BGE 61 II 90 - Reitanstalt St. Jakob
 
21. Urteil der I. Zivilabteilung
vom 26. März 1935 i.S. Zimmermann gegen Kuhn.
 
Regeste
Konkurrenzverbot für einen Reitlehrer, der zeitweise auch die Leitung der Reitanstalt besorgt.
1. Grundsätzliche Zulässigkeit des Verbotes; Einblick in den Kundenkreis und in die Geschäftsgeheimnisse (Art. 356 OR). Erw. 2.
2. Einschränkung auf das zeitlich zulässige Mass; Einfluss der Wirtschaftskrise (Art. 357 OR). Erw. 3.
 
Sachverhalt
 
A.
Der Kläger war seit 1930 als Stallmeister im Dienste des Beklagten, der die Reitanstalt St. Jakob in Zürich betreibt. Am 1. April 1933 schlossen die Parteien einen neuen Vertrag ab, durch den der Kläger zum Dienst des Stallmeisters auch denjenigen eines Reitlehrers übernahm. Der Vertrag enthält ein Konkurrenzverbot folgenden Inhaltes:
    "Nach Beendigung des obigen Vertrags ist es dem Vertragsnehmer während zehn Jahren untersagt, sich an einer Reitanstalt direkt oder indirekt ohne schriftliche Einwilligung des Vertragsgebers zu beteiligen oder an einer solchen tätig zu sein. Bei Übertretung obiger Bestimmungen ist eine Konventionalstrafe von mindestens 5000 Fr. zu leisten. Der Vertragsgeber ist berechtigt, neben der Bezahlung der Konventionalstrafe die Aufhebung des vertragswidrigen Zustandes zu verlangen. Die Bestimmungen des Art. 360 OR werden vorbehalten."
Am 31. Dezember 1933 kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis und trat Ende Februar 1934 aus dem Dienste des Beklagten aus.
 
B.
Er hat darauf vorliegende Klage eingereicht mit dem Antrag, das Konkurrenzverbot sei aufzuheben, eventuell zu reduzieren.
Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Dabei ist von den Parteien schon im Verfahren vor dem Friedensrichter übereinstimmend festgestellt worden, dass sich das Konkurrenzverbot auf das Gebiet der erweiterten Stadt Zürich beziehe.
Zur Begründung der Klage wird geltend gemacht, dass die in Art. 356 OR für die Zulässigkeit des Konkurrenzverbotes aufgestellten Voraussetzungen fehlen. Ein erheblicher Schaden könne dem Beklagten durch die Verwendung des Einblickes, den der Kläger in seinen Kundenkreis erhalten habe, nicht entstehen, und Geschäftsgeheimnisse seien bei einer Reitanstalt gar nicht vorhanden. Jedenfalls aber erschwere das Verbot seinem jetzigen Umfange nach das wirtschaftliche Fortkommen des Klägers in unzulässiger Weise (Art. 357 OR), zumal er bei den wenigen ReitlehrersteIlen, die es in der Schweiz gebe, auch auf den Platz Zürich angewiesen sei.
Der Beklagte begründet seinen Antrag auf Abweisung der Klage im wesentlichen damit, dass der Kläger ihn während monatelangen Abwesenheiten in der Leitung der Anstalt ersetzt und dabei den ganzen kommerziellen Betrieb kennen gelernt, ferner eine detaillierte Kenntnis über die Kundschaft erlangt habe und zu den Reitschülern in ein gewisses Vertrauensverhältnis getreten sei. Er könnte daher, wenn er in eine andere zürcherische Reitanstalt hinüberwechseln würde, die erwähnten Kenntnisse dort zum Schaden des Beklagten verwenden und insbesondere dessen ganze Kundschaft mit sich hinüberziehen.
 
C.
Das Bezirksgericht Zürich hat in seinem Urteil vom 4. Mai 1934 das Konkurrenzverbot grundsätzlich als zulässig, dagegen der zeitlichen Ausdehnung nach als zu weitgehend erklärt und den Eventualantrag der Klage in dem Sinne gutgeheissen, dass es das Verbot zeitlich auf 5 Jahre beschränkte.
Das Obergericht Zürich, an welches die Sache von beiden Parteien weitergezogen worden ist, hat das erstinstanzliche Erkenntnis durch Urteil vom 1. Dezember 1934 bestätigt.
 
