BGE 67 II 207 - Erben Honauer |
47. Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 3. Juli 1941 i.S. Rieser-Honauer und Kinder gegen Honauer. |
Regeste |
Erbteilung. Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) und Herabsetzung (Art. 522 ff. ZGB). |
1. Ausgleichung des nachträglich entdeckten TeiIungsvermögens kann ohne weiteres mit einer Klage auf Zahlung verlangt werden. Dem Beklagten steht zu, statt Zahlung Realteilung anzubieten (Art. 628 ZGB). |
2. Der Umstand, dass für den Ausgleichungsanspruch allenfalls zu Unrecht Arrest gelegt wurde (Art. 271 SchKG), hat auf jenen Anspruch selbst keinen Einfluss. |
3. Hat der Erblasser einen Sohn oder eine Tochter auf den Pflichtteil gesetzt und für den Rest des betreffenden Erbteils deren Nachkommen als Erben eingesetzt, so haben diese die Rechte gesetzlicher Erben. Analoge Anwendung der Vorschriften über die Enterbung (Art. 578/9 ZGB). |
4. Art. 626 Abs. 2 ZGB enthält keine blosse Willensvermutung, sondern einen Rechtssatz, der nur vor einer ausdrücklichen abweichenden Verfügung weicht. |
5. Wegen Verletzung des Pflichtteils durch eine bereits vollzogene Verfügung braucht, nachdem die Erbteilung im übrigen durchgeführt ist, keine besondere Gestaltungsklage angehoben zu werden. Zulässig ist Leistungsklage, wobei die Herabsetzung nach Art. 522 ff. ZGB als Klagegrund angeführt ist. |
Sachverhalt |
A. |
Der am 6. Mai 1937 gestorbene Johann Honauer hinterliess als Erben seine vier Kinder Marie (Frau Rieser), Jean, Emil und Helvi (Frau Schneebeli). Die Tochter Marie hatte er mit letztwilliger Verfügung vom 1. März 1932 auf den Pflichtteil gesetzt, mit der Massgabe, dass der Rest ihres Erbteils ihren Kindern zufallen und von der hiefür bezeichneten Person verwaltet werden solle. Die Erben legten diese Anordnung der Teilung zugrunde.
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B. |
Die Erbschaft wurde in zwei Komplexen von netto Fr. 94,355.- und Fr. 61,380.- verteilt. Erst nachträglich erfuhr die Erbin Marie Rieser-Honauer, dass die Miterben Emil und Helvi vom Erblasser je Fr. 30,000.- erhalten und dem Bruder Jean einen Teil gemäss Vereinbarung vom 23. September 1937 abgegeben hatten (Emil Fr. 10,000.- und Helvi Fr. 9000.-, je in Obligationen). Nun verlangte der Ehemann Rieser namens der Frau und der Kinder -- deren Erbgut ihm durch Beschluss des Gemeinderates von Hergiswil vom 7. Juni 1938 zur Verwaltung zugewiesen ist -- einen zusätzlichen Erbanteil von Fr. 15,000.- (1/4 der Fr. 60,000.-), liess dafür gegenüber dem im Auslande wohnenden Emil Honauer in Luzern befindliches Vermögen arrestieren und erhob beim Amtsgericht Luzern-Stadt "Arrestforderungsklage" auf Zahlung von Fr. 15,000.- mit Zins zu 5% seit dem 7. Mai 1937 zum Ausgleich an die von ihm vertretenen Kläger, eventuell auf Zahlung von Fr. 11,150.76 mit Zins an die Ehefrau als Ergänzung von deren Pflichtteil.
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C. |
Das Obergericht des Kantons Luzern wies mit Urteil vom 7. Februar 1941 das Hauptbegehren der Klage angebrachtermassen und das Eventualbegehren schlechtweg ab. Gründe: Ausgleichung von Vorempfangen könne nur bei der Erbteilung selbst verlangt werden. Es bedürfte daher zunächst der Anfechtung der abgeschlossenen Teilung, und auch nach erfolgreicher Anfechtung stünde den Klägern kein Anspruch auf Zahlung, sondern nur auf erneute, bessere Vornahme der Erbteilung zu, der mit Erbteilungsklage zu verfolgen wäre. Das Eventualbegehren auf Geldzahlung wegen Verletzung des Pflichtteils sei unbegründet, weil die beanstandete Zuwendung an den Beklagten und andere Miterben als rechtmässig zu gelten habe, solange sie nicht mit Erfolg durch eine besondere Herabsetzungsklage als Gestaltungsklage angefochten sei. Aus demselben Grunde könne auch nicht Schadenersatz aus unerlaubter Handlung oder Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangt werden.
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D. |
Mit der vorliegenden Berufung halten die Kläger an ihren Begehren fest. Den Betrag der Eventualforderung, ermässigen sie auf Fr. 7500.- mit Zins.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Das Verschweigen von Vorempfängen, die auch nur möglicherweise der Ausgleichung oder der Herabsetzung unterliegen, stellt angesichts der gegenseitigen Auskunftspflicht der Erben (Art. 607 Abs. 3, 610 Abs. 2 ZGB; vgl. BGE 59 II 129) gewiss eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR dar. Das hat aber nicht zur Folge, dass nun neben dem allfälligen Ausgleichungs- oder Herabsetzungsanspruch der Klägerschaft ein Anspruch auf Ersatz eben der zur Herstellung des vollen Erbteils bezw. des Pflichtteils allenfalls zu erbringenden Leistungen aus unerlaubter Handlung bestehe. Vielmehr sind diese Leistungen an und für sich aus Erbrecht geschuldet und daher als solche geltend zu machen. Als Schaden aus unerlaubter Handlung kann dann nur in Betracht fallen, was sich unter Umständen gerade zufolge des Verschweigens nicht mehr einbringen lässt, also ein als adäquate Folge des Verschweigens anzusprechender Ausfall, und ferner besondere Aufwendungen, die ebenfalls wegen des unerlaubten Verschweigens notwendig wurden und nicht anderweitig vergütet werden, wie etwa Prozesskosten, die nach dem zutreffenden Verfahrensrecht nicht zu ersetzen sind. Derartige Schadensfolgen sind aber nicht Gegenstand der vorliegenden Klage; diese zielt nur auf die erwähnten auf erbrechtlicher Grundlage beruhenden Leistungen ab.
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Erwägung 2 |
2. Die Kläger (als welche das Obergericht mit Recht die Frau und die Kinder des nur als deren gesetzlicher Vertreter handelnden Max Rieser betrachtet) begründen denn auch ihre Ansprüche, trotz der nach dem Gesagten verfehlten Anrufung von Art. 41 ff. OR, aus Erbrecht. Was hiebei zunächst den Ausgleichungsanspruch betrifft, so glaubt das Obergericht, sie auf den Weg einer besondern Klage auf Anfechtung der erfolgten Teilung und auf Vornahme einer neuen Teilung verweisen zu sollen. Dem ist jedoch nicht beizupflichten. Indem die Kläger den ihnen zukommenden Anteil am neu entdeckten Vorempfang des Beklagten (und anderer Miterben) verlangen, bringen sie deutlich zum Ausdruck, dass sie die erfolgte Erbteilung nicht als vollständig gelten lassen, und zu weitergehender Anfechtung haben sie keinen Grund, wenn sie es eben bezüglich der von jener Teilung betroffenen Gegenstände bei der getroffenen Auseinandersetzung bewenden lassen wollen. Es handelt sich darnach nur noch um eine Verteilung der neu entdeckten Zuwendungen. Das Obergericht erachtet hiefür eine Teilungsklage für gegeben, weil die Ausgleichung nicht notwendig durch Geldleistung zu vollziehen ist (Art. 628 ZGB). Dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, die auf Geldleistung gehende Klage ohne weiteres abzuweisen. Die Ausgleichung muss nicht in jedem Falle, kann aber immer durch Geldleistung bewirkt werden; der Ausgleichungspflichtige hat nach der angeführten Vorschrift die Wahl. Handelt es sich, wie hier, nur noch um die Verteilung von Aktivvermögen, so ist daher dem Erben, der zu kurz gekommen zu sein glaubt, nicht zu verwehren, einfach den ihm zukommenden Geldwert einzuklagen. Sache des Beklagten ist es, abgesehen von grundsätzlichen Einwendungen gegen die Ausgleichungspflicht und deren Mass, die Teilung in Natur zu beantragen. Die vorliegende Ausgleichungsklage ist daher zu beurteilen unter Berücksichtigung eines Realangebotes des Beklagten, falls ein solches nach den Prozessgrundsätzen gültig und rechtzeitig gestellt wurde. Damit wird dessen Wahlrecht in richtiger Weise beachtet.
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Erwägung 3 |
Erwägung 4 |
4. Die Zuwendung der Fr. 60,000.- an den Beklagten und einen oder zwei weitere Erben untersteht als Vermögensabtretung an Nachkommen nach Art. 626 Abs. 2 ZGB der Ausgleichungspflicht, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt hat. Das Obergericht anerkennt als allenfalls anspruchsberechtigt nur die Erstklägerin, nicht auch deren Kinder als eingesetzte Erben. Mit Unrecht. Setzt der Erblasser ein Kind mit der Massgabe auf den Pflichtteil, dass der restliche Erbteil dieses Kindes dessen Nachkommen als Erben zufallen solle, so sind die letztern für den ihnen zugewiesenen Teil der Erbschaft als gesetzliche Erben zu betrachten. Das folgt aus den Vorschriften über die Enterbung. Nach Art. 478 Abs. 2 und 3 ZGB fällt der Anteil des Enterbten, sofern der Erblasser nicht anders verfügt hat, an die gesetzlichen Erben des Erblassers, wie wenn der Enterbte den Erbfall nicht erlebt hätte, und gleichermassen behalten die Nachkommen des Enterbten ihr Pflichtteilsrecht. Sie sind also als gesetzliche Erben des Erblassers zu betrachten, obschon ihnen der Enterbte nach dem Gesetz im Erbrechte vorgeht und sie nur zufolge der auf letztwilliger Verfügung beruhenden Enterbung als Erben einzutreten haben. Als gesetzliche Erben haben sie auch die sich allenfalls aus Art. 626 ff. ZGB ergebenden Ausgleichungsansprüche, ohne dass der Erblasser sie auch noch ausdrücklieh zu Erben eingesetzt und diese Vorschriften für sie anwendbar erklärt zu haben braucht (vgl. BGE 53 II 205). Selbst wenn die Enterbung als solche mit Erfolg angefochten ist und daher der Pflichtteil des Enterbten beobachtet werden muss, gilt doch nach Art. 479 Abs. 3 ZGB grundsätzlich dieselbe Ordnung im Rahmen des verfügbaren Teils; in diesem Umfang treten also mangels abweichender Verfügung des Erblassers wiederum dieselben Personen als gesetzliche Erben ein, mit den ihnen als solchen zustehenden Rechten. Es kann nicht anders sein, wenn der Erblasser von vornherein den Pflichtteil eines Kindes respektiert und ihm nur den Rest seines Erbteils zugunsten seiner Nachkommen entzogen hat; diese haben für den ihnen zukommenden restlichen Erbteil des betreffenden Kindesstammes als gesetzliche Erben zu gelten.
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Erwägung 5 |
5. Nach Art. 626 Abs. 2 ZGB ist der Beklagte nur dann von der Ausgleichungspflicht entbunden, wenn der Erblasser diese Pflicht ausdrücklich aufgehoben hat. Ein darauf gerichteter Wille des Erblassers genügt nicht; Art. 626 Abs. 2 ZGB enthält keine blosse Auslegungsregel, sondern einen auf Billigkeit beruhenden Rechtssatz, der nur vor einer ausdrücklich die Aufhebung der Ausgleichung verfügenden Erklärung zurücktritt; diese Erklärung, obwohl erbrechtlicher Natur, ist dagegen an keine Form gebunden (BGE 44 II 360, 45 II 520). Im vorliegenden Falle kommt, mangels entsprechender letztwilliger Verfügung, nur die angeblich gegenüber dem Zeugen Stocker abgegebene Erklärung in Betracht, vorausgesetzt dass darin eine ernstliche Anordnung solchen Inhalts zu sehen ist. Das kann auf Grund der vorliegenden Akten nicht entschieden werden, da das Obergericht, gemäss dem Ausgangspunkte seiner Betrachtung, die Aussagen dieses Zeugen als unerheblich gar nicht gewürdigt hat. Dies muss nun noch nachgeholt werden; angesichts des übrigen Prozesstoffes, namentlich der in zweiter Instanz dazugetretenen Protokolle und weitern Akten und darunter vor allem des Briefes des Zeugen an den Anwalt der Kläger vom 6. Dezember 1940 wird eine nochmalige Einvernahme des Zeugen notwendig sein. Das bedingt die Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung.
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Erwägung 6 |
Erwägung 7 |
7. Im Falle der Abweisung des Hauptbegehrens der Klage ist das aus Verletzung des Pflichtteils hergeleitete Eventualbegehren zu beurteilen. Die Abweisung aus dem uneinlässlichen Grunde, dass vor der Leistungsklage eine Gestaltungsklage auf Herabsetzung der als pflichtteilverletzend beanstandeten Verfügung erhoben werden müsste, ist nicht haltbar. Bei Anfechtung einer noch nicht vollzogenen Verfügung, insbesondere einer solchen von Todes wegen, mag mit einer derartigen Gestaltungsklage auszukommen sein; die Erbteilung kann solchenfalls auf Grund der durch das Urteil berichtigten Verfügung vorgenommen werden. Handelt es sich aber um eine bereits vollzogene Verfügung unter Lebenden, und ist die Teilung im übrigen schon durchgeführt, so hat die Berichtigung letzten Endes in einer Leistung zu bestehen, die dem Verletzten den Pflichtteil verschafft. Solchenfalls besteht kein Grund, eine unmittelbar auf Leistung gerichtete Klage, die sich auf die Pflichtteilsverletzung stützt, abzulehnen. Vielmehr steht dem Benachteiligten frei, auf diese Weise zu klagen, statt zunächst ein besonderes Rechtsbegehren um Herabsetzung der Verfügung zu stellen. Die Klage ist um ihrer Begründung willen als Herabsetzungsklage entgegenzunehmen. Das Urteil schafft alsdann zwischen den Prozessparteien Rechtskraft über diesen Klagegrund, und es mag dem Gerichte anheimgestellt werden, die bezügliche Entscheidung noch ausdrücklich, vorgängig der allfälligen Verurteilung zu einer Leistung, in die Urteilsformel aufzunehmen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |