64. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1969 i.S. N. gegen Vereinigte Staaten von Amerika, Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Regeste
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Staatsrechtliche Beschwerde. Die in Art. 87 OG enthaltene Beschränkung gilt nicht für Beschwerden, mit denen neben der Verletzung des Art. 4 BV noch andere Rügen erhoben werden (Erw. 1).
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Verhältnis des kantonalen Strafprozessrechts zum Bankgeheimnis
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- inbezug auf die Zeugenpflicht und die Pflicht zur Herausgabe von Akten (Erw. 2 b Abs. 1).
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- inbezug auf das Akteneinsichtsrecht des Geschädigten. Abwägung der sich einander entgegenstehenden Interessen. Bedeutung des Umstands, dass der Geschädigte ein ausländischer Staat ist. Tragweite von Art. 321 Ziff. 3 und Art. 273 Abs. 2 StGB (Erw. 2 b-d).
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Sachverhalt
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A.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich führt auf eine Anzeige des Justizdepartements der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) vom 15. August 1968 hin zwei Strafuntersuchungen gegen X., leitenden Angestellten der Bank Y. in Zürich, gegen N., Rechtsanwalt und Geschäftsmann in Washington, und gegen die verantwortlichen Personen einer angeblich existierenden und von N. beherrschten ausländischen Firma. Den Beschuldigten werden Urkundenfälschungen, Gehilfenschaft zu Betrug, Anstiftung zu Urkundenfälschungen und Hehlerei zur Last gelegt. Es wird ihnen zur Hauptsache vorgeworfen, in Zürich fiktive Warenrechnungen über US $ 3 170 000 erstellt, nach Washington geleitet und dort für Betrügereien gegenüber Bundesregierungsstellen verwendet zu haben. Durch diese gefälschten Belege und weitere Machenschaften soll es N. und seinen Mitbeteiligten in den USA zudem möglich gewesen sein, die von Regierungsstellen ertrogenen Geldbeträge von mehreren Millionen Dollars ausser Landes zu schaffen, und zwar so, dass die vorgetäuschten Warenlieferungen mit Barchecks an die Bank Y. in Zürich zum Schein bezahlt, die Werte der Checks von X. gemäss den Anweisungen von N. auf einem von diesem bei der Bank beherrschten Konto angelegt und in der Folge von ihm wieder abgezogen worden sein sollen. Weiter wird X. und N. vorgeworfen, in der Schweiz mehrere rückdatierte und unwahre Zahlungsaufträge erstellt zu haben, um für das in Amerika gegen N. und weitere Beteiligte hängige Strafverfahren über die Verwendung der der Bank Y. überwiesenen Gelder Belege zu schaffen. Ausserdem sollen durch weitere Vorkehren fingierte Zahlungen an verschiedene Firmen in der Schweiz und im Ausland vorgetäuscht worden sein, wobei X. hiefür an N. mehrere inhaltlich unzutreffende Bestätigungen über erfolgte Zahlungen ausgestellt haben soll.
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Die bei der Bezirksanwaltschaft Zürich geführten Strafuntersuchungen stehen in engem Zusammenhang mit einem umfangreichen Betrugsstrafverfahren, welches die amerikanischen Justizbehörden gegen verschiedene in den USA domizilierte Personen führen, darunter gegen den bereits genannten Rechtsanwalt N. In der amerikanischen Untersuchung wurde, wie sich aus einer Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 24. Januar 1969 ergibt, festgestellt, dass durch betrügerische Manipulationen mit fingierten Warenrechnungen die amerikanische Regierung um mehrere Millionen Dollars betrogen wurde oder noch hätte betrogen werden sollen.
