BGE 82 II 72 |
10. Auszug aus dem Urteil der H. Zivilabteilung vom 20. Januar 1956 i.S. Durrer gegen Durrer. |
Regeste |
Bäuerliches Vorkaufsrecht (Art. 6 ff. EGG). |
Rückforderung dieser Leistung wegen widerrechtlichen Inhalts der Vereinbarung oder wegen Übervorteilung? (Art. 1 EGG, Art. 20, 21, 66 OR). |
Sachverhalt |
Mit Vertrag vom 7. Januar 1954 verkaufte Durrer seine im Jahre 1931 für Fr. 47'000.-- erworbene, aus Wohnhaus, Stall und "Landgut" bestehende Liegenschaft für Fr. 110'000.-- an Barmettler. Hievon gemäss Art. 13 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) verständigt, teilte die Ehefrau Durrers dem Grundbuchamt am 25. Januar 1954 mit, dass sie gemäss Art. 12 dieses Gesetzes das Vorkaufsrecht "zum Werte der aufhaftenden Grundpfandforderungen" (Fr. 43'599.08) geltend mache. Daraufhin vereinbarten Durrer und Barmettler am 13. Februar 1954 die Aufhebung des am 7. Januar 1954 geschlossenen Kaufvertrags, wovon das Grundbuchamt Frau Durrer am 15. Februar 1954 unterrichtete. Diese stellte hierauf am 1. März 1954 beim Friedensrichteramt das Begehren, das von ihr ausgeübte Vorkaufsrecht sei gerichtlich zu schützen und das Eigentum an der Liegenschaft zum Schätzungswert bezw. zum Betrage der Grundpfandbelastung ihr zuzusprechen. Der Vermittlungsvorstand vom 8. März 1954 führte nicht zu einer Einigung. Am 11. März 1954 kam dann aber zwischen den Eheleuten Durrer, die beide durch ihre Anwälte vertreten waren, eine Vereinbarung zustande, wonach Frau Durrer gegen eine Abfindung von Fr. 40'000.-- auf ihr Vorkaufsrecht verzichtete. Gleichentags schloss Durrer mit Barmettler über seine Liegenschaft einen neuen Kaufvertrag, worin der Kaufpreis wieder auf Fr. 110'000.-- festgesetzt wurde. Der Kauf wurde sogleich ins Grundbuch eingetragen. Mit der von Barmettler geleisteten Anzahlung erfüllte Durrer den Vergleich mit seiner Ehefrau.
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Anfangs April 1954 stellte Durrer beim Friedensrichteramte das Begehren, die Vereinbarung vom 11. März 1954 sei "als nichtig, anfechtbar und rechtsunverbindlich zu erklären" und seine Ehefrau sei zu verpflichten, ihm Fr. 40'000.-- nebst 5% Zins seit 11. März 1954, eventuell einen Betrag nach richterlichem Ermessen zu bezahlen. Am 1. Juli 1954 brachte er dieses Rechtsbegehren beim Gericht an. Er machte u.a. geltend, die Vereinbarung verfolge einen widerrechtlichen Zweck und verstosse gegen die guten Sitten(Art. 20 OR); ausserdem sei sie wegen Übervorteilung (Art. 21 OR) für ihn unverbindlich.
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Die kantonalen Gerichte und das Bundesgericht weisen die Klage ab.
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Aus den Erwägungen: |
Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Richtig ist zwar, dass die im Gesetz vorgesehenen Vorkaufsrechte, insbesondere das privilegierte Vorkaufsrecht der Blutsverwandten in gerader Linie und des Ehegatten, in erster Linie aus agrarpolitischen Gründen und nicht einfach im Interesse der vorkaufsberechtigten Personen eingeführt wurden. Ihr Endzweck liegt nicht darin, diesen Personen einen finanziellen Vorteil zu bieten, den sie ebensogut durch Ausübung des Vorkaufsrechts wie durch einen entgeltlichen Verzicht hierauf realisieren können, sondern eben darin, die in Art. 1 EGG umschriebenen Ziele zu erreichen.
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Dies ändert aber nichts daran, dass es sich beim Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 ff. EGG um einen privatrechtlichen Anspruch handelt, der zwar höchstpersönlicher Natur (Art. 9 Abs. 1 EGG), im übrigen aber in keiner Weise der freien Verfügbarkeit entrückt ist, die für vermögensrechtliche Ansprüche des Zivilrechts gemeinhin gilt. Ob die Gewährung eines solchen Anspruchs ein taugliches Mittel sei, um die vom Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen, ist eine gesetzgeberische, vom Richter nicht zu überprüfende Frage. Der Standpunkt, dass aus den in Art. 1 genannten Zwecken des Gesetzes ein Verbot des entgeltlichen Verzichts auf das Vorkaufsrecht abgeleitet werden müsse, obwohl die Art. 6 ff. hiefür keine Anhaltspunkte bieten und eine solche Beschränkung der Verfügbarkeit dem privatrechtlichen Charakter des Anspruchs widerspricht, liesse sich höchstens dann vertreten, wenn jene Zwecke durch die Zulassung eines solchen Verzichts geradezu vereitelt würden. So verhält es sich indessen nicht. Den Zwecken des Gesetzes kann die Einräumung von Vorkaufsrechten nicht nur dadurch dienen, dass sie in Fällen des Verkaufs die Übernahme des Betriebs durch. Verwandte (oder allenfalls Pächter oder Dienstpflichtige) fördert und den in Art. 12 genannten Berechtigten die Übernahme zu einem Vorzugspreis ermöglicht, sondern auch dadurch, dass sie die Verkaufslust zurückdämmt. Dieser Erfolg wird auch dann erreicht, wenn dem Eigentümer die Möglichkeit gelassen wird, die Vorkaufsberechtigten durch eine Abfindung von der Durchsetzung ihres Anspruchs abzuhalten. Mancher wird lieber auf einen Gewinn verzichten als ihn mit andern teilen. Die streitige Vereinbarung fällt daher nicht unter Art. 20 OR.
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Selbst wenn es anders wäre, könnte im übrigen das Begehren des Klägers, dass ihm die Abfindungssumme zurückzuzahlen sei, keinen Schutz finden. Der Kläger müsste sich in diesem Falle entgegenhalten lassen, dass die Zahlung an die Beklagte in der Absicht geschehen sei, einen rechtswidrigen Erfolg herbeizuführen, so dass die Rückforderung gemäss Art. 66 OR ausgeschlossen wäre (vgl. BGE 74 II 23 ff., insbesondere 27 Erw. 3). Das EGG enthält keine Bestimmung, welche die Anwendung von Art. 66 OR ausschliessen würde, wie Art. 42 Abs. 2 a.E. des Bundesratsbeschlusses über Massnahmen gegen die Bodenspekulation usw. vom 19. Januar 1940/7. November 1941 (BMB) das für den Bereich dieses Erlasses getan hat (BGE 79 II 204).
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5. Der Kläger macht weiter geltend, die Beklagte habe ihn übervorteilt, indem sie sich für den Verzicht auf das Vorkaufsrecht Fr. 40'000.-- habe versprechen und auszahlen lassen, obwohl sie an der Liegenschaft in Wirklichkeit gar kein Interesse gehabt habe. In diesem Zusammenhang macht er Ausführungen darüber, dass die Beklagte infolge ihres Alters und weiterer Umstände nicht in der Lage gewesen wäre, die Liegenschaft selber zu bewirtschaften. Letzteres brauchte sie indessen gar nicht zu beabsichtigen. Die Blutsverwandten in gerader Linie können zwar das privilegierte Vorkaufsrecht von Art. 12 EGG nur dann ausüben, wenn sie die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen. Für den Ehegatten gilt diese Beschränkung aber nicht. Die Beklagte wäre also berechtigt gewesen, das Gewerbe zu verpachten (was der Kläger übrigens implicite zugibt, indem er sagt, das Interesse an einer Übernahme zwecks Verpachtung sei für die Beklagte klein gewesen). Es lässt sich also nicht sagen, die Beklagte habe auf ein Recht verzichtet, das für sie überhaupt keinen Wert gehabt habe. Der Vorteil, den ihr die Durchsetzung des Vorkaufsrechts geboten hätte, war aber auch nicht etwa so geringfügig, dass aus diesem Grunde von einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gesprochen werden könnte. Der Kläger lief nach seiner eigenen Darstellung das Risiko, aus der Liegenschaft Fr. 63'000.-- weniger zu lösen, wenn die Beklagte auf ihrem Anspruch beharrte (vgl. S. 20 unten der Berufungsschrift). Der Beklagten stand also ein entsprechender Gewinn in Aussicht, den sie freilich unter Umständen erst nach 15 Jahren hätte realisieren können (Art. 12 Abs. 5 EGG). Wenn sie nun durch Verzicht auf das Vorkaufsrecht dem Kläger ermöglichte, einen Teil dieses Gewinns für sich zu retten, so kann von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung keine Rede sein. Die Anfechtung wegen Übervorteilung ist daher abzuweisen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die sonstigen Voraussetzungen von Art. 21 OR erfüllt seien.
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