34. Urteil vom 7. Juli 1965 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden.
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Regeste
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Art. 2 Ueb. Best. BV; Art. 321 StGB; Art. 4 BV.
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2. Bevor die Aufsichtsbehörde einen Anwalt vom Berufsgeheimnis entbindet, hat sie ihn anzuhören.
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3. Darf der Anwalt verpflichtet werden, als Zeuge über die Mitteilungen auszusagen, welche ein Klient ihm im Rahmen des Anwaltsverhältnisses machte, sofern der Klient selber das Zeugnis über die betreffenden Tatsachen verweigern kann?
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Sachverhalt
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A.- Die damals noch nicht 15 Jahre alte Maria B. gebar am 28. Juli 1963 ein Kind, als dessen Vater sie Rudolf K. bezeichnete. Die Vormundschaftsbehörde beauftragte Rechtsanwalt Dr. X. in Chur, gegen K. Vaterschaftsklage zu erheben. Die Blutgruppenuntersuchung ergab, dass K. als Vater des Kindes auszuschliessen ist. Auf Vorhalt dieser Feststellung erklärte Maria B., sie habe noch mit zwei andern Männern geschlechtlich verkehrt, wolle aber deren Namen nicht bekanntgeben. In der Folge wurde ein Brief der Maria B. an ihre Mutter beschlagnahmt, worin sie angibt, auch mit ihren beiden Brüdern geschlechtlich verkehrt zu haben, und weiter ausführt: "Herr Dr. X. sagte, das von den Brüdern dürfen wir nicht ausplaudern, sondern als Geheimnis behalten, auch dem Staatsanwalt sagen wir nichts, das behalten wir als Geheimnis". Die Brüder Erwin und Paul B. bestritten in der gegen sie eingeleiteten Strafuntersuchung, sich an ihrer Schwester geschlechtlich vergangen zu haben. Maria B. und ihr Anwalt Dr. X. verweigerten in der Untersuchung auf Grund von Art. 90 der Bündner StPO die Ablegung des Zeugnisses darüber, ob sie mit ihren Brüdern geschlechtlich verkehrt habe, bzw. ob sie ihrem Anwalt Angaben darüber gemacht habe.
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B.- Die Abs. 1-3 des Art. 90 StPO lauten:
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Die Bluts-, Adoptiv- und Stiefverwandten des Angeschuldigten in auf- und absteigender Linie, sein Ehegatte oder sein Verlobter, seine Seitenverwandten im elterlichen und grosselterlichen Stamm mit Einschluss ihrer Ehegatten können das Zeugnis verweigern.
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Der Zeuge kann die Beantwortung von Fragen verweigern, die ihn selbst oder einen Verwandten im Sinne des vorstehenden Absatzes der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.
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Geistliche, Ärzte, Anwälte und Notare können die Mitteilung von Tatsachen verweigern, die ihnen in ihrer Amts- oder Berufsstellung anvertraut worden sind. Steht ein Verbrechen in Frage, so entscheidet auf Ansuchen des Staatsanwalts der Kantonsgerichtsausschuss in Würdigung aller Verhältnisse, ob Ärzte, Anwälte und Notare Zeugnis abzulegen haben.
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Gestützt auf Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO ersuchte die Staatsanwaltschaft am 12. März 1965 den Kantonsgerichtsausschuss, Dr. X. vom Anwaltsgeheimnis zu entbinden und ihn zu verpflichten, Zeugnis abzulegen. Der Kantonsgerichtsausschuss hat diesem Gesuch am 16. März 1965 entsprochen, Rechtsanwalt Dr. X. von der Schweigepflicht entbunden und ihn verhalten, über alles auszusagen, was ihm in der Sache anvertraut worden sei. In der Begründung wird ausgeführt, es stehe die Abklärung eines Verbrechens im Sinne von Art. 191 oder 213 StGB in Frage und es liege im öffentlichen Interesse, dass solch schwere Delikte nicht ungesühnt blieben.
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C.- Rechtsanwalt Dr. X. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und Art. 2 Ueb. Best. BV mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben.