D.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, das Konkurrenzverbot sei gemäss dem Hauptbegehren der Klage aufzuheben, eventuell auf 1-2 Jahre zu reduzieren.
Der Beklagte hat Abweisung der Berufung beantragt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Erwägung 2
2. Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Kläger, der anerkennt, den abwesenden Beklagten wochen- und monatelang in der Leitung der Reitanstalt vertreten zu haben, Einsicht in den ganzen Betrieb und seine Organisation, in die Tarife für den Unterricht und für die Einstellung fremder Pferde, in die Bezugsquellen für Futtermaterial, Sattelzeug und Pferde erlangt hat. Diese Verhältnisse fallen unzweifelhaft unter den Begriff der Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 356 OR, deren Kenntnis der Kläger in einem Konkurrenzunternehmen zum Nachteil des Beklagten ausbeuten könnte. Schon das würde daher für die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit des Konkurrenzverbotes genügen.
Dazu kommt aber, dass der Kläger, wie die Vorinstanz weiterhin feststellt, durch seine Stellung auch mit dem Kreis der Kunden und deren Wünschen und Bedürfnissen mit Bezug auf das Pferdematerial bekannt geworden ist. Das würde es ihm offensichtlich erleichtern, Kunden des Beklagten in ein Konkurrenzunternehmen hinüberzuziehen. Die Stellung des Klägers unterscheidet sich dadurch gerade von dem in BGE 44 II 59 behandelten Falle des Turn- und Tanzlehrers, auf den er Bezug nimmt. Beim Turn- und Tanzlehrer hängt die Anziehungskraft auf das Publikum in ausschlaggebender Weise von seiner persönlichen Leistungsfähigkeit ab, weshalb der Einblick in den Kundenkreis des Dienstgebers dem austretenden Dienstnehmer nicht viel nützen kann. Bei einer Reitanstalt dagegen kommt es für die Gewinnung und Erhaltung von Kunden in erheblichen Masse mit darauf an, den besondern Anforderungen zu genügen, welche dieselben inbezug auf das Pferdematerial, die Gestaltung des Unterrichtes u.s.w. stellen. Demgemäss hätte es der austretende Dienstnehmer hier in der Hand, mit Hilfe dieser Kenntnisse dem Dienstgeber Kunden abspenstig zu machen und für ein Konkurrenzunternehmen zu gewinnen (vgl. hiezu BGE 41 II 115).
Das streitige Konkurrenzverbot ist daher grundsätzlich zu schützen.
 
Erwägung 3
Einmal haben sicherlich die Geschäftsgeheimnisse des Beklagten, so wie sie beim Dienstaustritt des Klägers bestanden haben, nicht auf so lange Zeit hinaus Bedeutung. Bei der gegenwärtigen Unstabilität der wirtschaftlichen Verhältnisse werden Tarife, Bezugsquellen, Betriebsorganisation u.s.w. aller Voraussicht nach schon vorher Veränderungen unterworfen sein, sodass der Kläger den beim Beklagten erhaltenen Einblick kaum mehr so lange wird gegen ihn auswerten können.
Ebensowenig besteht eine ernstliche Gefahr, dass es dem Kläger noch auf 5 Jahre hinaus gelingen werde, dem Beklagten Kunden zu entziehen. Gewiss gibt es Reitschüler, die sich so lange oder sogar noch länger ausbilden lassen, in den meisten Fällen aber begnügen sie sich mit einigen wenigen Kursen. Und auch mit den andern Kunden, die sonstwie, ohne weitern Unterricht zu nehmen, beim Beklagten Pferde mieten, wird der Kläger den seinerzeit gewonnenen persönlichen Kontakt durchwegs schon vorher verloren haben.
Soweit aber der Beklagte tatsächlich ein Interesse an dem fünfjährigen Verbote haben sollte, so steht desselbe in keinem Verhältnis zu der damit verbundenen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers. Schon das Bezirksgericht, dessen Erwägungen von der Vorinstanz übernommen worden sind, hat festgestellt, dass in der Schweiz nur in einigen wenigen grössern Städten Reitanstalten bestehen, in denen für den Unterricht neben dem Betriebsinhaber noch ein weiterer Lehrer benötigt wird. Infolgedessen ist der Kläger für sein wirtschaftliches Fortkommen darauf angewiesen, nicht von dem vielleicht wichtigsten in Betracht kommenden Platze, Zürich, zum vornherein auf so lange Zeit ausgeschlossen zu sein. Das gilt heute noch umsomehr, als bekanntlich die Frequenz der Reitanstalten stark unter der allgemeinen Wirtschaftskrise leidet u. die ausländischen Arbeitsmärkte sozusagen gänzlich verschlossen sind, was die Existenzmöglichkeiten des Reitlehrpersonals immer mehr einengt. Angesichts dieser Situation kann am Konkurrenzverbot nicht mit der gleichen Strenge festgehalten werden wie in Zeiten wirtschaftlicher Blüte, wo für eine Stelle leicht eine andere gefunden wird und neben dem einheimischen auch die ausländischen Arbeitsmärkte offen stehen.
In Abwägung der beidseitigen Interessen erscheint es daher dem Bundesgericht angemessen, die Dauer des Verbotes auf drei Jahre zu beschränken.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen dass die Dauer des Konkurrenzverbotes auf 3 Jahre herabgesetzt wird.