BGE 80 II 26 - Filmkritiker Seelig |
6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Februar 1954 i. S. Seelig gegen Studio 4 AG |
Regeste |
Befugnis des Kinoinhabers, einem Zeitungsberichterstatter den Zutritt zu seinen Filmvorführungen zu verweigern. |
Rechtsnatur des Presseausweises (Erw. 2); |
- des Kinobillets (Erw. 3). |
Kein Anspruch auf Zutritt nach den Grundsätzen über den Kontrahierungszwang, die Offerte an jedermann oder wegen Verstosses der Zutrittsverweigerung gegen die guten Sitten (Erw. 4). Verletzung in den persönlichen Verhältnissen setzt Widerrechtlichkeit des Eingriffes voraus (Erw. 5). |
Kein Anspruch auf Zutritt auf Grund der privatrechtlichen Pressefreiheit (Erw. 6). |
Frage des Rechtsmissbrauchs (Erw. 7). |
Sachverhalt |
A. - Der Kläger Seelig, der den Beruf eines Schriftstellers, Theater- und Filmkritikers ausübt, ist regelmässiger Mitarbeiter der Zeitung "Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich". In dieser veröffentlichte er am 28. August 1951 eine etwas abfällige Kritik über einen im Kino "Studio 4" in Zürich laufenden Film. Die Beklagte "Studio 4 A. G." als Inhaberin des Kinounternehmens warf mit Schreiben vom 3. September 1951 dem Kläger vor, er habe sich bei der erwähnten Filmbesprechung nicht von seiner Verantwortung als Filmkritiker, sondern viel mehr "von aufgestautem Ressentiment gegen das Studio 4 und seinen Inhaber" leiten lassen. Das habe mit sachlicher Kritik, die von der Beklagten, bezw. von deren einzigem Verwaltungsrat, geschätzt werde, nichts mehr zu tun. Anschliessend gab der Kinoinhaber sodann die Erklärung ab: "Es ist besser, Sie meiden von nun ab mein Kino, zu dem ich Ihnen - ob Sie nun mit Passepartout, Presseausweis oder mit einem bezahlten Billet erscheinen - den Zutritt verwehre."
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Dieser Mitteilung entsprechend lehnte es die Kassierin der Beklagten in der Folge ab, dem Kläger auf Grund des von ihm vorgewiesenen Presseausweises wie auch gegen Bezahlung eines Eintrittspreises ein Kinobillet auszuhändigen.
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B.- Der Kläger reichte deshalb am 1. April 1952 gegen die Beklagte die vorliegende Klage ein, deren Rechtsbegehren in der endgültigen, vom Obergericht zugelassenen Fassung folgendermassen lauten:
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"1. Hat die Beklagte ihre Anordnung, wonach sie dem Kläger jeden von ihm unter Vorweisung eines Presse-Passepartout, Presseausweises oder einer Eintrittskarte verlangten Zutritt zum Kino Studio 4 verwehrt, zu widerrufen, bzw. hat die Beklagte dem Kläger gegen Vorweisung eines Presse-Passepartouts des Schweizerischen Lichtspieltheater-Verbandes, Presseausweises des Zürcherischen Lichtspieltheater-Verbandes oder einer Eintrittskarte den Zutritt zum Kino Studio 4 zu gestatten?
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2. Hat die Beklagte dem Kläger gegen jeweilige Bezahlung eines der von ihr öffentlich bekanntgegebenen Eintrittspreise den Besuch des Kinos Studio 4 zu gestatten?
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3. Ist die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 200.-- Schadenersatz zu bezahlen?
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Zur Begründung seiner Begehren machte der Kläger im wesentlichen geltend, die ohne zureichenden Grund ausgesprochene Zutrittsverweigerung bedeute eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts im Sinne von Art. 28 ZGB, insbesondere seines Rechts auf freie Betätigung, sowie seiner privatrechtlichen Presse- und Informationsfreiheit, und stelle eine Diskriminierung dar. Diese Verletzung sei schon unter dem Gesichtspunkt von Art. 28 ZGB widerrechtlich, weiter aber auch deshalb, weil das Verhalten der Beklagten gegen den nach Art. 7 Abs. 3 OR gegebenen Kontrahierungszwang oder doch zum mindesten gegen die guten Sitten verstosse. Einen Anspruch auf Zutritt leitet der Kläger ferner aus der Natur des Presse-Passepartout und des Presseausweises ab, die ein Schuldversprechen enthaltende Namen-Ausweispapiere seien, sowie aus der Rechtsnatur des Kinobillets, bei dem es sich um ein Inhaber-Wertpapier handle. Schliesslich stelle das Verhalten der Beklagten einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB dar. Nach Art. 28 ZGB habe der Kläger Anspruch auf Beseitigung der Störung, und ferner habe die Beklagte ihm den Schaden im Betrag von Fr. 200.--, den er durch Verdienstausfall erlitten habe, zu ersetzen.
