BGE 87 I 232
 
40. Urteil vom 12. Mai 1961 i.S. Merlag Immobilien AG und Flückiger gegen Regierungsrat des Kantons Bern.
 
Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftskäufe: Begriff der Spekulation (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG).
 
Sachverhalt
A.- Werner Flückiger, Landwirt in Aarwangen, ist Eigentümer eines Bauerngutes, das 1113,5 a umfasst und dessen amtlicher Wert auf Fr. 104'470.-- festgesetzt ist. Dazu gehören die 369,53 a messende Parzelle G.B. Aarwangen Nr. 630 (alt) im Kern des Dorfteils Hard, auf welcher die an der Langenthalstrasse liegenden Wohn- und Ökonomiegebäude stehen, und zwölf kleinere Parzellen, die im Gebiete der Gemeinden Aarwangen und Roggwil verstreut sind.
Mit Vertrag vom 19. April 1960 hat Flückiger den Hof zum Preise von Fr. 350'000.-- an die Merlag Immobilien A. G. in Basel verkauft. In Ziff. 10 der Vertragsbestimmungen ist die Erklärung der Käuferin festgehalten, "dass sie die Liegenschaften erwirbt einerseits zum Zwecke der Überbauung derjenigen Grundstücke, die sich dazu eignen, und als Kapitalanlage bezüglich desjenigen Teiles der Vertragssache, der auch weiterhin landwirtschaftlich genutzt wird".
B.- Gegen diesen Kaufvertrag hat der Grundbuchverwalter von Aarwangen gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. a des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) Einspruch erhoben, weil die Merlag u.a. den Ankauf und Verkauf von Liegenschaften bezwecke und es daher scheine, dass Güteraufkauf mit spekulativem Einschlag vorliege.
Der Einspruch ist vom Regierungsstatthalter von Aarwangen abgewiesen, auf Rekurs der kantonalen Landwirtschaftsdirektion hin jedoch vom Regierungsrat des Kantons Bern durch Entscheid vom 5. August 1960 begründet erklärt worden.
Der Regierungsrat nimmt an, die Merlag habe das Heimwesen offensichtlich zum Zwecke der Spekulation gekauft (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG). Sie rechne damit, auf einem Teil des Landes Bauten erstellen und die überbauten Parzellen, wenn auch nicht sofort, so doch nach Bedarf mit Gewinn weiterveräussern zu können. Sie spekuliere darauf, dass Aarwangen von der Ausdehnung der benachbarten industriereichen Gemeinde Langenthal bald einmal profitieren werde. Von einer Kapitalanlage könne nicht gesprochen werden, da das Heimwesen der landwirtschaftlichen Nutzung nur so weit und so lange erhalten bleiben solle, als es nicht oder noch nicht überbaut werden könne. Der vereinbarte hohe Kaufpreis könne nicht aus dem Bodenertrag verzinst werden und sei offensichtlich in spekulativer Weise auf eine künftige nicht landwirtschaftliche Nutzung des Bodens abgestimmt.
Das EGG wolle die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe begünstigen. So könne nach Art. 19 Abs. 1 lit. c auch gegen einen Verkauf, durch den ein Heimwesen zerstückelt und aufgelöst werden solle, Einspruch erhoben werden. Wohl sehe diese Bestimmung Ausnahmen vor, insbesondere für den Fall der Überbauung. Aber eine Betriebsauflösung infolge Überbauung könne nicht zugelassen werden, wenn der Erwerber, wie hier, die Liegenschaften nicht für seine persönlichen Zwecke und Bedürfnisse überbauen wolle, sondern die Erstellung von Bauten und die sukzessive Zerstückelung und Auflösung des Heimwesens von der Möglichkeit einer gewinnbringenden Nutzung oder Verwertung des überbauten Bodens abhängig mache. Ferner könne von einer allseitigen Eignung des Heimwesens Flückigers als Bauland nicht die Rede sein.
C.- Die Merlag und Werner Flückiger erheben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und den Einspruch gegen den Kaufvertrag abzuweisen.
