BGE 87 I 505
 
79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung als Staatsgerichtshofs vom 12. Dezember 1961 i.S. Grollimund gegen Basel-Stadt, Appellationsgericht.
 
Regeste
Anfechtung der Ehelichkeit, Blutuntersuchung; kantonales Prozessrecht.
Ausschluss der Vaterschaft auf Grund der Bestimmung der Haptoglobineigenschaften Hp1 und Hp2.
 
Bei Prüfung der Frage, ob das Appellationsgericht Art. 4 BV verletzt habe, indem es den in der Appellationsverhandlung gestellten Antrag auf Anordnung einer Untersuchung der Haptoglobineigenschaften als verspätet zurückwies, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer schon in seiner Klage die Blutuntersuchung nach allen bekannten Methoden beantragt hatte. Wenn er anschliessend eine Reihe von zu bestimmenden Bluteigenschaften anführte, so hatte dies unzweifelhaft nicht den Sinn einer abschliessenden Aufzählung. Alle Blutmerkmale, deren Bestimmung unter Umständen die streitige Vaterschaft auszuschliessen vermag, im einzelnen zu nennen, kann nicht Sache einer Prozesspartei sein. Die Entwicklung ist in diesem Forschungsbereich im Fluss. Nur ein Sachkundiger kann wissen, welche Ausschlussmethoden in einem gewissen Zeitpunkt zu Gebote stehen. Der in der Klage gestellte Antrag schloss also den Antrag in sich, neben den dort ausdrücklich genannten gegebenenfalls auch weitere forensisch verwertbare Blutmerkmale zu bestimmen. Zu diesen weitern Merkmalen gehören die Haptoglobineigenschaften Hp1 und Hp2, da nach den überzeugenden Ausführungen von A. HÄSSIG und R. BÜTLER in der Schweiz. Juristenzeitung (1961 S. 58) ein auf der Bestimmung dieser Blutserumeigenschaften beruhender Vaterschaftsausschluss unter der Voraussetzung einer kunstgerecht durchgeführten Untersuchung das Prädikat der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verdient. Indem der Beschwerdeführer in der Appellationsverhandlung unter Hinweis auf diese Ausführungen die Bestimmung der genannten Bluteigenschaften verlangte, hat er also in Wirklichkeit nur einen schon in der Klage gestellten Antrag gestützt auf eine neue wissenschaftliche Veröffentlichung noch näher konkretisiert. Hierauf die einschränkenden Bestimmungen der Basler ZPO über das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel (§§ 237, 81) direkt oder analog anzuwenden, wird der Sachlage in keiner Weise gerecht. Einen schon früher gestellten Antrag der fraglichen Art in dieser Weise zu verdeutlichen, muss bis zum Schluss des kantonalen Verfahrens möglich sein. Das Interesse des Klägers an der Ausschöpfung aller Ausschlusschancen, welche die von ihm in allgemeiner Form beantragte Blutuntersuchung nach dem während des kantonalen Verfahrens erreichten Stande der Wissenschaft bietet, geht dem vom Appellationsgericht geltend gemachten Interesse an einer beförderlichen Erledigung des Prozesses offensichtlich vor. Dass der Vertreter des Beschwerdeführers, wie er glaubwürdig versichert, auf die erwähnte Veröffentlichung erst am Tage vor der Appellationsverhandlung aufmerksam wurde, ist ihm nicht zu verdenken. Unter diesen Umständen ist es sachlich nicht haltbar, dass das Begehren auf Einbezug der Haptoglobineigenschaften Hp1 und Hp2 in die Blutuntersuchung als verspätet zurückgewiesen wurde, so dass der angefochtene Entscheid wegen Verletzung von Art. 4 BV aufgehoben werden muss.