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B.- Der die Strafuntersuchung führende zürcherische Bezirksanwalt ordnete an, dass im Büro des X. in den Räumen der Bank Y. verschiedene Dokumente durchsucht und zu den Untersuchungsakten genommen wurden. Die USA stellten das Gesuch, es sei ihnen Einsicht in die Strafakten zu gewähren. Nachdem das amerikanische Justizdepartement die Erklärung abgegeben hatte, dass der zur Kenntnis zu nehmende Akteninhalt nicht zu fiskalischen Zwecken verwendet werde, erliess der Bezirksanwalt am 10. Juli 1969 eine Verfügung, mit der er dem Rechtsvertreter der USA alle Rechte einer geschädigten Partei, insbesondere das Akteneinsichtsrecht zugestand. Gleichzeitig verfügte er, dass die im Büro des X. sichergestellten Akten zu den Strafakten erhoben würden. N., X. und die Bank Y. erhoben je für sich gegen diese Verfügungen Rekurs bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vereinigte die drei Rekurse und wies sie mit Entscheid vom 31. Juli 1969 ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Einem Staat, der im rechtsgeschäftlichen Verkehr betrogen und demzufolge geschädigt worden sei, komme im schweizerischen Strafverfahren die Stellung eines Geschädigten mit allen damit verbundenen Rechten ebenso zu wie einer Privatperson. Die für den Entscheid wesentlichen Akten müssten den Parteien zur Einsicht offen stehen. Dieser Grundsatz sei in Art. 6 der Kantonsverfassung (KV) und in § 10 der Strafprozessordnung (StPO) verankert. Beide Vorschriften schlössen nicht aus, dass die Einsicht in Untersuchungsakten an gewisse Bedingungen geknüpft werde. Nachdem die amerikanischen Behörden die Erklärung abgegeben hätten, dass die Kenntnis des Akteninhalts nicht zu fiskalischen Zwecken benützt werde, habe der Untersuchungsrichter die Öffnung der Akten an den Vertreter der Vereinigten Staaten zu Recht verfügt. Der Einwand, das Strafverfahren sei von den amerikanischen Behörden nur vom Zaun gerissen worden, um an Bankdokumente heranzukommen, die sonst nicht eingesehen werden könnten, sei haltlos. Es ergebe sich aus den Eingeständnissen des X., die weitgehend urkundlich belegt seien, hinreichend, dass in der Schweiz Straftaten begangen worden seien. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 273 StGB (wirtschaftlicher Nachrichtendienst) bestünden keine Bedenken gegen die Aktenöffnung an die USA, nachdem deren Regierung die erwähnte Erklärung abgegeben habe. Was das Bankgeheimnis angehe, hätten die Vorschriften des Strafprozessrechts den Vorrang vor den Regeln über das Bankgeheimnis. Zur nähern Abklärung und zum Nachweis der strafbaren Tätigkeit von X. und N. sei es unumgänglich gewesen, in das Bankgeheimnis einzudringen. Dass durch die Akteneinsicht den USA Namen und Geschäftsvorgänge von Drittpersonen bekannt würden, die nicht oder noch nicht ins Recht gefasst worden seien, lasse sich nicht vermeiden. Die Aktenkenntnis dürfe jedoch von den USA auch Drittpersonen gegenüber nicht zu Fiskalzwecken ausgewertet werden. Eine weitere Absicherung sei nicht zu treffen.
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D.- Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 31. Juli 1969 hat N. gestützt auf Art. 4 BV und Art. 2 Ueb. Best. zur BV staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. - Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen:
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1. Der angefochtene Entscheid wurde im Laufe eines Strafverfahrens getroffen und schliesst dieses nicht ab. Er ist somit ein Zwischenentscheid im Sinne des Art. 87 OG. Ob er für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat, was nach der genannten Gesetzesvorschrift Voraussetzung ist, damit auf eine Beschwerde eingetreten werden kann, die sich auf Art. 4 BV stützt, kann offen bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung tritt das Bundesgericht allgemein auf Beschwerden ein, mit denen eine Verletzung des Art. 4 BV gerügt wird und die sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid richten, sofern daneben noch andere Rügen erhoben werden, auf welche einzutreten ist (BGE 76 I 393E. 3; nicht veröffentlichtes Urteil vom 10. Dezember 1968 i.S. Alpgenossenschaft Kerns). Der Beschwerdeführer behauptet nicht nur eine Verletzung des Art. 4 BV, sondern auch eine solche des Art. 2 Ueb. Best. zur BV. Soweit die letztgenannte Rüge in Frage ist, kann sie gegen jeden letztinstanzlichen kantonalen Entscheid erhoben werden (Art. 86 OG). Erweist sich der angefochtene Entscheid als letztinstanzliche kantonale Verfügung, ist nach der erwähnten Rechtsprechung auf die Beschwerde auch einzutreten, soweit damit ein Verstoss gegen Art. 4 BV gerügt wird, ohne dass geprüft werden müsste, ob aus dem Zwischenentscheid für den Beschwerdeführer ein nicht wiedergutzumachender Nachteil resultierte. Ein solcher Nachteil wäre übrigens gegeben, wie sich aus dem heutigen Urteil des Bundesgerichts in der Beschwerdesache X. und Bank Y. ergibt.
