11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Walker gegen Kantonsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde)
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1P.292/2003
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vom 5. April 2004
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Regeste
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Art. 82 BV, Art. 2, 3 und 5 SVG; Art. 55 KV/AR; Bundesrechtswidrigkeit der kantonalen Volksinitiative "12 autofreie Sonntage".
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Die Kantone sind, im Gegensatz zum Bund, nicht befugt, den motorisierten Verkehr auf ihrem Hoheitsgebiet per Rechtssatz generell zu beschränken (E. 3.2).
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Ein grundsätzlich für das ganze Kantonsgebiet geltendes Sonntagsfahrverbot, wie es die Initiative anstrebt, kann nur per Rechtssatz erlassen werden. Die Kantone verfügen nicht über die dafür erforderliche Rechtssetzungskompetenz (E. 3.3 und 3.4).
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Sachverhalt
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Am 25. Juni 2002 stellte der Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden fest, die in Form einer allgemeinen Anregung eingereichte Volksinitiative "12 autofreie Sonntage" habe mit 482 gültigen Unterschriften mehr als die 300 erforderlichen auf sich vereinigt und sei daher zustande gekommen. Sie hat folgenden Wortlaut:
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Während dieser ist jeglicher motorisierter Privatverkehr verboten. Die
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Detailbestimmungen können sich an den autofreien Sonntagen der
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Siebzigerjahre oder an der aktuellen nationalen Initiative
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Gestützt auf ein vom Regierungsrat in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Dr. René Schaffhauser, welches zum Schluss kam, die Initiative sei bundesrechtswidrig, erklärte sie der Kantonsrat am 24. März 2003 auf Antrag des Regierungsrates mit 58 gegen 2 Stimmen für ungültig.
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Mit Stimmrechtsbeschwerde vom 12. Mai 2003 beantragt Tim Walker "als Stimmbürger und Mitglied des Initiativkomitees" im Wesentlichen, diesen Beschluss des Kantonsrates aufzuheben und ihn anzuweisen, sie ganz oder eventuell teilweise den Stimmberechtigten zur Abstimmung vorzulegen.
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Auszug aus den Erwägungen:
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2
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2. Nach Art. 55 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 30. April 1995 (KV/AR) entscheidet der Kantonsrat über die Gültigkeit einer Initiative. Nach dessen Abs. 2 ist eine solche u.a. dann ganz oder teilweise ungültig, wenn sie übergeordnetem Recht widerspricht. Der Kantonsrat ist, gestützt auf das Gutachten Schaffhauser, auf das er ausdrücklich vorbehaltlos abstellt, zur Auffassung gelangt, der Kanton verfüge nicht über die Kompetenz, zeitlich beschränkte generelle Fahrverbote für das ganze Kantonsgebiet zu erlassen. Eine Auslegung der Initiative, mit welcher sie ganz oder wenigstens teilweise mit dem übergeordneten Recht in Einklang gebracht werden könnte, sei nicht ersichtlich, weshalb sie auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro populo" vollständig ungültig erklärt werden müsse.
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Der Beschwerdeführer bestreitet dies und macht geltend, der Kanton sei durchaus befugt, wenigstens auf einem erheblichen Teil des kantonalen Strassennetzes Sonntagsfahrverbote zu erlassen. Es ist daher - und zwar frei - zu prüfen, ob das Bundesrecht den Kantonen die Freiheit belässt, auf ihrem Gebiet Sonntagsfahrverbote, wie sie die zu beurteilende Initiative anstrebt, einzuführen.
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Erwägung 3
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3.
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3.1 Nach Art. 82 BV erlässt der Bund Vorschriften über den Strassenverkehr (Abs. 1) und übt die Oberaufsicht über Strassen von gesamtschweizerischer Bedeutung aus, wobei er bestimmt, welche Durchgangsstrassen für den Verkehr offen bleiben müssen. Im vorab gestützt auf den inhaltlich unverändert in Art. 82 BV überführten Art. 37bis aBV (Botschaft des Bundesrates über eine neue Verfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 258 ff.) erlassenen Strassenverkehrsgesetz bestimmt Art. 2 Abs. 1 lit. b unter dem Titel "Befugnisse des Bundes":
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Die kantonalen Befugnisse sind wie folgt geregelt:
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1 Die kantonale Strassenhoheit bleibt im Rahmen des Bundesrechts
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Art. 5 bestimmt über die "Signale und Markierungen" Folgendes:
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3.2 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b SVG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SVG ist klarerweise einzig der Bund bzw. der Bundesrat befugt, per Rechtssatz für das ganze Hoheitsgebiet geltende Beschränkungen des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs anzuordnen, ohne diese auf dem Strassennetz auszuschildern. Den Kantonen ist es demgegenüber untersagt, den motorisierten Verkehr auf ihrem Gebiet per Rechtssatz generell zu beschränken. Sie können dies nach Art. 3 Abs. 2 SVG nur für "bestimmte Strassen" tun und müssen Verkehrsbeschränkungen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen für polizeiliche Massnahmen nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 SVG abgesehen, als Totalfahrverbote im Sinne von Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 SVG oder als funktionelle Verkehrsbeschränkungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SVG verfügen, publizieren (vgl. BGE 104 IV 24 E. 3 S. 26) und mit den vom Bundesrat dafür vorgesehenen Signalen und Markierungen an Ort und Stelle kund tun (BGE 101 Ia 73, 565 E. 3 S. 571; Urteil des Bundesgerichts 1P.203/1992 vom 6. April 1994, publ. in: URP 1994 S. 494; zur Abgrenzung von Totalfahrverboten nach Art. 3 Abs. 3 SVG und funktionellen Verkehrsbeschränkungen nach Art. 3 Abs. 4 SVG: VPB 60/1996 S. 732; zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen an Massnahmen nach Art. 3 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 6 SVG: BGE 121 I 334 E. 6b S. 345 mit Hinweisen auf die Literatur).
