BGE 89 I 170 |
27. Urteil vom 12. Juni 1963 i.S. Bauer gegen Einwohnergemeinde Birsfelden sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft. |
Regeste |
Kantonales Enteignungsrecht, Art. 4 BV. |
Sachverhalt |
A.- Am 30. August 1955 beschloss die Einwohnergemeinde Birsfelden/BL, die Hans Bauer gehörenden Parzellen Nr. 97, 106, 108 und 754 des Grundbuches Birsfelden auf dem Wege der Enteignung zu erwerben. Das insgesamt 17'496 m2 umfassende Areal sollte Schulhausbauten aufnehmen, dem Ausbau des Schulturnplatzes dienen und das Anlegen eines Dorfzentrums mit Dorfplatz, Grünfläche, Parkplatz, Brunnen und Tramwartehalle mit Bedürfnisanstalt ermöglichen. Am 9. März 1956 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft diesen Enteignungsbeschluss, und am 25. April 1957 wurde dem Enteigneten von der Expropriationskommission eine Entschädigung von Fr. ... zugesprochen. Der Eigentumsübergang erfolgte am 28. Mai 1957.
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B.- Fünf Jahre später, am 25. Mai 1962, verlangte der Enteignete gestützt auf § 29 Abs. 1 lit. a und c des basellandschaftlichen Gesetzes über die Enteignung vom 19. Juni 1950 (Enteignungsgesetz, EG) die Rückübertragung der Parzelle Nr. 106 (6343 m2) und die Wiederherstellung des Miteigentums an der Parzelle Nr. 108 (22 m2). Begründet wurde dieses Begehren mit dem Hinweis, der vorgesehene Zweck sei nicht erfüllt worden.
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Am 5. Juli 1962 ersuchte der Gemeinderat Birsfelden den Regierungsrat um Erstreckung der Frist bis 31. Dezember 1967 für die Fertigstellung der geplanten Bauten auf den Parzellen Nr. 106 und 108. Der Gemeinderat führte zur Begründung aus, die Überbauung des gesamten Areals bilde eine Einheit. Bereits stünden auf den Parzellen Nr. 97 und 754 Schulhäuser; die übrigen Grundstücke seien durch das Anlegen eines provisorischen Parkplatzes, eines Kinderspielplatzes und einer Fussgängerverbindung nutzbar gemacht und zur Vergrösserung des Turnplatzes verwendet worden. Vorgesehen sei im weitern, ein neues Gebäude (mit Saalbau) für die Gemeindeverwaltung zu erstellen.
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C.- Mit Beschluss vom 24. Juli 1962 entsprach der Regierungsrat dem Begehren des Gemeinderates Birsfelden, im wesentlichen mit der Begründung, das Bauer'sche Grundstück sei zu einem schönen Teil für die vorgesehenen Zwecke verwendet worden. Die Gesamtgrösse des seiner Zeit enteigneten Landes, die Empfehlungen der Bundesbehörden, im Interesse der Konjunkturdämpfung bei der Erstellung öffentlicher Bauten Zurückhaltung zu üben, und die andern Aufgaben, welche die Gemeinde Birsfelden in den letzten Jahren zu bewältigen gehabt habe, hätten die Vollendung der projektierten Werke innert der in § 29 Abs. 1 lit. a EG genannten Frist von 5 Jahren verunmöglicht, sodass die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung erfüllt seien.
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Die gegen diesen Entscheid des Regierungsrates erhobene verwaltungsgerichtliche Beschwerde des Hans Bauer, mit welcher dieser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Regierungsrates und Abweisung des Gesuches des Gemeinderates Birsfelden um Verlängerung der Verwendungsfrist beantragte, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Urteil vom 23. Januar 1963 ab.
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D.- Das Urteil des Verwaltungsgerichtes ficht Hans Bauer mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 KV (Eigentumsgarantie) und Art. 4 BV (Willkür, materielle Rechtsverweigerung) an. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, eventuell den Fall an das Verwaltungsgericht zur Abweisung des Gesuches des Gemeinderates Birsfelden um Verlängerung der Verwendungsfrist zurückzuweisen.