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"Dem Geschädigten ist Gelegenheit zu geben, Einsicht in die Akten zu nehmen und den Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen, soweit dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks. geschehen kann."
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Dass die StPO nicht nur mit dieser Vorschrift, sondern auch im übrigen dem Geschädigten im Strafverfahren weitgehende Parteirechte einräumt, steht im Einklang mit der KV, die in Art. 6 ausser den Verteidigungsrechten des Beschuldigten auch bestimmte Parteirechte des Geschädigten gewährleistet. Während in der heute vom Bundesgericht beurteilten Beschwerdesache X. und Bank Y. die Beschwerdeführer geltend machten, den USA komme nicht die Stellung eines Geschädigten zu, wird dieser Einwand hier - mit Recht - nicht erhoben. Dagegen stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, der Geltungsbereich des § 10 StPO sei durch die bundesrechtlichen Vorschriften des Art. 47 des BG über Banken und Sparkassen, Art. 273 StGB und Art. 27 ZGB in der Weise eingeschränkt, dass im konkreten Fall das an sich durch § 10 Abs. 3 StPO gewährleistete Akteneinsichtsrecht des Geschädigten ausgeschlossen werde. Ob ein kantonaler Rechtssatz oder die ihm gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht, wie der Beschwerdeführer richtigerweise ausführt, nicht unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei (BGE 91 I 28 mit Hinweis auf frühere Entscheide).
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b) Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Bankgeheimnis beruft, macht er mit Recht nicht geltend, der Bezirksanwalt hätte die Bankbelege nicht zu den Akten erheben dürfen. Falls eine Strafprozessordnung für Personen, welche das Bankgeheimnis zu wahren haben, keine besonderen Regeln schafft, haben sie als Zeugen auch über solche Tatsachen Aussagen zu machen, die unter das Bankgeheimnis fallen und können entsprechende Bankdokumente mit Beschlag belegt werden. Das Bankgeheimnis entbindet demnach in solchen Fällen nicht von der Aussagepflicht, noch steht es prozessualen Zwangsmassnahmen entgegen (PERRIN, SJZ 45/1949, 145 ff., insbes. 146/47; JANN, Umfang und Grenzen des Bankgeheimnisses nach schweizerischem Recht, 55 ff.; DELACHAUX, Le Secret professionnel du banquier en droit suisse, 44; GRANER, SJK 876, S. 4; SCHAEFER, SJZ 49/1953, 337 mit besonderem Hinweis auf die zürcherische StPO; Entscheid des Bundesrates vom 24. Januar 1968, in: ZBl 70, 1969, 345 ff; a.M. CAPITAINE, SJK 69, S. 2). Da die zürcherische StPO mit Bezug auf Zeugenpflicht und Zwangsmassnahmen den Personen, die das Bankgeheimnis zu wahren haben, keine Sonderstellung einräumt, können sie demnach nicht unter Berufung auf ihre Geheimhaltepflicht Aussage und Herausgabe von Dokumenten verweigern. Umso weniger verstösst es gegen die Verfassung, wenn der Untersuchungsrichter Bankdokumente im Einverständnis mit den Leitern der Bank zu den Strafakten nimmt.