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3.3 Die umstrittene Initiative verlangt, was sich aus ihrem klaren Wortlaut und den Verweisen auf die autofreien Sonntage der Siebzigerjahre sowie die am 18. Mai 2003 von den Schweizer Stimmbürgern verworfene Initiative "für einen autofreien Sonntag pro Jahreszeit - ein Versuch für vier Jahre (Sonntags-Initiative)" (vgl. die bundesrätliche Botschaft vom 1. Dezember 1999 dazu in BBl 2000 S. 503 ff.) ergibt, dass der Kanton an 12 Sonntagen pro Jahr den motorisierten Privatverkehr in möglichst weit gehender Weise auf einem möglichst grossen Teil des kantonalen Strassennetzes unterbindet und die Strassen der Bevölkerung zum "freien Gemeingebrauch" (BBl 2000 S. 504) für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung stellt. In seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer dazu aus, dass Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot für Ärzte, Feuerwehr, Polizei und eventuell für den unbedingt notwendigen Berufsverkehr vom Initiativ-Komitee ausdrücklich als zulässig betrachtet würden; der öffentliche Verkehr unterliege keinen Einschränkungen, und es sei zudem denkbar, dass die Transportunternehmungen zusätzliche, ausserfahrplanmässige Verbindungen anbieten dürften.
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Für ein solches Sonntagsfahrverbot muss u.a. festgelegt werden, an welchen Sonntagen es gilt, wer vom Verbot ausgenommen ist und was für eine Verkehrsordnung an diesen Tagen gelten soll, an denen die Strassen zwar einerseits dem (nicht motorisierten) Publikum zur freien Benutzung zur Verfügung stehen sollen, an denen anderseits aber trotzdem ein eingeschränkter motorisierter Strassenverkehr möglich sein soll. Es ist offenkundig, dass eine solche grundsätzlich für das ganze Kantonsgebiet geltende Regelung nur per Rechtssatz erlassen werden kann. Es ist schlechterdings ausgeschlossen, sie zu verfügen, zu publizieren und anschliessend sämtliche Strassen (ausgenommen allenfalls die Durchgangsstrassen nach Art. 3 Abs. 3 SVG) mit den entsprechenden Verkehrssignalen und Markierungen zu kennzeichnen; auf diese Weise lässt sich die Initiative von vornherein weder ganz noch teilweise umsetzen. Diese verlangt vielmehr, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden das von ihr angestrebte Sonntagsfahrverbot auf gesetzgeberischem Weg einführt und setzt damit - zu Unrecht (oben E. 3.2) - voraus, dass er über die entsprechende Rechtssetzungskompetenz verfügt.
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3.4 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Bundesrecht einerseits den rechtssatzmässigen Erlass von ohne entsprechende Signalisationen allgemein geltenden Verkehrsbeschränkungen dem Bund vorbehält, den Kantonen anderseits die Kompetenz einräumt, für bestimmte Strassen auf ihrem Gebiet Verkehrsbeschränkungen mittels Verfügung und Signalisation anzuordnen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden nicht befugt ist, die für die Einführung eines kantonalen Sonntagsfahrverbotes erforderlichen Rechtssätze zu erlassen. Unter diesen Umständen spielt die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, inwieweit die Kompetenz des Kantons für den Erlass von Totalfahrverboten im Sinn von Art. 3 Abs. 3 SVG auf Durchgangsstrassen, die dem allgemeinen Durchgangsverkehr geöffnet sind, eingeschränkt ist und ob der Bundesrat bei der Bezeichnung dieser Durchgangsstrassen im Kanton Appenzell Ausserrhoden zu weit gegangen ist, für den Ausgang des Verfahrens keine Rolle und kann offen bleiben. Der Kantonsrat hat das Stimmrecht des Beschwerdeführers nicht verletzt, indem er die Initiative als bundesrechtswidrig einstufte und ungültig erklärte.
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