BGE 89 I 285
 
44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. August 1963 in Sachen Bodmer gegen Zürich, Justizdirektion.
 
Regeste
Handelsregister, Genossenschaft.
 
Sachverhalt
Aus dem Tatbestand:
Am 12. Februar 1960 wurde im Handelsregister des Kantons Zürich eine Genossenschaft mit persönlicher Haftung der Mitglieder eingetragen. Diese Genossenschaft wurde am 20. Juli 1962 infolge Konkurseröffnung gelöscht.
Nach dem ursprünglichen Eintrag gehörte der Genossenschafter Bodmer dem Vorstand an. Am 12. April 1960 stellte die Genossenschaft dem Handelsregisteramt das Protokoll der Generalversammlung vom gleichen Tage zu, worin davon Vormerk genommen war, dass Bodmer als Vorstandsmitglied und als Genossenschafter ausscheide. Unter Hinweis auf dieses Protokoll ersuchte die Genossenschaft das Amt, "die Veränderung der Verwaltung in Ihren Büchern vorzunehmen und die Publikation zu veranlassen". Das Handelsregisteramt trug nach verschiedenen Rückfragen bei der Genossenschaft am 15. August 1960 das Ausscheiden Bodmers aus dem Vorstand ein. In der vom Amt geführten Mitgliederliste der Genossenschaft wurde Bodmer dagegen nicht gestrichen.
Am 25. August 1961 reichte die Genossenschaft eine vom 12. April 1960 datierte Anmeldung ein, mit der um die Streichung Bodmers in der Mitgliederliste ersucht wurde, da er am 14. April 1960 aus der Genossenschaft ausgeschieden sei. Dieses Begehren wurde vom Handelsregisteramt am 28. August 1961 vollzogen.
Am 27. Februar 1963 ersuchte Bodmer das Amt, ihn in der Mitgliederliste "per 14. April 1960" zu streichen, da aus dem seinerzeit eingereichten Protokoll über die Generalversammlung vom 12. April 1960 klar hervorgehe, dass er damals auch als Genossenschafter ausgeschieden sei.
Das Handelsregisteramt und die zürcherische Justizdirektion wiesen dieses Begehren ab Die hiegegen erhobene verwaltungsgerichtliche Beschwerde wird vom Bundesgericht abgewiesen.
 
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 833 Ziff. 5 und Art. 869 Abs. 1 OR kann eine Genossenschaft in den Statuten bestimmen, dass für ihre Verbindlichkeiten nach dem Genossenschaftsvermögen auch die Genossenschafter persönlich haften. Macht eine Genossenschaft von dieser Möglichkeit Gebrauch, so hat das Handelsregisteramt über sie eine Mitgliederliste zu führen. Es hat diese Liste auf Grund eines ihm von der Genossenschaft einzureichenden Genossenschafterverzeichnisses anzulegen und auf Grund der Anmeldungen nachzuführen, die ihm von der Genossenschaft über Änderungen im Mitgliederbestand eingereicht werden (Art. 835 Abs. 5, 836 Abs. 3 OR; Art. 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 HRV).
Die Verwaltung der Genossenschaft ist verpflichtet, jeden Eintritt oder Austritt eines Genossenschafters innert drei Monaten beim Handelsregister anzumelden (Art. 877 Abs. 1 und Art. 902 Abs. 3 OR).
Scheidet ein Genossenschafter aus, so dauert gemäss Art. 876 Abs. 1 OR seine Haftung für die vor seinem Ausscheiden entstandenen Verbindlichkeiten der Genossenschaft fort, sofern diese innerhalb eines Jahres oder einer statutarisch festgesetzten längeren Frist seit der Eintragung des Ausscheidens in der vom Handelsregisteramt geführten Mitgliederliste in Konkurs gerät. Das ausscheidende Mitglied und seine Erben sind jedoch nach Art. 877 Abs. 2 OR befugt, die Eintragung des Austrittes von sich aus vornehmen zu lassen.
3. Im vorliegendenFallbesteht nun kein Streit darüber, dass das Ausscheiden des Beschwerdeführers vom Handelsregisteramt am 28. August 1961 in das Mitgliederverzeichnis eingetragen worden ist. Das anerkennt auch der Beschwerdeführer. Er macht dem Handelsregisteramt ja gerade zum Vorwurf, sein Ausscheiden nicht schon am 14. April 1960 eingetragen zu haben, und verlangt mit seiner Beschwerde, es sei festzustellen, dass er im Mitgliederverzeichnis "per 14. April 1960 zu streichen" sei, bezw., das Handelsregisteramt sei anzuweisen, diese Streichung "statt per 28. August 1961 per 14. April 1960 einzutragen". Sein Beschwerdeantrag zielt also darauf ab, dass seine Streichung im Mitgliederverzeichnis als am 14. April 1960 erfolgt zu verurkunden sei. Diesem Begehren kann nicht entsprochen werden.
a) Wie bereits erwähnt, bestimmt Art. 876 Abs. 1 OR, dass die Haftung des persönlich haftenden Genossenschafters weiterdauert, sofern die Genossenschaft innert Jahresfrist seit der Eintragung seines Ausscheidens in das Handelsregister in Konkurs gerät. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist somit für den Beginn des Fristenlaufs nicht das tatsächlich erfolgte Ausscheiden, sondern dessen Eintragung im Handelsregister massgebend. Dementsprechend ist zwar in der Mitteilung, mit der die Verwaltung der Genossenschaft nach Art. 877 Abs. 1 OR dem Handelsregisteramt das Ausscheiden eines Mitglieds zu melden hat, das Datum dieses Ausscheidens anzugeben; in dem vom Handelsregister geführten Mitgliederverzeichnis dagegen ist lediglich der Tag der Eintragung zu verurkunden, während der Zeitpunkt des Ausscheidens nicht zu erwähnen ist (JAQUEROD/VON STEIGER, Eintragungsmuster für das Handelsregister, S. 378/9 und 376/7).
Der vom Handelsregisteramt vorgenommene Eintrag im Mitgliederverzeichnis ist zwar nicht konstitutiv (BGE 78 III 45). Er erzeugt jedoch, wie in der Vernehmlassung des EJPD zutreffend ausgeführt wird, die mit der Funktion des Handelsregisters verbundene Publizitätswirkung. Der Registereintrag wirkt sich auf das externe Verhältnis aus, d.h. auf die Beziehungen des eingetragenen Genossenschafters zu Dritten. Diese externe Publizitätswirkung des Registers besteht darin, dass der Dritte in positiver Hinsicht vermuten darf, alles im Register Eingetragene sei rechtsgültig (HIS, Art. 933 OR N. 18). Wenn Art.876 Abs. 1 OR den Beginn der für die zeitliche Haftungsbegrenzung des ausscheidenden Genossenschafters massgebenden Frist auf den Tag der Eintragung des Ausscheidens festsetzt, so liegt darin nichts anderes als ein Anwendungsfall von Art. 933 OR.
b) Knüpft das Gesetz aber, auf die Publizitätswirkung des Handelsregisters abstellend, den Beginn des Fristenlaufs gemäss Art. 876 Abs. 1 OR an die blosse Tatsache der vom Handelsregisteramt vorgenommenen Streichung des Genossenschafters im Mitgliederverzeichnis, so kann selbstverständlich eine diese Rechtsfolge zeitigende Tatsache nicht nachträglich einer Berichtigung unterworfen werden. Ein anderes Datum als dasjenige, unter welchem die Streichung tatsächlich vorgenommen wurde, wäre unwahr. Die Eintragungen im Handelsregister müssen jedoch wahr sein (Art. 38 HRV). Eine Rückdatierung auf den 14. April 1960, wie der Beschwerdeführer sie verlangt, würde eine Falschdatierung eines Verwaltungsaktes darstellen und einer Unwahrheit die mit dem Handelsregister verbundene Publizitätswirkung verleihen.
c) Mit Rücksicht auf das Interesse, das der ausscheidende Genossenschafter daran hat, seine allfällige Weiterhaftung auf die mögliche Mindestdauer zu beschränken, räumt ihm Art. 877 Abs. 2 OR das Recht ein, selber sein Ausscheiden beim Handelsregisteramt anzumelden; denn die Genossenschaftsverwaltung ist nicht verpflichtet, die ihr obliegende Meldung unverzüglich vorzunehmen, sondern es steht ihr hiefür nach Art. 877 Abs. 1 OR eine Frist von drei Monaten zu Gebote. Eine solche persönliche Anmeldung hat der Beschwerdeführer aber versäumt, und er kann diese Unterlassung nicht dadurch ungeschehen machen, dass er eine unrichtige Beurkundung im Mitgliederverzeichnis veranlassen will. Was er verlangt, wäre nicht die Berichtigung eines Verwaltungsaktes des Handelsregisteramtes, sondern eine Änderung des materiellen Inhalts von Art. 876 Abs. 1 OR.
4. Eine andere Frage ist die, ob das Handelsregisteramt auf Grund des Schreibens der Genossenschaft und des Generalversammlungsprotokolls vom 12. April 1960, die bei ihr am gleichen Tage einlangten, damals das Ausscheiden des Beschwerdeführers im Mitgliederverzeichnis hätte eintragen sollen, und welche Folgen das Unterbleiben dieser Eintragung hinsichtlich der Haftbarkeit des Handelsregisteramtes nach sich zieht. Dieser Frage ist ein grosser Teil der Ausführungen im angefochtenen Entscheid, in der Beschwerdeschrift und in den Vernehmlassungen der Vorinstanz und des EJPD gewidmet. Indessen ist diese Frage, wie offenbar auch das EJPD annimmt, für den Entscheid über die vorliegende Beschwerde belanglos; denn es kommt hier nicht darauf an, warum damals eine Eintragung unterblieb, sondern massgebend ist allein, dass sie damals unterlassen wurde und erst am 28. August 1961 erfolgte.