BGE 70 II 255 - Sachs-Käppeli |
45. Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 16. November 1944 i.S. Keusch gegen Telemann-Sachs und Konsorten. |
Regeste |
Erbeinsetzungsvertrag |
1. Altrechtliches korrespektives Testament von seit 1912 verstorbenen Eheleuten beurteilt sich inhaltlich nach ZGB und zwar nach Erbvertragsrecht. Es ist bei jeder einzelnen Testamentsbestimmung zu prüfen, ob sie korrespektiver und damit erbvertraglicher Natur ist (Art. 2 Abs. 2, Art. 15, 16 Abs. 2 SchlT/ZGB). |
2. Art. 494 Abs. 3 ZGB: "Unvereinbarkeit" und daherige Anfechtbarkeit von Schenkungen des Vertragserblassers folgt nicht schon aus dem Begriff des Erbvertrags, sondern setzt eine besondere obligatorische Verpflichtung des Erblassers, solche zu unterlassen, voraus. |
Sachverhalt |
A. |
Die kinderlosen Eheleute Sachs-Käppeli in Muri, die mit dem gemeinsam betriebenen Landesproduktenhandel ein ansehnliches Vermögen erworben hatten, errichteten am 23. Dezember 1887 folgende "Letzte Willensverordnung":
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"Art. 1. Das Vermögen, welches dasjenige von uns hinterlässt, welches zuerst stirbt, soll dem überlebenden Ehegatten zum ausschliesslichen und alleinigen Eigentum zufallen.
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Art. 2. Nach dem Absterben beider oben genannten Testatoren soll die Verlassenschaft folgendermassen vererbt werden:
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a) Die eine Hälfte des Nachlasses soll den Nachkommen des J. Sachs von Winterswil, verstorben in Beinwil, d.h. den Geschwistern und deren Kindern des Testators Josef Sachs zufallen.
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b) Die andere Hälfte der Verlassenschaft soll den Nachkommen des Adam Käppeli von Knutwil, Kt. Luzern, verstorben in Niesenberg, d.h. den Geschwistern und deren Nachkommen der Testatorin Frau Sachs als Eigenthum zufallen.
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Art. 3. Im FaIle, dass der Testator Josef Sachs vor seiner Ehefrau mit Tod abgeht und letztere eine neue Ehe eingehen würde, soll dieselbe das Eigenthum und die Nutzniessung an der in jenem Zeitpunkte vorhandenen Hälfte des Gesamtvermögens verlieren und es soll für die sub Art. 2 a genannten Erben sofort die Erbfolge in die Hälfte des Gesamtvermögens eröffnet werden.
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Art. 4. Dem Testator Josef Sachs soll es bei Lebzeiten sowohl als nach dem Tode seiner Ehefrau freistehen, jederzeit einseitig über den sub Art. 2 a seinen Verwandten zugewendeten Vermögensanteil frei anders letztwillig zu verfügen. Der Testatorin Frau Karolina Sachs soll für den Fall, dass Testator Josef Sachs vor ihr mit Tod abgeht, das Recht gewahrt bleiben, jederzeit einseitig über den sub Art. 2 b ihren Verwandten zugewendeten Erbteil anders letztwillig zu verfügen."
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Nach dem Tode des Ehemannes Sachs im Jahre 1918 betrug dessen Hinterlassenschaft Fr. 85,683.--, während die im Januar 1940 verstorbene Ehefrau Sachs nur noch Fr. 13,188.50 hinterliess.
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Frau Sachs hatte in den Jahren 1931-37 zwei Mitgliedern der mit ihr befreundeten Familie Keusch in Muri, nämlich der Frau Verena Keusch-Meier und dem Jakob Keusch-Bernet, verschiedene unentgeltliche Zuwendungen im Betrage von zusammen Fr. 24,000.--, bezw. Fr. 4500.-- gemacht. Am 20. November 1936 hatte sie mit letztwilliger Verfügung einige kleine Vermächtnisse ausgesetzt und den Verfasser des Testaments, Fürsprech Dr. G. Küchler in Muri, zum Willensvollstrecker bestellt.
