BGE 97 I 784 |
114. Urteil vom 15. September 1971 i.S. X.-AG gegen Zürich, Kanton und Verwaltungsgericht. |
Regeste |
Art. 4 BV; zürcherisches Steuerrecht; Ertragssteuer juristischer Personen, Grundstückgewinnsteuer. |
Sachverhalt |
A.- Am 7. Februar 1964 verkaufte die X.-AG ihre Liegenschaft in Zürich. Mit Rücksicht darauf bilanzierte sie per 31. Dezember 1964 eine Rückstellung für Grundstückgewinnsteuern in der Höhe von Fr. 800'000.--. In ihrer Steuererklärung 1965 setzte sie vom ausgewiesenen Gesellschaftsgewinn einen Betrag von Fr. 2'190,861.-- (Fr. 1'390,861.-- steuerfreier, d.h. nicht der Ertragssteuer unterliegender Grundstückgewinn + Fr. 800'000.-- vom Liegenschaftsgewinn bereits abgebuchte Rückstellung) ab. Daraus ergab sich für 1965 ein ertragssteuerlich massgeblicher Verlust von Fr. 1'053,019.--, welcher von der Einschätzungsbehörde anerkannt wurde. Für 1965 hatte die X.-AG demnach keine Ertragssteuer zu bezahlen.
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Zulasten der genannten Rückstellung, die sie im Jahre 1966 um Fr. 532.40 erhöhte, zahlte die Pflichtige im Jahre 1965 Fr. 647'900.-- und im Jahre 1966 Fr. 149'098.-- Grundstückgewinnsteuern.
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Für die Steuereinschätzung 1966 anerkannte der Steuerkommissär die erwähnte Rückstellung unter Hinweis auf eine inzwischen erfolgte Praxisänderung nicht mehr; für 1967 liess er demzufolge auch die Erhöhung der Rückstellung um Fr. 532.40 nicht zu. Für 1966 und 1967 wurde die X.-AG wie folgt eingeschätzt:
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1966:
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Reinertrag laut GVR: Fr. 264'202.--
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+ der GVR belastete Steuern: Fr. 47'968.--
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korrigierter Reinertrag: Fr. 312'170.--
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abzüglich:
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Verlustvortrag 1965: Fr. 1'053,019.--
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./. Rückstellung
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(Aufrechnung): Fr. 800'000.--: Fr. 253'019.--
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Saldo: Fr. 59'151.--
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steuerlich massgeblicher Reinertrag: Fr. 59'100.--
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1967:
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Reinertrag laut GVR: Fr. 398'686.--
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+ der GVR belastete Steuern: Fr. 53'273.--
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korrigierter Reinertrag: Fr. 451'959.--
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+ der GVR belastete Erhöhung der Rückstellung für Grundstückgewinnsteuern (Aufrechnung): Fr. 532.--: Fr. 452'491.--
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./. abzugsberechtigte Verzugszinsen: Fr. 3'534.--
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Saldo: Fr. 448'957.--
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steuerlich massgeblicher Reinertrag: Fr. 448'900.--
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Nachdem sie erfolglos Einsprache erhoben hatte, gelangte die X.-AG an die Rekurskommission mit dem Antrag, den steuerbaren Ertrag für die Steuerjahre 1966 und 1967 auf je Fr. 0 festzusetzen. Sie machte im wesentlichen geltend, die Aufrechnung der erwähnten Rückstellung sei gesetzwidrig. Mit Entscheid vom 20. November 1970 wies jedoch die Steuerrekurskommission I des Kantons Zürich den Rekurs ab.
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B.- Gegen diesen Entscheid erhob die X.-AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Sie beantragte, den aus der Steuereinschätzung 1965 herrührenden Verlust von Fr. 1'053,019.-- zur Verrechnung zuzulassen und dementsprechend den Ertrag für die Steuerjahre 1966 und 1967 auf je Fr. O festzusetzen. Zur Begründung machte sie wiederum geltend, die Grundstückgewinnsteuer dürfe nicht zum steuerbaren Ertrag einer juristischen Person hinzugerechnet werden, weshalb die Aufrechnung der umstrittenen Rückstellung gegen das Gesetz verstosse.
