als Belastung empfunden; er hätte im Hinblick auf die mit dem Abbruch voraussichtlich verbundenen Umtriebe und Kosten einen Preisabstrich verlangt. Durch den Abbruch ist diese Belastung beseitigt, also der Wert des Bodens nicht nur nicht gesenkt, sondern im Gegenteil erhöht worden. Dazu kommt, dass in der Schweiz seit Jahren allgemein, besonders in städtischen Gegenden, der Wert des Bodens fortwährend zugenommen hat. Im vorliegenden Fall muss er seit dem Erwerb der Liegenschaften durch den Steuerpflichtigen beträchtlich gestiegen sein, wie die Vergleichung des von diesem genannten Gestehungspreises von rund Fr. 300'000.-- für Gebäude und Land zusammen (ohne Umbaukosten) mit dem Betrage von Fr. 900'000.--, auf den allein der Wert des Bodens zur Zeit des Abbruches geschätzt wird, deutlich zeigt. Diese aus zwei Gründen eingetretene Vermehrung des Bodenwertes hat zweifellos dauernden Charakter.
Sie muss bei der Berechnung des steuerbaren Einkommens berücksichtigt werden. Es kann nicht mit Grund eingewendet werden, der Steuerpflichtige habe sie in der Berechnungsperiode weder realisiert noch verbucht (Art. 21 Abs. 1 lit. d, f WStB). Indem er auf dem die Gebäude und den Boden umfassenden Bilanzposten eine Abschreibung wegen Abbruches der Gebäude vorgenommen hat, ist er selbst zu einer neuen Bewertung dieses Postens geschritten. In einem solchen Fall darf die Steuerbehörde einer Vermehrung des Bodenwertes in dem Umfange, als dadurch ein in der Berechnungsperiode durch den Abbruch der Gebäude bewirkter Wertverlust wettgemacht wird, Rechnung tragen (vgl. zit. Urteil vom 1. November 1957).
Unter den gegebenen Umständen muss angenommen werden, dass die vom Steuerpflichtigen geltend gemachte, auf den Abbruch der alten Häuser zurückgeführte Wertverminderung - die den von ihm behaupteten Umfang auf keinen Fall erreicht - durch den erwähnten Anstieg des Bodenwertes zum mindesten aufgewogen wird. Die im Geschäftsjahr 1955/56 wegen des Abbruches vorgenommene Abschreibung kann daher vom rohen Einkommen nicht abgezogen werden. Der die beiden Liegenschaften als Gesamtheit umfassende Bilanzposten hat keine Wertverminderung erfahren, die durch diese Abschreibung auszugleichen wäre.
4. Streitig ist auch, ob die Abbruchkosten von Fr. 18'965.-- als Gewinnungskosten (Art. 22 Abs. 1 lit. a WStB) vom rohen Einkommen abzuziehen oder zu den vom Abzug ausgeschlossenen Anlagekosten (Art. 23 WStB) zu rechnen sind. Die Rekurskommission betrachtet sie als Gewinnungskosten mit der Begründung, sie seien in erster Linie durch die Ausserbetriebsetzung der alten, unbrauchbar gewordenen Gebäude bedingt, hingen mit dieser enger als mit dem Neubau zusammen. Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Der Steuerpflichtige hat die alten Gebäude abgerissen, um sie sofort durch einen Neubau zu ersetzen. Die Abbruchkosten sind daher, gleich wie die Kosten anderer Vorbereitungsarbeiten (Sondierungen, Erdbewegungen usw.), zu den Kosten des Neubaues, also zu den Anlagekosten, zu zählen, gleichgültig, in welchem Zustand sich die alten Gebäude befanden.
Die eidg. Steuerverwaltung nimmt an, die Abbruchkosten seien nur dann als Anlagekosten zu aktivieren, wenn sie bereits vor dem Abbruch im Bilanzansatz für den Boden berücksichtigt worden seien. Wenn dagegen eine solche Berichtigung des Bodenwertes unterblieben sei, so bestehe nach dem Abbruch kein Grund, eine Wertvermehrung zu verbuchen; in diesem Falle stellten die Abbruchkosten keine Anlagekosten dar, sondern seien als geschäftsmässig begründete Unkosten über die Gewinn- und Verlustrechnung abzubuchen. Indessen kann es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen, ob und in welchem Umfange durch den Abbruch ein Mehrwert geschaffen worden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die daherigen Aufwendungen nicht direkt der Erzielung eines Gewinns im betreffenden Geschäftsjahr, sondern der Verbesserung der Betriebsanlagen als Gewinnquelle auf unbestimmte Zeit hinaus dienen. Sie sind deshalb keine Gewinnungs-, sondern Anlagekosten (BGE 86 I 48 Erw. 2 c). Sie dürfen nicht vom Gewinn des Jahres abgezogen werden, in dem sie gemacht worden sind, sondern sind zu aktivieren, auch wenn daraus kein Mehrwert der Anlagen in der Höhe des Kostenbetrages entstanden ist; vielmehr ist ihre Abschreibung auf die voraussichtliche Dauer des Gebrauches der verbesserten Anlage zu verteilen (Urteil D. vom 18. November 1949, Erw. 4, publiziert im Archiv Bd. 18, S. 348; Urteil U. vom 6. November 1959).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid in dem Sinne abgeändert, dass die Abschreibung auf den abgebrochenen Gebäuden und die Abbruchkosten nicht vom rohen Einkommen abgezogen werden.