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E.- Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und Gemeinderat Birsfelden beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, er habe am 25. Mai 1962 in Übereinstimmung mit den §§ 29 und 35 EG bei der kantonalen Expropriationskommission die Rückübertragung der Parzelle Nr. 106 und die Wiederherstellung des Miteigentums an der Parzelle Nr. 108 verlangt, nachdem diese Grundstücke innert der gesetzlich vorgesehenen Frist von fünf Jahren nicht zu dem bei der Enteignung vorgesehenen Zweck verwendet worden seien. Am 26. Juni 1962 habe in dieser Sache eine "Vorverfahrensaudienz" stattgefunden. Die Gemeinde Birsfelden habe ihr Gesuch um Erstreckung der fünfjährigen Frist beim Regierungsrat erst am 5. Juli 1962 eingereicht, also erst, nachdem die gesetzlich verankerte Frist für die zweckentsprechende Verwendung enteigneten Landes abgelaufen und das Verfahren betreffend Rückübertragung der enteigneten Rechte bereits anhängig gewesen sei. Die Gutheissung des Fristerstreckungsgesuches der Gemeinde durch den Regierungsrat verändere nachträglich die Voraussetzungen, unter denen das Verfahren betreffend Rückübertragung enteigneter Rechte eingeleitet worden sei. Ein solches Vorgehen lasse sich mit dem auch im Verwaltungsrecht geltenden Prinzip von Treu und Glauben nicht vereinbaren; der Enteignete wüsste nicht, "ob er den Rückforderungsprozess wagen darf, wenn er riskieren müsste, dass die Verwaltung die Klagevoraussetzungen durch einen nachträglichen Entscheid verändert." Die Verlängerung der von Gesetzes wegen vorgeschriebenen Frist von fünf Jahren für die Verwendung enteigneter Rechte zu dem bei der Enteignung vorgesehenen Zweck könne deshalb dem Exproprianten nur vor Ablauf der Frist bewilligt werden. Es seien in solchen Fällen die prozessrechtlichen Vorschriften über Fristerstreckungen zu beachten, und sowohl nach Bundesrecht (Art. 32 Abs. 3 OG), als auch nach § 38 des kantonalen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 30. Oktober 1941 gelte eine Frist nur als eingehalten, wenn die Handlung innert derselben vorgenommen werde. Die formellen Voraussetzungen für eine materielle Behandlung des Gesuches der Gemeinde um Fristerstreckung seien deshalb nicht erfüllt gewesen, weshalb der Regierungsrat auf das Fristerstreckungsgesuch gar nicht hätte eintreten dürfen.
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Es trifft zu, dass die gesetzliche Frist von fünf Jahren für die Verwendung des enteigneten Bodens zu dem bei der Enteignung vorgesehenen Zweck bereits abgelaufen war, als die Gemeinde Birsfelden ihr Gesuch um Fristerstreckung einreichte und der Regierungsrat in Gutheissung dieses Gesuches der Gemeinde die Frist bis zum 31. Dezember 1967 erstreckte. Als willkürlich lässt es sich jedoch nicht bezeichnen, dass der Regierungsrat gleichwohl auf das Fristerstreckungsgesuch eingetreten ist und darüber materiell entschieden hat. Eine Einschränkung des Inhaltes, dass das Fristerstreckungsgesuch vor Ablauf der fünfjährigen Frist für die zweckentsprechende Verwendung des enteigneten Rechtes gestellt werden müsse oder dass eine Fristerstreckung nur vor Ablauf der Frist zulässig sei, enthält § 29 EG nicht und ergibt sich auch nicht zwingend aus allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen. Im Gegenteil lässt sich aus § 29 EG (insbesondere Abs. 1 lit. a) zwangslos, sicher aber ohne Willkür ableiten, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er eine Verlängerung der gesetzlichen Frist für die zweckentsprechende Verwendung des enteigneten Rechtes vorsah, dem Exproprianten die Möglichkeit geben wollte, die Folgen der Fristversäumnis vor allem auch dann noch abzuwenden, wenn bereits ein Verfahren betreffend Rückübertragung enteigneter Rechte anhängig gemacht worden ist. Dadurch wird vermieden, dass sich die Behörden mit Fristerstreckungsgesuchen auch in den Fällen zu befassen haben, in denen mangels eines Gesuches um Rückübertragung enteigneter Rechte eine Fristerstreckung überhaupt nicht erforderlich ist (vgl. dazu BGE 87 I 96, wo mit Bezug auf den beinahe wörtlich mit § 29 EG übereinstimmenden Art. 102 des Enteignungsgesetzes des Bundes gesagt wird, die Enteignung werde endgültig, wenn das Rückforderungsrecht nicht innert Frist geltend gemacht werde). Ausdrücklich vorgesehen war denn auch beispielsweise eine solche Regelung im Enteignungsgesetz vom 24. Juni 1902 für das Königreich Sachsen, dessen Art. 83 Abs. 4 lautete: "Die Enteignungsbehörde hat den Unternehmer zu hören und sodann zu entscheiden" (über den Rückerwerb der nicht zweckentsprechend verwendeten Grundstücke oder Rechte). "Sie kann ihm vor der Entscheidung nach ihrem Ermessen noch eine Frist zur Nachholung der unterlassenen bestimmungsgemässen Verwendung des enteigneten Gegenstandes oder zur Wiederaufnahme des Betriebes einräumen" (vgl. SCHELCHER, Sächsisches Enteignungsgesetz).