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Mit Urteil vom 23. März 1971 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen folgendes aus: Wenn eine juristische Person durch Veräusserung einer Liegenschaft einen Gewinn erziele, so unterliege dieser teils der Grundstückgewinnsteuer im Sinne der §§ 161 ff. StG, teils der Ertragssteuer gemäss §§ 45 ff. StG. Die Differenz zwischen Erlös und Anlagekosten sei Grundstückgewinn (§ 164 Abs. 1 StG); der Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Buchwert sei dagegen steuerbarer Liegenschaftsgewinn im Sinne des § 45 Abs. 2 StG und unterliege der Ertragssteuer. Grundsätzlich sei jedoch der Liegenschaftsgewinn, wie jeder andere Gewinn, für den Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. a StG und damit für ein wesentliches Element des steuerbaren Ertrages mitbestimmend. Wenn die Ertragsbesteuerung auf einen Teil des Liegenschaftsgewinns beschränkt bleibe, so lasse sich das nur damit rechtfertigen, dass der komplementäre Gewinnteil der Grundstückgewinnsteuer unterworfen werde. Insofern erweise sich diese als ergänzende Ertragssteuer und damit als Steuer für Ertrag im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. b StG. Für die Grundstückgewinnsteuer gelte wie für die Ertragssteuer, dass sie nicht aufgewendet werde, um einen Gewinn zu erzielen, sondern weil ein Gewinn erzielt worden sei. Daraus ergebe sich, dass § 45 Abs. 1 StG, welche Vorschrift den steuerbaren Gesamtertrag bestimme, durch § 45 Abs. 2 StG, welche Bestimmung für den auszuscheidenden Teilertrag massgebend sei, nicht berührt werde. Die Grundstückgewinnsteuer müsse mithin als Steuer für Ertrag behandelt werden und sei somit nicht abzugsfähig.
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C.- Die X.-AG führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. März 1971 aufzuheben. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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D.- Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Diese Frage wurde von den zürcherischen Steuerjustizbehörden nicht immer gleich beantwortet. Die Oberrekurskommission (ORK) entschied am 24. April 1958 dahin, die Grundstückgewinnsteuer könne vom steuerbaren Ertrag abgesetzt werden. Zur Begründung führte sie im wesentlichen folgendes aus: Die sogenannten Veräusserungskosten (z.B. Mäklerlohn, Handänderungskosten) minderten gemäss § 166 Abs. 1 lit. d und e StG den steuerbaren Grundstückgewinn. Die Grundstückgewinnsteuer gehöre indessen nicht zu den Handänderungskosten im Sinne des § 166 Abs. 1 lit. c StG, denn sie werde nicht aufgewendet, um einen Immobiliengewinn zu erzielen, sondern sei geschuldet, weil ein solcher Gewinn erzielt worden sei. Wenn aber die Grundstückgewinnsteuer den steuerbaren Grundstückgewinn nicht schmälere, so bestehe kein Grund zur Annahme, sie mindere den steuerfreien Liegenschaftsgewinn im Sinne des § 45 Abs. 2 StG. Die Grundstückgewinnsteuer sei deshalb bei der näheren Zuordnung, welche § 45 Abs. 2 StG hinsichtlich der betrieblichen Unkosten gebiete, nicht auf den steuerfreien Liegenschaftsgewinn, sondern auf den steuerbaren Ertrag zu verlegen, den sie entsprechend schmälere (RB ORK Nr. 21 S. 32).
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Am 10. März 1967 wich das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung der ORK ab. Es erkannte, aus dem nach § 45 Abs. 1 StG berechneten Ertrag sei gemäss Abs. 2 der Gewinn aus Liegenschaften auszuscheiden. Als solcher habe der Nettogewinn zu gelten. Die Grundstückgewinnsteuer sei wie eigentliche Veräusserungskosten auf den Liegenschaftsgewinn zu verlegen, und nur der nach ihrem Abzug verbleibende Gewinn sei als Nettogewinn zu betrachten, der nach § 45 Abs. 2 StG abzugsfähig sei.