Es wird geltend gemacht, vom verkauften Land seien 504,82 a erschlossenes Bauland, nämlich die Hausparzelle (G.B. Aarwangen Nr. 630 alt) und drei weitere Parzellen (G.B. Aarwangen Nr. 631, 637 und 1058). Diese Liegenschaften seien im Zonenplan des Baureglements der Gemeinde Aarwangen vom 25. Juni 1960, welches vom Regierungsrat genehmigt worden sei, dem Baugebiet zugewiesen. Ferner seien sie zum grössten Teil von der Unterstellung unter das BG über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940 ausgenommen worden. Allerdings sei ausser den restlichen neun Parzellen auch die von der ursprünglichen Hausparzelle abgetrennte neue Parzelle Nr. 630 III im Halte von 30,19 a, auf welcher sich die Wohn- und Ökonomiegebäude befinden, diesem Gesetz unterstellt worden, doch ändere das nichts daran, dass sie Baulandcharakter habe. Da die unaufhaltsame Ausdehnung des Baugebietes gerade auch die Hausparzelle erfasst und so eine landwirtschaftliche Betriebseinheit gesprengt habe, sei Art. 19 EGG hier nicht mehr anwendbar. Übrigens erkläre die Merlag, dass sie die Parzelle Nr. 630 III zusammen mit den neun nicht der Bauzone zugeteilten Liegenschaften der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erhalten wolle. Das sei cine ausreichende Existenzgrundlage für einen Landwirt.
Wäre Art. 19 EGG anwendbar, so wäre der Einspruch gleichwohl unbegründet. Die Annahme einer Spekulation oder eines Güteraufkaufs im Sinne von Abs. 1 lit. a falle nach der Rechtsprechung (BGE 81 I 316) von vornherein ausser Betracht, weil wesentliche Teile des gekauften Landes zur Überbauung bestimmt und auch geeignet seien (lit. c). Anders wäre selbst dann nicht zu entscheiden, wenn die Merlag die betreffenden Parzellen nach der Überbauung weiterveräussern wollte, was nicht zutreffe. Die Merlag und die hinter ihr stehende Hansa AG in Basel tätigten keine spekulativen Liegenschaftsgeschäfte. Es gehe ihnen ausschliesslich um eine Kapitalanlage. Die Hansa stelle der Merlag das noch erforderliche Kapital zur Verfügung.
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG richte sich nicht gegen die Veräusserung eines ganzen landwirtschaftlichen Betriebes, sondern nur gegen Teilverkäufe, und auch gegen diese nur, wenn die Abtrennung nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt werden könne. Ein solcher Grund wäre hier für die Abtrennung des Baulandes gegeben. Art. 19 Abs. 1 lit. c lasse die Überbauung nicht nur dann zu, wenn der Erwerber sie für seine persönlichen Bedürfnisse vornehmen möchte.
D.- Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
E.- Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement enthält sich eines Antrages. Es führt aus, der Einspruch könne nicht auf Grund von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG geschützt werden, wenn das Land, das die Beschwerdeführer als Bauland bezeichnen, wirklich zur Überbauung gekauft werde und sich hiezu eigne. Falls es sich so verhielte und anzunehmen wäre, die Merlag wolle dieses Land nach Fertigstellung der Bauten weiterveräussern, so könnte diesem Vorhaben auch nicht Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG entgegengehalten werden. Immerhin sei doch nicht ausgeschlossen, dass die Merlag den Hof zum Zwecke der Spekulation im Sinne dieser Bestimmung, d.h. in der Absicht des baldigen Wiederverkaufs mit Gewinn, gekauft habe.
