BGE 147 I 478 |
36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_8/2021 vom 25. Juni 2021 |
Regeste |
Art. 42 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Art. 36 Abs. 1, Art. 46 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 2 lit. b BV; Art. 40 und Art. 75 EpG; Art. 2 und 8 Covid-19-Verordnung besondere Lage; § 47, 49, 50, 56, 59 KV/SZ; abstrakte Normenkontrolle; Legitimation; schutzwürdiges Interesse; Anfechtungsobjekt; Beschwerdebegründung; Covid-19-Massnahmen; innerkantonale Zuständigkeit; Gewaltenteilung. |
Anfechtungsobjekt ist der kantonale Erlass in der Fassung zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (E. 2.3). |
Die Begründung muss in der Beschwerdeschrift enthalten sein; es genügt nicht, eine öffentliche Verhandlung zu verlangen, um die Begründung dort nachzuschieben (E. 2.4). |
Die angefochtene Verordnung ist als Vollzugsverordnung gestützt auf Art. 40 EpG zu qualifizieren, zu deren Erlass der Regierungsrat des Kantons Schwyz zuständig ist (E. 3). |
Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
Erwägung 2.3 |
I. Allgemeines
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§ 1 Gegenstand und Zweck
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1 Diese Verordnung ordnet ergänzende Massnahmen gegenüber der Bevölkerung, Organisationen und Institutionen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie an.
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3 Die Massnahmen dienen dazu, die Verbreitung des Coronavirus (Covid-19) zu verhindern, Übertragungsketten zu unterbrechen und besonders gefährdete Personen zu schützen.
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II. Massnahmen
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(§ 2 und 3 aufgehoben).
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§ 4 Schulen
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An den Schulen gelten die Vorgaben des Bildungsdepartementes.
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III. Zuständigkeiten
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§ 5 Kontrollen und Vollzugshilfe
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a) Kantonale Behörden
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1 Die Kantonspolizei und das Amt für Arbeit:
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a) kontrollieren die Einhaltung der gestützt auf die Epidemien- und Covid-19-Gesetzgebung angeordneten Massnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich;
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b) koordinieren ihre Kontrollmassnahmen und Vollzugstätigkeiten untereinander und in Absprache mit dem Departement des Innern;
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c) erlassen unter Vorbehalt anderer Zuständigkeiten die erforderlichen Verfügungen und Anordnungen.
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2 Die Kantonspolizei ist insbesondere für die Kontrolle von Bar- und Clubbetrieben, Veranstaltungen sowie Kundgebungen zuständig.
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3 Das Amt für Arbeit ist insbesondere für die Kontrolle von gewerblichen und industriellen Betrieben, Gastronomiebetrieben sowie von Skibetrieben und Wintersportorten zuständig.
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§ 5a b) Kommunale Behörden
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1 Die Bezirke und Gemeinden unterstützen die kantonalen Behörden bei der Kontrolle und beim Vollzug der Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie.
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2 Sie setzen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten, namentlich beim gesteigerten Gemeingebrauch, die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie um.
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§ 5b c) Apotheker
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1 Apotheker, die nach § 15 Abs. 3 der Gesundheitsverordnung vom 23. Dezember 2003 (GesV) über eine Bewilligung des Amtes für Gesundheit und Soziales verfügen, sind berechtigt, ohne ärztliche Verschreibung an gesunden Personen ab 16 Jahren Impfungen gegen Covid-19 vorzunehmen.
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2 Mit Bewilligung der Kantonsapothekerin dürfen sie den technischen Impfvorgang unter ihrer fachlichen Aufsicht an geschultes Personal im Sinne von § 25 Abs. 2 des Gesundheitsgesetzes vom 16. Oktober 2002 (GesG) delegieren.
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IV. Schlussbestimmungen
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§ 6 Strafbestimmungen
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Widerhandlungen gegen die Vorschriften dieser Verordnung können gemäss Art. 83 Abs. 1 Bst. j und Abs. 2 EpG strafrechtlich geahndet werden, sofern nicht das Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung gelangt.
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2.4 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG), ferner die Verletzung von kantonalen verfassungsmässigen Rechten (Art. 95 lit. c BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 136 I 49 E. 1.4.1 m.H.). Auf andere Aspekte geht es nicht ein, selbst wenn sie allenfalls verfassungsrechtlich problematisch sein könnten.
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(...)