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Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt die vom Kläger behaupteten Rechtsverletzungen und machte geltend, sie sei nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit befugt gewesen, den Abschluss eines Vertrages mit dem Kläger abzulehnen.
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C.- Das Bezirksgericht und das Obergericht Zürich, dieses mit Urteil vom 5. September 1953, wiesen die Klage ab.
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichts ergriff der Kläger die Berufung an das Bundesgericht, mit der er an den vor den kantonalen Instanzen gestellten Rechtsbegehren festhält.
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Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Die Beklagte erhebt in erster Linie den prozessualen Einwand, die Berufung sei unwirksam, weil der Kläger entgegen der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. a OG in der Berufungsschrift nicht angegeben habe, ob der Streitwert Fr. 8000.--, wenigstens aber Fr. 4000.-- betrage. Einen Antrag, es sei auf die Berufung nicht einzutreten, wie er dem erhobenen Einwand entsprechen würde, hat die Beklagte dann allerdings nicht gestellt. Da jedoch die Zulässigkeit der Berufung von Amtes wegen zu prüfen ist, schadet diese Unterlassung der Beklagten nicht.
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Die erwähnte Einwendung ist indessen nicht stichhaltig. Die Bestimmung des Art. 55 Abs. 1 lit. a OG gilt gemäss ihrem Wortlaut für Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur. Die vorliegende Klage bezweckt aber in erster Linie die Beseitigung einer angeblichen Störung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 ZGB durch die Beklagte. Eine Streitigkeit dieser Art ist nicht vermögensrechtlicher Natur und daher gemäss Art. 44 OG der Berufung ohne Rücksicht auf den Umfang des im Streit liegenden Interesses zugänglich. Das hat nach der Rechtsprechung (BGE 78 II 290) zur Folge, dass die Berufung auch für die weiter eingeklagten, mit der behaupteten Persönlichkeitsverletzung im Zusammenhang stehenden vermögensrechtlichen Ansprüche zulässig ist, selbst wenn diese den Berufungsstreitwert nach Art. 46 OG nicht erreichen.
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Dagegen kann auf die Berufung nicht eingetreten werden, soweit sie die Gutheissung des Rechtsbegehrens 3 auf Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung einer Schadenersatzsumme von Fr. 200.-- anstrebt. Dieser Antrag wird entgegen der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. c. OG in der Berufungsschrift nicht begründet. Das Fehlen der Begründung für einzelne Berufungsanträge macht die Berufung nach ständiger Rechtsprechung mit Bezug auf die betreffenden Anträge unwirksam (BGE 77 II 343Erw. 3 und dort erwähnte Entscheide). Es sind somit lediglich die Berufungsbegehren 1 und 2 zu prüfen.
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Beide kantonalen Instanzen haben eine Pflicht der Beklagten, dem Kläger auf Grund der genannten Ausweise den Eintritt zu gewähren, verneint, weil der Kläger keinen Beweis dafür anerboten habe, dass den vom SLV bezw. ZLV unentgeltlich abgegebenen Ausweisen nach dem Willen der Aussteller die von ihm behauptete Tragweite zukomme.
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Nach der Ansicht des Klägers verstösst diese Auffassung der Vorinstanzen gegen die bundesrechtlichen Regeln über die Auslegung schriftlich festgehaltener rechtsgeschäftlicher Erklärungen, wonach der Urheber einer Erklärung sich diese so entgegenhalten lassen muss, wie der Empfänger sie nach Treu und Glauben im Verkehr verstehen durfte. Nach diesem Grundsatz ergebe sich aus dem auf den Ausweisen angebrachten Vermerk "An Samstagen, Sonn- und Feiertagen ungültig" bezw. "Samstagabends und sonntags sowie an Premièren ungültig", dass die Ausweise an allen übrigen Tagen gültig seien; gemeint sei damit die Gültigkeit für den unentgeltlichen Erwerb einer Eintrittskarte. Dieses Recht könne vom einzelnen Kino-Inhaber nicht beliebig beschränkt werden. Eine solche Befugnis müsste in der Skriptur des Papiers niedergelegt sein, was nicht der Fall sei (Berufungsschrift S. 2-4).
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a) Bei der Entscheidung der Frage, ob die genannten Presseausweise eine Rechtspflicht der Beklagten des vom Kläger behaupteten Inhalts verurkunden, ist davon auszugehen, dass es sich bei diesen Ausweisen um Namen-Ausweispapiere handelt. Solche fallen urkundenrechtlich nur in Betracht, wenn sie nicht bloss die Personalien oder eine bestimmte Eigenschaft der benannten Person verurkunden, sondern eine Pflicht des Ausstellers zu einer Leistung festhalten (JÄGGI, Komm. zu Art. 965 OR, N. 301). Danach ist also der rechtliche Gehalt des Namen-Ausweispapieres im Einzelfall nach Massgabe der konkreten Verhältnisse zu ermitteln. Dabei ist, wie der Kläger zutreffend ausführt, die im Presseausweis niedergelegte Willenserklärung des Ausstellers nach dem sog. Vertrauensprinzip auszulegen: Massgebend ist, wie der Empfänger der Erklärung, hier also der Kläger, sie nach Treu und Glauben verstehen durfte (BGE 69 II 322).
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b) Die Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Skripturen der in Frage stehenden Ausweise keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Rechtsanspruches zu Gunsten des Inhabers darbieten. Der Text der Urkunde enthält keinen Hinweis darauf, welche Leistung an den Inhaber zu erbringen sei. Es ist daraus nicht einmal ersichtlich, dass die in der Urkunde bezeichnete Person unentgeltlichen Zutritt zu den Filmvorführungen der Beklagten haben soll, geschweige denn, ob dieser Zutritt unbeschränkt sein soll, auf welche Platzkategorie er sich beziehe, ob er für den Ausweisträger allein gelte oder auch für Begleitpersonen, und wenn ja, für wieviele.
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Auch der Verpflichtete ist im Text der Urkunde nicht genannt, was unter den gegebenen Umständen für die Begründung eines Rechtsanspruches des Urkundeninhabers unerlässlich wäre. Die Ausweise werden nämlich nicht von den Kinobesitzern, sondern vom SLV bezw. ZLV ausgestellt. Aus dem Text ist nicht ersichtlich, dass die Verbände eigene Verpflichtungen übernommen haben und welcher Art diese sind. Ebenso ergibt sich aus ihm nicht, dass die Verbände bestimmte Leistungen ihrer Mitglieder, der einzelnen Kinobesitzer, an die Ausweisinhaber versprechen und garantieren. Endlich fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass die Verbände als Vertreter und im Namen der ihnen angehörenden Kinoinhaber Verpflichtungen der letzteren eingegangen seien.
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Bei objektiver Betrachtung des Urkundentextes kann aus diesem nicht mehr herausgelesen werden als die Legitimation des Inhabers als Journalist, der sich mit Filmfragen befasst. Die Legitimation erfolgt zu Handen der Verbandsmitglieder, die darüber aufgeklärt werden sollen, dass der im Ausweis bezeichnete Inhaber zu den Personen gehöre, welchen die im Kinogewerbe üblichen Vergünstigungen für Journalisten eingeräumt werden sollen. Der Inhalt dieser Vergünstigungen (Platzkategorie, Zahl der freien Eintritte usw.) wird dagegen nicht festgelegt. Die Papiere verurkunden also lediglich die Personalien und die Journalisteneigenschaft des Inhabers, nicht dagegen eine bestimmte Verpflichtung des ausstellenden Verbandes oder seiner Mitglieder. Sie werden denn auch im Text als Ausweise und nicht etwa als Freikarten oder dergl. bezeichnet.
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Diese Auslegung des Presseausweises wird nicht erschüttert durch die Vermerke, wonach deren Gültigkeit für bestimmte Tage verneint wird. Diese Klauseln besagen lediglich, dass die Ausweisinhaber für die betreffenden Veranstaltungen nicht auf die Einräumung der sonst üblichen Vergünstigungen zählen können.
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Die rechtliche Würdigung der Ausweise nach dem Vertrauensprinzip ist somit nicht geeignet, die von der Vorinstanz ausgesprochene Verneinung eines Rechtsanspruches des Klägers aus diesen Urkunden zu widerlegen.
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Es mag dahingestellt bleiben, ob ein derart umschriebener Hinweis auf Ausführungen in einer an eine kantonale Instanz gerichteten Rechtsschrift als eine ausreichende Begründung des Berufungsantrages im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG angesehen werden kann. Denn im vorliegenden Falle erweist sich der vom Kläger eingenommene Standpunkt auch bei Berücksichtigung der von ihm angerufenen Ausführungen vor den kantonalen Instanzen als unzutreffend.
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a) Für die Beurteilung der Rechtsnatur des Kinobillets ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kinobesucher und dem Betriebsinhaber auf einem sog. Vorstellungsbesuchsvertrag beruhen. Durch diesen verpflichtet sich der Kinoinhaber, die angekündigte Filmvorführung zu veranstalten und dem Gegenkontrahenten den Genuss dieses Vorführung zu erschliessen. Der Besucher anderseits verpflichtet sich zur Entrichtung einer Gegenleistung in Geld. Die Einzelheiten der gegenseitigen Verpflichtungen (Programm der Vorstellung, Zeitpunkt und Ort der Veranstaltung, Platz des Besuchers, Höhe des Eintrittspreises) werden im Einzelfalle von den Parteien festgelegt. Aus diesen Merkmalen hat die Rechtsprechung gefolgert, dass der Vorstellungsbesuchsvertrag dem Grundsatze nach den Vorschriften über den Werkvertrag zu unterstellen sei (BGE 70 II 218). Von dieser Auffassung abzuweichen, besteht kein Anlass.
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b) Aus dem dargelegten Wesen des Rechtsverhältnisses zwischen Kinobesitzer und Besucher ergibt sich, dass der Eintrittskarte vorwiegend, wenn nicht ausschliesslich, Beweisfunktion zukommt. Das Billet verurkundet, dass ein bestimmter Vorstellungsbesuchsvertrag abgeschlossen worden ist, dass der Besucher den Eintrittspreis entrichtet hat und der Unternehmer infolgedessen verpflichtet ist, seinem Vertragspartner die vereinbarte Teilnahme an der Vorstellung zu ermöglichen. Die Zweckbestimmung des Kinobillets besteht demnach nicht darin, die Rechte des Besuchers so mit der Urkunde zu verknüpfen, dass sie ohne die letztere weder geltend gemacht, noch auf andere übertragen werden können, wie es gemäss Art. 965 OR im Wesen des Wertpapiers liegt. Einer solchen Verkörperung des Rechts in der Urkunde bedarf es im Rahmen der Beziehungen zwischen Kinounternehmer und Publikum nicht. Die im Kinobillet verurkundete Schuld des Kinobesitzers wird entweder unverzüglich oder innert kurzer Frist erfüllt. Wer mit dem Kinobesitzer einen Vertrag abschliesst oder bei Billetbezug im Vorverkauf durch einen Stellvertreter abschliessen lässt, übt die erworbenen Rechte selbst aus. Eine Übertragung dieses Rechts auf Dritte ist verhältnismässig selten. Sie kann gemäss Art. 164 OR ohne Zustimmung des Kinounternehmers erfolgen, sofern sie nicht durch Parteivereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen wird. Diese Abtretungsmöglichkeit genügt den Bedürfnissen des praktischen Lebens, zumal ein gewerbsmässiger oder sonst ins Gewicht fallender Weiterverkauf von Kinobillets in der Schweiz nicht üblich ist (im Gegensatz zum Handel mit Eintrittskarten zu gewissen Sportveranstaltungen und zu den Verhältnissen im Ausland, namentlich in Frankreich; vgl. hiezu DALLOZ, Répertoire pratique, tome 12 s. v. Théâtre-Spectacle, nos. 201 ss.).
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Die vom Kläger verfochtene Unterstellung des Kinobillets unter den Begriff des Wertpapiers, insbesondere des Inhaberpapiers nach Art. 978 ff. OR, widerspricht somit der Aufgabe der Urkunde und ist abzulehnen. Auf diesem Boden steht denn auch die neuere schweizerische Literatur (JÄGGI, N. 299 zu Art. 965 OR; KöNG, Schweizer Theaterrecht, S. 48 f.); die vom Kläger angerufene ausnahmslos ältere, ausländische Literatur, in der die gegenteilige Auffassung vertreten wird (wie z.B. von JACOBI, Die Wertpapiere, 1901, S. 367 f.) erscheint demgegenüber weitgehend als überholt. Damit ist den Folgerungen, die der Kläger aus der Wertpapiernatur des Kinobillets ableitet, der Boden entzogen.
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Gemäss der angerufenen Gesetzesbestimmung gilt die Auslage von Waren mit Angabe des Preises in der Regel als Antrag zum Vertragsschluss. Nach ihrem klaren Wortlaut findet die Vorschrift also nur Anwendung auf Verträge, die Waren zum Gegenstand haben. Dies trifft für einen Vorstellungsbesuchsvertrag nicht zu, da dieser nach den oben gemachten Ausführungen einen Werkvertrag darstellt. Die durch ihn begründete typische Leistung des Kinoinhabers besteht nicht in der Lieferung einer Ware, sondern in der Veranstaltung der angezeigten Vorstellung und in deren Zugänglichmachung für den Besucher als Vertragspartner.
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Der Standpunkt des Klägers sodann, es sei die Eintrittskarte, die von der Beklagten im Sinne einer Auslage von Waren zum Kauf angeboten werde, beruht auf der Annahme, das Kinobillet sei ein Wertpapier. Diese Auffassung trifft aber, wie dargelegt wurde, für die streitigen Ausweise nicht zu.
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Übrigens wäre mit der Bejahung der Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 3 OR auf den vorliegenden Sachverhalt für den Kläger nichts gewonnen. Denn die genannte Vorschrift ist entgegen seiner Meinung nicht zwingenden Rechts. Dies erhellt schon aus der Wendung, eine solche Auslage gelte "in der Regel" als Antrag, vor allem aber aus der Zweckbestimmung der Vorschrift, die das Publikum vor einer missbräuchlichen Verwendung von Auslagen schützen will: Es soll verhindert werden, dass das Publikum durch Warenauslagen angelockt wird, um es dann für die Erwerbung anderer als der ausgestellten Waren zu gewinnen. Dieses Schutzbedürfnis entfällt aber, wenn der Geschäftsinhaber gegenüber bestimmten Personen zum Voraus klar zu erkennen gibt, dass er es ablehne, mit ihnen Verträge über die ausgelegten Waren abzuschliessen. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch ihre briefliche Erklärung an den Kläger vom 3. September 1951, sie lehne jede geschäftliche Verbindung mit ihm ab.
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b) Aus dem gleichen Grunde kann auch nicht etwa geltend gemacht werden, die öffentliche Ankündigung der Filmvorführung zusammen mit dem Anschlag der Eintrittspreise für die einzelnen Platzkategorien stelle eine - von der Auslage im Sinne von Art. 7 Abs. 3 OR zu unterscheidende - verbindliche Offerte an jedermann dar. Denn selbst wenn im Verhalten der Beklagten eine solche Offerte und nicht bloss eine Einladung an das Publikum, seinerseits Offerten zu stellen, zu erblicken wäre, so wäre auch in diesem Falle eine zum Voraus erklärte Beschränkung des Personenkreises, an den sich die Offerte richtet, zulässig und hier auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 3. September 1951 gegeben.
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c) Der Kläger wendet demgegenüber ein, die grundlose Verweigerung des Vertragsabschlusses durch jemand, der das Publikum zur Offertstellung aufgefordert und sich zum Vertragsabschluss empfohlen habe, verstosse gegen die guten Sitten. Mit Recht hat jedoch die Vorinstanz diese Ansicht abgelehnt. Sie hätte zur Folge, dass durch die allgemein übliche öffentliche Empfehlung in Inseraten, Reklamen usw. die grundsätzlich bestehende Vertragsfreiheit in hohem Masse eingeschränkt würde. Es würde so auf einem Umweg ein Kontrahierungszwang von erheblich grösserer Tragweite geschaffen, als er auf Grund von Art. 7 Abs. 3 OR besteht. Eine derartige abändernde Wirkung einer vom Gesetzgeber bewusst getroffenen Regelung kommt aber dem Gebot zur Beachtung der guten Sitten nicht zu. Aus ihm kann sich ein Kontrahierungszwang nur in ganz besondern Ausnahmefällen ergeben, nämlich dort, wo eine sachlich nicht gerechtfertigte Verweigerung des Vertragsabschlusses lebenswichtige Interessen des davon Betroffenen verletzt oder gefährdet. Hievon kann aber für den vom Kläger angestrebten Zutritt zu den Fimvorführungen der Beklagten nicht die Rede sein.