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Gegen dieses Urteil wurde staatsrechtliche Beschwerde erhoben, welche am 4. Oktober 1967 beurteilt wurde. Dabei liess das Bundesgericht offen, ob die erwähnte Begründung gegen Art. 4 BV verstosse und führte aus, das angefochtene Urteil könne auf eine andere, vor dem Willkürverbot haltbare Begründung gestützt werden, weshalb die Beschwerde abzuweisen sei (ASA 37, S. 67 ff.).
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In seinem Urteil vom 30. Oktober 1969 lehnte das Verwaltungsgericht den Abzug der Grundstückgewinnsteuer vom Ertrag einer juristischen Person erneut ab, und zwar mit einer andern Begründung, als sie im Urteil vom 10. März 1967 gegeben worden war. Es führte aus, die Grundstückgewinnsteuer erweise sich als ergänzende Ertragssteuer und damit als Steuer für Ertrag im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. b StG (ZBl 71, 231). Diese Rechtsprechung wurde im angefochtenen Urteil bestätigt.
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3. Ob bezahlte Steuern bei der Bemessung der Ertragssteuer für Aktiengesellschaften abzugsfähig sind, ist eine alte Streitfrage des schweizerischen Steuerrechts (E. BLUMENSTEIN, Zur Frage des Steuerabzuges bei der Ertragssteuer für Aktiengesellschaften und wirtschaftliche Genossenschaften, ASA 4 S. 321 ff.). Nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 49 Abs. 2) und nach verschiedenen kantonalen Steuergesetzen können die Steuern ganz allgemein vom Reinertrag abgesetzt werden (vgl. KÄNZIG, N. 189 ff. zu Art. 49 WStB). Zahlreiche kantonale Steuergesetze lassen dagegen den Abzug der Steuern nur in beschränktem Umfang zu. Gleich wie andere kantonale Rechtsordnungen verweigert das zürcherische Steuergesetz den Abzug von Steuern für Ertrag und Kapital (§ 45 Abs. 1 lit. b StG). Dieser Ordnung liegt der in der Steuerrechtslehre vertretene Gedanke zugrunde, dass nur jene Steuern zum Abzug zuzulassen sind, die entweder zu den Gewinnungskosten zu rechnen sind (Zölle, Warenumsatzsteuern, Gewerbesteuern) oder die die Quelle des Ertrags belasten und deshalb die Ertragsbildung hindern (z.B. Couponsteuer; vgl. E. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 330 und System des Steuerrechts, 3. Aufl. 1971, S. 226 und S. 234; I. BLUMENSTEIN, Kommentar zum bernischen Steuergesetz, N. 4 zu Art. 35 und N. 10 zu Art. 64). Das entspricht der auch vom Bundesgericht gebilligten Anschauung, dass die direkten Steuern auf Einkommen und Ertrag nicht abzugsfähig sind, da sie nicht bezahlt werden müssen, um ein Einkommen bzw. einen Ertrag zu erzielen, sondern weil ein Einkommen oder Ertrag erzielt wurde, mit andern Worten, da sie Einkommens- bzw. Ertrags verwendung darstellen.