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Das ist indessen hier, wie ausgeführt, gar nicht streitig. Der Beschwerdeführer rügt nur, dass den USA Einblick in die Bankbelege gegeben wird. Es stellt sich deshalb einzig die Frage, ob es mit Rücksicht auf das Bankgeheimnis zulässig ist, die Behörden der USA in die Bankdokumente Einsicht nehmen zu lassen, die unangefochtenermassen Bestandteil der Gerichtsakten sind. Die Regelung des Akteneinsichtsrechts im Strafverfahren gehört in den weitern Rahmen der Ordnung des gerichtlichen Verfahrens, die nach Art. 64bis BV den Kantonen vorbehalten ist. Sowenig Regeln des kantonalen Strafprozessrechts über Aussagepflicht und Zwangsmassnahmen mit der bundesrechtlichen Vorschrift über das Bankgeheimnis in Widerspruch sind, sowenig hindert diese Norm des Bundesrechts (Art. 47 des Bankengesetzes) die Kantone, das Akteneinsichtsrecht selbständig zu ordnen (vgl. SCHAEFER, a.a.O. S. 337, GRANER, SJK 876, S. 3). Art. 47 des Bankengesetzes, der das Bankgeheimnis nicht erst schuf, sondern bloss dessen Verletzung unter Strafe stellt, ist nicht darauf angelegt, die Kantone in der Ordnung ihres Strafverfahrensrechts einzuschränken (vgl. PERRIN, a.a.O. S. 147, GRANER, a.a.O.). Art. 2 der Ueb. Best. zur Bundesverfassung ist deshalb, soweit das Verhältnis zwischen Art. 47 des Bankengesetzes und § 10 StPO in Frage ist, nicht verletzt. Nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie das Bundesgericht entwickelt hat, kann indessen, wie zu zeigen ist, ein bestimmtes Geheimhalteinteresse, das sich z.B. auf das Bankgeheimnis gründen kann, zu einer Einschränkung des Akteneinsichtsrechts führen.
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Nach § 10 Abs. 3 StPO ist dem Geschädigten Gelegenheit zu geben, in die Akten Einsicht zu nehmen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Akteneinsichtsrecht unbeschränkt. Sowenig es sich in der Regel mit der Wahrung der Verteidigungsrechte eines Beschuldigten vertrüge, wenn vor ihm ein Teil der Akten geheim gehalten würde, sowenig wäre es grundsätzlich mit den von der StPO gewährleisteten Parteirechten eines Geschädigten vereinbar, wenn ihm ein Teil der Akten verschlossen bliebe. Immerhin ist es nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen geboten, das Akteneinsichtsrecht zu beschränken, wenn ein besonderes Interesse an der Geheimhaltung von Tatsachen besteht, die sich aus den Akten ergeben (BGE 92 I 263, BGE 95 I 107 E. 2; TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83 II, 1964, S. 382 ff.). Das Geheimhalteinteresse, das den Vorrang vor dem Einsichtsrecht verdient, kann verschiedener Art sein, so z.B.
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das Interesse eines Informanten, anonym zu bleiben, Rücksicht auf die Gesundheit einer Partei (vgl. Art. 374 Abs. 2 ZGB) oder das staatliche Interesse an der Geheimhaltung von Dokumenten, welche die Landesverteidigung betreffen (BGE 92 I 263 mit Hinweis auf frühere Entscheide). Der Meinung der Vereinigten Staaten, dass überhaupt nur ein staatliches Geheimhalteinteresse zu einer Beschränkung des Akteneinsichtsrechts führen könne, ist nach dieser Rechtsprechung nicht zu folgen. So kann beispielsweise auch das Interesse an der Wahrung des Bankgeheimnisses für die Behörde Anlass sein, einem Prozessbeteiligten, dem grundsätzlich das Akteneinsichtsrecht zusteht, den Einblick in bestimmte Aktenbestandteile vorzuenthalten. Die Behörde, die über das Akteneinsichtsrecht zu befinden hat, muss im konkreten Fall die entgegenstehenden Interessen abwägen. Das muss nach pflichtgemässem Ermessen geschehen. Das Bundesgericht hat nicht frei darüber zu entscheiden, ob das Ermessen richtig betätigt wurde. Es hat nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Instanzen zu setzen, sondern nur zu prüfen, ob die kantonalen Behörden das Ermessen missbraucht und die widerstreitenden Interessen in offensichtlich unhaltbarer Weise gegeneinander abgewogen haben.