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3. Der Beschwerdeführer rügt, der Regierungsrat sei zum Erlass der angefochtenen Verordnung nicht zuständig gewesen: Die in der Verordnung vorgesehenen Grundrechtseingriffe bedürften einer gesetzlichen Grundlage, wofür nach § 49 und 50 der Verfassung des Kantons Schwyz vom 24. November 2010 (KV/SZ; SR 131.215) nur der Kantonsrat zuständig sei. Der Regierungsrat berufe sich richtigerweise auch nicht auf § 62 KV/SZ. Schliesslich sei Art. 40 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG; SR 818.101), den der Regierungsrat als Grundlage der Verordnung anführe, keine Ermächtigung für den Regierungsrat.
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3.1.2 Gemäss Art. 36 Abs. 1 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst (d.h. im formellen Gesetz, BGE 145 I 156 E. 4.1; BGE 143 I 253 E. 4.8-5) vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. Für leichte Eingriffe reicht eine Grundlage im kompetenzgemäss erlassenen Verordnungsrecht ( BGE 145 I 156 E. 4.1). Der Vorbehalt des formellen Gesetzes dient der demokratischen Legitimation der Grundrechtseinschränkungen ( BGE 143 I 253 E. 6.1). Daneben verlangt das Legalitätsprinzip gemäss Art. 36 Abs. 1 BV im Interesse der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Rechtsanwendung eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze. Diese müssen so präzise formuliert sein, dass die Rechtsunterworfenen ihr Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können ( BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 139 I 280 E. 5.1). Je gewichtiger ein Grundrechtseingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an Normstufe und Normdichte. Schwere Grundrechtseingriffe benötigen eine klare und genaue Grundlage im Gesetz selbst ( BGE 147 I 103 E. 14.2; BGE 139 I 280 E. 5.1). Das formelle Gesetz muss selber die erforderliche Bestimmtheit aufweisen; auch wenn es den Inhalt der zulässigen Grundrechtseingriffe nicht detailliert regeln muss, hat sich dieser doch aus dem Gesetz zu ergeben bzw. muss unmittelbar darauf zurückgeführt werden können ( BGE 143 I 253 E. 6.1 und 6.3). Das Gebot der Bestimmtheit rechtlicher Normen darf allerdings nicht absolut verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss ( BGE 143 I 310 E. 3.3.1). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab ( BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 253 E. 6.1; BGE 141 I 201 E. 4.1; BGE 139 I 280 E. 5.1; BGE 128 I 327 E. 4.2). Bei polizeilichen Massnahmen, die gegen schwer vorhersehbare Gefährdungen angeordnet werden und situativ den konkreten Verhältnissen anzupassen sind, müssen der Natur der Sache nach Abstriche an der Genauigkeit der gesetzlichen Grundlage akzeptiert werden ( BGE 146 I 11 E. 3.1.2; BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 140 I 381 E. 4.4). Bei unbestimmten Normen kommt dafür dem Verhältnismässigkeitsprinzip besondere Bedeutung zu: Wo die Unbestimmtheit von Rechtssätzen zu einem Verlust an Rechtssicherheit führt, muss die Verhältnismässigkeit umso strenger geprüft werden ( BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 136 I 87 E. 3.1; BGE 128 I 327 E. 4.2).
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3.2 Die in der angefochtenen Verordnung (ursprünglich) enthaltenen Massnahmen stellen zumindest teilweise schwere Grundrechtseinschränkungen dar. Namentlich ist das generelle Verbot für Veranstaltungen von mehr als zehn bzw. dreissig Personen (§ 5 der Verordnung in der Fassung vom 25. Oktober 2020 und 30. Oktober 2020) ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV; BGE 142 I 121 E. 3.3; BGE 132 I 49 E. 7.2 e contrario; BGE 103 Ia 310 E. 3b; vgl. ZÜND/ERRASS, Pandemie - Justiz - Menschenrechte, in: Pandemie und Recht, Sondernummer ZSR 2020 S. 69 ff., 85; PATRICE MARTIN ZUMSTEG, in: COVID-19, Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, Helbing Lichtenhahn Verlag [Hrsg.], 2020, S. 802 ff.). Es setzt somit eine formell-gesetzliche Grundlage voraus.
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Art. 40 EpG lautet wie folgt:
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1Die zuständigen kantonalen Behörden ordnen Massnahmen an, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern. Sie koordinieren ihre Massnahmen untereinander.
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2 Sie können insbesondere folgende Massnahmen treffen:
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a. Veranstaltungen verbieten oder einschränken;
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b. Schulen, andere öffentliche Institutionen und private Unternehmen schliessen oder Vorschriften zum Betrieb verfügen;
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c. das Betreten und Verlassen bestimmter Gebäude und Gebiete sowie bestimmte Aktivitäten an definierten Orten verbieten oder einschränken.
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3 Die Massnahmen dürfen nur so lange dauern, wie es notwendig ist, um die Verbreitung einer übertragbaren Krankheit zu verhindern. Sie sind regelmässig zu überprüfen.
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Gemäss Art. 2 der Covid-19-Verordnung besondere Lage behalten die Kantone ihre Zuständigkeiten, soweit diese Verordnung nichts anders bestimmt; nach Art. 8 der Verordnung trifft "der Kanton" zusätzliche Massnahmen nach Art. 40 EpG.
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Wie der Beschwerdeführer mit Recht vorbringt, legt Art. 40 EpG nicht selber fest, welche Behörde innerkantonal zuständig ist, um die darin genannten Massnahmen zu treffen, ebenso wenig Art. 2 und 8 der Covid-19-Verordnung besondere Lage. Namentlich wird im Unterschied zu anderen bundesgesetzlichen Regelungen (vgl. z.B. Art. 72 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14] und dazu [für den Kanton Schwyz] BGE 131 I 291 E. 2.6) nicht direkt die kantonale Regierung dazu ermächtigt. Die innerkantonale Zuständigkeit hängt vielmehr vom kantonalen Recht ab (vgl. Urteil 1C_169/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 2.3 und 2.5).
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3.5 In seiner Vernehmlassung zur Beschwerde beruft sich der Regierungsrat nicht auf die Notverordnungskompetenz gemäss § 62 KV/SZ. Er macht auch nicht geltend, er habe die Verordnung "unverzüglich" dem Kantonsrat zur Genehmigung unterbreitet, wie es diese Bestimmung verlangen würde. Es erübrigt sich daher, Voraussetzungen und allfällige Schranken dieser Notverordnungskompetenz näher zu prüfen. Der Regierungsrat beruft sich hingegen auf § 59 Abs. 3 KV/SZ sowie § 1 Abs. 3 der kantonalen Vollziehungsverordnung vom 23. Januar 1984 zum Epidemiengesetz und zum Tuberkulosegesetz (SRSZ 571.211), wonach der Regierungsrat Massnahmen zur Verhütung und Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten anordnen kann. Diese Verordnung ist allerdings kein Gesetz im formellen Sinne und kann selber keine gültige Delegationsnorm im Sinne von § 59 Abs. 1 KV/SZ darstellen. Hingegen kann der Regierungsrat die Verordnung erlassen, soweit sie sich als Vollzugsverordnung qualifizieren lässt. Als Grundlage dafür kommt § 59 Abs. 3 KV/SZ in Frage. Es scheint durchaus denkbar, dass diese Kompetenz nicht nur für den Vollzug von kantonalen, sondern auch von Bundesgesetzen gilt (vgl. zum luzernischen Recht HANSJÖRG SEILER, in: Kommentar der Kantonsverfassung Luzern, Richli/Wicki [Hrsg.], 2010, N. 13 und 22 zu § 56 KV/LU). Jedenfalls kann aber der Regierungsrat gemäss § 4 Abs. 2 lit. i des schwyzerischen Gesundheitsgesetzes vom 16. Oktober 2002 (GesG/SZ; SRSZ 571.110) nähere Bestimmungen erlassen über den Vollzug des Epidemiengesetzes. Der Regierungsrat war somit zum Erlass der Verordnung zuständig, wenn sich diese als Vollzugsverordnung zum EpG qualifizieren lässt.
