BGE 89 I 45
 
7. Auszug aus dem Urteil vom 15. Februar 1963 i.S. X. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
 
Regeste
Wehrsteuer; Hinterziehung.
 
Aus den Erwägungen:
1. Im bundesgerichtlichen wie schon im kantonalen Verfahren hat die Beschwerdeführerin weder die vom Erblasser begangenen Hinterziehungen noch ihre Nach- und Strafsteuerpflicht als Steuernachfolgerin bestritten, sondern einzig die Höhe der ausgesprochenen Bussen angefochten. Bei einfachen Hinterziehungen, wie sie hier vorliegen, sind nach Art. 129 Abs. 1 WStB Bussen bis zum Vierfachen des hinterzogenen Steuerbetrages auszusprechen. Innerhalb dieses Rahmens sind sie nach pflichtgemässen Ermessen festzusetzen, wobei in erster Linie auf die Schwere der Hinterziehung in objektiver Hinsicht, d.h. auf die Höhe des hinterzogenen Betrages im Verhältnis zum geschuldeten Steuerbetrag, abzustellen ist und die subjektiven Momente strafschärfend oder strafmildernd zu berücksichtigen sind. Die eidg. Steuerverwaltung hat für die Bussenbemessung Richtlinien aufgestellt, die auf diesen Grundsätzen beruhen und vom Bundesgericht als geeignete Grundlage anerkannt worden sind, um eine einheitliche Anwendung der gesetzlichen Ordnung in der ganzen Schweiz zu fördern. Die ursprünglichen Weisungen im Kreisschreiben vom 25. Januar 1945 (ASA Bd. 13 S. 434 ff.) sind abgeändert worden in einem neuen Kreisschreiben vom 28. März 1958 (ASA Bd. 26 S. 422 ff.). Dieses sieht ein Schema für die Ermittlung der Normalbusse auf Grund des Verhältnisses zwischen hinterzogenem und geschuldetem Steuerbetrag vor; danach ergeben sich bei gewöhnlichen Hinterziehungen Bussen vom ein- bis dreifachen (früher vierfachen) Betrag der entzogenen Steuer. Strafschärfungs- bzw. -milderungsgründe sollen zu einer Erhöhung bzw. Herabsetzung der Normalbusse führen. Als besonderen Grund zur Strafmilderung nennt das Kreisschreiben die Selbstanzeige des Steuerpflichtigen, deretwegen die Normalbusse bis auf 25% (sonst nur bis auf die Hälfte) herabgesetzt werden kann (Z. 3, lit. c Abs. 3).
2. Wenn eine Hinterziehung erst nach dem Tode des Wehrsteuerpflichtigen entdeckt wird, so wird gemäss Art. 130 Abs. 1 WStB das Verfahren gegenüber seinen Erben angehoben und durchgeführt, und diese haften bis zur Höhe ihrer Erbteile solidarisch für die vom Erblasser hinterzogene Wehrsteuer und die von ihm verwirkten Bussen ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden; sie treten also steuerrechtlich und auch strafsteuerrechtlich seine Nachfolge an. Aus der Bestimmung, dass sie "ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden" haften, hat die Praxis ursprünglich gefolgert, dass auch strafmildernde Umstände nur in der Person des Erblassers, nicht aber in derjenigen der Erben zu berücksichtigen seien; insbesondere hat sie eine Selbstanzeige der Erben ausser acht gelassen, weil es hier an der Spontaneität fehle, da die Erben nach Art. 90 Abs. 8 WStB im Inventarisationsverfahren ohnehin zur Auskunft verpflichtet seien. Das Bundesgericht hat sich dieser Auffassung in einem Urteil vom 22. Dezember 1953 (publiziert in ASA Bd. 22 S. 401) angeschlossen.
Hieran kann bei neuer Prüfung nicht festgehalten werden. Indem Art. 130 Abs. 1 WStB die Haftung der Erben für die Hinterziehungen des Erblassers vorsieht, weicht er ab von den Grundsätzen des gemeinen Strafrechts, das die Haftung für fremdes Verschulden verneint. Die Abweichung ist begründet durch die besonderen Bedürfnisse des Steuerstrafrechts, in welchem die fiskalischen Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Die Bestimmung ist jedoch mit Zurückhaltung auszulegen; ihre Anwendung soll nicht zu Ergebnissen führen, die über ihren Sinn und Zweck hinausgehen. Die Steuer- und Strafsteuernachfolge soll sich weder zum Vor- noch zum Nachteil der Erben auswirken; d.h. diese sollen nicht besser und nicht schlechter gestellt sein, als es der Erblasser selbst gewesen wäre.
Das gilt auch für die Bemessung der Busse: Entscheidend ist dafür, welche objektiven und subjektiven Momente beim Erblasser selbst zu berücksichtigen wären. Er hatte jederzeit die Möglichkeit, durch freiwillige und spontane Meldung im Sinne einer Selbstanzeige eine erhebliche Strafmilderung zu erwirken. Formell ist das den Erben nicht möglich, da sie zur Auskunfterteilung im Inventarisationsverfahren verpflichtet sind, es also bei ihnen an der Spontaneität fehlt. Würde ihnen deshalb trotz freiwilliger Meldung die Strafmilderung verweigert, so wären insofern die Steuernachfolger schlechter gestellt als der Erblasser selbst, was nicht der Sinn des Gesetzes sein kann. Es rechtfertigt sich deshalb, in Abweichung von der früheren Praxis auch eine solche Meldung der Erben strafmildernd zu berücksichtigen - zwar nicht als eigentliche Selbstanzeige, aber doch als anerkennenswerten Beitrag zur Aufdeckung der Hinterziehung und Beseitigung ihrer Folgen.
In diesem Sinne hat die eidg. Steuerverwaltung ihren früheren Standpunkt in dem neuen Kreisschreiben vom 28. März 1958 gemildert: Sie erklärt zwar ausdrücklich, dass Meldungen der Erben mangels Spontaneität nicht als Selbstanzeige gelten können, fügt aber bei (Z. 3, lit. c Abs. 4): "Immerhin ist die Normalbusse herabzusetzen, wenn die Beteiligten alles ihnen Zumutbare getan haben, um dem Fiskus die Abklärung des Hinterziehungstatbestandes zu ermöglichen, insbesondere dann, wenn sie entscheidend zur Aufklärung der Verfehlungen des Erblassers beigetragen haben." Daraus folgt in Verbindung mit den beiden vorausgehenden Absätzen, dass in diesem Falle die Normalbusse zwar nicht auf 25%, wohl aber bis auf die Hälfte herabgesetzt werden kann. Das erscheint als eine dem Sinne des Gesetzes entsprechende und im Ergebnis billige Lösung, der auch das Bundesgericht beipflichten kann.