Eine am 3. Dezember 1952 vom Ehemanne eingeleitete neue Scheidungsklage wurde wiederum vom Bezirksgericht gutgeheissen, jedoch auf Appellation der Beklagten vom Obergericht abgewiesen. Es geht von den Urteilen im früheren Prozesse aus, nach denen damals das Verschulden deutlich auf Seite des Klägers gelegen habe. Seither sei die Beklagte immer zur Versöhnung und Wiedervereinigung bereit gewesen und dem Manne zugetan geblieben. Angesichts der Behauptung des Klägers, eine Rückkehr zur Frau sei ihm psychisch schlechterdings unmöglich, liess die Vorinstanz beide Eheleute hinsichtlich ihres psychischen Zustandes und namentlich ihrer gegenseitigen Einstellung psychiatrisch begutachten. Auf Grund dieser Expertise bezeichnet die Vorinstanz die psychologische Situation der Ehegatten als hinlänglich abgeklärt. Die Beklagte leide unter der tatsächlich vorhandenen Zerrüttung schwer und befinde sich deswegen in einem ans Krankhafte grenzenden Zustande. Sie hänge am Manne und an der Ehe und sei gewillt, durch Wiederaufnahme der Gemeinschaft zur Lösung des Zerwürfnisses beizutragen. Allerdings seien die Parteien verschieden veranlagt. Verschiedenheit, ja Unvereinbarkeit der Charaktere könne jedoch nicht ohne weiteres als objektive Zerrüttungsursache anerkannt werden (BGE 72 II 402, BGE 74 II 66, BGE 77 II 204 ff.). In casu handle es sich um Charaktereigenschaften, die willensmässig im Sinne der Anpassung beeinflusst und korrigiert werden können. Dass diese charakterlichen, objektiven Faktoren nicht unüberwindbar und ausschlaggebend gewesen seien, zeige der jahrelange gute Verlauf der Ehe. Der Kläger hätte die Schwierigkeiten aus der bei ihm vorhandenen, auf Erziehungsstörungen zurückgehenden seelischen Unausgeglichenheit mit gutem Willen meistern können. Für den Eintritt der Krise erst nach Jahren sei sein bezügliches Versagen allein verantwortlich. Während die Beklagte sich als Hausfrau und Mutter untadelig gehalten, habe der Mann sich von ihr wegentwickelt, sich über sie zu erheben angefangen, sie und die
Kinder vernachlässigt, die persönlichen Beziehungen zur Familie verkümmern lassen, sie viel allein gelassen, ja tyrannisiert. Eine daherige Verbitterung und gelegentliche scharfe Reaktion seitens der Frau sei begreiflich und könne ihr nicht zu erheblichem Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Sachverhalt dränge sich dem Gericht wiederum die Feststellung auf, dass die unheilvolle Entwicklung der Ehe in der Hauptsache in der späteren verfehlten Einstellung des Klägers gegenüber Frau und Kindern liege, die ihm zum Verschulden gereiche. Dieses übertreffe an ursächlicher Bedeutung die übrigen Zerrüttungsfaktoren, weshalb seiner Klage Art. 142 Abs. 2 ZGB entgegenstehe. An dieser Beurteilung ändere nichts, dass sich der Kläger heute allerdings in einem seelisch kranken Zustande befinde, von dem er sich nur schwer befreien könnte, den er aber im Verlaufe vieler Jahre selber herbeigeführt habe, eben durch seine ungerechtfertigte, überhebliche Abwendung von der Familie. Nach Abweisung seiner früheren Scheidungsklage hätte er nicht weiterhin in seiner Trotzeinstellung verharren und sich der Familie entziehen dürfen. Dass es mit ihm bis zum heutigen Zustande krankhafter Verstrickung kam, sei und bleibe zu einem wesentlichen Teil sein Verschulden. Die Klage müsse daher ohne Rücksicht darauf, ob auf eine Wiedergesundung der Ehe praktisch Aussicht bestehe, abgewiesen werden. Der Verweisung des Klägers auf seinen seelischen Zustand sei entgegenzuhalten, dass die Beklagte unter dem Zerwürfnis kaum weniger leide als er. Da sie praktisch schuldlos sei, müsse auf ihren Zustand mindestens so sehr Rücksicht genommen werden wie auf den seinigen. Es stelle sich daher nicht nur die Frage, ob dem Kläger die Fortsetzung, sondern auch, ob der Beklagten die Scheidung der Ehe zuzumuten sei; letzteres sei angesichts der Verschuldenslage - und unabhängig von der Frage der objektiven Wünschbarkeit der Aufrechterhaltung der Ehe - zu verneinen. Das Festhalten der Frau an der Ehe stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.