BGE 75 II 343 - Nachträgliche Testamentsdatierung |
49. Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 21. Dezember 1949 i.S. Wick gegen Wick und Konsorten. |
Regeste |
Eigenhändiges Testament (Art. 505 ZGB). |
Das Datum muss wahr sein und somit den Tag angeben, an dem es beigesetzt wurde; -- selbst wenn dies erst nach der Niederschrift des Verfügungstextes geschieht. |
Auch wenn die Niederschrift mehrere Tage dauert, braucht nur einmal datiert zu werden: notwendig am Tag der Vollendung des Testamentes mit Einschluss der Datierung. |
Sachverhalt |
A. |
Der am 6. August 1947 verstorbene Landwirt Jakob Wick hat eine eigenhändige letztwillige Verfügung hinterlassen. Diese war ursprünglich in folgender Weise vor der Unterschrift datiert: "Speicher, im Mai 1942." Das Wort "im" ist durchgestrichen und mit den Worten "den 10." überschrieben. Darunter findet sich der gleichfalls handschriftliche Vermerk: "von mir selbst abgeändert Jakob Wick".
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B. |
Die in diesem Testamente auf den Pflichtteil gesetzten Brüder des Erblassers haben das Testament wegen Formmangels (Fehlen einer richtigen Datierung gemäss Art. 505 ZGB) als ungültig angefochten. Die Gerichte beider kantonalen Instanzen haben die Klage gutgeheissen. Das Obergericht des Kantons Appenzell A.-Rh. stellt in seinem Urteil vom 26. September 1949 fest, dass der Erblasser das ohne Tagesangabe datierte Testament am Sonntag, den 10. Mai 1942, dem Gemeindeschreiber Bruderer in einer Wirtschaft vorgewiesen und tags darauf auf dessen Rat das Datum in der Gemeindekanzlei so, wie aus der Urkunde ersichtlich, berichtigt und ergänzt habe. Die Beklagte behaupte, dass das Testament am Sonntag, den 10. Mai, niedergeschrieben worden sei, und der Gemeindeschreiber halte dies für wahrscheinlich (weil die Bauern am ehesten an Sonntagen zu solchen Verrichtungen Zeit haben). Doch sei dies nicht erwiesen; das Testament könne irgendwann zwischen dem 1. und dem 10. Mai geschrieben worden sein. Wie dem aber auch sei, habe am 10. Mai eben mangels vollständiger Datierung noch kein fertiges Testament vorgelegen. Da der Abschluss erst am 11. Mai erfolgt sei, hätte dieses Datum und nicht dasjenige des Vortages hingesetzt werden sollen.
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C. |
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte, die Witwe des Erblassers, Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Erwägung 2 |
Erwägung 3 |
3. Als Tag der Errichtung kann hier nicht etwa der 10. Mai 1942 gelten, gesetzt auch, der Erblasser habe das Testament mit dem vorerst unvollständigen Datum am betreffenden Tage geschrieben. Damit war das Testament eben mangels vollständiger Datierung noch nicht vollendet, also nicht errichtet. Der Akt der Vollendung erfolgte erst am 11. Mai 1942. Das Erfordernis der richtigen Datierung bedeutet zwar nicht, dass ein Testament, dessen Errichtung sich über mehrere Tage hinzieht, stückweise bis zur Vollendung jeden Tag zu datieren sei (wie dies von Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik, 66 ff., annimmt). Es genügt die Angabe des Tages, an dem die Testamentserrichtung zum Abschluss gelangt ist (BGE 56 II 248 oben; so auch die herrschende Ansicht in Deutschland und Frankreich: Staudinger, 9. Aufl., zu § 2231 BGB Nr. 4: "...Dass mehrere Tage, an welchen der Erblasser am Testamente geschrieben hat, angegeben sind, ist unschädlich, wenn nur auch der Tag der Vollendung des Testamentes angegeben ist"; Baudry-Lacantinerie: Des donations entre vifs et des testaments, t. II p. 41: "Quand le testateur aura cru devoir consacrer plusieurs jours à la confection de son testament, il suffira d'ailleurs que celui-ci porte la date du jour où il aura été parachevé"). Wesentlich ist, dass dem Testament ein Datum beigesetzt sei, das den ganzen Inhalt der Verfügung deckt (BGE 57 II 20; vgl. ferner Dalloz, Répertoire pratique, t. 12 s.v. testament, N 141 und 146). Und weil das Datum selbst, wie dargetan, einen Bestandteil der Verfügung bildet und überdies in sich selbst wahr sein muss, kam hier, als der Erblasser am 11. Mai 1942 sich anschickte, die Datierung in Ordnung zu bringen, nur die Angabe eben dieses 11. Mai 1942 in Frage. Abweichende Lösungen (etwa gemäss den Ausführungen von Saleilles, Des formes du testament olographe, in der Revue trimestrielle de droit civil III 1904, 89 ff.) können für das schweizerische Recht nicht angenommen werden. Saleilles (a.a.O. 90) bemerkt übrigens zutreffend, es sei das einfachste "de considérer comme fausse une date qui ne correspond pas au jour où elle a été apposée", und es sind denn auch in Frankreich Entscheidungen in diesem Sinne ergangen (vgl. Dalloz, Répertoire pratique, s.v. "testament" N 155). Vor der am 11. Mai 1942 erfolgten Ergänzung des Datums war das Testament rechtlich einem blossen Entwurfe gleichzuachten.
