BGE 143 I 395 |
37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG und Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_1142/2016 vom 14. Juli 2017 |
Regeste |
Art. 27 und 91 BV, Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 ff. EnG, Art. 1, 5, 6, 13 StromVG, Art. 8 Abs. 2 StromVV; es besteht kein Monopol für das Messwesen; die Wahl des Messdienstleisters unterliegt der Wirtschaftsfreiheit des Produzenten. |
Sachverhalt |
A. A. betreibt drei Photovoltaikanlagen (182 kWp und 47 kWp in U. und 130 kWp in V.). Netzbetreiberin an den Standorten der Anlagen ist die C. AG. B. ersuchte im Auftrag von A. die C. AG am 6. Juni 2014 gestützt auf Art. 8 Abs 2 der Stromversorgungsverordnung vom 14. März 2008 (StromVV; SR 734.71) um Mitteilung der Messpunkte der Photovoltaikanlagen, ferner um Auskunft über die von der C. AG verrechneten Kosten für den Betrieb der Messstelle(n), wenn die Fernauslesung durch einen alternativen Dienstleister erfolge, sowie um Mitteilung, auf welchen Zeitpunkt hin ein Wechsel des Messdienstleisters möglich sei. Am 6. Juni 2014 und 24. Juni 2014 erklärte die C. AG, A. könne den Messdienstleister nicht frei wählen. Gemäss rechtlichen Rahmenbedingungen und Metering Code Schweiz liege die Verantwortung für die Messdatenbereitstellung und die Zuständigkeit für die Wahl der Messapparate beim Netzbetreiber. Man habe im Interesse der Gesamteffizienz und der Gesamtverantwortung kein Bedürfnis, Einzelmessungen von weiteren Dritten betreiben zu lassen. Eine Zustimmung zur Erbringung von Teilen von Messdienstleistungen werde ausdrücklich nicht erteilt.
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B. Am 1. Juli 2014 beantragte B. sowohl im eigenen Namen als auch im Namen von A. bei der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom), die C. AG sei anzuweisen, A. die Zustimmung zum Wechsel des Messdienstleisters für die Zählerfernauslesung (ZFA), ggf. auch für den Betrieb der Messstelle zu erteilen.
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Nach einigen Schriftenwechseln zog B. sein eigenes Gesuch zurück und führte das Verfahren ausschliesslich im Namen von A. weiter. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2015 wies die ElCom das Gesuch ab. Von der Gebühr von Fr. 23'600.- auferlegte sie Fr. 21'240.- A. und Fr. 2'360.- B.
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C. Gegen diese Verfügung erhoben A. und B. am 20. November 2015 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. A. beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die C. AG sei anzuweisen, die Zustimmung zum Wechsel des Messdienstleisters und zum Wechsel des Dienstleisters zum Betrieb der Messstelle zu erteilen, eventuell die Sache an die ElCom zurückzuweisen. A. und B. beantragten zudem, die Kosten der angefochtenen Verfügung seien von der ElCom oder der C. AG zu tragen, eventualiter seien die Kosten erheblich zu reduzieren. Mit Urteil vom 8. November 2016 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut, indem es die von der ElCom den Beschwerdeführern auferlegten Kosten halbierte. Im Übrigen wies es die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintrat.
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D. A. (Beschwerdeführer 1) und B. (Beschwerdeführer 2) erheben mit Eingabe vom 12. Dezember 2016 gemeinsam Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. A. beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die C. AG anzuweisen, ihm die Zustimmung zum Wechsel des Messdienstleisters zu erteilen; eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. B. beantragt, das angefochtene Urteil im Kostenpunkt aufzuheben.
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Die C. AG beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht und die ElCom verzichten auf Vernehmlassung. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) äussert sich, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, da die streitigen Messdienstleistungen nicht zum Netzbetrieb gehören.