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Das Interesse des Beschwerdeführers, dass den USA die Bankdokumente nicht zugänglich gemacht werden, durfte die Staatsanwaltschaft mit gutem Grund als nicht derart schwerwiegend betrachten, dass es das Einsichtsrecht des Geschädigten auszuschliessen vermöchte. Dass die USA den Dokumenten etwas entnehmen können, was sich im Strafverfahren für den Beschwerdeführer belastend auswirken kann, vermag das Einsichtsrecht keineswegs auszuschliessen. Wäre es anders, so würde das Akteneinsichtsrecht des Geschädigten im Strafprozess weitgehend illusorisch. Das Recht steht dem Geschädigten auch und gerade zu dem Zweck zu, dass er aus den Akten von den Tatsachen Kenntnis nehmen kann, die zu Lasten des Beschuldigten sprechen, welcher ihm Schaden zufügte. Es handelt sich zudem hier nicht um einen geringfügigen Straffall, in welchem der Nachteil, der dem Betroffenen entstünde, in keinem vernünftigen Verhältnis zum Interesse des Geschädigten an der Akteneinsicht stünde. Nachdem das Justizdepartement der USA die förmliche Erklärung abgegeben hat, dass es die aus den Akten zu gewinnenden Kenntnisse nicht zu fiskalischen Zwecken verwenden werde, ist es gerechtfertigt, wenn die kantonale Behörde bei Abwägung der Interessen den USA die Einsicht in die Bankbelege gewährte. Es handelte sich freilich nicht darum, das öffentliche Interesse an der Abklärung der Straftat gegen das private Interesse des Beschwerdeführers abzuwägen. Es standen sich vielmehr, wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, die privaten Interessen der beiden Prozessbeteiligten gegenüber, doch war es auch bei dieser Sachlage gerechtfertigt, dass die Staatsanwaltschaft das Interesse der USA höher wertete, die einen wohlbegründeten Anspruch darauf haben, die Hintergründe der angeblich ihnen gegenüber begangenen Betrügereien zu kennen. Das Akteneinsichtsrecht wurde im übrigen den Behörden der USA nicht im Interesse der "Aufklärung von im Ausland begangenen strafbaren Handlungen" gewährt, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, sondern damit sie im schweizerischen Strafprozess die Parteirechte ausüben können, welche ihnen die zürcherische StPO einräumt. Dieses in § 10 Abs. 3 StPO in klarer Form gewährleistete Recht dürfte nur beschnitten werden, wenn besonders gewichtige Interessen eines Beschuldigten die Beschränkung zu rechtfertigen vermöchten. Dass die USA die Kenntnis der Tatsachen, von denen sie in der Schweiz erfahren, allenfalls auch im amerikanischen Strafprozess verwenden können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das ist bloss eine Reflexwirkung des Rechts, das ihnen um ihrer Parteistellung willen eingeräumt wird, die sie im schweizerischen Strafverfahren haben.
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Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die bundesrechtliche Regel des Art. 27 ZGB gehe der Vorschrift des § 10 StPO vor, ist die Rüge deshalb unbegründet, weil der Persönlichkeitsschutz allein mit Rücksicht auf die Wahrung der Geheimsphäre beansprucht wird, deren Schutz das Bankgeheimnis dient, wie denn überhaupt das Bankgeheimnis als Ausfluss der zivilrechtlichen Regeln über den Persönlichkeitsschutz aufgefasst werden kann (ZBl 70, 1969, S. 346 mit Literaturhinweisen). Steht das Bankgeheimnis der Gewährung des Akteneinsichtsrechts nicht entgegen, so ist nicht zu ersehen, inwiefern unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen Art. 27 ZGB und § 10 StPO der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verletzt sein soll.