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Es ist anerkannt, dass eine steuerrechtlich beachtliche Vorbelastung der Ertragsquelle bloss dann anzunehmen ist, wenn ein Bestandteil des steuerbaren Gesamtertrages einer Spezialsteuer unterliegt, d.h. wenn ein der Aktiengesellschaft zufliessender Ertrag um den Steuerbetrag der Spezialsteuer vermindert wird (vgl. E. BLUMENSTEIN, System, 3. Aufl., S. 226). Auch die in § 45 Abs. 1 lit. b StG enthaltene Ordnung geht vom Grundsatz aus, dass - unter Vorbehalt der Steuern für Ertrag und Kapital - nur jene von der Aktiengesellschaft entrichteten Abgaben zum Abzug zuzulassen sind, die zum Steuerobjekt in der soeben umschriebenen steuerrechtlich relevanten Beziehung stehen. Die Grundstückgewinnsteuer zählt als Spezialsteuer weder zu den Gewinnungskosten noch belastet sie die Quelle des Ertrages im soeben dargestellten Sinne, denn der Grundstückgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös gehört nach dem Gesagten nicht zum steuerbaren Ertrag (§ 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 164 Abs. 1 StG). Es widerspräche deshalb der Systematik des Gesetzes und den für die Abzugsfähigkeit von Steuern massgeblichen Grundsätzen, die Ertragssteuer dem steuerbaren Ertrag hinzuzurechnen, die Grundstückgewinnsteuer dagegen nicht. Eine rein formallogische Auslegung des Wortlauts von § 45 Abs. 1 lit. b StG (Bejahung der Abzugsfähigkeit aller von der Gesellschaft bezahlten Steuern mit Ausnahme der im Gesetz ausdrücklich genannten) würde dem zürcherischen Steuersystem offensichtlich nicht gerecht und ist daher zu verwerfen. Sie hätte nämlich zur Folge, dass ein der Aktiengesellschaft zufliessender Gewinn zwar nicht zum steuerbaren Ertrag gerechnet würde, dass aber die von diesem Gewinn erhobene Spezialsteuer vom steuerbaren Ertrag in Abzug gebracht werden könnte. Das ist ein Ergebnis, das systemwidrig ist und von dem mit gutem Grund angenommen werden kann, dass es der Gesetzgeber nicht gewollt hat. Der Wortlaut von § 45 Abs. 1 lit. b StG schliesst demnach eine Verweigerung des von der Beschwerdeführerin verlangten Steuerabzugs nicht aus (vgl. BGE 95 I 326). Indem der Gesetzgeber den Grundstückgewinn (Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös) von der Ertragssteuer ausnimmt und allein der Grundstückgewinnsteuer unterwirft, bei dieser aber den Abzug der Steuer unbestrittenermassen ausschliesst (vgl. REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 46 zu § 166 StG), bringt er mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass der Abzug der Steuer allgemein ausgeschlossen ist. Wenn von einer doppelten steuerlichen Belastung im Umfang der Grundstückgewinnsteuer gesprochen wird, so wird damit angesichts der gesetzlichen Ordnung im Grunde genommen bloss beanstandet, dass diese Steuer nicht vom Grundstückgewinn abgerechnet werden kann. Das ist aber vom Gesetzgeber, wie in Rechtsprechung und Praxis anerkannt ist, gewollt.
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Eine Gesetzesauslegung, wie sie von der Beschwerdeführerin gefordert wird, würde überdies zu einer sachlich unbegründeten unterschiedlichen Behandlung von natürlichen und juristischen Personen führen. Freilich gelten, wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, für die Besteuerung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen verschiedene Regeln. Wenn aber der Grundstückgewinn (Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös) den steuerbaren Ertrag einer Aktiengesellschaft nicht beeinflusst, so erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, eine juristische Person zum Abzug der Grundstückgewinnsteuer zu ermächtigen und einer natürlichen Person eine entsprechende Schmälerung ihres Einkommens zu versagen (vgl. REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 142 zu § 45 StG; RB VG 1960 Nr. 28 S. 47 ff.).
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Aus der Gesetzessystematik und dem steuerrechtlichen Prinzip, das der in § 45 Abs. 1 lit. b enthaltenen Ordnung über die Abzugsfähigkeit der Steuern zugrunde liegt, folgt demnach ohne weiteres, dass die von einer Aktiengesellschaft geschuldete Grundstückgewinnsteuer vom steuerbaren Ertrag nicht abgesetzt werden darf. Ob die zürcherische Grundstückgewinnsteuer als Objektsteuer oder als ergänzende Ertragssteuer zu gelten hat, braucht mithin nicht entschieden zu werden. Wäre sie - wie das Verwaltungsgericht annimmt - eine Ertragssteuer, so fiele ein Abzug bereits aufgrund des Wortlauts von § 45 Abs. 1 lit. b StG ausser Betracht; wäre sie eine Objektsteuer, so widerspräche ihr Abzug nach dem Gesagten in klarer Weise dem zürcherischen Steuersystem, dem bei der Auslegung der fraglichen Bestimmung entscheidende Bedeutung zukommt. Da der angefochtene Entscheid somit im Ergebnis nicht willkürlich ist, muss die Beschwerde abgewiesen werden (BGE 96 I 549 Erw. 3).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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