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B. |
Mit Klagen vom 22. August 1940 belangten die im Testament von 1887 als Erben eingesetzten beiderseitigen Seitenverwandten der Eheleute Sachs-Käppeli die Zuwendungsempfänger Frau Keusch-Meier und Jakob Keusch auf Rückerstattung der von der Erblasserin empfangenen Schenkungen in natura oder dem Werte nach an die Erbmasse, weil sie den Bestimmungen des gemeinsamen Testaments der Eheleute von 1887 und desjenigen der Frau Sachs von 1936 zuwiderliefen.
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Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage unter Berufung auf das alleinige und ausschliessliche Eigentum der Erblasserin an dem nach dem Tode des Ehemannes verbliebenen Gesamtvermögen.
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C. |
Mit Urteilen vom 28. April 1944 hat das Obergericht des Kantons Aargau die Klagen gutgeheissen, die Schenkungen als anfechtbar erklärt und die Beklagten verurteilt, deren Gegenwert -- Fr. 24,000.-- bezw. Fr. 4500.-- zum Zwecke der Erbteilung in die Erbmasse einzuwerfen.
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Die Vorinstanz führt aus, bei der "letzten Willensverordnung" von 1887 handle es sich nicht um ein gegenseitiges, sondern um ein altrechtliches sog. korrespektives Testament mit erbvertraglichem Charakter, dessen "besonderes Merkmal nach gemeinrechtlicher Lehre und aargauischer Gerichtspraxis die Unmöglichkeit des einseitigen Widerrufs oder einseitiger Abänderung und das Gebundensein an die Zustimmung der Mittestatoren dafür bilde". Dieses Merkmal treffe auf das vorliegende Testament zweifellos zu, indem nichts dafür spreche, dass die Eheleute Sachs die einseitige Widerruflichkeit ihrer Verordnung hätten stipulieren wollen. Auf das korrespektive Testament seien daher die Grundsätze des Erbvertrages, hier insbesondere auch Art. 494 ZGB, anwendbar. Inhaltlich habe man es weder mit einer fiduziarischen Nacherbeneinsetzung im Sinne des § 947 aarg. BG noch mit einer solchen gemäss Art. 488 ZGB, sondern mit einer sog. Nacherbeneinsetzung auf den Überrest zu tun. Denn es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die Eheleute Sachs sich grundsätzlich gegenseitig das freie Eigentum und die unbeschränkte Verfügungsmacht des Überlebenden über den ganzen Nachlass des vorverstorbenen Teils einräumen wollten, nicht nur eine mit der Pflicht zur Erhaltung der Substanz belastete, nutzniessungsähnliche Berechtigung. Trotzdem könne es nicht in der Absicht der Eheleute gelegen haben, sich als Vorerben gegenseitig auch das Recht zur schenkungsweisen Veräusserung von Nachlassgut an Dritte inter vivos einzuräumen. Wenn man noch in guten Treuen eine Befugnis des Vorerben, für sich selber, d.h. zur Bestreitung seines eigenen Unterhaltes, frei über die Substanz des Nachlasses zu verfügen, bejahen könne, so wäre ein solches Verfügungsrecht zu Schenkungen an Dritte mit dem präsumtiven Willen der Testatoren nicht mehr in Einklang zu bringen. Eine Vermutung zugunsten einer Befugnis besteht nicht; im Gegenteil sei anzunehmen, dass der Erblasser das freie Verfügungsrecht bloss dem Vorerben persönlich gewähren wollte. Der Text der "letzten Willensverordnung" spreche gegen eine weitergehende Freiheit (Art. 2, 3, 4 der Verordnung). Durch diese Bestimmungen sollten einmal die Verschleuderung der den Erben des Erstverstorbenen verfangenen Hälfte des Gesamtvermögens durch den Überlebenden sowie gegebenenfalls unlautere Manipulationen vor der Wiederverheiratung der Ehefrau vermieden werden; anderseits dürfte Art. 4, wonach der überlebende Ehegatte nur letztwillig über die eine Hälfte des frühern Gesamtvermögens verfügen könne, der Gedanke zugrunde liegen, dass er auf diese Weise nach Möglichkeit gegen die Wechselfälle des Lebens gesichert sein sollte. Es würde offenbar dem Willen des