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Dagegen kann die willkürliche Ablehnung von Offerten, zu deren Stellung das Publikum öffentlich und vorbehaltlos aufgefordert worden ist, unter Umständen eine Ersatzpflicht begründen für Schaden, den der abgewiesene Vertragsinteressent dadurch erleidet, dass er im Vertrauen auf die Auskündigung Aufwendungen gemacht oder die Möglichkeit zu anderweitigem Vertragsabschluss unbenützt gelassen hat; in solchen Fällen könnte im Verhalten des Ablehnenden eine culpa in contrahendo erblickt werden, die nach Art. 41 Abs. 2 OR zu einer Ersatzpflicht für den Vertrauensschaden führen würde. Einen Anspruch dieser Art erhebt der Kläger indessen nicht, ganz abgesehen davon, dass auch hier mit Rücksicht auf die zum Voraus erfolgte Ablehnungserklärung der Beklagten vom 3. September 1951 von einer vorbehaltlosen Aufforderung zur Stellung einer Offerte nicht gesprochen werden könnte.
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a) Bei der Prüfung der Begründetheit der vom Kläger vertretenen Auffassung ist davon auszugehen, dass Art. 28 ZGB das Persönlichkeitsrecht nur gegen unbefugte Verletzungen schützt. Der Eingriff in die persönlichen Verhältnisse muss also widerrechtlich sein. Erfüllt die Handlungsweise der Beklagten diese Voraussetzung nicht, so versagt der Rechtsschutz aus Art. 28 ZGB, selbst wenn jene einen Eingriff in persönliche Güter des Klägers in sich schliesst.
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Nach der Meinung des Klägers bestünde die ihm zugefügte Verletzung seines Persönlichkeitsrechts in einem Nichttun, in einem passiven Verhalten der Beklagten, nämlich in der Weigerung, mit ihm einen Vorstellungsbesuchsvertrag abzuschliessen. Dementsprechend zielt das Begehren um Beseitigung der Störung darauf ab, die Beklagte dazu zu veranlassen, die erwähnte Passivität aufzugeben und mit dem Kläger die von ihm gewünschten Verträge abzuschliessen.
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Eine Widerrechtlichkeit kann im Verhalten der Beklagten aber nur liegen, sofern eine Rechtspflicht der letzteren besteht, die dem Kläger verweigerte Leistung zu erbringen, andernfalls ist das Verhalten der Beklagten nicht rechtswidrig; denn wer eine Handlung unterlässt, zu der er von der Rechtsordnung nicht verpflichtet ist, verstösst nicht gegen diese und handelt nicht rechtswidrig. Eine allgemeine Rechtspflicht, im Interesse anderer tätig zu werden, besteht nicht. Dies gilt als Regel auch, wenn das passive Verhalten eine Schädigung von Rechtsgütern anderer nach sich zieht. Eine Pflicht zum Handeln bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage. Es fragt sich daher, ob Art. 28 ZGB eine solche darbietet. Dabei ist zu beachten, dass das schweizerische Recht auf dem Boden der Vertragsfreiheit steht. Diese ist eine Auswirkung der Rechts- und Handlungsfähigkeit und bildet einen wesentlichen Teil der privatrechtlichen persönlichen Freiheit. Sie umfasst neben der Freiheit zur Gestaltung des Vertragsinhalts im Sinne von Art. 19 OR insbesondere auch die Abschlussfreiheit, d.h. die Freiheit, einen Vertrag abzuschliessen oder nicht, sowie die Freiheit, den Vertragspartner auszuwählen.
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Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch im Bereich der Persönlichkeitsgüter. Art. 28 ZGB sieht insbesondere keine Rechtspflicht vor, zu handeln, um eine Schädigung persönlicher Güter eines andern zu vermeiden. Auch auf diesem Gebiete besteht eine Rechtspflicht, zu Gunsten eines Dritten tätig zu werden, nur ausnahmsweise, nämlich dort, wo eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung ein Handeln vorschreibt oder ein passives Verhalten gegen die guten Sitten verstiesse. An diesen Voraussetzungen gebricht es aber im vorliegenden Fall. Es besteht keine Rechtsnorm, die die Beklagte zum Abschluss eines Vorstellungsbesuchsvertrages mit dem Kläger verpflichten würde. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erneut erhobene Berufung auf Art. 7 Abs. 3 OR (Vorliegen einer verbindlichen Offerte der Beklagten) geht, wie schon dargelegt wurde, fehl. Ebenso kann nach den oben gemachten Ausführungen nicht gesagt werden, dass die guten Sitten der Beklagten gebieten, mit dem Kläger einen Vertrag abzuschliessen. Die Beklagte bewegt sich daher mit ihrer Ablehnung eines Vertragsschlusses innerhalb der Grenzen der ihr nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zustehenden Befugnisse. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Vertragsfreiheit als subjektives Recht zu bewerten (so offenbar z.B. EGGER, Art. 27 ZGB N. 2) oder mit der Vorinstanz als Teil des objektiven Rechtes zu betrachten ist. Im einen wie im andern Falle wäre das Verhalten der Beklagten nur widerrechtlich, wenn es sich in einer Form abgewickelt hätte, durch welche die Ehre und das Ansehen des Klägers in Mitleidenschaft gezogen worden wären (z.B. bei Verwendung von Ausdrücken ehrverletzenden Inhalts). Dass dies der Fall gewesen sei, behauptet aber der Kläger selber nicht.
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Unerheblich ist für die Frage der Widerrechtlichkeit, ob die Beklagte sich für ihr Vorgehen auf eine objektive Rechtfertigung stützen kann oder nicht. Die Ausübung eines Rechtes, insbesondere die Betätigung der Vertragsfreiheit innerhalb der zulässigen Grenzen, wird nicht dadurch widerrechtlich, dass sie objektiv betrachtet eines sachlichen Grundes entbehrt. Wer kraft eines subjektiven Rechtes oder auf Grund einer Norm des objektiven Rechtes zu einem Tun oder Lassen befugt ist, ist nicht verpflichtet, von seiner Befugnis nur beim Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung Gebrauch zu machen. Er ist auch nicht gehalten, über den Grund seines Handelns Rechenschaft abzulegen.
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b) Wie der Kläger selber anerkennt, betrifft der in Art. 55 BV verankerte Grundsatz der Pressefreiheit ausschliesslich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bürger und dem Staat. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit für Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, die eine Person des Privatrechts gegenüber einer andern durch das Mittel der Presse begeht, bestimmt sich nach den einschlägigen Vorschriften von Art. 28 ZGB in Verbindung mit Art. 41 und 49 OR. Diese umschreiben abschliessend die Voraussetzungen, unter denen ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines andern auf Grund der dem Täter als Ausfluss seines Persönlichkeitsrechts zustehenden privatrechtlichen Pressefreiheit als erlaubt zu betrachten ist (BGE 43 I 42ff.,BGE 71 II 191ff.). Das gilt auch, wo nicht der in der Presse Angegriffene, sondern der für die Presse Tätige den Rechtsschutz aus Art. 28 ZGB beansprucht.
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Bei der Prüfung des Vorliegens einer kraft der privatrechtlichen Pressefreiheit bestehenden Verletzungsbefugnis hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung indessen von jeher auf die Grundsätze Bezug genommen, die in Auslegung von Art. 55 BV entwickelt worden sind (BGE 71 II 192und dort erwähnte Entscheide). Es fragt sich daher, ob im Rahmen von Art. 55 BV eine Informationsfreiheit in dem vom Kläger behaupteten Sinne eines Anspruchs auf freien Zugang zum Informationsmaterial bestehe, auf Grund deren eine entsprechende privatrechtliche Befugnis angenommen werden könnte.
