64. Auszug aus dem Urteil
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vom 27. Oktober 1965
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i.S. Guhl gegen Meliorationsgenossenschaft Wehntal und Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich.
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Regeste
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Art. 58 Abs. 1 BV gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit, nur von dem zuständigen Richter Recht nehmen zu müssen, und gibt ihm Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts, insbesondere hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit des urteilenden Gerichts.
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Sachverhalt
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Im Wehntal findet eine Güterzusammenlegung statt. Die Eigentümer von Grundstücken im Zusammenlegungsgebiet bilden die Meliorationsgenossenschaft Wehntal, eine öffentlichrechtliche Körperschaft des kantonalen Rechts. Organe der Genossenschaft sind die Grundeigentümerversammlung, der Vorstand (Ausführungskommission) und die Rechnungsrevisoren. Auf Grund der Statuten der Genossenschaft vom 21. Dezember 1956 ernannte die Grundeigentümerversammlung einen Ausschuss von 21 Mitgliedern (Bonitierungskommission), dem die Schätzung der eingeworfenen Grundstücke oblag. Obmann dieser Kommission war Landwirtschaftslehrer Peter in Bülach. Dieser ist nunmehr auch Mitglied des durch das zürcherische Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 22. September 1963 geschaffenen kantonalen Landwirtschaftsgerichts, das über Einsprachen gegen die Einbeziehung von Grundstücken in die Güterzusammenlegung, die Schätzung des eingeworfenen Landes, die Neuzuteilung u. dgl. zu entscheiden hat.
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Lyn Guhl ist Eigentümerin von Grundstücken im Zusammenlegungsgebiet. Sie focht die Schätzung ihres Landes durch die Bonitierungskommission nicht an, erhob aber in der Folge gegen den Neuzuteilungsbeschluss der Ausführungskommission Einsprache. Das Landwirtschaftsgericht hat die Einsprache auf Klage der Ausführungskommission hin am 15. Mai 1965 abgewiesen und den Neuzuteilungsbeschluss bestätigt. Lyn Guhl führte hiergegen staatsrechtliche Beschwerde, wobei sie sich namentlich über eine Verletzung des Art. 58 BV beklagte. Das Bundesgericht hat diese Einwendung abgewiesen.
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Auszug aus den Erwägungen:
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Aus den Erwägungen:
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Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, Landwirtschaftslehrer Peter habe als Obmann der Bonitierungskommission in einem früheren Abschnitt des Verfahrens an massgebender Stelle mitgewirkt. Er habe in der Sache als Sachverständiger gehandelt und habe zum Prozessgegner in einem Pflichtverhältnis gestanden, weshalb er gemäss § 113 Ziff. 3 und 6 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) als Mitglied des Landwirtschaftsgerichts ablehnbar gewesen sei. Infolge der unrichtigen Besetzung des Gerichts sei der Anspruch der Beschwerdeführerin, nur vom verfassungsmässigen Richter Recht nehmen zu müssen, missachtet und der Art. 58 Abs. 1 BV verletzt worden.
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a) Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des Art. 58 BV können erhoben werden, bevor von den kantonalen Rechtmitteln Gebrauch gemacht worden ist (Art. 86 Abs. 2 OG). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführerin ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung gestanden hätte, mit dem sie die behauptete unrichtige Besetzung des Landwirtschaftsgerichts hätte geltend machen können.
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b) Laut Art. 58 Abs. 1 BV darf niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen, und es dürfen keine Ausnahmegerichte eingeführt werden. Neben dem Verbot der Ausnahmegerichte schliesst die Garantie des verfassungsmässigen Richters nach der Rechtsprechung ein Doppeltes in sich: sie gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den bestehenden Verfassungsbestimmungen, Gesetzen und Verordnungen allgemein für die Streitsachen zuständig ist, zu denen der in Frage stehende Prozess gehört (BGE 83 I 85 Erw. 3, 86 I 331, 89 I 68), und sie gibt ihm Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts (BURCKHARDT, Komm. 3 Aufl., S. 532/33; FAVRE, Droit Constitutionnel Suisse, S. 398 Ziff. 3; GRAVEN, La Garantie du juge naturel et l'exclusion des tribunaux d'exception, in Festgabe zur Hundertjahrfeier der Bundesverfassung, S. 221). So hat das Bundesgericht in BGE 15 S. 728 Erw. 2 die Teilnahme von Richtern, deren Amtsdauer abgelaufen ist, als Verstoss gegen Art. 58 Abs. 1 BV bezeichnet. Es hat in BGE 33 I 146 Erw. 2 und 38 I 95 ff. eine Verletzung dieses Verfassungssatzes auch in der Mitwirkung eines Richters erblickt, der (wie beispielsweise ein Konkursverwalter in einem Prozess der Konkursmasse) nicht die nötige Gewähr für eine unabhängige Beurteilung der Streitsache bietet. Das Bundesgericht hat in den beiden letztgenannten Entscheiden aus Art. 58 Abs. 1 BV einen allgemeinen Anspruch des Rechtsuchenden auf richterliche Unabhängigkeit abgeleitet, der weiter geht als der aus Art. 61 BV fliessende Schutz vor einseitiger Gerichtsbarkeit, der dem Einzelnen nur durch die Verweigerung (BGE 28 I 141, 50 I 8, 67 I 8, 76 I 128 b, 81 I 326) der Vollstreckung ausserkantonaler Schiedssprüche zuteil werden kann (vgl. BGE 57 I 205; 67 I 214; 72 I 88 Erw. 2; 76 I 92 Erw. 3, 128 b; 78 I 112 Erw. 3; 80 I 340 Erw. 3; 81 I 326; 84 I 46 Erw. 5).
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Die Zuständigkeit des Gerichts, das sich mit der Sache des Beschwerdeführers befasst oder befasst hat, beurteilte das Bundesgericht zunächst frei (vgl. die Belege bei BURCKHARDT, a.a.O., S. 534); in seiner neueren Rechtsprechung prüft es die Auslegung und Anwendung der kantonalen Gesetze und Verordnungen, aus denen sich die Zuständigkeit der Gerichte ergibt, dagegen nur noch unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung (BGE 35 I 300, 346, 525, 532; 39 I 84; 50 I 51 Erw. 3; 54 I 381 sowie zahlreiche spätere nicht veröffentlichte Urteile). Über die richtige Besetzung des Gerichts befand das Bundesgericht in BGE 15 S. 728 Erw. 2, 33 I 146 Erw. 2 sowie 38 I 96 ff. frei, wobei es neben dem kantonalen Recht auch Grundsätze heranzog, die es unmittelbar aus Art. 58 Abs. 1 BV ableitete. In der Folge sprach sich das Bundesgericht, soweit ersichtlich, nur noch auf Beschwerden wegen Verletzung der Art. 4 und 61 BV hin über die richtige Besetzung des Gerichts aus. Es hat deshalb nie untersucht, ob es bei der Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung des Art. 58 Abs. 1 BV seine Kognition in der Frage der richtigen Besetzung des Gerichts in gleicher Weise einzuschränken habe, wie es das in seiner neueren Rechtsprechung mit Bezug auf die Zuständigkeit getan hat. Zwingend ist diese Folgerung nicht, da die Verhältnisse, nach denen der Umfang der Kognition sich richtet, in den beiden Fällen nicht die selben sind.
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Wirft eine Beschwerde wegen Verletzung des Art. 58 Abs. 1 BV die Zuständigkeitsfrage auf, so geht es in der Regel um die sachliche Zuständigkeit, in deren Umschreibung die Kantone frei sind. Das Bundesgericht hat demnach nur über die Auslegung und Anwendung der kantonalen Bestimmungen über den Aufgabenkreis der Behörden zu befinden; soweit es sich um kantonales Recht der Gesetzes- und Verordnungsstufe handelt, beschränkt es sich nach allgemeinen Grundsätzen auf eine Prüfung unter dem Gesichtswinkel der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung. Die Frage der richtigen Besetzung des Gerichts ist demgegenüber nicht nur eine solche des kantonalen Rechts (das die Zahl der Gerichtsmitglieder, die Amtsdauer der Richter, die Ausschliessungs- und Ablehnungsgründe regelt), sondern auch des Bundesrechts, das vorgängig den kantonalen Ausstandsbestimmungen dem Einzelnen die unabhängige Beurteilung seiner Streitsache gewährleistet (vgl. BGE 33 I 146 Erw. 2, 38 I 95, wo dieser Anspruch aus Art. 58 Abs. 1 BV, und BGE 73 I 188 Erw. 2, wo er aus Art. 4 BV abgeleitet wird). Die Handhabung der die Besetzung des Gerichts betreffenden kantonalen Bestimmungen hat das Bundesgericht nach dem Gesagten nur auf das Vorliegen von Willkür und rechtsungleicher Behandlung hin zu prüfen. Es fragt sich dagegen, ob es nicht gleich wie in seiner Rechtsprechung zum rechtlichen Gehör (BGE 85 I 207 Erw. 1, 87 I 106 Erw. 4, 339 a; 89 I 356) frei darüber befinden sollte, ob bei der als nicht willkürlich und nicht rechtsungleich erkannten Anwendung des kantonalen Rechts der bundesrechtliche Anspruch auf unabhängige Gerichtsbarkeit gewahrt sei. Auf diese Weise bliebe Art. 58 Abs. 1 BV eine gewisse Selbständigkeit gegenüber Art. 4 BV erhalten (vgl. GIACOMETTI, Schw. Bundesstaatsrecht, S. 867); es würde ausserdem der im Schrifttum (HUBER, ZBJV 85 S. 51; NEF, Unabhängige Schiedsgerichte, in Festschrift Fritzsche, S. 106 f.; PIAGET, Les juridictions instituées par les associations économiques, ZSR 71 S. 341 a) beanstandete Gegensatz behoben, der darin liegt, dass das Bundesgericht die Frage der Unabhängigkeit der Gerichte nur im Falle der Verweigerung der Vollstreckung ausserkantonaler Schiedssprüche frei prüft, in allen andern Fällen dagegen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür. Ob die Rechtsprechung im angegebenen Sinne fortzubilden sei, kann indessen unter den gegebenen Umständen (wie in BGE 81 I 327) dahingestellt bleiben, weil Art. 58 Abs. 1 BV sowohl unter Zugrundelegung der einen wie der andern Betrachtungsweise nicht als verletzt erscheint.
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c) Die Beschwerdeführerin bezeichnet § 113 Ziff. 3 und Ziff. 6 GVG als verletzt. Nach diesen Bestimmungen kann ein Justizbeamter "abgelehnt" werden, wenn die darin genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet, dass der betreffende Justizbeamte nicht von Amtes wegen den Ausstand zu wahren hat, sondern nur, wenn eine Partei oder er selber es verlangt (HAUSER, Komm. 3 Aufl., N. 1 zu § 113 GVG). Die Beschwerdeführerin hat vor dem Landwirtschaftsgericht nicht den Ausstand des Richters Peter verlangt. Sie bestreitet in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht, dass ihrem Vertreter bekannt war, dass Peter in der Sache als Mitglied des Gerichtes amte, wendet jedoch ein, sie habe erst am 23. Juli 1965 - also nach Zustellung des Urteils vom 15. Mai 1965 - erfahren, dass Peter als Obmann der Bonitierungskommission von der Meliorationsgenossenschaft und nicht vom Kanton besoldet worden sei. Ob sie diese Kenntnis wirklich erst nach der Urteilsfällung erlangt habe und ob sich aus dem erwähnten Umstand ein Ablehnungsgrund ergebe, kann offen bleiben. Nach dem Wortlaut von § 119 GVG wirkt die Ablehnung erst von der Geltendmachung an. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die interessierte Partei bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die Umstände, worin sie einen Ablehnungsgrund erblickt, rechtzeitig hätte aufdecken und vorbringen können. Dies traf hier zu. Dass Peter Obmann der Bonitierungskommission gewesen war, ergab sich aus den Verzeichnissen, welche den Statuten der Genossenschaft beigeheftet sind. Die Statuten sehen in § 9 vor, dass die Kommissionsmitglieder (aus der Kasse der Genossenschaft) entschädigt werden. Diese Bestimmung dürfte zwar nur die Mitglieder der Ausführungskommission betreffen; die Annahme lag aber nahe, dass für die Mitglieder der Bonitierungskommission ein Gleiches gelte. Allfällige Zweifel hätten durch Erkundigung bei der Genossenschaft oder bei der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion sofort behoben werden können. Da dem Landwirtschaftsgericht kein Ausstandsbegehren unterbreitet worden war und eine nachträgliche Ablehnung aus den genannten Gründen von vornherein ausser Betracht fiel, war die Behörde nach Massgabe des kantonalen Rechts nicht unrichtig besetzt.