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3.6 Im schweizerischen System obliegt der Gesetzesvollzug auch in denjenigen Bereichen, in denen der Bund für die Gesetzgebung zuständig ist, grundsätzlich den Kantonen (Art. 46 Abs. 1 BV). Die kantonalen Vollzugsbehörden wenden unmittelbar das Bundesrecht an, ohne dass es einer inhaltlichen Umsetzungsgesetzgebung auf kantonaler Ebene bedarf. Das gilt auch dann, wenn das Bundesrecht unbestimmte Rechtsbegriffe oder konkretisierungsbedürftige Regelungen enthält, die den Vollzugsbehörden einen gewissen Spielraum gewähren. Anders verhält es sich, wenn das Bundesrecht den Kantonen einen blossen Gesetzgebungsauftrag erteilt. In diesem Fall ist das Bundesrecht nicht unmittelbar anwendbar und kann auch nicht direkt die Grundlage für Grundrechtseinschränkungen darstellen, sondern es bedarf dafür einer zusätzlichen kantonalen Rechtsetzung ( BGE 143 II 476 E. 3.2 und 3.3; BGE 142 I 177 E. 4.2; BGE 125 I 449 E. 3b/bb), die gegebenenfalls auf formellgesetzlicher Ebene erfolgen muss. Zu prüfen ist somit, ob Art. 40 EpG selber eine genügende gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV darstellt oder bloss einen Gesetzgebungsauftrag an die Kantone, der - soweit er zu Grundrechtseinschränkungen führt - einer formell-gesetzlichen kantonalrechtlichen Grundlage bedürfte.
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3.6.3 Der 2. Abschnitt von Kapitel 5, der nur aus dem Art. 40 EpG besteht, betrifft demgegenüber "Massnahmen gegenüber der Bevölkerung und bestimmten Personengruppen". Die Bestimmung entspricht inhaltlich weitgehend Art. 21 aEpG. Aufgehoben wurde das in der alten Fassung enthaltene Verbot der Absperrung ganzer Ortschaften oder Landesteile (Art. 21 Abs. 3 aEpG; BBl 2011 392). Art. 40 EpG wurde in den Räten ohne Diskussion angenommen (AB 2012 N 320; AB 2012 S 392). Die darin vorgesehenen Massnahmen richten sich im Unterschied zu denjenigen von Art. 31-39 EpG nicht an einzelne Personen, sondern an die ganze Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen. Die Anordnung erfolgt deshalb in aller Regel nicht durch individuell-konkrete Verfügungen, sondern durch Allgemeinverfügungen oder - wie hier - durch generell-abstrakte Rechtssätze. Dieser Unterschied in Bezug auf die Form der zu treffenden Massnahmen hat aber keinen Einfluss auf die Frage, ob Art. 40 EpG inhaltlich eine hinreichende formell-gesetzliche Grundlage darstellt. Soweit dies zu bejahen ist, bildet er die materiellrechtliche Grundlage für die von den Kantonen zu treffenden Massnahmen, unabhängig davon, in welcher Form diese Massnahmen ergehen. Ergehen sie in Form einer Verordnung, handelt es sich dabei um eine Vollziehungsverordnung, wozu im Kanton Schwyz der Regierungsrat aufgrund des Gesagten (vorne E. 3.5) zuständig ist. Einer zusätzlichen formell-gesetzlichen Grundlage auf kantonaler Ebene bedarf es in diesem Fall nicht (vgl. BGE 104 Ia 480 E. 3b zum analogen Fall des früheren Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose [BS 4 363]).
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3.7.2 Art. 40 Abs. 1 EpG ist sehr unbestimmt formuliert. Die einzige Schranke liegt darin, dass die angeordneten Massnahmen dazu dienen müssen, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Die in Art. 40 Abs. 2 EpG genannten Massnahmen sind nicht abschliessend. Das Bundesgericht hat daraus gefolgert, dass eine gemäss kantonalem Recht für den Vollzug des EpG zuständige Kantonsregierung auch weitere Massnahmen wie eine Verschiebung von kommunalen Wahlen anordnen kann (Urteil 1C_169/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 2.4.2 und 2.5). Ob diese formell-gesetzliche Grundlage für sich allein hinreichend bestimmt ist für beliebige Grundrechtseingriffe, kann vorliegend offenbleiben. Denn jedenfalls finden die in Art. 40 Abs. 2 lit. a-c EpG ausdrücklich genannten Massnahmen im formellen Gesetz eine hinreichend bestimmte Grundlage; zwar gewährt das Gesetz den anordnenden Behörden einen erheblichen Spielraum; es regelt nur die Zielsetzung (die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern) und die Rechtsfolge (Anordnung der genannten Massnahmen), nicht aber die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit solche Massnahmen angeordnet werden können. Angesichts der Natur der drohenden Gefahren und der fehlenden Vorhersehbarkeit der geeigneten Massnahmen ist ein gewisser Ermessensspielraum der vollziehenden Behörden im Bereich der Epidemienbekämpfung aber unvermeidlich und verfassungsrechtlich zulässig (vorne E. 3.1.2): Bei neu auftretenden Infektionskrankheiten besteht typischerweise eine hohe Unsicherheit über Ursachen, Folgen und geeignete Bekämpfungsmassnahmen (BGE 131 II 670 E. 2.3). Die zu treffenden Massnahmen können daher nicht im Voraus mit Bestimmtheit gesetzlich festgelegt werden, sondern müssen aufgrund des jeweils aktuellen, in der Regel unvollständigen Kenntnisstandes getroffen werden (BENJAMIN MÄRKLI, Notrecht in der Anwendungsprobe - Grundlegendes am Beispiel der COVID-19-Verordnungen, Sicherheit & Recht 2020 S. 59 ff., 63; ZÜND/ERRASS, a.a.O., S. 85 f.; ZUMSTEG, a.a.O., S. 807), was einen gewissen Spielraum der zuständigen Behörden voraussetzt ( BGE 131 II 670 E. 2.3 und E. 3; vgl. bereits BGE 50 I 334 E. 4).
