3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Februar 1955 i.S. Heckmann gegen Kraushaar.
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Regeste
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Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen gegen einen Schweizerbürger mit ausländischem Wohnsitze zur Zeit der Schwängerung.
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Ausgenommen ist nur der Fall, dass der Wohnsitzstaat das Wohnsitzrecht des Beklagten als anwendbar erklärt.
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Das trifft nicht zu, wenn nach seiner Gesetzgebung das Heimatrecht der Mutter anwendbar ist, und zwar gleichgültig, ob dieses Recht im gegebenen Falle mit dem Wohnsitzrecht des Beklagten übereinstimmen würde.
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Sachverhalt
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A.- Die heute 15-jährige Klägerin Lore Heckmann wurde am 3. Dezember 1939 ausserehelich von der deutschen Serviertochter Anna Heckmann in Stuttgart geboren. Als Vater bezeichnete diese den Beklagten Kraushaar, Schweizerbürger, der sich vom 1. Dezember 1938 bis 30. Januar 1940 in Stuttgart aufhielt. Mehr als zwölf Jahre nach der Geburt liess die durch eine deutsche Behörde vertretene Klägerin die vorliegende Vaterschaftsklage auf Leistung von Unterhaltsbeiträgen einreichen. Das Amtsgericht Solothurn-Lebern wies die Klage ab, ebenso am 19. Oktober 1954 das Obergericht des Kantons Solothurn.
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Es erklärte das schweizerische Recht und insbesondere den Art. 308 ZGB für anwendbar. Denn einmal sei nicht erwiesen, dass der Beklagte zur Zeit, da die Mutter der Klägerin schwanger wurde, in Deutschland festen Wohnsitz gehabt habe. Somit könne er sich auf den nach Art. 24 ZGB damals noch fortdauernden frühern Wohnsitz in der Schweiz berufen, was zur Anwendung des schweizerischen Rechtes führe. Dieses wäre aber mit Rücksicht auf die schweizerische Staatsangehörigkeit des Beklagten auch dann anwendbar, wenn er im Frühjahr 1939 seinen Wohnsitz in Stuttgart gehabt haben sollte. Denn Schweizer im Ausland unterstünden nach Art. 28 NAG dem Heimatrecht, sofern die Gesetzgebung an ihrem ausländischen Wohnsitze nicht das Wohnsitzrecht angewendet wissen wolle. Art. 21 des EG zum deutschen BGB stelle aber für die Unterhaltspflicht des ausserehelichen Vaters nicht das Prinzip des Wohnsitzrechtes auf, sondern erkläre für massgebend die Gesetze des Staates, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört. Diese Regelung stehe der Anwendung des Heimatsrechtes des Beklagten nicht entgegen. Nach Art. 308 ZGB sei die Klage nun verwirkt. Gründe für eine Erstreckung der gesetzlichen Verwirkungsfrist im Sinne der Rechtsprechung seien keine dargetan.
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B.- Mit der vorliegenden rechtzeitig eingereichten Berufung hält die Klägerin an ihrem Klagebegehren fest.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Bei Anwendung des schweizerischen Rechts erweist sich die Klage in der Tat nach Art. 308 ZGB als verwirkt. Denn es liegen keine Gründe vor, die die Überschreitung dieser gesetzlichen Verwirkungsfrist zu rechtfertigen vermöchten. Indessen beruft sich die Klägerin nach wie vor auf das deutsche Recht, das eine solche Verwirkung der Vaterschaftsklage nicht kennt. Sie hält das deutsche Recht für anwendbar, weil der Beklagte entgegen der Ansicht des Obergerichts zur Zeit, da die Schwängerung erfolgte, in Deutschland Wohnsitz gehabt habe, und weil bei diesem Sachverhalt auch Art. 28 NAG nicht die Anwendung des schweizerischen Rechtes als des Heimatrechtes des Beklagten verlange. Vielmehr räume diese Vorschrift dem Recht des Wohnsitzstaates den Vortritt ein, wo es nach der dortigen Gesetzgebung zur Anwendung zu kommen habe. Das treffe aber hier zu, denn das nach Art. 21 des EG zum deutschen BGB anwendbare Heimatrecht der Mutter sei eben das deutsche, also das Recht des Staates, in dem der Beklagte zur Zeit der Schwängerung seinen Wohnsitz hatte. Wenn das Bundesgericht ausgesprochen habe, der Auslandschweizer unterstehe nach Art. 28 NAG dem Heimatrecht, "sofern der Wohnsitzstaat ihn nicht gerade dem Wohnsitzrecht unterwirft", so sei damit nicht gesagt, dass diese Unterwerfung unter das Recht des Wohnsitzstaates ausdrücklich durch die Anknüpfung an den Wohnsitz des Beklagten erforderlich und nicht auch auf dem Umweg über die Anknüpfung an das Recht der Heimat der Mutter und des Kindes möglich sei.
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Diese Ansicht der Klägerschaft ist indessen nicht zutreffend. Vorausgesetzt auch, der Beklagte habe zur Zeit der Schwängerung in Deutschland seinen Wohnsitz gehabt, ist nach der dem Art. 28 NAG von der neuern Rechtsprechung gegebenen Auslegung das schweizerische Heimatrecht des Beklagten anwendbar. Bei Ausländern wird davon ausgegangen, die auf Alimente gehende Vaterschaftsklage unterstehe, weil familienrechtlicher Natur, dem Rechts des Wohnsitzes der Parteien. Die frühere Rechtsprechung zog hiebei den Wohnsitz "zur Zeit der Schwängerung bzw. Geburt" in Betracht und räumte die Möglichkeit verschiedener Auffassungen nur ein, wenn entweder der Wohnsitz des in Anspruch genommenen Schwängerers und derjenige der Geschwängerten, oder aber der Wohnsitz zur Zeit der Schwängerung und derjenige zur Zeit der Niederkunft auseinanderfielen (BGE 41 II 424). Später wurde speziell der Wohnsitz des Beklagten als massgebend bezeichnet (BGE 45 II 507 Mitte), und zwar zur Zeit der Schwängerung (BGE 51 I 106), was ständige Praxis geworden ist (BGE 77 II 113). Gegenüber Schweizerbürgern ist die besondere Vorschrift von Art. 28 NAG zu beachten. Daraus ist bereits in BGE 53 II 93 gefolgert worden, das Rechtsverhältnis der ausserehelichen Vaterschaft eines Schweizers, der im Zeitpunkt der Schwängerung seinen Wohnsitz im Ausland hatte, unterstehe dem Rechte der Heimat, wenn er nicht nach Massgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Recht (seines Wohnsitzes) unterworfen sei. Die neueste Rechtsprechung hat dies, der Entwicklung der Lehre des internationalen Privatrechts entsprechend, weiter ausgebaut. In BGE 78 II 200 ff. wurde mit ausführlicher Begründung, unter Hinweis auf die (freilich nicht einmütige) moderne Literatur, dargelegt, dem für Auslandschweizer geltenden Art. 28 NAG sei eine auf Heimat oder Wohnsitz des Kindes oder der Mutter abstellende Ordnung fremd; wenn Ziff. 2 von der Unterwerfung des im Ausland wohnhaften (bzw. wohnhaft gewesenen) Schweizers unter das ausländische Recht spreche, so könne nur das materielle Recht des Wohnsitzstaates gemeint sein; Art. 28 Ziff. 2 wolle also das Heimatprinzip für Auslandschweizer lediglich vor einem im Wohnsitzstaate etwa geltenden Wohnsitzprinzip zurücktreten lassen; der Auslandschweizer unterstehe vor schweizerischen Gerichten nach Art. 28 Ziff. 2 NAG dem Heimatrecht, sofern der Wohnsitzstaat ihn nur nicht gerade dem Wohnsitzrecht unterwerfe.
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Da Art. 21 des EG zum deutschen BGB nicht das Wohnsitzrecht des Beklagten als anwendbar erklärt, schliesst er somit die Anwendung des Heimatrechtes nach Art. 28 Ziff. 2 NAG nicht aus. Es verschlägt nichts, dass im vorliegenden Fall das in der erwähnten deutschen Bestimmung aufgestellte ganz andersartige Prinzip zur Anwendung des deutschen Rechts führen würde, das (zufällig) auch das Recht des Wohnsitzes des Beklagten zur Zeit der Schwängerung gewesen sein mag, wie nach dem Gesagten hier zunächst vorausgesetzt wird. Denn nach der erwähnten, vom Bundesgericht anerkannten Auslegung des Art. 28 Ziff. 2 NAG wäre nur auf eine das Wohnsitzrecht des Beklagten als solches anwendbar erklärende Norm der deutschen Gesetzgebung Rücksicht zu nehmen, wie das Obergericht zutreffend entschieden hat.
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An der erwähnten Rechtsprechung ist festzuhalten. Gewiss ist der Wortlaut des Art. 28 Ziff. 2 NAG nicht eindeutig und hat denn auch schon zu verschiedenen Streitfragen Anlass gegeben. Für eine weitergehende Berücksichtigung der im Wohnsitzstaate geltenden Vorschriften spricht sich neuerdings RATHGEB aus (La loi applicable aux Suisses à l'étranger en vertu de l'art. 28 ch. 2 ..., in der Festschrift für Hans Lewald, Basel 1953, S. 359 ff.). Die von der Rechtsprechung anerkannte Auslegung ist jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes ebenfalls gedeckt und verdient aus den in BGE 78 II 200 ff. dargelegten Gründen den Vorzug. Zur Vorgeschichte des Art. 28 NAG ist dort auf S. 204/5 ebenfalls Stellung genommen. Zu Unrecht will RATHGEB (a.a.O. S. 362) entscheidend auf die Fassung eines Entwurfes abstellen und der Textänderung, wie sie dem geltenden Gesetze zugrunde liegt, keine Bedeutung beimessen.
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Ist somit dem angefochtenen Urteil in der Frage des anwendbaren Rechtes beizutreten, und erweist sich die Klage nach Art. 308 ZGB als verwirkt, so kann die Berufung nicht geschützt werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom 19. Oktober 1954 bestätigt.
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