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Aus den Erwägungen: |
3.2 Die Vorinstanz hat ebenfalls erwogen, im Bereich des Messwesens bestehe weder ein rechtliches noch ein faktisches Monopol. Alsdann führte sie Argumente für und gegen die Zugehörigkeit der Messdienstleistungen zum Netzbetrieb auf, liess jedoch schliesslich ausdrücklich die Frage offen, ob die Messdienstleistungen zum Netzbetrieb gehörten oder nicht, da die Beschwerde aus anderen Gründen abzuweisen sei: Die Verteilnetzbetreiber würden nämlich mit dem Messwesen wichtige Einnahmen generieren und das Messwesen sei von gewisser finanzieller Bedeutung. Bei einer Liberalisierung des Messwesens sei von einer relativ hohen Zahl von Betroffenen auszugehen (Endverbraucher, Drittanbieter von Messdienstleistungen, Netzbetreiber, Inhaber von Photovoltaikanlagen). Aufgrund der Folgen für die Netzbetreiber sei mit deren Widerstand gegen eine Liberalisierung zu rechnen. Nach Auffassung der Netzbetreiber liege der Entscheid über die Auslagerung von Messdienstleistungen beim Netzbetreiber. Es könne offenbleiben, ob ein allfälliger Vertrag zur Erbringung von Messdienstleistungen zwischen dem Netzbetreiber und dem dritten Messdienstleister oder zwischen diesem und dem Produzenten zu schliessen wäre und zu wessen Lasten die Liberalisierung allenfalls eine Kontrahierungspflicht mit sich bringen würde; jedenfalls wären zwingend gewisse Regeln zu statuieren und Absprachen zwischen den Beteiligten zu treffen, womit grundlegende Rechte und Pflichten der Beteiligten betroffen und die finanziellen Auswirkungen von gewisser Tragweite wären. Die Liberalisierung stelle eine grundlegende Bestimmung im Sinne von Art. 164 Abs. 1 BV dar, welche einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedürfe. Art. 8 Abs. 2 StromVV, auf den der Beschwerdeführer 1 seinen Anspruch stütze, sei als blosse Verordnungsbestimmung keine genügende gesetzliche Grundlage.
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4.1 Die Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit steht unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Dazu gehört auch die Vertragsfreiheit mit Einschluss der freien Wahl der Vertragspartner (BGE 136 I 197 E. 4.4.1 S. 203 f.; BGE 131 I 333 E. 4 S. 339, BGE 131 I 223 E. 4.1 S. 230 f.). Nicht die Liberalisierung bzw. die Zulassung von Wettbewerb, sondern im Gegenteil die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und des Wettbewerbs bedarf einer verfassungsmässigen und gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 und Art. 94 Abs. 4 BV; vgl. BGE 138 II 440 E. 16 S. 455 f.; BGE 128 I 3 E. 3a S. 9 f.), wobei die Einräumung eines rechtlichen Monopols als schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf (BGE 141 II 141 E. 4.4 S. 152 f.). Der Beschwerdeführer 1 produziert in seinen Photovoltaikanlagen Elektrizität; er will in diesem Zusammenhang Messdienstleistungen einem Vertragspartner seiner Wahl übertragen und beruft sich dazu auf seine Wirtschaftsfreiheit. Zu prüfen ist in erster Linie, ob er sich im Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit befindet. Ist das zu bejahen, so ist nicht zu fragen, ob eine gesetzliche Grundlage für die Liberalisierung des Messwesens besteht, sondern im Gegenteil, ob eine gesetzliche Grundlage für eine Einschränkung dieser Freiheit vorhanden ist.
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4.2 Gemäss Art. 91 Abs. 1 BV erlässt der Bund Vorschriften über den Transport und die Lieferung elektrischer Energie. Auch soweit diese Bestimmung dem Bund erlaubt, die Lieferung elektrischer Energie zu monopolisieren (vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2004 zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz, BBl 2005 1674 Ziff. 5.1; Übersicht über die Diskussion bei MARKUS KERN, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 5 zu Art. 91 BV; SCHAFFHAUSER/UHLMANN, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 3 f. zu Art. 91 BV), hat der Bundesgesetzgeber davon jedenfalls nicht umfassend Gebrauch gemacht. Die Produktion von Elektrizität untersteht grundsätzlich der Privatwirtschaft bzw. der Wirtschaftsfreiheit, ebenso der Kauf und Verkauf (Art. 4 Abs. 2 des Energiegesetzes vom 26. Juni 1998 [EnG; SR 730.1]; BGE 129 II 497 E. 4.5 S. 519 f.; BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463 f.; Urteil 2C_12/2016 vom 16. August 2016 E. 3.3.2), ausser für die festen Endverbraucher (Art. 6 Abs. 1 und 6 StromVG). Da aber für das elektrische Leitungsnetz ein faktisches Monopol besteht, ist die nutzbringende Ableitung der produzierten Elektrizität meistens nur möglich, wenn das bestehende Leitungsnetz benützt werden kann (BGE 141 II 141 E. 4.4 S. 153; BGE 129 II 497 E. 3.1 S. 507 ff. und E. 6 S. 536 ff.). Um trotzdem eine marktwirtschaftliche Stromversorgung zu ermöglichen, sieht das Gesetz einerseits vor, dass für jedes Gebiet ein Verteilnetzbetreiber bezeichnet wird, der in seinem Gebiet ausschliesslich das Netz betreibt (Art. 5 Abs. 1 StromVG); andere Betreiber können nicht im gleichen Gebiet ein Netz betreiben. Andererseits verpflichtet das Gesetz die Verteilnetzbetreiber, Endverbraucher und Elektrizitätserzeuger an das Netz anzuschliessen (Art. 5 Abs. 2 StromVG) und Dritten (mit Ausnahme der festen Endverbraucher, Art. 6 Abs. 6 StromVG) diskriminierungsfrei den Netzzugang zu gewähren (Art. 13 Abs. 1 StromVG). Das StromVG schafft damit die netzseitigen Voraussetzungen, damit der freie Strommarkt in der Praxis funktionieren kann (Art. 1 Abs. 1 StromVG; BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463 f.; zit. Urteil 2C_12/2016 E. 3.3.3).
