58. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1961 i.S. Züllig gegen Stadtrat von Frauenfeld und Regierungsrat des Kantons Thurgau.
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Regeste
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Art. 85 lit. a OG, Stimmrechtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen:
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Wird im "übrigen Gemeindegebiet" die Erstellung nichtlandwirtschaftlicher Gebäude beabsichtigt, so ist nach § 25 Abs. 1 der Bauordnung (BO) der Munizipalgemeinde Frauenfeld vom 5./6. Juni 1952 "vorerst ein Bebauungsplan auszuarbeiten oder das Quartierplanverfahren gemäss Baureglement durchzuführen". Nach § 9 Abs. 1 des Baureglements (BR) der Munizipalgemeinde Frauenfeld vom 28. Dezember 1919 hat "in der Regel" der Stadtrat den Bebauungs- oder Quartierplan aufzustellen; die Grundeigentümer sind indes gemäss § 9 Abs. 3 BR berechtigt, von sich aus einen Quartierplan auszuarbeiten, der dem Stadtrat zur Genehmigung zu unterbreiten ist.
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Mit Bezug auf die im "übrigen Gemeindegebiet" gelegene Flur "Oberwiesen" konnten sich die Grundeigentümer nicht zur Ausarbeitung eines Quartierplans zusammenfinden; der Stadtrat war daher berechtigt, einen Bebauungsplan im Sinne des § 25 Abs. 1 BO zu erlassen. Der Beschwerdeführer bestreitet das nicht. Er macht vielmehr geltend, der Stadtrat habe in seinem Beschluss vom 7. Dezember 1960 gar keinen Bebauungsplan im Sinne der genannten Bestimmung aufgestellt, sondern in Wirklichkeit die Bauordnung und den Zonenplan abgeändert; dazu sei der Stadtrat nicht befugt gewesen, da Erlasse, die vom Volk angenommen worden seien, nur mit Zustimmung der Stimmberechtigten abgeändert werden dürften.
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Um diese Einwendung prüfen zu können, ist die Aufgabe, die Tragweite und die Natur des Beschlusses vom 7. Dezember 1960 abzuklären. Die Zweite Zuckerfabrik AG beabsichtigt, im "übrigen Gemeindegebiet" von Frauenfeld eine Werkanlage zu errichten. Da nach § 25 Abs. 1 BO andere als landwirtschaftliche Gebäude in jenem Gebiet erst erstellt werden dürfen, wenn für das Umgelände ein Bebauungsplan besteht, sah sich der Stadtrat zur Ausarbeitung eines solchen veranlasst. Der "Bebauungsplan Oberwiesen" den er mit Beschluss vom 7. Dezember 1960 angenommen hat, weist die Eigenheit auf, dass er sich nicht an eine Vielheit von Grundeigentümern wendet, sondern nur an einen einzigen: die Zweite Zuckerfabrik AG Wohl besitzt diese noch nicht alle Parzellen des vom Plan umfassten Geländes, doch setzt der Beschluss stillschweigend voraus, dass es ihr gelingen wird, das ganze Plangebiet zu erwerben. Die im Plan enthaltenen Baunormen sind denn auch ausschliesslich für die Zweite Zuckerfabrik AG massgebend; die weiteren Grundeigentümer, die heute noch im Plangebiet über Land verfügen, können keinen Anspruch erheben, nach den im Beschluss vorgesehenen Ausmassen zu bauen. Sollte die Zweite Zuckerfabrik AG aus irgend einem Grunde ihr Bauvorhaben nicht ausführen können, so fiele der "Bebauungsplan Oberwiesen" als gegenstandslos dahin (vgl. Zbl 1944 S. 200; ZIMMERLIN, Bauordnung der Stadt Aarau, S. 59). Alle diese Umstände kennzeichnen den Beschluss vom 7. Dezember 1960 als blosse Einzelverfügung; es handelt sich der Sache nach um einen (verbindlichen) Vorentscheid über die Zulässigkeit der geplanten Bauten (vgl. IMBODEN Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 68 S. 206 Bemerkung II).
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Beim Erlass dieser Einzelverfügung war der Stadtrat an die Bauordnung und den Zonenplan gebunden, soweit er nicht im Rahmen des § 41 BO eine Ausnahme von den darin niedergelegten Regeln bewilligen durfte. Vorbehaltlich einer solchen Bewilligung darf der Inhalt des vom Stadtrat ausgearbeiteten "Bebauungsplans" mithin nicht gegen die Bauordnung und den Zonenplan verstossen. Sollte das gleichwohl zutreffen, so hiesse das nicht, dass der Stadtrat damit die Bauordnung und den Zonenplan geändert hätte. So wenig der Richter, der ein gesetzwidriges Urteil fällt, das Gesetz ändert, so wenig vermag die Verwaltungsbehörde das Gesetz, die Verordnung oder eine für sie verbindliche generelle Verfügung zu ändern, indem sie eine diesen Anordnungen widersprechende Einzelverfügung trifft; denn eine Norm (worunter in diesem Zusammenhang auch die generelle Verfügung zu verstehen ist) kann nur durch eine Norm der selben oder einer höheren Rangstufe abgeändert oder aufgehoben werden, nicht dagegen durch einen Akt niedrigeren Ranges. Das äussert sich namentlich auch darin, dass ein inhaltlich normwidriger Verwaltungsakt auf Anfechtung des materiell Beschwerten hin (oder im Falle der Nichtigkeit von Amtes wegen) aufzuheben ist. In einem Falle scheint allerdings die Norm hinter den von ihr abweichenden Verwaltungsakt zurückzutreten: dann nämlich, wenn der Verwaltungsakt nach dem positiven Recht nicht anfechtbar ist, oder wenn er zwar anfechtbar war, die Anfechtung jedoch unterblieb, weil die Frist versäumt wurde oder der Adressat kein Interesse an der Aufhebung der Verfügung hatte. Auch in diesem Falle bewahrt die Norm indes in Tat und Wahrheit ihre Geltung, und der gegen sie verstossende Verwaltungsakt bleibt fehlerhaft, was unter Umständen dazu führen kann, dass er von der verfügenden Amtsstelle oder der Aufsichtsbehörde zurückgenommen wird (GIACOMETTI, Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 433/34).
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Selbst wenn der am 7. Dezember 1960 erlassene "Bebauungsplan Oberwiesen" seinem Inhalt nach gegen die Bauordnung oder den Zonenplan verstossen sollte, hätten diese somit in vollem Umfange weiter Bestand. Weil der Erlass blosser Einzelverfügungen klarerweise in die Zuständigkeit des Stadtrats fällt, war der Beschluss vom 7. Dezember 1960 nicht der Gesamtgemeinde zu unterbreiten. Der Beschwerdeführer ist demnach durch die Unterlassung einer Volksbefragung nicht in seinem Recht auf Teilnahme an den Gemeindeabstimmungen verletzt worden.
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