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c) Die verfassungsmässigen Freiheitsrechte, und damit auch die Pressefreiheit gemäss Art. 55 BV, gewährleisten dem Bürger die freie, vom Staate nicht behinderte Betätigung in den betreffenden Bereichen des Lebens. Hierin erschöpft sich ihr Inhalt. Einen Anspruch auf positive Leistungen des Staates verschaffen sie nicht (BGE 73 I 216,BGE 76 I 297). Diese im Wesen der Freiheitsrechte begründete Rechtslage will die vom Kläger angezogene, im Wurfe befindliche Revision des Art. 55 BV mit der Anerkennung der Informationsfreiheit als Bestandteil der Pressefreiheit nicht ändern. Aus den Ausführungen der Botschaft, insbesondere S. 248, ist ersichtlich, dass der Bundesrat die Informationsfreiheit auffasst als "das Recht auf freie Verbreitung von Nachrichten", das "die Freiheit von Beschaffung und Übermittlung von Nachrichten" in sich schliesse. Danach besteht die Informationsfreiheit also darin, dass der Staat die Presse in der Beschaffung des zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigten Materials nicht behindern darf. Dagegen schafft sie keine Verpflichtung des Staates zu einer aktiven Tätigkeit, die darauf gerichtet wäre, der Presse das gewünschte Informationsmaterial zu vermitteln. Eine Ausgestaltung der Pressefreiheit im Sinne einer Informationspflicht des Staates hat die Revision des Art. 55 BV nicht im Auge. Sie ist, wie die Botschaft in den Schlussfolgerungen (S. 257) ausdrücklich erklärt, lediglich darauf gerichtet, "den freien Bewegungsraum der Presse vor staatlichen Eingriffen, die öffentlichen Interessen vor einem Missbrauch der Pressefreiheit zu schützen".
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Selbst im öffentlichen Recht hat sich somit bis heute der Gedanke nicht durchgesetzt, dass derjenige, der über Informationsmaterial von öffentlichem Interesse verfügt, verpflichtet sei, tätig zu werden, um es der Presse zu erschliessen. Eine Rechtspflicht hiezu besteht vielmehr auch im öffentlichen Recht nach wie vor nur, soweit die Gesetzgebung sie ausdrücklich vorschreibt.
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Auch eine an den staatsrechtlichen Begriff der Pressefreiheit anknüpfende Umschreibung der privatrechtlichen Pressefreiheit im Sinne des Art. 28 ZGB gibt somit keine Grundlage ab für eine Rechtspflicht der Beklagten, dem Kläger durch Abschluss eines Vertrages den Besuch ihrer Filmvorführungen zu gestatten, um sie hernach in der Presse besprechen zu können. Auch unter dem Gesichtspunkt der privatrechtlichen Pressefreiheit fehlt deshalb dem Verhalten der Beklagten das Merkmal der Rechtswidrigkeit.
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Es kann auch in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Vertragsfreiheit ein subjektives Recht ist und deshalb ihre Ausübung der Vorschrift von Art. 2 Abs. 2 ZGB unterstehe; denn ein Rechtsmissbrauch wäre selbst bei Bejahung dieser Voraussetzung abzulehnen. Das Verhalten der Beklagten ist, wie bereits ausgeführt wurde, durch die Vertragsfreiheit gedeckt. Eine Pflicht der Beklagten, ihre Haltung gegenüber dem Kläger zu rechtfertigen, besteht nicht. Sie bezweckt damit, ihre Veranstaltungen der nach ihrer Auffassung unsachlichen kritischen Würdigung durch den Kläger zu entziehen. Diese vom Interesse der Beklagten beherrschte Zielsetzung läuft zwar den Interessen des Klägers zuwider. Sie ist aber gleichwohl nicht so geartet, dass sie die Rechtsausübung seitens der Beklagten zu einem offenbaren Missbrauch zu stempeln vermöchte. Denn es lässt sich nicht sagen, dass die Beklagte damit das Recht der Vertragsfreiheit in seiner Form der Abschluss- und Partnerwahlfreiheit einem dem Grund seiner Einräumung völlig fremden, schutzunwürdigen Zwecke dienstbar gemacht habe, wenn auch nicht zu leugnen ist, dass das Vorgehen der Beklagten, eine ihr nicht genehme Filmkritik mit der Ausschliessung des betreffenden Journalisten zu beantworten, im Hinblick auf die wünschbare Unabhängigkeit der Kritik zu gewissen Bedenken Anlass gibt. Allein dieser Unzukömmlichkeit ist auf dem Boden des geltenden Privatrechts nicht beizukommen. Der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches lässt sich umsoweniger vertreten, als der Kläger als einzelner Filmkritiker einem Kinobesitzer gegenübersteht. Wie sich die Sache verhalten würde, wenn der Ausschluss von einer Mehrzahl von Kinobesitzern oder allen ausginge oder ganze Gruppen von Filmkritikern oder alle treffen würde, steht nicht zum Entscheid.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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