BGE 82 II 48 |
8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Januar 1956 i. S. Allega SA und Konsorten gegen Gschwind. |
Regeste |
1. Art. 165 Abs. 1 OR. Muss der neue Gläubiger in der Abtretungserklärung bezeichnet werden? (Erw. 1, 2). |
Sachverhalt |
A.- Die Klima und Thermik AG in Zürich lud ihre Gläubiger auf 27. November 1952 zu einer Versammlung ein und teilte ihnen an dieser mit, dass ihre Bilanz auf 31. Oktober 1952 einen Verlustsaldo von Fr. 47'417.90 ergebe und dass die nicht privilegierten Gläubiger im Konkurs mit einem vollständigen Verlust zu rechnen hätten. Am 27. Januar 1953 stellte sie dem Rechtsanwalte Dr. W. Baechi folgende, seine Adresse tragende und von den Verwaltungsräten Neukomm und Bachmann unterschriebene Erklärung aus: "Die unterzeichnete Verwaltung der Klima und Thermik AG tritt hiermit die sämtlichen Ansprüche, die der Gesellschaft gegenüber Herrn Fritz Gschwind zustehen, insbesondere Ansprüche der Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 754 ff. OR, an das in Gründung befindliche Gläubigerkonsortium Orion Werke AG und Mitbeteiligte ab.".
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Die ersten Schritte zur Bildung des in dieser Erklärung erwähnten Konsortiums unternahm Dr. Baechi am 3. Februar 1953, indem er sich durch ein Rundschreiben an die Gläubiger der Klima und Thermik AG wandte. Darin teilte er ihnen mit, dass eine Verantwortlichkeitsklage gegen Fritz Gschwind, den früheren einzigen Verwaltungsrat der Gesellschaft, gute Aussichten hätte und im Falle des Erfolges möglicherweise ein Betrag hereingebracht werden könnte, der alle Gläubiger decken würde. Keiner von ihnen scheine Lust zu haben, ein Konkursbegehren zu stellen. Es dürfte richtig sein, die Konkurskosten einzusparen und es der Verwaltung zu überlassen, die geringen Aktiven zu liquidieren und den Erlös zur wenigstens teilweisen Befriedigung der privilegierten Gläubiger zu verwenden. Auch die Durchführung eines Nachlassvertrages dürfte sich unter diesen Umständen erübrigen. Um die Verantwortlichkeitsansprüche gegen Gschwind geltend zu machen, empfehle sich für die daran interessierten Gläubiger der Zusammenschluss zu einem Konsortium, dem die Klima und Thermik AG diese Ansprüche abtrete. Die Abtretungserklärung liege schon vor. Die Kosten und der Erlös würden nach Massgabe der Forderungen der Mitglieder des Konsortiums geteilt, und ein allfälliger Überschuss würde der Aktiengesellschaft zuhanden der übrigen Gläubiger zur Verfügung gestellt. Dr. Baechi lud die Gläubiger ein, ihm, falls sie diesen Vorschlag billigten, bis 10. Februar 1953 eine dem Rundschreiben beigelegte "Beitrittserklärung" folgenden Inhalts unterzeichnet zurückzusenden: "Die unterzeichnete Firma beteiligt sich mit ihrer Forderung von Fr. ... an dem Konsortium von Gläubigern der Klima und Thermik AG zwecks Durchführung zivil- und strafrechtlicher Verantwortlichkeitsansprüche gegen Fritz Gschwind. Herr Rechtsanwalt Dr. Walter Baechi erhält hiermit Vollmacht, alle für die Geltendmachung dieser Ansprüche nötigen gerichtlichen und aussergerichtlichen Schritte durchzuführen".
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In der Zeit vom 4. Februar bis 14. November 1953 wurde diese Erklärung von der Allega SA, der Orion Werke AG und von siebzehn weiteren Personen unterzeichnet, die sich als Gläubiger der Klima und Thermik AG bezeichnen.
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In ihrem Namen klagte Dr. Baechi am 9. Dezember 1953 beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen Gschwind auf Bezahlung von Fr. 58'185.30 nebst 5% seit 12. November 1953. Er begründete die Forderung als solche aus Verantwortlichkeit gemäss Art. 754 OR. Der Schaden sei dadurch entstanden, dass Gschwind für die noch nicht einbezahlte Hälfte des Aktienkapitals von Fr. 100 000.-- nicht Sicherstellung verlangt (Art. 686 Abs. 3 OR) bezw. die Einzahlungspflicht nicht geltend gemacht und mindestens Fr. 8185.30 aus Mitteln der Gesellschaft zur persönlichen Bereicherung verwendet habe.
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Am 9. September 1953 war über die Klima und Thermik AG der Konkurs eröffnet und am 28. des gleichen Monats mangels Aktiven eingestellt worden. Am 28. Januar 1954 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht.
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B.- Am 7. Juli 1955 wies das Handelsgericht die Klage der Allega SA und ihrer Streitgenossen ab.
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Zur Begründung führte es aus, die Abtretungserklärung vom 27. Januar 1953 sei nicht geeignet gewesen, den Übergang der eingeklagten Forderung von der Gesellschaft auf die Kläger zu bewirken, weil die Zessionare nicht hinreichend bestimmbar gewesen seien, das Erfordernis der Schriftform also nicht erfüllt sei. Die Abtretungserklärung sei zudem widerrechtlich, weil sie Art. 758 und 756 OR sowie Art. 260 und 316 a ff. SchKG umgehe. Zum Schutze der Aktiengesellschaft und ihrer Organe vor missbräuchlichen Verantwortlichkeitsklagen gebe Art. 758 OR den Gläubigern das Klagerecht erst, wenn über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden sei, oder - gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung - wenn sie einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen habe. Das Gesetz könne daher den Gläubigern nicht erlauben wollen, sich den mit ihrem Verantwortlichkeitsanspruch inhaltlich übereinstimmenden Anspruch der noch aufrecht stehenden Gesellschaft abtreten zu lassen und ihn ausserhalb des Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung einzuklagen. Art. 758 OR verlöre sonst jede Bedeutung. Es sei nicht sinnlos, den Konkurs durchzuführen, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen, das die Kläger durch die Abtretung ausserhalb eines Konkurses erreichen wollten. Die amtliche Mitwirkung bei der Liquidation des Vermögens eines zahlungsunfähigen Schuldners sei unerlässlich, damit nicht einzelne Gläubiger zum Vorteil anderer benachteiligt würden. Gerade der vorliegende Fall zeige, zu welchen unhaltbaren Folgen die den Klägern vorschwebende private Liquidation führen würde. Die vom Beklagten bestrittene Gläubigereigenschaft der Kläger sei nicht erwiesen, und ein Erwahrungs- und Kollokationsverfahren, wie es im Konkurs stattfinde, sei im Rahmen des vorliegenden Prozesses undenkbar. Es bestehe auch keine Gewähr dafür, dass die Kläger mit einem Überschuss an Erlös sachgemäss verfahren würden, wie die Konkursverwaltung im Falle der Abtretung nach Art. 260 SchKG es tun müsse. Neben dem Konkurs und dem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung als mit allen gesetzlichen Garantien umgebene gesetzliche Liquidationsverfahren habe die von den Klägern beabsichtigte private Liquidation keinen Raum. Jene beiden Verfahren seien um der öffentlichen Ordnung willen geschaffen worden und beanspruchten daher ausschliessliche Geltung. Die Nichtigkeit der widerrechtlichen Abtretung ergebe sich aus Art. 20 und 164 OR. Es könne daher offen bleiben, ob die Abtretung auch wegen der damit bezweckten Begünstigung der Kläger zum Nachteil der anderen Gläubiger der Klima und Thermik AG ungültig wäre.
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C.- Die Kläger haben die Berufung erklärt. Sie beantragen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung und zur Gutheissung der Klage an das Handelsgericht zurückzuweisen.
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D.- Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das Urteil des Handelsgerichts zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form (Art. 165 Abs. 1 OR). Diese hat alle wesentlichen Teile der Willenserklärung zu decken. Aus der Schrift muss sich daher nicht nur ergeben, welche Forderung abgetreten wird, insbesondere wer Gläubiger und wer Schuldner ist, sondern auch, an wen sie abgetreten wird. Das heisst nicht, dass der neue Gläubiger in der Schrift mit Namen bezeichnet oder sonstwie so genau beschrieben werden müsse, dass zum vornherein feststehe, wem die Forderung nunmehr gehöre. Es genügt, dass der Zessionar, sei es sofort, sei es später, bestimmbar ist. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Abtretende müsse im Zeitpunkt der Abtretung wissen, wem er die Forderung übertrage. Das Gesetz verlangt die Schriftlichkeit nicht zum Schutze des Zedenten vor übereilter Abtretung, sondern nur im Interesse der Rechtssicherheit. Dritte, insbesondere der Schuldner der abgetretenen Forderung, die Gläubiger des Zedenten oder des Zessionars, und im Streitfalle der Richter, sollen anhand eines deutlich kund gewordenen Vorganges feststellen können, wem die Forderung zusteht. Es kann daher z.B. die Bezeichnung des neuen Gläubigers in der schriftlichen Abtretungserklärung diesem selbst oder einem Dritten überlassen werden (Blankozession); dies umsomehr als das Gesetz ausdrücklich auch die Übertragung der in Wertpapieren verkörperten Forderungen durch Bankoindossament gestattet (siehe insbesondere Art. 1003 Abs. 2 OR), obschon gerade im Wertpapierrecht das Gebot der Rechtssicherheit strenge Einhaltung der Formvorschriften verlangt. Es muss deshalb auch zulässig sein, dass der Abtretende die Bestimmung des Zessionars nicht vollständig in dessen Belieben oder in das Belieben eines Dritten stelle, sondern den Kreis der Personen, welche Zessionare werden können, einengt. Damit geht er weniger weit, als wenn er die Forderung blanko abtritt und sich so des Rechts begibt, selber den Zessionar zu bezeichnen. Es genügt, dass anhand anderer Tatsachen ermittelt werden kann, auf welche Person oder Personen aus dem vom Zedenten umschriebenen Kreise der möglichen Erwerber die Forderung übergeht. Diese Tatsachen können auch in Willenserklärungen anderer bestehen, und zwar auch in solchen, die erst in der Zukunft abgegeben werden, wie es auch bei der Blankozession zutrifft.
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Dass sie den alten Gläubiger und den Schuldner bezeichnet und auch erkennen lässt, welche Forderung abgetreten werden will, wird mit Recht nicht bestritten.
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Aber auch die neuen Gläubiger sind so genau bestimmbar, wie das Gebot der Rechtssicherheit es verlangt. Die Klima und Thermik AG hat sie umschrieben als "das in Gründung befindliche Gläubigerkonsortium Orion Werke AG und Mitbeteiligte". Unter den Gläubigern waren selbstverständlich nur solche der Klima und Thermik AG verstanden. Die erwähnte Wendung schränkt sodann den Kreis der Berechtigten weiter ein auf jene Gläubiger, die neben der Orion Werke AG dem Konsortium angehören würden. Da die Abtretungserklärung an Dr. Baechi adressiert war, konnte nur jenes Konsortium verstanden sein, das er, und zwar unter Beteiligung der Orion Werke AG, zu gründen sich vorgenommen hatte. Weiter war es gekennzeichnet durch den Zweck, den es verfolgen würde und der nicht missverstanden werden konnte. Er bestand in der Geltendmachung der abgetretenen Verantwortlichkeitsansprüche. Nur dieses, kein anderes Konsortium ist denn auch gegründet worden und erhebt Anspruch auf die abgetretene Forderung.
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Wer im einzelnen die Zessionare waren oder sein würden, stand damit freilich noch nicht fest. Zum Teil hing ihre Bestimmung vom Willen des Dr. Baechi ab, da der Wortlaut der Abtretungserklärung offen liess, ob er allen ihm bekannten oder nur bestimmten auserwählten Gläubigern Gelegenheit geben werde, sich dem Konsortium anzuschliessen. Inwiefern aber diese Einflussnahme des Dr. Baechi auf die Bildung des Konsortiums und damit auf den Kreis der Zessionare gegen die guten Sitten verstossen sollte, wie der Beklagte geltend macht, ist nicht zu ersehen.
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Jeder Empfänger einer Blankozession, dem der Abtretende die Bezeichnung des Zessionars oder der Zessionare überlassen hätte, wäre in gleicher Lage gewesen wie Dr. Baechi. Dieser hat denn auch nichts unternommen, was sich mit den guten Sitten nicht vertrüge, hat er doch alsbald allen ihm bekannten Gläubigern der Klima und Thermik AG durch Rundschreiben Gelegenheit gegeben, sich dem Konsortium anzuschliessen. Dass sodann nur Zessionar werden konnte, wer sich durch eine Willenserklärung dem Konsortium anschloss, macht die Abtretungserklärung ebenfalls nicht ungültig. Die Personen, die diese Willenserklärung abgegeben haben, sind ohne weiteres bestimmbar, zumal Dr. Baechi Schriftlichkeit verlangt hat.
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Damit steht ein für allemal fest, auf wen die abgetretene Forderung übergegangen ist. Es ist nicht so, dass nachträglich noch jeder andere Gläubiger der Klima und Thermik AG den Beitritt erklären und sich dadurch zum Mitzessionar machen könnte. Aus dem Zwecke, den sich das Gläubigerkonsortium nach richtiger Auslegung der Abtretungserklärung zu setzen hatte, ergibt sich, dass der Beitritt spätestens bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung der abgetretenen Forderung erfolgen sollte. Das Handelsgericht missversteht die Kläger, wenn es ihnen vorhält, sie hätten in der Replik erklären lassen, es könnten sich nach wie vor weitere Gläubiger dem Konsortium anschliessen. Wie ihre Äusserung gemeint war, zeigt der weitere Text der Replik, lautend: "So hat sich nachträglich der ... Gläubiger Schmidlin ... dem Konsortium angeschlossen, und die Teilnehmer des Konsortiums haben sich einstimmig damit einverstanden erklärt, dass Schmidlin intern als Mitglied behandelt wird." Interne Aufnahme weiterer Gläubiger in das Konsortium bedeutet nur, dass die Aufgenommenen stille Teilhaber der einfachen Gesellschaft, nicht auch, dass sie Mitinhaber (Zessionare) der abgetretenen Forderung würden.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich die Ungültigkeit der streitigen Erklärung auch nicht aus der Interessenlage ableiten. Das Bedenken des Beklagten, dem Gläubigerkonsortium könnte jemand beitreten, dem der Zedent nichts schuldet, ist unbegründet. Nach dem Sinne der Erklärung vom 27. Januar 1953 ist Gläubigereigenschaft Voraussetzung der Abtretung. Ohne sie wird der Beitretende nicht Mitinhaber der Forderung. Sie muss daher, wenn sie bestritten ist, nachgewiesen werden. So wird auch im vorliegenden Falle darüber Beweis zu führen sein, wenn die Vorinstanz an der Gläubigereigenschaft der Kläger zweifelt. Ebensowenig hält der Einwand Stich, unter den Zessionaren könnte sich einer befinden, den der Zedent nachträglich auf andere Weise befriedigt. Der Zedent kann die anderweitige Befriedigung davon abhängig machen, dass der Gläubiger seinen Anteil an der Forderung zurückzediere oder den verbleibenden Gläubigern des Konsortiums übertrage. Auch steht es ihm frei, die Abtretung von Anfang an mit entsprechenden Bedingungen zu versehen (BGE 67 II 127). Die Berufung auf die Interessen des Schuldners hilft dem Beklagten ebenfalls nicht. Er macht geltend, wenn eine Forderung an eine einfache Gesellschaft abgetreten werde, deren Mitglieder nicht bestimmt seien, könne der Schuldner weder wissen, an wen er mit befreiender Wirkung zu zahlen vermöge, noch prüfen, ob er mit Gegenforderungen verrechnen könne. Der erste Einwand versagt schon deshalb, weil der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien kann, wenn er im Ungewissen ist, wem die Forderung zusteht (Art. 168 Abs. 1 OR). Nichts hindert ihn sodann, von einem allfälligen Verrechnungsrechte gegenüber jedem Gebrauch zu machen, gegenüber dem es ihm zusteht und der ihn auf Grund der Abtretung belangt. Gehört die abgetretene Forderung der einfachen Gesellschaft zu gesamter Hand, so kann er mit Forderungen gegen einen einzelnen Gesellschafter ohnehin nicht verrechnen; denn Art. 573 Abs. 1 OR ist entsprechend anwendbar.
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3. Art. 164 Abs. 1 OR schliesst die Abtretung aus, wenn ihr Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen.
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Keine gesetzliche Bestimmung verbietet die Abtretung der Schadenersatzforderung einer Aktiengesellschaft aus Art. 754 OR, und auch eine Vereinbarung, die das tun würde, steht im vorliegenden Falle nicht in Frage.
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Was sodann die Natur des Rechtsverhältnisses betrifft. so ist zwar unter der Herrschaft des alten Obligationenrechts (vgl. V. ROSSEL, ZBJV 39 505 ff. u. 553 ff.) die Meinung vertreten worden, der Schadenersatzanspruch der Aktiengesellschaft gegen die mit der Verwaltung und Kontrolle betrauten Personen sei ein höchstpersönliches Recht, das nicht einmal in die Konkursmasse der Gesellschaft fallen könne. Diese Auffassung hält indessen einer näheren Prüfung nicht stand. Gewiss steht es im Belieben der Gesellschaft, ihre Forderung geltend zu machen oder nicht. Das ist aber keine Besonderheit gerade dieses Anspruchs. Übrigens sieht das Gesetz vor, dass ungeachtet der Haltung der Gesellschaft der einzelne Aktionär Leistung des Ersatzes an die Gesellschaft verlangen kann, ausgenommen z.B. wenn er einem Entlastungsbeschluss der Generalversammlung zugestimmt hat (Art. 755, 757 OR). Schon daraus erhellt, dass es keine höchstpersönliche Angelegenheit der Gesellschaft ist, ob der in ihrem Vermögen entstandene Schaden auszugleichen sei oder nicht. Es wäre denn auch sonderbar, wenn das Gesetz eine Forderung, die nicht etwa durch Verletzung in den persönlichen Verhältnissen entstanden ist, sondern nur auf Ersatz von Vermögensschaden geht, so untrennbar mit der Gesellschaft verbunden hätte, dass kein Rechtsnachfolger sie geltend machen könnte, während die Gesellschaft doch über ihre anderen Vermögensrechte frei verfügen kann. Dass die Beziehungen des Ersatzpflichtigen zur Gesellschaft höchstpersönliche seien, ist jedenfalls dann nicht richtig, wenn der Ersatzpflichtige ein nur durch Dienstvertrag gebundener Geschäftsführer ist oder lediglich einen Auftrag zur Ausübung der Kontrolle hat. Zudem kann auch aus einem höchstpersönlichen Rechtsverhältnis eine jeder persönlichen Natur entkleidete Forderung entstehen, wie z.B. für die Schadenersatzforderung wegen Verlöbnisbruches daraus geschlossen werden muss, dass Art. 92 im Gegensatz zu dem die Genugtuungsforderung betreffenden Art. 93 Abs. 1 ZGB die Unübertragbarkeit nicht festsetzt. Dass die Schadenersatzforderung aus Art. 754 OR nicht vom Fortbestande der Gesellschaft abhängt, ergibt sich ferner daraus, dass sie - gegenüber Liquidatoren - auch zugunsten einer aufgelösten Gesellschaft entstehen kann (Abs. 2). Dass sie auch zu den Aktiven der Konkursmasse der Gesellschaft gehört, versteht sich von selbst; denn es liefe dem Zwecke der Verantwortlichkeitsordnung, insbesondere der im rev. OR getroffenen Verschärfung der Verantwortlichkeit der mit der Verwaltung, Geschäftsführung und Kontrolle betrauten Personen entgegen, wenn die Forderung gerade im Hauptanwendungsfall, dem Konkurse der Gesellschaft, dahinfiele. Übrigens sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Konkursverwaltung im Gesellschaftskonkurse den Anspruch der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger geltend zu machen habe (Art. 756 Abs. 1 OR). Dieser Anspruch deckt sich inhaltlich insoweit mit jenem der Gesellschaft, als er den mittelbaren, durch Schädigung der Gesellschaft verursachten Schaden betrifft (Art. 755 OR). Daraus erhellt, dass der Verantwortliche den der Gesellschaft zugefügten Schaden auch in deren Konkurs noch zu ersetzen hat. Die Überlegung, im Konkurse könne kein Entlastungsbeschluss mehr gefasst werden, obschon beachtliche Gründe hiezu bestehen könnten (ROSSEL, a.a.O. 555 f.), ist damit gegenstandslos. Sie würde aber auch sonst nicht durchschlagen, da der Entlastungsbeschluss nicht Voraussetzung des Bestandes der Schadenersatzforderung oder ihrer Geltendmachung ist, sondern sie im Gegenteil vernichtet.
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Das Bundesgericht hat denn auch schon die Abtretbarkeit des Verantwortlichkeitsanspruches der Gesellschaft im Falle eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung bejaht (BGE 64 III 22,BGE 67 II 170), ja sogar allgemein und unter Bezug auf das geltende Recht (Art. 758 OR, Art. 43 Bankengesetz) ausgeführt, dass der Verantwortlichkeitsanspruch der Aktiengesellschaft unbeschränkt an Dritte, z.B. an Gesellschaftsgläubiger, abgetreten werden könne (BGE 64 III 22). Auch im deutschen Recht wird anerkannt, dass der Schadenersatzanspruch der Aktiengesellschaft aus Verletzung der Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder grundsätzlich übertragen (abgetreten und gepfändet) werden kann (vgl. deutsches Aktiengesetz § 84 Abs. 5, ebenso im früheren Recht § 241 HGB).
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4. Ist der Schadenersatzanspruch der Gesellschaft nicht höchstpersönlich, so ist nicht zu ersehen, weshalb er nicht auch an einen Gesellschaftsgläubiger sollte abgetreten werden können. Freilich können die Gläubiger ihren in Art. 755 OR umschriebenen Anspruch nur einklagen, wenn die Gesellschaft im Konkurse ist und die Konkursverwaltung den Anspruch nicht geltend macht (Art. 758, 756 OR). Es trifft auch zu, dass diese Beschränkung die Gesellschaft und ihre mit der Verwaltung, Geschäftsführung und Kontrolle betrauten Personen vor missbräuchlichen Klagen der Gläubiger bewahren soll. Dieser Zweck wird jedoch nicht vereitelt, wenn die Gesellschaft ihren Schadenersatzanspruch an einen Gläubiger abtritt. Tut sie das, so kann sie sich nicht mit Fug belästigt fühlen, wenn der Zessionar die abgetretene Forderung einklagt und sich dadurch in die Angelegenheiten der Gesellschaft einmischt. Der Beklagte sodann steht nicht schlechter da als jeder Schuldner, der Gefahr läuft, zufolge der Abtretung strenger verfolgt zu werden, als ihn der alte Gläubiger verfolgt hätte. Wollte das Gesetz, dass der Verantwortliche unter keinen Umständen von einem anderen als von der Gesellschaft selbst belangt werde, so würde es nicht den Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern - wenn auch letzteren nur im Konkurs - ein selbständiges Klagerecht geben. Der Zweck dieses Rechts kann nur darin bestehen, die Verantwortlichkeitsordnung wirksamer zu gestalten, da die Verwaltung oder eine von Mitgliedern der Verwaltung beeinflusste Generalversammlung es oft unterlässt, die der Gesellschaft zustehende Schadenersatzforderung einzuklagen. Wenn die Gesellschaft sich dazu entschliesst, ihren Verantwortlichkeitsanspruch an einen oder mehrere Gläubiger abzutreten, um ihnen auch ohne Konkurs die Verfolgung des Verantwortlichen zu ermöglichen, so widerspricht das deshalb dem Grundgedanken des Gesetzes nicht. Die Gesellschaft wird sich zur Abtretung ihrer Verantwortlichkeitsansprüche nie bereit erklären, wenn sie glaubt, deren Geltendmachung sei missbräuchlich oder widerspreche sonstwie ihren Interessen. Damit aber, dass die Gesellschaft ihre Interessen so wahre, wie sie es für richtig hält, muss der Schadenersatzpflichtige sich abfinden. Das Handelsgericht irrt, wenn es glaubt, das Gesetz wolle den Gläubigern die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen ausserhalb des Konkurses "kategorisch" verbieten. Das Verbot betrifft nur den eigenen, originären Anspruch des Gläubigers. Dass Art. 758 OR jede Bedeutung verliere, wenn der Gläubiger sich die Schadenersatzforderung der Gesellschaft abtreten lassen und sie ausser Konkurs einklagen könne, ist schon deshalb nicht richtig, weil die Bestimmung immer dann anwendbar ist, wenn eine Abtretung nicht stattfindet.
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5. Auch das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz verbietet die Abtretung der Schadenersatzforderung an Gläubiger der Gesellschaft nicht. Jedem Schuldner ist erlaubt, irgendwelche Vermögensstücke an einen oder mehrere Gläubiger zu veräussern. Dem Gebote der Gleichbehandlung verschaffen die Art. 285 ff. SchKG, insbesondere Art. 287, Nachachtung, indem sie den zu Verlust kommenden anderen Gläubigern und der Konkursverwaltung die Möglichkeit gerichtlicher Anfechtung geben. Keine Bestimmung ermächtigt den Richter, auch ausserhalb eines Anfechtungsprozesses sich zum Hüter für die Gleichbehandlung der Gläubiger zu machen, indem er die Veräusserung von Vermögen eines Schuldners als nichtig zu behandeln hätte, und das nicht einmal auf Begehren eines benachteiligten Gläubigers, sondern eines Dritten, insbesondere des Schuldners einer abgetretenen Forderung. Eine Ausnahme besteht auch dann nicht, wenn durch die Veräusserung von Vermögen ein Konkurs oder ein gerichtliches Nachlassverfahren abgewendet werden soll. Kein Gesetz verbietet einem Schuldner, einer Verwertung seines Vermögens unter staatlicher Aufsicht aus dem Wege zu gehen, indem er sich mit seinen Gläubigern ins Einvernehmen setzt, sei es auch um den Preis der Abtretung einzelner oder aller Vermögensstücke. Was aber in dieser Beziehung jedem Schuldner erlaubt ist, kann auch einer Aktiengesellschaft nicht verboten sein. Unter welcher Voraussetzung ihre Verwaltung den Konkursrichter zu benachrichtigen hat, sagt Art. 725 Abs. 3 OR. Von diesem Falle abgesehen, ist auch sie frei, sich ohne Konkurs oder gerichtlichen Nachlassvertrag mit ihren Gläubigern auseinanderzusetzen, und selbst die Verletzung der erwähnten Pflicht hat nicht die Ungültigkeit der im Zustande der Überschuldung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zur Folge, sondern lediglich die Möglichkeit der Anfechtung nach Art. 285 ff. SchKG und die Verantwortlichkeit der Verwaltung nach Art. 754 ff. OR.
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Eine Ausnahme gilt auch nicht für die Abtretung von Verantwortlichkeitsansprüchen. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Gesellschaft solche Schadenersatzforderungen, die sie nicht selber eintreiben will, aus betreibungsrechtlichen Gründen nur in einem Konkurs oder Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung sollte verwerten, nicht auch ausserhalb dieser Verfahren an ihre Gläubiger sollte abtreten können. Die Gefahr, dass einzelne Gläubiger benachteiligt werden, ist nicht grösser, wenn eine solche Forderung abgetreten wird, als wenn die Gesellschaft sich eines anderen Vermögensstückes entäussert. Vollends ist nicht zu verstehen, inwiefern die Abtretung der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten widersprechen sollte, wenn die Forderung, wie im vorliegenden Falle, allen bekannten Gläubigern der Gesellschaft angeboten wird. Dieses Vorgehen kann vernünftig, seine Unterlassung dagegen anstössig sein, wenn andernfalls die Belangung des Verantwortlichen unterbliebe, weil kein Gläubiger die Konkurskosten vorschiesst und daher der Konkurs als geschlossen erklärt wird. Das schliesst ja einen sogenannten Nachkonkurs (Art. 269 SchKG), also endgültig auch die nachträgliche Geltendmachung oder sonstige Verwertung des Verantwortlichkeitsanspruches aus (JAEGER/DAENIKER Art. 269 N. 1). Freilich kommen die Gläubiger um ihr Recht, ihren eigenen Verantwortlichkeitsanspruch, gehe er auf Ersatz unmittelbaren oder bloss mittelbaren (durch Schädigung der Gesellschaft verursachten) Schadens, gerichtlich geltend zu machen, wenn es nicht zum Konkurse kommt. Allein das ist die Folge des Art. 758 OR. Jeder Gläubiger kann sie vermeiden, indem er die Gesellschaft in Konkurs treibt und nötigenfalls die Kosten eines solchen vorschiesst. Die Möglichkeit, dass er es aus irgendwelchen Überlegungen unterlasse, ist kein Grund, die Abtretung des Verantwortlichkeitsanspruches der Gesellschaft als ungültig zu behandeln und damit zum Vorteile des Verantwortlichen auch jenen Gläubigern die Befriedigung zu verwehren, die zwar ihrerseits die Konkurskosten nicht vorschiessen wollen, aber wenigstens bereit sind, im Einvernehmen mit der Gesellschaft den Verantwortlichen ausserhalb eines Konkurses zu belangen.
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Die Einwendung des Beklagten, der von den Zessionaren geltend gemachte Verantwortlichkeitsanspruch könnte ihre Forderungen übersteigen und die Verteilung des Überschusses wäre schwierig, wenn die Gesellschaft inzwischen in Konkurs gekommen und dieser eingestellt worden sei, hält nicht stand. Diese Schwierigkeit ist keine Besonderheit des vorliegenden Falles. Jeder Gläubiger, der sich zahlungshalber einen seine eigene Forderung übersteigenden unsicheren Anspruch abtreten lässt und daraus mehr löst, als er von der zedierenden Aktiengesellschaft zu fordern hat, bleibt schliesslich bereichert, wenn inzwischen die Gesellschaft in Konkurs geraten und dieser eingestellt worden ist. Das ist nicht stossender, als wenn irgendwelche erst nachträglich zum Vorschein kommende Aktiven der Gesellschaft wegen Unmöglichkeit der Durchführung eines Nachkonkurses ihren unbefriedigten Gläubigern nicht mehr zugute kommen können. Es erregt auch nicht mehr Anstoss, als wenn die Abtretung ungültig erklärt würde; denn damit wäre den Gesellschaftsgläubigern ebenfalls nicht geholfen, sondern lediglich dem Verantwortlichen ein durch nichts gerechtfertigter Dienst erwiesen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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