49. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. September 1956 i.S. Eheleute Salzmann gegen Amtsvormundschaft Horgen und Gemeinderat Thalwil.
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Regeste
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Berufung.
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Sachverhalt
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Am 12. Dezember 1952 gebar Mina Nagel ausserehelich das Kind Beatrice Susanne. Als Vater bezeichnete sie Kurt Salzmann. Am 9. Januar 1953 erklärte sich die Mutter damit einverstanden, dass das Kind an einen geeigneten Pflegeplatz gegeben werde, und stimmte einer allfälligen Adoption zu. Am 29. Juni 1955 schloss der Vormund des Kindes mit dessen Pflegeeltern einen Adoptionsvertrag. Nach vorausgegangener Beschlussfassung des Waisenamtes Thalwil stimmte der Bezirksrat Horgen als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde dieser Adoption am 3. August 1955 im Sinne von Art. 442 Ziff. 1 ZGB zu. Gleichzeitig beschloss er als die nach dem massgebenden kantonalen Recht zum Entscheid über "Gesuche betreffend Kindesannahme" zuständige Behörde (§ 39 des zürch. EG zum ZGB; vgl. Art. 267 ZGB und Art. 54 SchlT) auf Antrag des Gemeinderates Thalwil, den Pflegeeltern werde "die Ermächtigung erteilt, ihr Pflegetöchterchen B. S. Nagel an Kindesstatt anzunehmen, womit die Adoption als vollzogen erklärt wird."
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Am 15. August 1955 rekurrierten Kurt Salzmann und Mina Nagel gegen den "Adoptionsbeschluss" des Bezirksrates vom 3. August 1955 an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Am 3. September 1955 heirateten sie. Am 14. Juni 1956 hat der Regierungsrat entschieden, der Rekurs der Eheleute Salzmann-Nagel gegen den Ermächtigungsbeschluss des Bezirksrates werde abgewiesen.
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Gegen diesen Entscheid haben die Eheleute Salzmann die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Subsidiär haben sie ihn ausserdem mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 54 und 4 BV angefochten.
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Der Regierungsrat beantragt in seinen Gegenbemerkungen zur Berufung, es sei hieraufnicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Die Berufungskläger behaupten dies denn auch selber nicht, sondern machen geltend, gegen den angefochtenen Entscheid sei die Berufung nach Art. 44 lit. b OG zulässig, weil ihnen durch die Bewilligung der Adoption ihres Kindes, das durch ihre Heirat legitimiert worden sei, mittelbar die elterliche Gewalt entzogen werde. Dabei verkennen sie jedoch den klaren Sinn von Art. 44 lit. b OG. Diese Vorschrift spricht nur von der Entziehung und Wiederherstellung der elterlichen Gewalt gemäss Art. 285 und 287 ZGB und will unzweifelhaft nur die Möglichkeit schaffen, dass die Beteiligten die in Anwendung dieser Bestimmung getroffenen Entscheidungen durch das Bundesgericht überprüfen lassen können. Eine Entscheidung, die den Verlust der elterlichen Gewalt bewirkt, unterliegt also der Weiterziehung an das Bundesgericht nur dann, wenn sie sich auf Art. 285 ZGB stützt, nicht auch dann, wenn sich der Verlust der elterlichen Gewalt aus der Anwendung anderer Bestimmungen ergibt. Demgemäss wurde unter dem früheren OG, das als Rechtsmittel gegen kantonale Entscheidungen über den Entzug und die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt im Sinne von Art. 285 und 287 ZGB anstelle der Berufung die zivilrechtliche Beschwerde vorsah (Art. 86 Ziff. 2 aoG), die Weiterziehung von Entscheidungen nach Art. 286 ZGB als unzulässig erklärt, obwohl durch die Bestellung eines Vormundes für die Kinder auf Grund dieser Bestimmung die elterliche Gewalt aufgehoben wird (BGE 38 II 771,BGE 65 II 119). Im vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Ob die Adoption des Kindes Barbara Susanne zu bewilligen sei, wodurch die elterliche Gewalt der Berufungskläger beseitigt würde, ist eine Frage der Anwendung von Art. 267 ZGB. Art. 285 ZGB spielt bei dieser Entscheidung keine Rolle. Der angefochtene Entscheid fällt daher nicht unter Art. 44 lit. b OG.
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BIRCHMEIER erklärt an der von den Berufungsklägern angerufenen Stelle (N. 6 b zu Art. 44 OG, S. 131) nicht allgemein, dass die Berufung auch bei bloss mittelbarem Gewaltentzug zulässig sei. Er sagt vielmehr nur, die elterliche Gewalt könne ausdrücklich oder dadurch entzogen werden, dass dem Unmündigen ein Vormund bestellt werde; auch in diesem Falle bloss mittelbaren Gewaltentzuges sei der Weiterzug zulässig. Damit wollte er die Ausführungen in der vorhergehenden Note (6 a), wonach es sich um einen Gewaltentzug nach Art. 285 ZGB handeln muss, offensichtlich nicht widerrufen. Das von ihm angeführte PräjudizBGE 47 II 16betrifft einen Fall, wo der Scheidungsrichter in gesetzwidriger Weise die Kinderzuteilung der Vormundschaftsbehörde überlassen und diese hierauf die Kinder "gemäss Art. 285 und 368 ZGB" unter Vormundschaft gestellt hatte. Diese von den kantonalen Rekursinstanzen bestätigte Massnahme lief zweifellos auf einen Entzug der elterlichen Gewalt gemäss Art. 285 ZGB hinaus. Indem das Bundesgericht in diesem Falle die zivilrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 86 Ziff. 2 aoG zuliess, bekannte es sich also keineswegs zur Auffassung, dass Entscheidungen, die den Verlust der elterlichen Gewalt nach sich ziehen, auch dann ans Bundesgericht weitergezogen werden können, wenn sie sich nicht auf Art. 285 ZGB stützen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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