Testaments und Treu und Glauben widersprechen und daher einen Rechtsmissbrauch im Sinne des Art. 2 ZGB darstellen, wenn der überlebende Ehegatte und Vorerbe, der bis zum Lebensende vom Nachlass des Erstverstorbenen profitieren dürfe, darüber hinaus durch Schenkungen unter Lebenden auch noch jene Hälfte des Nachlasses unmittelbar vor seinem Tode verschleudern könnte, über die der vorverstorbene Ehegatte gemäss Art. 2 bezw. 4 letzwillig verfügt hatte und über die der Vorerbe daher letztwillig nicht verfügen dürfe. Darum könne eine Befugnis des überlebenden Vorerben zur Vornahme von Schenkungen aus dem Gesamtgut weder vor dem Text und Willen des Testaments noch vor Art. 2 ZGB standhaben, weshalb die erfolgten Zuwendungen gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB anfechtbar seien.
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D. |
Gegen diese Urteil richten sich die vorliegenden Berufungen der beiden Beklagten mit dem Antrag auf Abweisung der Klagen.
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Die Kläger tragen auf Bestätigung der angefochtenen Urteile an.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Für die inhaltliche Auslegung des Testaments ist jedoch das neue Recht anwendbar (BGE 56 II 258). Da dieses das gemeinsame Testament, jedenfalls soweit es korrespektiv ist, nicht anerkennt (BGE 47 II 52), ist für die Beurteilung der Wirkungen von derjenigen neurechtlichen Verfügungsart auszugehen, welche zur Erreichung des von den Testatoren beabsichtigten wesentlichen Zweckes gewählt werden müsste. Das charakteristische Merkmal des korrespektiven Testaments des alten aargauischen Rechts ist dessen Unwiderruflichkeit. Es war im aarg. BG sowenig wie das gewöhnliche gemeinsame Testament besonders normiert, wurde jedoch von der Praxis unter dem Einfluss der gemeinrechtlichen Lehre doch zugelassen und in der Frage der Bindung der Kontestatoren dem Erbvertrage gleich gestellt (Aarg. VJS 3, 165; 24, 35), der zwischen Ehegatten geschlossen Ehevertrag hiess (§§ 957, 958). Auch im vorliegenden Falle erklärt die Vorinstanz die altrechtliche Verfügung von Todes wegen als korrespektives Testament mit erbvertraglichem Charakter. An diese Gleichstellung des korrespektiven Testaments mit dem Erbvertrag nach kantonalem Recht ist das Bundesgericht gebunden, da die Fortgeltung des aargauischen Rechts in dieser Beziehung der Vorbehaltsklausel des Art. 2 Abs. 2 SchlT nicht widerstreitet.
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Immerhin kommt der erbvertragliche Charakter nicht dem ganzen Testamente zu, sondern nur denjenigen Bestimmungen desselben, welche korrespektiv, d.h. gegenseitig voneinander abhängig sein sollen. Da nun Art. 4 des vorliegenden gemeinsamen Testaments jedem Ehegatten das Recht wahrt, über die seinen eigenen Verwandten zugewandte Hälfte des Gesamtvermögens letztwillig anders zu verfügen, so fehlt demnach der beidseitigen Verfügung des Art. 2 zu Gunsten der eigenen Verwandten jedes Ehegatten dieses für die Annahme der Korrespektivität entscheidende Erfordernis und damit der erbvertragliche Charakter. Der Vorbehalt der anderweitigen letztwilligen Verfügung des Art. 4 hat die Wirkung, dass bezüglich der den eigenen Verwandten jedes Kontestators zugedachten Hälfte eine erbvertragsähnliche Gebundenheit überhaupt nicht besteht, also auch nicht mit Bezug auf Verfügungen unter Lebenden. Die der Verwandtschaft der Ehefrau Sachs angehörenden Kläger können sich daher nicht auf die Anfechtbarkeitsbestimmung des Art. 494 Abs. 3 ZGB berufen, weshalb ihnen gegenüber die Klage zum vornherein abgewiesen werden muss. Die Unterscheidung zwischen den beiden Klägergruppen ist indessen ohne praktische Bedeutung, weil auch die Klage der Verwandten des Ehemannes Sachs, bezüglich deren die überlebende Ehefrau erbvertraglich gebunden war, sich als unbegründet erweist.
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Erwägung 2 |
Der Teilentwurf von 1895 zum Erbrecht unterstellt korrespektive Testamente dem Recht der Erbverträge (Art. 455 Abs. 4). Nach Art. 492 kann in den Fällen, wo der Erblasser aus dem Vertrag Gegenleistungen erhält, der Vertragserbe Schenkungen desselben unter Lebenden anfechten.
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Der Vorentwurf von 1900 dagegen bestimmt in Art. 516 Abs. 2: "Er (der Erblasser) behält die freie Verfügung über sein gegenwärtiges Vermögen"; Abs. 3: "Verfügungen von Todes wegen, die mit dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen der Anfechtung". Daraus scheint sich zu ergeben, dass Schenkungen unter Lebenden überhaupt in keinem Falle anfechtbar sind (so Prof. A. Martin, Exposé zum Erbrecht des VE, Genf 1901, S. 48: "Il en résulte qu'il ne lui (au disposant) est pas interdit de faire une donation entre vifs"). Von dem zitierten Text weicht allerdings die französische Fassung des Art. 516 Abs. 3 VE offensichtlich ab mit dem Wortlaut: "Peuvent être attaquées toutes autres libéralités qui seraient en contradiction avec le pacte successoral". Der Gesetzesredaktor geht in seinen Erläuterungen zum VE (1901) ausdrücklich vom deutschen Text aus, nimmt aber dennoch, entsprechend Art. 492 des Teilentwurfs, ein Anfechtungsrecht des Vertragserben gegenüber Schenkungen des Erblassers an, falls dieser Gegenleistungen erhalten habe, wobei dann nach den bezüglichen ausführlichen Vorschriften der französischen Rechte vorzugehen wäre (Erl. II, S. 79; 2. Ausg. von 1914 I S. 400).
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Die Frage kam in der Expertenkommission zur Sprache (Sitzung vom 12. März 1902, zu Art. 516 VE). Gottofrey wies auf die erwähnte Divergenz der beiden Fassungen hin. Oser stellte den Antrag, in Abs. 3 nach "Verfügungen von Todes wegen" beizufügen oder Schenkungen, mit der Begründung, wer nach dem Erbvertrag etwas schenke, tue es auf Rechnung des Gegenkontrahenten. Der Präsident nahm den Antrag zu redaktioneller Prüfung entgegen. Auf einen spätern Antrag Bühlmann auf Ablehnung des Antrags Oser bemerkte der Referent Huber, letzterer beziehe sich wohl auf die Beschränkung im Sinne des Art. 547 VE (Herabsetzung, jetzt Art. 527). "Weitere Ausschliessung der Schenkung könne sich aus dem Vertrag selbst ergeben. Schenkungen sollen zugelassen werden, soweit sie nicht mit dem Vertrag unvereinbar seien". Oser bezeichnete eine bIosse Anfechtbarkeit von Schenkungen im Rahmen der Herabsetzung nach Art. 547 VE als ungenügend, schon wegen der dortigen Befristung auf 10 Jahre rückwärts vom Tode. Planta pflichtete Bühlmann bei und erwiderte Oser, "es sei ja nicht ausgeschlossen, dass jemand in einem Erbvertrag sich Garantien geben lasse dafür, dass nach dem Abschluss desselben Schenkungen nicht mehr vorgenommen werden. Habe das nicht stattgefunden, so sehe er nicht ein, warum nachher die Schenkungen ausgeschlossen sein sollen", womit Bühlmann sich einverstanden erklärt.