F.- In einer Instruktionsverhandlung haben die Vertreter der Merlag über den Grundbesitz der Hansa AG und ihrer Tochtergesellschaften sowie über die Projekte, welche die Merlag in Aarwangen verfolgt, Auskunft gegeben. Ferner hat die Merlag sich bereit erklärt, für die Erhaltung eines bäuerlichen Restbetriebes dingliche Sicherheiten zu bieten.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 18 EGG sind die Kantone ermächtigt, für ihr Gebiet ein Einspruchsverfahren nach Massgabe der folgenden Bestimmungen einzuführen. Sie können, wenn sie ein solches Verfahren vorsehen, dieses im Rahmen der Art. 19-21 EGG nach ihrem Belieben ordnen. Sie können weniger weit gehen, als es nach Art. 19 und 21 EGG möglich wäre. Vor allem sind sie befugt, bestimmte Arten von Grundstücken von der Unterstellung unter das Einspruchsverfahren auszunehmen, namentlich Liegenschaften, die in Bauzonen einbezogen sind. Sie können nach Art. 3 EGG die Anwendung dieses Gesetzes auf Bauzonen, die für die Entwicklung einer Ortschaft unentbehrlich sind, ausschliessen oder die Befugnis dazu den Gemeinden übertragen, unter Vorbehalt der Genehmigung der von diesen erlassenen Vorschriften durch eine kantonale Behörde.
Für das Gebiet der Gemeinden Aarwangen und Roggwil, in dem das Bauerngut des Beschwerdeführers Flückiger liegt, ist keine Ausscheidung im Sinne des Art. 3 EGG und der dazu vom Kanton Bern erlassenen Ausführungsbestimmung (Art. 2 des Einführungsgesetzes vom 23. November 1952) getroffen worden. Wohl sind im Zonenplan des Baureglements der Gemeinde Aarwangen vom 25. Juni 1960 Bauzonen abgegrenzt; sie sind jedoch von der Anwendung des EGG nicht ausgenommen. Auch die Ausnahmeordnung, die Art. 8 des bernischen Einführungsgesetzes für Kaufverträge über Liegenschaften unter einer bestimmten Grösse vorsieht, kommt hier nicht in Betracht. Der zwischen den Beschwerdeführern abgeschlossene Kaufvertrag ist ohne Einschränkung dem Einspruchsverfahren unterstellt, wenn die verkaufte Besitzung als landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Art. 19 EGG zu charakterisieren ist.
2. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Land und Gebäulichkeiten (Wohn- und Ökonomiegebäude), aus denen die Besitzung Flückigers besteht, bilden eine Einheit, die geeignet ist, einem Bauern (Eigentümer oder Pächter) und seiner Familie als Lebenszentrum und Grundlage für den Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen (BGE 81 I 107; BGE 82 I 264). Diesen Charakter hat die Besitzung jedenfalls zur Zeit noch, auch wenn gewisse Teile, insbesondere die Hausparzelle, sich für die (neue) Überbauung eignen. Der Umstand, dass einzelne Parzellen deshalb, weil sie als Bauland betrachtet werden, von der Unterstellung unter das BG über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen ausgenommen worden sind, ändert nichts daran, dass die Besitzung als Ganzes ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des EGG darstellt.
Die Beschwerdeführer machen geltend, wesentliche Teile des Heimwesens Flückigers seien zur Überbauung verkauft worden und eigneten sich hiefür, so dass Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG dem Verkauf des ganzen Heimwesens nicht entgegengehalten werden könne und auch die Annahme einer Spekulation oder eines Güteraufkaufs im Sinne der lit. a ausser Betracht falle.
Die Ausnahme, welche lit. c für den Fall vorsieht, dass Liegenschaften zur Überbauung verkauft werden und sich hiefür eignen, bezieht sich. jedoch nur auf Grundstücke, auf welche eben diese Voraussetzungen zutreffen. Hier wären, nach der Darstellung der Beschwerdeschrift, Bauland im Sinne dieser Bestimmung höchstens 504,82 a (G.B. Aarwangen Nr. 630 alt, 631, 637 und 1058) bzw. 474,63 a (wenn die von der alten Nr. 630 abgetrennte neue Nr. 630 III nicht mitgerechnet wird), also nicht einmal die Hälfte der 1113,5 a messenden gesamten Fläche des Heimwesens Flückigers. Auf jeden Fall ist ein wesentlicher Teil des Heimwesens weder für die Überbauung verkauft worden noch dafür geeignet. Die Merlag hat aber das ganze Heimwesen gekauft. Das Geschäft, das sie mit Flückiger abgeschlossen hat, ist ein Ganzes und muss als solches auch unter dem Gesichtspunkte des Art. 19 EGG gewürdigt werden. Unter den gegebenen Umständen kann die Ausnahmebestimmung in Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG, auf welche die Beschwerdeführer sich berufen, hier nicht Anwendung finden. Aus ihr kann nicht abgeleitet werden, dass der Einspruch gegen den Verkauf der ganzen Besitzung Flückigers unbegründet ist.
Ob und inwieweit diese Vorschrift auf einen Verkauf nur gerade des Landes, welches in der Beschwerde als Bauland bezeichnet wird, anwendbar wäre, ist im gegenwärtigen Verfahren nicht zu untersuchen. Ebensowenig ist zu prüfen, wie es zu halten wäre, wenn die Merlag von Flückiger grösstenteils nur solches Land gekauft hätte, auf welches die Vorschrift zuträfe. Dem Urteil BGE 81 I 316, das die Beschwerdeführer erwähnen, liegt ein Tatbestand dieser Art zugrunde. Im vorliegenden Fall verhält es sich indessen anders, weshalb die Beschwerdeführer aus jenem Präjudiz nichts zu ihren Gunsten herleiten können. Zu würdigen ist die von den Beschwerdeführern tatsächlich gewählte Gestaltung der Verhältnisse, nicht ein möglicher, aber nicht verwirklichter Sachverhalt.
Keine Spekulation liegt jedenfalls dann vor, wenn jemand ein landwirtschaftliches Heimwesen in der Absicht erwirbt, es in seinem bisherigen Bestande weiterhin entweder selber landwirtschaftlich zu nutzen oder durch einen Dritten so nutzen zu lassen.
Hier hat man es indessen nicht mit einem solchen Fall zu tun. Die Merlag will nach ihren Angaben nur einen Teil des Heimwesens Flückigers der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten, nämlich offenbar die Parzellen, die sich für eine Überbauung in absehbarer Zeit nicht eignen, und allenfalls auch die neue verkleinerte Hausparzelle Nr. 630 III - die sie allerdings in die in Auftrag gegebenen vorläufigen Überbauungsstudien hat einbeziehen lassen. Den übrigen Teil des Heimwesens, der eine bedeutende Fläche umfasst, will die Gesellschaft der bisherigen Zweckbestimmung entfremden, nämlich nach Massgabe des Wohnbedarfs, mit dessen Zunahme sie rechnet, allmählich überbauen. Die erstellten Wohnungen gedenkt sie zu vermieten, in der Erwartung, auf diese Weise schliesslich eine Rendite zu erzielen, welche den durch landwirtschaftliche Nutzung des ganzen gekauften Heimwesens erzielbaren Ertrag wesentlich übersteigt. Weil sie hofft, auf diesem Wege beträchtliche Gewinne zu erlangen, hat sie sich bereit gefunden, den verhältnismässig hohen Kaufpreis von Fr. 350'000.-- zu bezahlen. Es ist klar, dass diese Investition aus dem Ertrag einer ausschliesslich landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens nicht verzinst werden könnte. Die Absicht der Merlag, sich durch sukzessive Überbauung der dafür geeigneten Parzellen und durch Vermietung der erstellten Wohnungen ansehnliche Gewinne zu verschaffen, hat zweifellos spekulativen Charakter. Es liegt auf der Hand, dass diese Absicht der eigentliche Zweck ist, den die Gesellschaft mit dem Kauf des ganzen Heimwesens verfolgt.
Unter solchen Umständen darf ebenfalls offensichtliche Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG angenommen werden, obwohl ein gewinnbringender Wiederverkauf anscheinend nicht beabsichtigt ist. Daran ändert es nichts, dass ein Teil des gekauften Landes weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden soll. Ob der bäuerliche Restbetrieb, den die Merlag nach ihrer Darstellung erhalten will, existenzfähig sei oder nicht, ist unter dem Gesichtswinkel von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG unerheblich und braucht daher nicht geprüft zu werden.
Offen bleiben kann ferner die Frage, ob offensichtlicher Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit a vorliege. Der Einspruch ist nach dieser Bestimmung ohnehin begründet, weil es sich offensichtlich um einen Spekulationskauf handelt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.