37. Auszug aus dem Urteil vom 28. Oktober 1964 i.S. X. gegen Obergericht des Kantons Aargau.
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Regeste
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Art. 88 OG.
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Sachverhalt
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Das Obergericht des Kantons Aargau hat Fürsprecher X. in einem gegen den von ihm verteidigten Angeklagten Y. ergangenen Urteil vom 26. Mai 1964 eine Ordnungsbusse von Fr. 80.- auferlegt. Das schriftlich begründete Urteil, das sich in den Erwägungen auch über die Ordnungsbusse ausspricht, wurde Fürsprecher X. am 9. Juli 1964 zugestellt. Dem Urteil lag ein Einzahlungsschein der Obergerichtskasse bei mit der Aufforderung, die Ordnungsbusse innert zehn Tagen einzuzahlen. Fürsprecher X. zahlte den Betrag am 14. Juli 1964 ein, ohne einen Vorbehalt anzubringen.
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Fürsprecher X. hat am 5. August 1964 gegen die Auferlegung der Ordnungsbusse staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und Art. 5 Üb. Best. BV erhoben. Das Bundesgericht ist nach Einholung der Vernehmlassung des Obergerichts und einer Replik des Beschwerdeführers auf die Beschwerde nicht eingetreten.
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Aus den Erwägungen:
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Laut Art. 88 OG kommt das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und Korporationen "bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben". Abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen (vgl. BGE 87 I 245 mit Verweisungen) setzt diese Bestimmung voraus, dass die Rechtsverletzung zur Zeit der Beschwerdeerhebung noch andauere (Aktualität der Verletzung) und dass ein praktisches Interesse an der Beschwerdeführung bestehe. Das aktuelle Interesse fehlt nach der Rechtsprechung insbesondere, wenn der angefochtene Hoheitsakt bereits vollstreckt ist (nicht veröffentlichtes Urteil vom 29. März 1962 i.S. Ring, Erw. 4), oder wenn der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung anerkannt hat. Eine Anerkennung liegt namentlich in der vorbehaltlosen Erfüllung des angefochtenen Urteils, sofern der Beschwerdeführer dabei nicht unter Zwang oder in entschuldbarem Irrtum handelt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 20. Dezember 1961 i.S. Kistler und Zahner, Erw. 2; BIRCHMEIER, Handbuch, S. 376 Ziff. 4 b mit Verweisungen).
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Der Beschwerdeführer zahlte die ihm auferlegte Ordnungsbusse in Kenntnis der Begründung am 14. Juli 1964 vorbehaltlos. Er stand dabei im Gegensatz zu dem in BGE 53 I 354 beurteilten Fall nicht unter Zwang. Die Obergerichtskasse hatte ihn "ersucht", den Betrag innert zehn Tagen einzuzahlen. Falls der Beschwerdeführer die Ordnungsbusse für ungerechtfertigt hielt und er sie mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten gedachte, so konnte er diese Zahlungsaufforderung unbeachtet lassen, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen. Es konnte vom rechtskundigen Beschwerdeführer erwartet und verlangt werden, dass er die Ordnungsbusse nur unter einem entsprechenden Vorbehalt leiste, wenn er verhüten wollte, dass die Zahlung als Anerkennung der Busse aufgefasst werde. Wohl bemerkt der Beschwerdeführer in der Replik, die Zahlung unter Vorbehalt wäre ihm als "Queruliererei" ausgelegt worden, weil es sich um einen (kantonal) endgültigen Bussenentscheid gehandelt habe. Da dieser Einwand in der Beschwerdeschrift nicht erhoben worden ist und die nach Ablauf der Beschwerdefrist erstattete Replik keine neuen Vorbringen enthalten darf (BGE 36 I 533, BGE 66 I 15, BGE 81 I 102, BGE 85 I 44 Erw. 1 a.E.), kann er nicht gehört werden. Abgesehen davon geht er fehl, stellt doch der Hinweis auf die beabsichtigte Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde eine von jedermann hinzunehmende Begründung für die Anbringung eines Vorbehaltes dar.
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In BGE 53 I 354 wurde das Bestehen eines aktuellen Interesses an der Beschwerdeführung trotz Leistung der Busse damit begründet, dass die rechtlichen Wirkungen des Strafurteils mit dem Vollzug des Straf- und Kostendispositivs nicht abgeschlossen sind, sondern insofern weiterdauern, als die Bestrafung den Leumund beeinflusst und sie im Rückfalle strafschärfend ins Gewicht fällt. Das Bundesgericht hat diese Auswirkungen indessen nur berücksichtigen können, weil die Zahlung der Busse unter Zwang erfolgt war und sie darum keine Anerkennung des Urteils in sich schloss. Diese Voraussetzung trifft hier nach dem Gesagten nicht zu. Zwar kann auch eine Ordnungsbusse, wenn sie in weiteren Kreisen bekannt wird, dem Ruf eines Anwaltes abträglich sein und ihn bei späteren Disziplinarmassnahmen belasten. Diese Folge hat der Beschwerdeführer jedoch durch die weder unter Zwang noch unter Vorbehalt erfolgte Zahlung der Busse in Kauf genommen. Dass er die Busse aus einem entschuldbaren Irrtum entrichtet habe, behauptet er nicht. Gemäss der Rechtsprechung fehlt ihm mithin die Befugnis zur Erhebung der Beschwerde, weshalb nicht darauf einzutreten ist.
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