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3.8.1 Das betrifft zunächst die Einschränkungen von Veranstaltungen (§ 5 der Verordnung in der Fassung vom 25. Oktober und 30. Oktober 2020), welche sich auf die ausdrückliche Regelung in Art. 40 Abs. 2 lit. a EpG stützen können (vgl. BGE 131 II 670 E. 3 zu Art. 10 aEpG). Es gilt aber auch für die vom Beschwerdeführer kritisierte Maskenpflicht an Veranstaltungen oder in Betrieben: Wenn Veranstaltungen verboten oder eingeschränkt (Art. 40 Abs. 2 lit. a EpG) und Schulen, öffentliche Institutionen und private Unternehmen geschlossen werden können (Art. 40 Abs. 2 lit. b EpG), dann ist es e maiore minus auch zulässig, diese Veranstaltungen oder Institutionen nicht zu schliessen, sondern offen zu lassen unter der Voraussetzung, dass bestimmte Sicherheitsmassnahmen getroffen werden: Der Grundrechtseingriff wiegt weniger schwer als das vollständige Verbot oder die vollständige Schliessung und dient demselben Zweck. Dasselbe gilt auch für die in § 5 der Verordnung (ursprüngliche Fassung) enthaltenen Anforderungen an ein Schutzkonzept. Die unausweichliche Unbestimmtheit der formell-gesetzlichen Grundlage muss kompensiert werden durch erhöhte Anforderungen an die Verhältnismässigkeitsprüfung (vorne E. 3.1.2). Nachdem der Beschwerdeführer diesbezüglich jedoch keine substantiierten Rügen vorbringt, erübrigt es sich, die Massnahmen im Einzelnen auf ihre Verhältnismässigkeit hin zu überprüfen (vorne E. 2.4.2).
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Art. 83 Abs. 1 lit. j und Abs. 2 EpG lauten:
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1 Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich:
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j. sich Massnahmen gegenüber der Bevölkerung widersetzt (Art. 40);
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2 Wer fahrlässig handelt, wird für Übertretungen nach Absatz 1 mit Busse bis zu 5000 Franken bestraft.
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Offensichtlich beabsichtigt die Verordnung nicht, eigene kantonalrechtliche Strafbestimmungen zu erlassen, sondern rein deklaratorisch auf die ohnehin geltenden bundesrechtlichen Strafbestimmungen hinzuweisen. Indem Art. 83 Abs. 1 lit. j EpG auf Art. 40 EpG verweist, welcher seinerseits die kantonalen Behörden zu Massnahmen ermächtigt, ist auch die bundesrechtliche Strafbestimmung unmittelbar bei Zuwiderhandlungen gegen solche Massnahmen anwendbar; sie wäre es auch ohne § 6 der angefochtenen Verordnung.
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3.9 Insgesamt können die Bestimmungen der angefochtenen Verordnung als zulässiger Gegenstand von Vollzugsverordnungen betrachtet werden, zu deren Erlass der Regierungsrat zuständig ist. Die inhaltliche Rechtmässigkeit der einzelnen angeordneten Massnahmen ist nicht zu prüfen (vorne E. 2.4.2). Die Beschwerde gegen die Verordnung ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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