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c) Der Beschwerdeführer begründet seine Ansicht, dass § 10 StPO durch die bundesrechtliche Regel über das Bankgeheimnis eingeschränkt werde, unter anderem mit dem Hinweis auf Art. 321 Ziff. 3 StGB, welche Vorschrift er für analog anwendbar hält. Nach Art. 321 StGB können bestimmte Personen, die ein Berufsgeheimnis zu wahren haben, bestraft werden, wenn sie das Geheimnis offenbaren. Ziff. 3 behält die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Zeugnis- und Aussagepflicht gegenüber einer Behörde vor. Zu dem Kreis von Personen, auf welche Art. 321 StGB anwendbar ist, zählen jene nicht, die das Bankgeheimnis zu wahren haben. Die Aufzählung der in Betracht fallenden Berufe ist abschliessend (BGE 83 IV 197). Es geht nicht an, auf dem Wege der Analogie aus Art. 321 Ziff. 3 ableiten zu wollen, dass das Akteneinsichtsrecht von Bundesrechts wegen ausgeschlossen wäre. Die Vorschrift wurde gerade deshalb in das StGB aufgenommen, um Klarheit darüber zu schaffen, dass die Personen, die ein Berufsgeheimnis zu wahren haben, sich der durch das Prozessrecht statuierten Zeugen- und Auskunftspflicht nicht unter Berufung auf ihre Geheimhaltepflicht entziehen können, wobei vor allem klar gestellt werden wollte, dass das Bankgeheimnis nicht von diesen prozessualen Pflichten entbindet (vgl. PERRIN, a.a.O. S. 147 mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 321 Ziff. 3 StGB). Nichts lässt darauf schliessen, dass Art. 321 Ziff. 3 StGB zwar wohl bestimmt, dass die Personen, welche ein Berufsgeheimnis zu wahren haben, nicht von der Pflicht befreit seien, gemäss dem Prozessrecht Aussagen zu machen, die Regel aber anderseits ihrem Sinne nach auch besagen würde, dass die Aussagen nur den Strafgerichtsbehörden bekannt werden dürften, nicht aber andern Prozessbeteiligten, vor allem nicht dem Geschädigten. Hätte der Bundesgesetzgeber solchermassen in das den Kantonen vorbehaltene Verfahrensrecht eingreifen wollen, so hätte er das nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen klar vorschreiben müssen. Art. 321 Ziff. 3 StGB bestimmt bloss, dass Auskunft gegeben werden muss, wenn ein kantonales Prozessrecht die Auskunftspflicht statuiert, regelt aber die Frage weder ausdrücklich noch dem Sinne nach, wer von Aussagen Kenntnis nehmen darf, wenn sie einmal in einem Prozessverfahren gemacht wurden. Es verhält sich nicht anders mit Tatsachen, die sich aus Dokumenten ergeben, welche zu den Strafakten genommen wurden. Aus Art. 321 Ziff. 3 kann nicht abgeleitet werden, dass das Akteneinsichtsrecht in Fällen wie dem hier zu beurteilenden beschränkt wäre.