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D.- Der Kantonsgerichtsausschuss und die Staatsanwaltschaft schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1. In den Erwägungen des angefochtenen Entscheids wird einleitend ausgeführt, laut Art. 90 Abs. 3 (Satz 1) StPO "könne" ein Anwalt die Mitteilung von Tatsachen verweigern, die ihm in seiner Berufsstellung anvertraut worden sind. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, "die Anwälte können nicht die Mitteilung verweigern, sie müssen es kraft Bundesgesetz (vgl. Art. 321 StGB)". Damit wird eine Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und mithin des Art. 2 Ueb. Best. BV geltend gemacht. Soweit die Bundesrechtswidrigkeit eines Entscheids in der Verletzung eidgenössischer strafrechtlicher Bestimmungen (wie hier des Art. 321 StGB) liegen soll, kann dieser Mangel im allgemeinen mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts im Sinne von Art. 268 ff. BStP gerügt werden; die staatsrechtliche Beschwerde, die nur beim Fehlen eines andern Rechtsmittels an das Bundesgericht oder an eine andere Bundesbehörde zulässig ist (Art. 84 Abs. 2 OG), steht hierfür insoweit nicht offen. Im vorliegenden Fall trifft das indes nicht zu, da die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen Urteile, Straferkenntnisse und Einstellungsbeschlüsse gegeben ist (Art. 268 BStP), nicht aber gegen einen Akt der richterlichen Prozessleitung von der Art des hier angefochtenen Zwischenentscheids, und da die Nichtigkeitsbeschwerde wohl vom Angeklagten und vom öffentlichen Ankläger, unter bestimmten Voraussetzungen zudem vom Privatstrafkläger und vom Antragsteller geführt werden kann (Art. 270 BStP), nicht dagegen vom Zeugen. Auf den in der staatsrechtlichen Beschwerde erhobenen Vorwurf der Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts durch Verletzung des Art. 321 StGB ist daher einzutreten.
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Der Beschwerdeführer hält dafür, der Kantonsgerichtsausschuss habe aus Art. 90 Abs. 3 Satz 1 StPO gefolgert, es sei ins Ermessen des Anwalts gestellt, ob er die Mitteilung von Tatsachen verweigern wolle, die ihm in seiner Berufsstellung anvertraut worden sind; nach Art. 321 StGB aber müsse der Anwalt über solche Punkte sich ausschweigen. Dieser Vorwurf stösst ins Leere. Der Kantonsgerichtsausschuss hat wohl in seinen Erwägungen den Wortlaut von Art. 90 Abs. 3 Satz 1 StPO aufgenommen; er hat jedoch seinen Entscheid auf Art. 90 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützt. Danach entscheidet der Kantonsgerichtsausschuss, wenn ein Verbrechen in Frage steht, auf Antrag des Staatsanwalts in Würdigung aller Verhältnisse, ob Ärzte, Anwälte und Notare Zeugnis abzulegen haben. Diese Vorschrift widerspricht als solche Art. 321 StGB nicht, da dessen Ziff. 3 ausdrücklich "die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde" vorbehält. Ob dieser Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts durch andere bundesrechtliche Vorschriften, so namentlich durch Art. 27 ZGB und durch Art. 4 BV, eingeschränkt werde, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen, da der Beschwerdeführer die Bundesrechtswidrigkeit des in Anwendung von Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO ergangenen Entscheids einzig im Verstoss gegen Art. 321 StGB erblickt. Dieser Einwand aber geht nach dem Gesagten fehl.
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Gemäss Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO entscheidet der Kantonsgerichtsausschuss, wenn ein Verbrechen in Frage steht, "in Würdigung aller Verhältnisse" darüber, ob der Arzt, Anwalt oder Notar über Tatsachen, die ihm in seiner Amts- oder Berufsstellung anvertraut worden sind, Zeugnis abzulegen habe. Um "alle Verhältnisse" zu würdigen, muss der Kantonsgerichtsausschuss den Gründen, die für, und jenen, die gegen die Zeugnisablegung sprechen, in gleicher Weise Beachtung schenken: er muss die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände gegeneinander abwägen und darüber befinden, ob im betreffenden Falle das Interesse an der Erforschung der Wahrheit im Strafprozess oder das Interesse an der Aufrechterhaltung des Amts- oder Berufsgeheimnisses des Arztes, Anwalts oder Notars den Vorrang verdiene. Um sich zu versichern, dass ihm alle für diese Abwägung wesentlichen Umstände zur Kenntnis kommen, muss der Kantonsgerichtsausschuss beide Seiten anhören: den antragstellenden Staatsanwalt, der über die Erforschung der Wahrheit im Strafprozess wacht, wie den betroffenen Geheimnisträger, der in der Lage ist, die Gründe vorzubringen, die gegen die Aufhebung der Geheimhaltungspflicht sprechen. Es liesse sich daher folgern, der Kantonsgerichtsausschuss sei schon auf Grund des Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Anhörung des Geheimnisträgers verpflichtet.
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Die Frage kann jedoch offen bleiben, da diese Pflicht sich jedenfalls aus den unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs (vgl. BGE 87 I 339 mit Verweisungen, BGE 89 I 356 Erw. 2) ergibt. Die Aufhebung der Geheimhaltungspflicht des Arztes, Anwalts oder Notars bedeutet einen Eingriff in die Geheimsphäre, also in höchstpersönliche Rechte (BLASS, Die Berufsgeheimhaltungspflicht der Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte, S. 71 ff.; SCHAFFNER, L'autorisation de révéler un secret professionnel S. 20, 21, 64; SIEBEN, Das Berufsgeheimnis auf Grund des eidgenössischen Strafgesetzbuches, S. 45). Wenn ein solcher Eingriff in Frage steht, muss der Betroffene oder sein Vertreter in allen Verfahrensarten - in einem Inzidenzverfahren im Strafprozess so gut wie im Verwaltungsverfahren (BGE 87 I 339 mit Verweisungen) - angehört werden.
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Die Einwendungen, die der Kantonsgerichtsausschuss in der Vernehmlassung dagegen erhebt, sind unbehelflich. Die kantonale Instanz übersieht, dass der Anwalt seinen Standpunkt gegenüber dem Offenbarungsgesuch der Staatsanwaltschaft vertreten kann, ohne die Mitteilungen preisgeben zu müssen, die ihm sein Klient anvertraut hat. Die Anhörung des Anwalts steht damit nicht im Widerspruch zu seiner Geheimhaltungspflicht; sie setzt denn auch nicht voraus, dass der Klient den Anwalt zuvor vom Berufsgeheimnis entbunden habe. Unverständlich ist auch, inwiefern die Anhörung des Beschwerdeführers die Gefahr schaffe, dass die angeschuldigten Brüder B. die Spuren der Tat verwischen könnten. Bevor die Staatsanwaltschaft am 12. März 1965 ihr Offenbarungsgesuch stellte, waren sowohl die beiden Brüder als auch deren Schwester Katharina und deren Mutter zur Sache verhört worden. Die Beteiligten waren somit im Bilde, was die Untersuchungsbehörde feststellen wolle. Es ist nicht einzusehen, inwiefern die Einholung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers eine Kollusionsgefahr geschaffen oder erhöht hätte.
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Hat der Kantonsgerichtsausschuss dem Beschwerdeführer entgegen Art. 4 BV keine Gelegenheit zur Beantwortung des Gesuches der Staatsanwaltschaft eingeräumt, so hat er ihm das rechtliche Gehör verweigert. Der angefochtene Entscheid ist schon wegen dieses formellen Mangels aufzuheben.
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3. Der Entscheid hält aber auch in materieller Hinsicht nicht vor Art. 4 BV stand. Der Kantonsgerichtsausschuss hat die Zeugnispflicht des Beschwerdeführers kurzerhand damit begründet, es gehe um die Abklärung eines Verbrechens im Sinne von Art. 191 oder 213 StGB und es liege im öffentlichen Interesse, dass solch schwere Delikte nicht ungesühnt blieben. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, der Verdacht, dass ein schweres Verbrechen begangen worden sei, genüge, um den Anwalt von der Schweigepflicht zu entbinden und ihn zur Zeugnisablegung zu verhalten. Diese einseitige Betrachtungsweise ist mit dem Wortlaut und dem Sinn von Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO schlechthin unvereinbar. Wenn der Kantonsgerichtsausschuss seinen Entscheid gemäss dieser Vorschrift "in Würdigung aller Verhältnisse" zu treffen hat, so heisst das nach dem in Erw. 2 Gesagten, dass er die Gründe, die für die Wahrung des Anwaltsgeheimnisses eintreten, mit eben solcher Sorgfalt zu prüfen hat wie jene, die für dessen Aufhebung sprechen. Bei der Abwägung der einen und der anderen Interessen hat er sich an die im Gesetze selbst aufgestellten Masstäbe zu halten.