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Erwägung 4 |
4. Die schweizerische Rechtsprechung lässt, hierin der französischen folgend, die Berichtigung eines Datumsfehlers beim eigenhändigen Testamente nur dann zu, wenn der Fehler auf einem Versehen beruht (Irrtum über das "heutige" Datum; Schreibfehler) und sich das wahre Errichtungsdatum ausserdem aus der Testamentsurkunde selbst ermitteln lässt (BGE 45 II 153, 50 II 6 und 7, 57 II 153, 64 II 409). Man findet allerdings die Ansicht vertreten, eine versehentlich unzutreffende Datierung sollte sich auch auf Grund ausserhalb der Testamentsurkunde liegender Momente berichtigen lassen (Tuor, N. 20, und Escher, 2. Auflage, N. 22 zu Art. 505 ZGB). Ob sich dies mit der gesetzlichen Formvorschrift vereinbaren liesse, kann jedoch dahingestellt bleiben. Hier hat man es ja nicht mit einem bloss versehentlichen Datierungsfehler zu tun. Der Erblasser hat am 11. Mai 1942 bewusst den Vortag vermerkt. Freilich war er der Meinung, auf solche Weise den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen zu können. Aber die Berufung auf Rechtsirrtum kann nicht helfen, wenn eine vom Gesetze als Gültigkeitserfordernis vorgeschriebene Form nicht erfüllt ist (was auch Saleilles, a.a.O. 94, hervorhebt). Hätte sich übrigens der Erblasser die Mühe genommen, das Testament am 11. Mai 1942 vollständig neu zu datieren, so wäre ihm jener Rechtsirrtum kaum unterlaufen. Er hätte dann wohl, der wahren Sachlage entsprechend, den "heutigen" Tag vermerkt, also den Tag, an welchem er das Datum wirklich niederschrieb.
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Erwägung 5 |
5. Das vorliegende Testament könnte der Ungültigkeitsklage nur standhalten, wenn man das Erfordernis der wahren Datierung fallen liesse. Dahin ging die belgische Praxis (kritisiert von Laurent, Principes de droit civil français, t. 13, N 202 ff.; Planiol et Ripert, Traité, éd. nouvelle 1946, t. 3 p. 634). Das würde auch den Vorschlägen von Saleilles, a.a.O. 89 ff., entsprechen, ferner der Ansicht deutscher Autoren (vgl. die Hinweise bei Staudinger a.a.O. S. 748). Eine vermittelnde Stellung nimmt die italienische Rechtsprechung ein (Nuovo digesto italiano, t. XII, s.v. successioni testamentarie, N 23, besonders S. 1071). Aber ganz abgesehen davon, dass das neue italienische Gesetz in Art. 148 Abs. 2 den Nachweis der Unrichtigkeit des Datums nur zur Begründung bestimmter Einwendungen, nicht an und für sich, zulässt (Digesto a.a.O. 1072 rechts al. 1), muss für Art. 505 des schweizerischen ZGB die Angabe des wahren Errichtungsdatums nach wie vor als unerlässlich gelten. Eine bewusste Vor- oder Nachdatierung ist eben nicht Angabe desjenigen Sachverhaltes, der nach dem Sinn dieser Vorschrift anzugeben ist. Im Wechselrecht mögen Gründe bestehen, willkürliche Datierungen gelten zu lassen. Beim Testamente dagegen, das in jedem Fall erst mit dem Tode des Erblassers wirksam wird, kann die nach Ort und Zeit, auf den Tag genau, verlangte Datierung nur dazu vorgeschrieben sein, damit man den wahren Ort und die wahre Zeit der Errichtung daraus ersehe (zutreffend von Hippel, a.a.O. 60, Staudinger, a.a.O. S. 748).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |