BGE 81 II 227 |
40. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Juni 1955 i. S. Elsner gegen Blischke. |
Regeste |
Der Auftrag zum Kauf einer Liegenschaft ist formlos gültig (Erw. 3). |
Sachverhalt |
A.- Emil Larcher war Eigentümer der Liegenschaft Badenerstrasse 281 in Zürich. Er verkaufte sie mit öffentlich beurkundetem Vertrage vom 6. September 1938 an René Elsner. Der Preis betrug Fr. 165'000.--. Davon waren gemäss Erklärung der Beteiligten Fr. 25'000.-- durch den Käufer bar bezahlt worden, während die Tilgung der restlichen Fr. 140'000.-- durch Übernahme bestehender Grundpfandlasten geschah.
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Am Vortage, dem 5. September 1938, hatte Elsner in Anwesenheit Larchers mit Fritz Blischke eine schriftliche Vereinbarung des folgenden Wortlautes getroffen:
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"1. Herr René Elsner anerkennt, die im Grundbuch auf seinen Namen eingetragene Liegenschaft Badenerstrasse 281, Zürich 3, Kat. Nr. 1320, lediglich als Treuhänder für Herrn Fritz Blischke inne zu haben. Herr Elsner anerkennt ausdrücklich das Eigentum des Herrn Blischke.
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2. Herr Elsner ist Verwalter der betreffenden Liegenschaft und verpflichtet sich, dieselbe mit der gleichen Sorgfalt zu verwalten, wie wenn es seine eigene Liegenschaft wäre. ... Er leistet Herrn Blischke jährlich Abrechnung auf Grund von Belegen.
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3. Herr Elsner verpflichtet sich, auf Anweisung des Herrn Blischke das Haus jederzeit zu den von Herrn Blischke bekannt zu gebenden Bedingungen zu verkaufen und den Verkaufserlös an Herrn Blischke abzuliefern. Herr Elsner erteilt Herrn Blischke überdies Generalvollmacht für den Verkauf des Hauses. Auf Grund dieser Generalvollmacht ist Herr Blischke ebenfalls berechtigt, das Haus hypothekarisch zu belasten, wobei er allerdings verpfiichtet ist, Herrn Elsner für eventuelle Verpflichtungen aus dieser Belastung zu entlasten.
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4. Herr Elsner darf aus diesem Treuhandvertrag in keiner Weise persönlich belastet werden. Herr Blischke übernimmt jegliche Verpflichtung zur sofortigen Entlastung.
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5. Herr Elsner unterhält für die Hausverwaltung ein spezielles Depositenheft der Zürcher Kantonalbank, welches auf seinen Namen lautet ... anerkennt, dass dieses Depositenheft Eigentum des Herrn Blischke ist und er nur im Rahmen der Hausverwaltung über dasselbe verfügen darf. Herr Elsner verpflichtet sich, dieses Depositenheft jederzeit auf den Namen des Herrn Blischke zu übertragen und dasselbe an ihn aushinzugeben.
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6. Für die Hausverwaltung etc. hat Herr Elsner einen jährlichen Entschädigungsanspruch von Fr. 300.-- ..."
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Von Blischke stammten auch die beim nachgehenden Kaufgeschäft in bar erlegten Fr. 25'000.--.
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Am 5. April 1946 schlossen Elsner und Blischke ein zusätzliches Abkommen. Darin wurden die von Elsner für Laden und Wohnung zu entrichtenden Mietzinsen bestimmt, die ihm gebührende Vergütung für die Hausverwaltung neu geordnet, die von Blischke zu leistende Entschädigung für die Abtretung eines möblierten Zimmers festgelegt, im Hause investierte Fr. 4500.-- als ein halbjährlich zu 3% verzinsliches Darlehen der Frau Elsner ausgeschieden und die Deckung einer eventuellen Busse wegen Nichtanmeldung der Liegenschaft bei der Schweizerischen Verrechnungsstelle geregelt.
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Schliesslich ging am 9. April 1946 aus der Besprechung vor einem Zürcher Rechtsanwalt die gemeinsame Erklärung hervor, dass Blischke die Nachforderung des ausstehenden Mietzinses von Fr. 3600.-- für die Zeit 1940/1946 vorbehalte, jedoch auf die Geltendmachung des Anspruches zu Lebzeiten Elsners sowie gegenüber seiner Frau und seiner Mutter verzichte, und Elsner mit dieser Massgabe die Schuld anerkenne.
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B.- Im Hinblick auf die nach Kriegsende über deutsches Vermögen in der Schweiz verhängten Sperrmassnahmen meldete dann Elsner am 23. August 1946 die Liegenschaft bei der Verrechnungsstelle an, wobei er Blischke als Eigentümer nannte und sich selber als Treuhänder ausgab. Er wurde in eine Strafuntersuchung gezogen und mit einer Geldbusse von Fr. 200.-- belegt.
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Später bestritt Elsner gegenüber Blischke, lediglich Treuhänder und Hausverwalter zu sein, und sprach die Liegenschaft als sein Eigentum an. Daher belangte ihn Blischke im Prozesswege mit dem Begehren:
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Die Gerichte des Kantons Zürich, das Obergericht mit Urteil vom 3. Dezember 1954, hiessen die Klage gut.
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C.- Der Beklagte legte Berufung an das Bundesgericht ein. Er verlangt die Abweisung der Klage. Der Kläger schliesst in seiner Antwort auf Bestätigung des kantonalen Entscheides. In der mündlichen Verhandlung fügt er bei, die zu überbindenden Grundlasten seien statt auf Fr. 132'500.-- auf Fr. 121'500.-- festzusetzen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
3. Die Berufung beharrt darauf, dass zur Eingehung einer derartigen Eigentumsübertragungs-Verpflichtung die einfache Schriftform nicht genügt habe, sondern die öffentliche Beurkundung notwendig gewesen wäre. Dafür bieten vorab die angezogenenBGE 72 II 358undBGE 71 II 99keine Stütze. Sie betreffen, was bereits die Vorinstanz hervorgehoben hat, die fiduziarische Übertragung des Eigentums an Grundstücken vom Treugeber auf den Treuhänder. Aus dem nämlichen Grunde sind die, zum Teil ebenfalls von der Vorinstanz erörterten, Literaturhinweise unbehelflich, wie denn überhaupt die Berufung geflissentlich vermeidet, zwischen dem unmittelbaren Treugutserwerb und dem Erwerb des Treugutes von Dritten zu unterscheiden.BGE 78 II 445endlich fusst tatbeständlich wiederum auf der fiduziarischen Übertragung von Sachwerten des Treugebers an den Treuhänder, während im übrigen die dort beurteilte Frage eine völlig andere ist.
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Zum vorliegenden Sachverhalt passt dagegenBGE 65 II 163, auf den auch die Vorinstanz abgestellt hat. In jenem Präjudiz wurde u.a. ausgeführt: Ein Auftrag, durch den sich der Beauftragte gegenüber dem Auftraggeber zum Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten verpflichte, unterliege selbst dann keinem Formzwange, wenn das einzugehende Rechtsgeschäft, wie beispielsweise ein Grundstückkauf, formbedürftig sei; der Abschluss des Kaufvertrages mit dem Dritten erscheine nicht als Gegenstand des Auftrages, sondern als Vollziehung des versprochenen Dienstes; weigere sich der Beauftragte, so hafte er aus Art. 397 ff. OR und nicht aus Kaufsversprechen; auch wenn der Beauftragte gehalten sei, die Liegenschaft durch öffentlich beurkundeten Vertrag an den Auftraggeber zu übertragen, sei im Auftrage kein gesondertes Verkaufsversprechen zu erblicken, sondern eine aus der Natur des Verhältnisses zwischen den Parteien fliessende Verpflichtung, die nicht einmal eigens vorgesehen werden müsse, da sie im Gesetz (Art. 400 OR) festgelegt sei. Indem das Bundesgericht so befand, bekannte es sich zu einer in Rechtsprechung und Schrifttum seit vielen Jahren herrschenden Anschauung. Das deutsche Reichsgericht hatte entsprechend (Nichtanwendbarkeit der Formvorschrift in § 313 BGB auf Treuhandbeziehungen) schon mit einem Urteil vom 28. Februar 1903 und erneut mit Urteilen vom 25. Januar 1926 und 12. Dezember 1927 entschieden. Die Lehre billigte den Grundsatz fast einhellig und blieb bis heute dabei (vgl. RGZ 54 S. 78 f. und Juristische Wochenschrift 1926 II S. 2571, 1928 II S. 1813; ENNECCERUS, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 23./27. Aufl. I/2 S. 489 N. 9 und ENNECCERUS/LEHMANN, Schuldrecht, 1954, S. 117; OERTMANN, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl. I S. 245; SOERGEL, Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Aufl. I S. 840; PALANDT, Kurzkommentar zum BGB, 14. Aufl. S. 324 Anm. 5; HOENIGER, in Juristische Wochenschrift 1926 II S. 2571, mit einigen hier belanglosen Vorbehalten; anderer Meinung dagegen z.B. GUT, in Juristische Wochenschrift 1929 I S. 710, aber dazu die überzeugende Widerlegung bei STAUDINGER, Kommentar zum BGB 9. Aufl. II/1 S. 426 f.). Von solcher Betrachtungsweise abzugehen besteht umso weniger Anlass, als sie im Ergebnis den in jüngerer Zeit zunehmenden Bestrebungen nach Stärkung der Stellung des Treugebers entgegenkommt. Was die Berufung einwendet, geht entweder im erwähnten Sinne am Wesen der Sache vorbei oder erschöpft sich in blosser Wiederholung sonstiger, von der Vorinstanz zutreffend verworfener Bestreitungen.
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4. Neben der Formungültigkeit der Vereinbarung vom 5. September 1938 wird deren Nichtigkeit wegen Verstosses gegen die guten Sitten geltend gemacht. Laut bindender Angabe im kantonalen Urteil fehlt ein Beweis für die Behauptung, dass sich der Kläger zwar nicht dem zugegebenermassen unbeachtlichen nationalsozialistischen Devisenrecht, aber den steuerlichen Lasten habe entziehen wollen. Die Berufung verficht den Standpunkt, dass Verträge, die auf Täuschung und Schädigung eines öffentlichen Dienstes zielen, sittenwidrig und nach Art. 19/20 OR nichtig seien. Indessen gilt das zunächst höchstens für die schweizerischen Verhältnisse, gemässBGE 76 II 41f. nicht ohne weiteres auch für die ausländischen. In der Berufungsschrift räumt nun der Beklagte ein, der Kläger habe die Liegenschaft in Zürich "vor dem Zugriff der deutschen Regierung schützen" wollen, da "notorischerweise, wie auch dem Bundesgericht bekannt, die Deutschen verpflichtet waren, ihr Vermögen zu melden und die schweren, praktisch konfiskatorischen steuerlichen Lasten ihres Auslandsvermögens zu erbringen". Die dergestalt eingestandene Bedrohung ist den "schweren, bis zur eigentlichen Beschlagnahme der Devisen gehenden Eingriffen in wohlerworbene Rechte und in die private Verfügungs- und Vertragsfreiheit", von denen im genannten bundesgerichtlichen Entscheide ablehnend die Rede ist, gleichzusetzen. Und ob die "praktische Konfiskation" von einer Devisen- oder einer Steuerbehörde ausgehe, ändert praktisch nichts an der Lage des Betroffenen. Unter den dargelegten Umständen bedeutet der Abschluss eines Treuhandvertrages mit dem umschriebenen Zwecke nach schweizerischer Auffassung keine die Nichtigkeit bewirkende Verletzung der guten Sitten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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