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4.4 Das Argument der ElCom und der Beschwerdegegnerin, wonach ein Anspruch auf Beizug eines Dritten einem Kontrahierungszwang zu Lasten des Netzbetreibers gleichkomme, für den keine gesetzliche Grundlage bestehe, ist demnach zu differenzieren: Der Netzbetreiber ist gesetzlich verpflichtet, Endverbraucher und Elektrizitätserzeuger anzuschliessen und ihnen diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren (Art. 5 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 StromVG), ausser wenn gesetzlich vorgesehene Verweigerungsgründe bestehen (Art. 13 Abs. 2 StromVG). Ausserdem sind die Netzbetreiber nach Massgabe der Art. 7 ff. EnG verpflichtet, in ihrem Netzgebiet erzeugte Energie abzunehmen und zu vergüten. Insofern besteht eine klare gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung des Netzbetreibers, mit dem Produzenten zu kontrahieren. Auch unter diesem Aspekt ist somit entscheidend, ob das Messwesen zum Netzbetrieb gehört oder zum Betrieb des Elektrizitätsproduzenten. Im ersten Fall ist es Sache des Netzbetreibers (oder eines von ihm beauftragten Dritten), die Messdienstleistungen vorzunehmen und ein Anspruch auf Beizug eines beliebigen Dritten wäre eine Kontrahierungspflicht zu Lasten des Netzbetreibers. Im zweiten Fall ist es Sache des Produzenten (oder eines von ihm beauftragten Dritten), die Messdienstleistungen vorzunehmen und eine entsprechende Kontrahierungspflicht des Netzbetreibers ist ohne weiteres im Gesetz enthalten, soweit diese Dienstleistungen erforderlich sind, um den gesetzlich vorgesehenen Netzzugang durchführen zu können. Deshalb kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht offenbleiben, ob die Vertragsbeziehung zwischen dem Netzbetreiber und dem Dritten erfolgen müsste oder zwischen dem Produzenten und dem Dritten: Denn wenn die Beziehung zwischen dem Produzenten und dem Dritten erfolgen müsste, wäre keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, welche dem Produzenten vorschreiben würde, diesen Vertrag mit dem Netzbetreiber (und nicht mit einem Dritten) abzuschliessen.
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4.5 BGE 131 II 13, auf den sich die Vorinstanzen berufen, ist nicht einschlägig: Dort entschied das Bundesgericht, die Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss im Fernmeldebereich bedürfe aufgrund von Art. 164 BV einer formellgesetzlichen Grundlage und könne nicht auf dem Verordnungsweg eingeführt werden (E. 6.4-6.6). Dabei war aber vorausgesetzt, dass die Interkonnektionspflicht einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des davon berührten Fernmeldedienstanbieters darstellt (Zwangsvermietung der Leitungen, a.a.O., E. 6.4.3). Hier ist hingegen gerade die zentrale Frage, ob ein solcher Eingriff in die Rechtsstellung des Netzbetreibers vorliegt. Dies ist zu verneinen, wenn sich ergibt, dass die streitigen Messdienstleistungen gar nicht zum rechtlich dem Netzbetreiber vorbehaltenen Netzbetrieb gehören. (...)
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