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In der Abstimmung wurde der Art. "im Sinne der gewalteten Diskussion in der Fassung des Entwurfs" angenommen.
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Für die grundsätzliche Zulässigkeit von Schenkungen spricht ferner der Umstand, dass Abs. 3 die unvereinbaren als Ausnahmekategorie nennt. Wäre die Unzulässigkeit die Regel, so liesse sich eher eine Heraushebung der unanfechtbaren Schenkungen im positiven Sinne erwarten, z.B. "und Schenkungen, vorbehältlich der nach dem Erbvertrag erlaubten".
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c) Die Annahme eines prinzipiellen Ausschlusses würde auch der geschichtlichen Entwicklung widersprechen. Im gemeinen Recht war der Vertragserblasser in seiner Dispositionsfähigkeit inter vivos grundsätzlich nicht beschränkt, auch nicht hinsichtlich Schenkungen, unter Vorbehalt der Anfechtung von dolosen, auf Schädigung des Vertragserben ausgehenden Schenkungen (Beseler, Erbverträge, 1835, 2. Teil Bd. I, S. 257/68; Dernburg, Bürg. Recht V S. 275). Ebensowenig kannten diejenigen kantonalen Erbrechte, die den Erbvertrag zuliessen und auf denen daher das ZGB unmittelbar fusst, einen grundsätzlichen Ausschluss der Schenkung unter Lebenden (Huber, Privatrecht II S. 326). Das BGB endlich lässt das Recht des Vertragserblassers zu Verfügungen unter Lebenden, auch zu Schenkungen, unangetastet mit der Ausnahme der Anfechtbarkeit von Schenkungen mit der Absicht der Beeinträchtigung des Vertragserben (§§ 2286/87; Dernburg V S. 276, Kretzschmar 343 ff.). Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass das ZGB mit der Aufstellung eines grundsätzlichen Verbots der Schenkung über alle diese Rechte hätte hinausgehen wollen. Auch die Annahme, die Anfechtbarkeit der Schenkung folge schon aus der blossen tatsächlichen Beeinträchtigung des Vertragserben, läuft auf die Aufstellung einer gesetzlichen Präsumtion für die Unvereinbarkeit hinaus, die im Gesetz keine Stütze findet. In dieser Beziehung lässt sich an der in BGE 62 II 134 vertretenen Auffassung, wonach die Zulässigkeit einer Schenkung einen dahingehenden Vorbehalt im Erbvertrag voraussetze, nicht festhalten. Beim Fehlen einer klaren gegenteiligen Vorschrift des Gesetzes muss umgekehrt als Grundsatz und Regel die Verfügungsfreiheit des Erblassers gelten und die Ausnahme davon, die Unvereinbarkeit von Schenkungen, im Erbvertrag in Form einer obligatorischen Verpflichtung ausbedungen sein.
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d) Sachlich wäre nicht einzusehen, warum aus der Zahl der das Vermögen schmälernden, aber anerkanntermassen durch den Erbvertrag nicht ausgeschlossenen lebzeitigen Verfügungen des Erblassers gerade die Schenkung herausgenommen sein sollte. Der Erblasser kann nach Abschluss des Erbvertrages sein Vermögen für Liebhabereien ausgeben oder verspielen und damit die Anwartschaft bezw. das Erbrecht des Vertragserben beeinträchtigen, ohne dass dieser etwas dagegen tun könnte, abgesehen von der Anregung vormundschaftlicher Massnahmen nach Art. 370 ZGB. Es ist unerfindlich, wieso nur gerade Schenkungen von dieser Verfügungsfreiheit ausgenommen sein sollten, die, zumal wenn sie aus Motiven der Dankbarkeit erfolgen, jedenfalls nicht unvernünftiger oder unmoralischer sind als die genannten Arten, das Recht des Vertragserben auszuhöhlen. Der Umstand allein, dass -- unter dem Gesichtspunkt der Situation des Empfängers betrachtet -- die Rückforderung einer unentgeltlichen Zuwendung weniger Bedenken erweckt als die einer entgeltlichen, genügt nicht, um eine derartige dem System des Gesetzes widersprechende Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Vertragserblassers zu rechtfertigen. Mit der generellen Zulassung der Anfechtbarkeit der Schenkung ginge man im Schutz des Vertragserben viel weiter als im Pflichtteilsschutz, wo die Herabsetzung von nicht frei widerruflichen Schenkungen auf 5 Jahre vom Tode rückwärts begrenzt ist (Art. 527 Ziff. 3), während sich nach Art. 494 Abs. 3 keine zeitliche Grenze ergäbe. Und für die analoge Anwendung der Fünfjahresgrenze des Art. 527 Ziff. 3 bietet sich, trotz der Bemerkung Hubers in der Expertenkommission, gesetzestechnisch keinerlei Anhaltspunkt.
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Inwieweit die Anfechtung nach Art. 494 Abs. 3 wegen Schädigungsabsicht gegenüber dem Vertragserben zuzulassen wäre, braucht hier nicht untersucht zu werden, denn solche Motive der Frau Sachs sind weder aus den Akten ersichtlich noch von den Klägern behauptet. Dahingestellt bleiben kann ferner, in welcher Form eine positive Verpflichtung des Vertragserblassers, keine Schenkungen unter Lebenden vorzunehmen, begründet werden müsste, namentlich ob eine solche Unvereinbarkeit nur aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Erbvertrags selber entnommen oder aber, entgegen der für die Auslegung von letztwilligen Verfügungen geltenden Praxis (BGE 69 II 383), auch aus Elementen ausserhalb desselben, z.B. aus den Umständen des Vertragsschlusses, den gegenseitigen Beziehungen der Vertragsparteien usw. abgeleitet werden dürfte. Denn im vorliegenden Falle sind keine schlüssigen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Eheleute Sachs gegenseitig bezüglich der Verwandten des Vorversterbenden soweit die Hände zu binden beabsichtigten. Ein dahingehender, stillschweigend vorausgesetzter Wille lässt sich auch nicht aus dem zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung von 1887 geltenden Rechtszustand ableiten. Das aargauische BG enthielt über die Zulässigkeit von Schenkungen bei korrespektivem Testament keine Bestimmungen, und einschlägige Entscheide sind nicht nachgewiesen. Da sich die aargauische Praxis im allgemeinen beim Fehlen gesetzlicher Bestimmungen an die gemeinrechtliche Doktrin hielt, darf angenommen werden, dies wäre auch bezüglich der Frage der Anfechtbarkeit solcher Schenkungen der Fall gewesen, wenn sie noch unter dem alten Recht zu beurteilen gewesen wäre. Nach gemeinem Recht aber hatte bei derartigen korrespektiven Verfügungen unter Ehegatten der Überlebende, der den Nachlass des Vorverstorbenen ohne Belastung mit einer Nacherbschaft erhielt, die völlig freie Verfügung über denselben; auch Schenkungen, sogar bezüglich der vom Vorverstorbenen ererbten Grundstücke, standen ihm frei (Dernburg V S. 265 ff.) Bestand demnach damals die Möglichkeit einer Anfechtung von Schenkungen durch die im korrespektiven Testament eingesetzten Dritterben nicht, so können sich auch die Eheleute Sachs im Jahre 1887 eine solche Sicherung gegen Benachteiligung der Verwandten des Vorversterbenden nicht als ohnehin bestehend vorgestellt haben. Wenn sie sie daher wünschten, hatten sie allen Anlass, dies im Testament deutlich zu sagen, was mit den vorliegenden Bestimmungen desselben nicht geschehen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |