37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung
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vom 13. Juli 1937
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i.S. Looser gegen Hänny.
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Regeste
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Der sog. Architektenvertrag, durch den der Bauherr dem Architekten die Herstellung der Skizzen, der Pläne u. des Kostenvoranschlages, die Vergebung der Arbeiten an die Unternehmer, die Aufsicht u. die Revision überträgt, untersteht grundsätzlich den Regeln über den Auftrag, Art. 394 ff OR.
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Erwägungen
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Der Beklagte, Eigentümer des Hotels Sternen in Unterwasser, übertrug dem klagenden Architekten entsprechend dem Formular Nr. 21 des schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins für die Erweiterungsbauten am Hotel die folgenden Leistungen : "Skizze, Bauprojekt, Ausführungs- und Detailpläne, Kostenanschlag, Vergebung der Arbeiten und Oberaufsicht, Revision." Damit kontrahierte der Kläger nicht etwa als Unternehmer, d.h. er hatte die Bauarbeiten nicht durch eigene Angestellte vorzunehmen oder mit andern Personen Verträge im eigenen Namen abzuschliessen (in welchem Falle ohne weiteres ein Werkvertrag anzunehmen gewesen wäre). Vielmehr handelte der Kläger ausschliesslich als direkter Stellvertreter des Bauherrn, mit der Massgabe, dass dieser dann auch die Gefahr zu tragen hatte (vgl. über diese Verhältnisse RÜMELIN, Dienstvertrag, Werkvertrag, 1905, S. 154). Es erhebt sich nun vorweg die Frage, wie ein solcher Vertrag rechtlich zu charakterisieren sei.
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Greift man einzelne der hiervor aufgezählten Obliegenheiten des Architekten heraus, um sie gesondert zu behandeln, so kann man sie verschiedenen Vertragsarten unterstellen. Die Herstellung von Skizzen und Bauprojekten, sowie von Ausführungs- und Detailplänen, wird in der Regel der Anwendung der Bestimmungen über den Werkvertrag rufen (vgl. auch FICK, Komm. zum OR, Art. 363 N 5 ; BECKER, Art. 363 N 4 f ; OSER-SCHÖNENBERGER, Art. 363 N 19 ; GUHL, Das schweizerische Obligationenrecht, 2. Aufl., S. 197, sowie Appellationshof des Kantons Bern in der Zeitschrift des Bernischen Juristenvereine 57, 91 = Schweizerische Juristen-Zeitung 17, 378 Nr. 285). Die Herstellung von Kostenvoranschlägen, die Vergebung der Arbeiten und die Oberaufsicht, sowie die Revision, bilden dagegen regelmässig wohl eher Gegenstand eines gewöhnlichen Auftrages, es wäre denn, dass ausnahmsweise eine besonders eng gestaltete persönliche Beziehung zwischen dem Bauherrn und Architekten im Sinne eines ausgesprochenen Unterordnungsverhältnisses die Anwendung des Dienstvertragsrechts nahelegen würde. Für einen Fall nun, wie den vorliegenden, wo alle Funktionen miteinander einem Architekten übertragen werden, stellt sich die Frage, ob das ganze Rechtsverhältnis einheitlich zu charakterisieren sei, und gegebenenfalls wie.
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Praktische Erwägungen, insbesondere Zweckmässigkeitsgründe, sprechen zwingend für eine grundsätzlich einheitliche Behandlung des ganzen Vertragsverhältnisses. Denn die einzelnen, auf das nämliche Endziel gerichteten und auch regelmässig gesamthaft honorierten Aufgaben des Architekten hängen untereinander eng zusammen. Wollte man inbezug auf die einzelnen Teilleistungen nebeneinander uneingeschränkt verschiedene Vertragstypen zur Anwendung bringen, so würde das zu ganz unnatürlichen Verhältnissen führen. Was die Parteien mit Wissen und Willen zu einer Einheit zusammengeschlossen haben, dürfte der Richter höchstens dann auseinandernehmen, wenn hiezu eine rechtliche Notwendigkeit vorläge. Das ist indessen nicht der Fall. Die sämtlichen vertraglichen Obliegenheiten des Architekten erschöpfen sich in Arbeitsleistungen, und diese können jedenfalls dem Grundsatze nach ohne Beeinträchtigung der Rechtsstellung des einen oder andern Beteiligten zwangslos demjenigen Vertragstypus über Arbeits- bezw. Dienstleistungen unterworfen werden, der dem gesamten, zusammengefassten Verhältnis am besten entspricht ; dies immerhin mit der Einschränkung, dass dort, wo die besondere Natur der einzelnen Arbeitsleistung zwingend der Berücksichtigung bedarf, aushülfsweise die Vorschriften der speziell auf sie zugeschnittenen Vertragsform heranzuziehen sind.
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Unter der Herrschaft des OR von 1881 hatte das Bundesgericht entgeltliche Verträge zwischen einem Bauherrn und einem Architekten über die Entwerfung von Bauplänen, den Abschluss der Verträge mit den Bauunternehmern (als Vertreter der Bauherren), die Bauleitung und die Baubeaufsichtigung als Dienstverträge charakterisiert (vgl. statt vieler: Revue der Gerichtspraxis 16, 129 Nr. 88). Es befand sich damit im Einklang mit der noch heute in Deutschland herrschenden Auffassung (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichtes in Zivilsachen 137, 84 und dortige Verweisungen), inbezug auf die allerdings zu bemerken ist, dass für sie Auftrag von vorneherein deshalb nicht in Betracht fällt, weil nach § 662 BGB nur ein unentgeltlicher Auftrag möglich ist. Nun hat aber Art. 319 des ab 1. Januar 1912 geltenden revidierten OR im Gegensatz zum alten OR (Art. 338), wie auch zu § 611 des noch geltenden deutschen BGB, das Anwendungsgebiet des Dienstvertrages nicht unerheblich eingeengt. Es wurde nämlich an die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung persönlicher Dienste die Einschränkung geknüpft, dass sie auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zu erfolgen habe. Somit ist heute das charakteristische Unterscheidungsmerkmal des Dienstvertrages gegenüber andern Verträgen auf Arbeits- bezw. Dienstleistung das Zeitmoment. Dieses spielt jedoch gerade in Verhältnis zwischen dem Architekten und dem Bauherrn keine entscheidende Rolle. Allerdings kommt ja natürlicherweise dem Zeitmoment auch hier insofern eine gewisse Bedeutung zu, als die Dienste bis zur Beendigung einer bestimmten Arbeit zu leisten sind. Im Vordergrund steht indessen nicht dieses -- sekundäre -- Zeitmoment, sondern gegenteils der schliessliche Arbeitserfolg, das Arbeitsergebnis. Im Gegensatz zu der ferner den Dienstvertrag charakterisierenden weitgehenden, bis in Einzelheiten reichenden Unterordnung des Dienstleistenden unter den Dienstherren ist bei diesen Bauverträgen der Architekt jedenfalls in der Gestaltung der äussern Verumständungen, unter denen er seine Obliegenheiten zu erfüllen hat (wie namentlich in der Wahl von Arbeitszeit und Arbeitsort), bedeutend freier. Auf Grund des heute geltenden Rechts könnte daher ein Dienstvertrag nur noch beim Vorliegen ganz besonderer Verhältnisse, insbesondere bei einem ausgeprägten, dienstvertragsähnlich gestalteten Unterordnungsverhältnis des Architekten unter den Bauherrn, angenommen werden. Abgesehen von solchen -- im vorliegenden Falle nicht verwirklichten -- Ausnahmeverhältnissen bleibt daher nur noch zu prüfen, ob der Bauvertrag, als Einheit genommen, sich als Werkvertrag oder als Auftrag darstelle. Dabei ist, wie dies das Bundesgericht schon in einer ganzen Reihe von nicht publizierten Urteilen getan hat (vgl. aus der neuern Zeit etwa Urteil vom 30. November 1932 i. S. Roch c. Martinet, vom 26. Mai 1935 i. S. Arnold und Gribi c. Vogel und vom 17. Dezember 1935 i. S. Gfeller-Rindlisbacher c. Trachsel), für Auftrag zu entscheiden. Nach der Honorarordnung der Norm des schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins entfällt zwar wohl auf die Ausarbeitung der Skizzen, des Bauprojekts, sowie der Ausführungs- und Detailpläne mehr als 50% des Honorars des Architekten, und da diese Tätigkeiten, für sich allein genommen, Gegenstand von Werkverträgen bilden würden, könnte man vielleicht versucht sein, auf den wertmässigen Hauptteil abzustellen und das Ganze als Werkvertrag zu charakterisieren. Allein damit würde man den Verhältnissen nicht gerecht. Denn auf diese Weise würde ein nicht unwesentlicher Teil der Tätigkeit des Architekten, vorab die Vergebung der Bauarbeiten, die Oberleitung der Bauausführung die Prüfung der Bauarbeiten, sowie die Aufstellung der Schlussrechnung, in eine Vertragsform gezwungen, mit der sie nichts verbindet. Unterstellt man gegenteils das Ganze den Regeln über den die allgemeinste und damit weiteste Form des Arbeitsvertrages darstellenden Auftrag, mit der Massgabe, dass nötigenfalls die Spezialvorschriften des Werkvertrages aushülfsweise herangezogen werden dürfen, so wird den Verhältnissen nach keiner Richtung hin Zwang angetan (vgl. auch OSER-SCHÖNENBERGER, a.a.O. Art. 363, N 19).
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