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Um den Anforderungen des Art. 90 Abs. 3 Satz 2 StPO zu entsprechen, hätte der Kantonsgerichtsausschuss sich deshalb nicht damit begnügen dürfen, auf die Bedürfnisse der Wahrheitserforschung im Strafprozess abzustellen; er hätte sich auch mit den Interessen befassen müssen, die auf Seiten des Beschwerdeführers und seiner Klientin auf dem Spiele stehen. In dieser Hinsicht fällt in Betracht, dass der Anwalt zur richtigen Ausübung seines Berufs und zur Erfüllung der Aufgaben, die ihm das Prozessrecht im Rechtsstaate zuerkennt, auf das unbedingte Vertrauen seines Klienten zählen können muss. Das aber setzt voraus, dass der Klient seinerseits voll auf die Verschwiegenheit des Anwalts vertrauen darf. Wenn der Klient sich ihm nicht rückhaltlos anvertraut und ihm nicht Einblick in alle erheblichen Verhältnisse gewährt, so ist es für den Anwalt schwer, ja oft unmöglich, den Klienten richtig zu beraten und ihn im Prozess wirksam zu vertreten (VON RECHENBERG, Die Aufgabe des Strafverteidigers, ZStR 81 S. 230; vgl. fernerBGE 75 IV 74mit Bezug auf die verwandte Frage des ärztlichen Geheimnisses). Die zwischen dem Anwalt und seinem Klienten bestehende Geheimnissphäre geniesst den Schutz der Persönlichkeitsrechte im Sinne von Art. 27 ZGB (oben Erw. 2 mit Zitaten). Sie darf nur ganz ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn es zur Wahrung höherer Interessen unumgänglich ist (vgl.BGE 44 II 326,BGE 45 II 545; GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 617 A. 35 c).
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Unter den obwaltenden Umständen fällt zudem in Betracht, dass Art. 90 Abs. 1 und 2 StPO der Klientin des Beschwerdeführers das Recht einräumt, das Zeugnis darüber zu verweigern, ob ihre Brüder sich geschlechtlich an ihr vergangen haben. Sie hat von diesem Recht Gebrauch gemacht. Würde der Beschwerdeführer gezwungen, als Zeuge darüber auszusagen, was seine Klientin ihm über diesen Sachverhalt anvertraut hat, dann liefe das auf eine Umgehung ihres Zeugnisverweigerungsrechts hinaus, indem das, was sie ihrem Anwalt im Vaterschaftsprozess im Vertrauen auf dessen Verschiegenheit offenbart hat und was sie als Zeugin im Strafverfahren nicht preisgeben wollte, nun durch den Mund des Anwalts den Untersuchungsbehörden zur Kenntnis gebracht werden müsste. Darüber hinaus sähe sich die Klientin in ihrem Vertrauen auf die Schweigepflicht des Anwalts zutiefst getäuscht. Nicht minder schwer wären die allgemeinen Auswirkungen eines solchen Entscheids: Würde der Anwalt gezwungen, selbst jene ihm anvertrauten Tatsachen preiszugeben, mit Bezug auf welche dem Klienten ein uneingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, dann könnte der Anwalt nicht mehr auf das für ihn notwendige Vertrauen der Klienten zählen. Die Erfüllung der Aufgaben des Anwaltes im Dienste der Rechtspflege wäre damit in Frage gestellt. Die Erschwerung der Wahrheitserforschung im Strafprozess, welche die Aufrechterhaltung des Anwaltsgeheimnisses mit sich bringt, muss demgegenüber unter den obwaltenden Umständen als das kleinere Übel in Kauf genommen werden. Von einem eigentlichen Beweisnotstand kann angesichts der Aktenlage ohnehin nicht gesprochen werden.
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Indem der Kantonsgerichtsausschuss diese Verhältnisse überging und sich bei der ihm nach Art. 90 Abs. 3 Satz 2 obliegenden Interessenabwägung über einen in Abs. 1 und 2 der nämlichen Bestimmung enthaltenen Grundsatz hinwegsetzte, hat er einen Widerspruch in das Gesetz hineingetragen und schwer gegen dessen Sinn und Geist verstossen. Sein Entscheid ist deshalb nicht nur unrichtig, sondern darüber hinaus willkürlich. Der Vorwurf der Verletzung des Art. 4 BV ist damit auch in materieller Hinsicht begründet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Beschluss des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 16. März 1965 wird aufgehoben.
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