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Dass es für einen Expropriaten, der bereits ein Gesuch um Rückübertragung der enteigneten Rechte gestellt hat, unangenehm sein kann, wenn nach Ablauf der fünfjährigen Frist für die Verwendung des enteigneten Landes im Sinne des bei der Enteignung vorgesehenen Zweckes ein Gesuch um Erstreckung dieser Frist eingereicht und die Fristerstreckung bewilligt wird, kann nicht in Abrede gestellt werden. Dennoch handelt es sich dabei nicht um ein Vorgehen, das sich mit dem Prinzip von Treu und Glauben absolut nicht vereinbaren lässt. Dem Enteigneten steht es frei, sich vor Einreichung seines Gesuches um Rückübertragung der enteigneten Rechte beim Exproprianten über seine Absichten mit Bezug auf eine allfällige Verlängerung der Frist zu erkundigen; auf jeden Fall aber hat die zur Beurteilung des Rückübertragungsgesuches zuständige Behörde die Möglichkeit, in ihrem Kostenentscheid zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Rückübertragungsklage erhoben wurde, nachträglich zum Nachteil des Gesuchstellers geändert wurden, ohne dass dieser dafür verantwortlich gemacht werden kann.
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Wenn sich Birsfelden an die "ursprünglich angegebenen Verwendungszwecke gehalten hätte, wäre es der Gemeinde leicht möglich gewesen, innert Frist zur Werkvollendung zu schreiten." Es sei unter diesen Umständen nicht vertretbar, einen Fall "unverschuldeter Unmöglichkeit der Vollendung des Werkes" anzunehmen.
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Die kantonale Behörde hat beim Entscheid über diese Fragen geprüft, ob es der Gemeinde subjektiv nicht möglich gewesen sei, die fünfjährige Frist einzuhalten. Bei dieser Art der Prüfung, die auch zivilrechtlich zur Anwendung gelangt (vgl. BGE 82 II 338 Erw. 5) und vom Beschwerdeführer mit Recht nicht als willkürlich gerügt worden ist, durfte mit guten Gründen berücksichtigt werden, dass die in starker Entwicklung begriffene Gemeinde Birsfelden in den letzten Jahren grosse Aufgaben zu bewältigen hatte und dadurch finanziell sehr stark belastet wurde.
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Im übrigen vertreten die kantonalen Instanzen den Standpunkt, das gesamte enteignete Areal (Parzellen Nr. 97, 106, 108 und 754) müsse bei der Würdigung der im Hinblick auf die Erreichung des bei der Expropriation massgeblichen Zweckes bereits ausgeführten und noch auszuführenden Arbeiten als eine Einheit aufgefasst werden; es gehe nicht an, das, was seit der Enteignung mit den vom Beschwerdeführer zurückverlangten Parzellen Nr. 106 und 108 geschehen sei, isoliert zu betrachten. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Betrachtungsweise selber nicht als willkürlich, sondern lediglich als irrtümlich. Willkür liegt auch offensichtlich nicht vor, denn die vier genannten Parzellen grenzen aneinander, lassen sich so zwangslos als eine Einheit auffassen und bildeten Gegenstand ein und derselben Expropriation, die im Hinblick auf die Errichtung der gleichen, als im öffentlichen Interesse liegend bezeichneten Werke bewilligt wurde (Schulhausbauten, Ausbau des Schulturnplatzes, Anlegen eines Dorfzentrums mit Dorfplatz, Grünfläche, Parkplatz, Brunnen und Tramwartehalle mit Bedürfnisanstalt). Von einer Ermessensüberschreitung kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden, wenn die kantonalen Instanzen mit der Begründung, die Verwirklichung des gesamten Projektes müsse aus finanziellen und technischen Gründen, sowie im Interesse der Konjunkturdämpfung etappenweise und der Dringlichkeit der einzelnen Arbeiten entsprechend erfolgen, angenommen haben, es sei nicht möglich gewesen, die ganze enteignete Fläche im Ausmasse von 17'496 m2 innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Jahren definitiv zu überbauen und gemäss dem mit der Enteignung verfolgten Zweck zu verwenden.
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Der Beschwerdeführer lässt vorbringen, Verwaltungsgericht und Regierungsrat hätten in willkürlicher Weise unbeachtet gelassen, dass die Gemeinde Birsfelden dadurch einen Fehler begangen habe, dass sie den Beginn der Vorarbeiten für die Dorfkerngestaltung bis Februar 1960 hinausgezögert und nachher diese Arbeiten nicht hinlänglich gefördert habe. Weil jedoch - wie der Beschwerdeführer anscheinend anerkennt - im fraglichen Zeitraum die finanziellen Mittel der Gemeinde bereits durch die Errichtung von Schulhausbauten stark beansprucht waren, lässt sich die Auffassung, das zögernde Vorgehen bei der Ausarbeitung der Pläne für die Dorfkerngestaltung sei kein Fehler gewesen, nicht als willkürlich bezeichnen: Tatsache ist, dass es nicht empfehlenswert, auf jeden Fall aber nicht von grossem Nutzen ist, Pläne für Objekte ausarbeiten zu lassen, die beispielsweise aus finanziellen Gründen noch lange nicht verwirklicht werden können.
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Gestützt auf diese Erwägungen erweist sich in Ansehung der Zurückhaltung, mit welcher das Bundesgericht allgemein derartige sich zur Hauptsache aus der Würdigung tatsächlicher Verhältnisse ergebende Fragen überprüft, die Beschwerde auch in diesem Punkte als unbegründet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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