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Zum selben Ergebnis führt es, wenn die richtige Besetzung des Gerichts unter dem Gesichtswinkel der Gewährleistung einer unabhängigen Rechtsprechung betrachtet und als Frage des Bundesrechts frei geprüft wird. Landwirtschaftslehrer Peter hatte sich als Obmann der Bonitierungskommission über die Landschätzung, als Mitglied des Landwirtschaftsgerichts über den Neuzuteilungsentwurf auszusprechen. Die Landschätzung einerseits und die Aufstellung des Neuzuteilungsentwurfs andererseits sind nach zürcherischem Recht zwei Abschnitte des Güterzusammenlegungsverfahrens, die aufeinander folgen, aber klar auseinander gehalten werden (vgl. BGE 90 I 285 Erw. 5). Zwar bildet die Landschätzung eine der Grundlagen der Neuzuteilung; sie präjudiziert diese jedoch nicht; denn das Land, für das bei der Bonitierung ein Vergleichswert festgelegt wird, kann bei der Neuzuteilung auf die verschiedenste Weise zu neuen Betriebseinheiten zusammengefügt werden. Es kann darum nicht gesagt werden, Landwirtschaftslehrer Peter habe sich dadurch, dass er bei der Schätzung mitwirkte, bereits auf eine bestimmte Neuzuteilung festgelegt und er vermöge diese Frage nicht mit der gleichen Unvoreingenommenheit zu prüfen wie ein bisher dem Verfahren fernstehender Dritter. Richtig ist zwar, dass Peter sein Amt als Obmann der Bonitierungskommission im Dienste der Meliorationsgenossenschaft ausübte und dass er dafür von ihr besoldet wurde; er wurde indessen als "auswärts wohnender Sachverständiger" (vgl. § 31 der Statuten) gerade wegen seiner Unabhängigkeit gegenüber der Genossenschaft und deren Mitgliedern an diese Stelle berufen, war in seinen materiellen Entscheidungen nicht an Weisungen der Genossenschaft gebunden und hatte über Fragen zu befinden, die unmittelbar nur die Interessen der Mitglieder und nicht die der Genossenschaft als solcher berührten. Die Arbeit der Bonitierungskommission war zudem rund zwei Jahre, bevor Peter sich als Mitglied des Landwirtschaftgerichts mit der Neuzuteilung zu befassen hatte, abgeschlossen. Er stand damit in diesem Zeitpunkt in keiner Bindung zur Genossenschaft, die seine Eigenständigkeit und innere Freiheit (vgl. EICHENBERGER, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, S. 50 f.) in Frage gestellt hätte. Eine Verletzung des Art. 58 Abs. 1 BV ist mithin auch in dieser Sicht nicht dargetan. Ob die Beschwerdeführerin übrigens durch die Einlassung auf den Prozess auf die Anrufung dieser Verfassungsbestimmung verzichtet habe (BURCKHARDT, a.a.O., S. 536; vgl. auch BGE 84 I 61 c zu Art. 61 BV), braucht bei dieser Sachlage nicht entschieden zu werden.
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