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d) Nach Art. 273 Abs. 2 StGB kann bestraft werden, wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich macht. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass unter dem Gesichtspunkt dieser Vorschrift nur schutzwürdige Interessen "gedeckt" sind, mit andern Worten zum Ausschluss des Akteneinsichtsrechts führen können. Nach der tatsächlichen Feststellung der Staatsanwaltschaft, die der Beschwerdeführer nicht als unhaltbar beanstandet, ist das einzige schutzwürdige Interesse, das dieser geltend machen kann, ein fiskalisches. Es fällt nicht mehr ins Gewicht, nachdem das Justizdepartement der USA zugesichert hat, dass die zu erlangenden Kenntnisse nicht zu steuerlichen Zwecken ausgewertet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 273 StGB ist die Rüge der Verletzung des Art. 2 Ueb. Best. BV unbegründet. Der Beschwerdeführer geht in diesem Zusammenhang wiederum zu Unrecht davon aus, die USA würden das Einsichtsrecht geltend machen, um die auf ihrem Staatsgebiet begangenen strafbaren Handlungen aufzuklären, wobei er sich auf den Standpunkt stellt, entsprechende Auskünfte wären auf dem Rechtshilfeweg einzuholen. Er übersieht, dass es sich hier um den Sonderfall handelt, in dem ein fremder Staat, wie behauptet wird, durch eine dem gemeinen Strafrecht unterstehende Tat unmittelbar geschädigt wurde. Akteneinsicht erhält der fremde Staat in einem solchen Ausnahmefall nicht als Inhaber öffentlicher Gewalt, sondern als Körperschaft, die im privaten Rechtsverkehr geschädigt wurde und welcher die Rechte nicht vorzuenthalten sind, die einer Privatperson zustehen. In den Fällen, in welchen durch eine Straftat Privatpersonen einen unmittelbaren Schaden erlitten haben, ist es - vorbehältlich der Rechtshilfe - nach der StPO einer ausländischen Behörde nach wie vor versagt, in Dokumente Einblick zu nehmen, die Bestandteil der Strafakten bilden. Es kann auch nicht von einer Umgehung der Rechtshilfevorschriften gesprochen werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn die USA missbräuchlich Strafanzeige eingereicht hätten, um zu dem Ziel zu gelangen, das sie mangels eines entsprechenden Staatsvertrages auf dem Rechtshilfeweg nicht erreichen können. Die Staatsanwaltschaft hat im angefochtenen Entscheid in diesem Zusammenhang mit Grund ausgeführt, der von X. erhobene Einwand, das Strafverfahren sei von den amerikanischen Behörden nur vom Zaun gerissen worden, um an Bankdokumente heranzukommen, die sonst nicht eingesehen werden könnten, sei nachgerade leichtfertig. Es gilt nichts anderes für das gegen N. eingeleitete Verfahren. Er hat denn auch den Einwand seinerseits nicht oder wenigstens nicht ausdrücklich erhoben. Er scheint indessen geltend zu machen, die Akteneinsicht wäre den USA auf jeden Fall erst im Zeitpunkt seiner allfälligen rechtskräftigen Verurteilung zu gewähren, da erst dann die Aktenkenntnis nötig sei, um den Nachweis für den Bestand möglicher Zivilforderungen zu leisten. Die Parteistellung des Geschädigten ist aber durch die StPO nicht so ausgestaltet, dass dieser erst nach allfälliger Verurteilung des Beschuldigten im Prozess mitwirken und seine Zivilforderung geltend machen könnte. Er hat vielmehr nach § 10 StPO Gelegenheit, den Einvernahmen des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen beizuwohnen, an sie Fragen zu stellen und dem Untersuchungsbeamten die zur Feststellung des Schadens geeigneten Anträge zu stellen. Selbst wenn er nicht als Privatkläger auftritt, kann der Geschädigte demnach bereits während des Strafverfahrens, nicht erst nach dessen Abschluss Parteirechte ausüben, und sein Interesse an der Akteneinsicht besteht in gleichem Mass während der ganzen Dauer des Verfahrens. Für den Geschädigten kann es im übrigen gerade im Stadium vor dem Entscheid über Einstellung oder Anklageerhebung wichtig sein, sich über das Beweismaterial orientieren zu können, um seine Rechte wirksam zur Geltung zu bringen. Wenn der Beschwerdeführer schliesslich vorbringt, auch bei Verweigerung der Akteneinsicht bleibe dem Vertreter der USA das Teilnahmerecht an der Untersuchung gewahrt, ist demgegenüber zu erwägen, dass im allgemeinen und besonders in Fällen wie dem zu beurteilenden das Akteneinsichtsrecht zu den wichtigsten Parteirechten des Geschädigten gehört, da dieser sich nur in Kenntnis der Akten ein richtiges Bild über den Sachverhalt machen und so seine Interessen im Strafverfahren wirksam wahren kann. Auch von daher gesehen kann mit Fug das Aufklärungsinteresse desjenigen, der nach vorläufig bestehender Vermutung Opfer einer gegen ihn gerichteten Straftat war, dem Geheimhalteinteresse desjenigen vorangestellt werden, der die angebliche Straftat ausführte.
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