BGE 84 II 91 |
13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1958 i.S. Stadtgemeinde Zürich gegen Teno A.-G. und City-Umbau A.-G. |
Regeste |
Art. 836 ZGB, Gesetzliche Pfandrechte des kantonalen Rechts. |
Sachverhalt |
A.- Das zürcherische EG zum ZGB sieht unter "grundpfandrechtliche Bestimmungen" in § 1941it. a-f eine Reihe von kantonalrechtlichen gesetzlichen Pfandrechten vor, hauptsächlich für Beiträge (Brandassekuranz, Feuerpolizei, Gewässerkorrektion, Rebfonds, Strassen-, Dolen- und Trottoirkosten). Die gesetzlichen Pfandrechte bedürfen zu ihrer Entstehung keiner Eintragung im Grundbuch, erlöschen jedoch, wenn sie nicht innerhalb sechs Monaten nach Fälligkeit des Anspruches eingetragen werden (§ 195 EG). Ihre Wirksamkeit richtet sich nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Forderung. Sie gehen allen übrigen Pfandrechten vor. Ihre Rangordnung unter sich bestimmt sich nach der Reihenfolge ihrer Aufzählung in § 194 (§ 196 EG). Nach § 1941it. e EG bestand ein gesetzliches Pfandrecht auch zugunsten der Gemeinden für die Liegenschaftssteuer. Durch § 157 des neuen, am 1. Januar 1952 in Kraft getretenen zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern (vom 8. Juli 1951) wurde dieses gesetzliche Pfandrecht auf die Grundsteuern erweitert und § 1941it. e EG/ZGB entsprechend abgeändert. Der Begriff Grundsteuern umfasst nun nach dem Steuergesetz ausser der Liegenschaftensteuer die Grundstückgewinn- und die Handänderungssteuer.
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B.- Am 15. Dezember 1950 waren auf der Liegenschaft Zehntenhausstrasse 8 in Zürich 11 ein Schuldbrief im Range 1a über Fr. 200'000.-- und ein solcher im 2. Range über Fr. 100'000.-- errichtet worden. Am 14. November 1953 wurde die Liegenschaft ein erstes, am 25. Mai 1954 ein zweites Mal weiterverkauft. Gemäss dem neuen Steuergesetz wurden bei diesen Verkäufen Grundstückgewinnsteuern von Fr. 22'786.-- und Fr. 5'740.-- fällig, für welche die Stadtgemeinde Zürich (Steueramt) auf der Liegenschaft entsprechende Grundpfandverschreibungen im Grundbuch eintragen liess.
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In der Folge betrieben der Schuldbriefgläubiger im Range 1a und die Stadtgemeinde die Grundeigentümer auf Verwertung des Grundpfandes, worauf im Lastenverzeichnis die beiden Steuerpfandforderungen der Stadtgemeinde unter Nr. 1 und 2 aufgenommen und gestützt auf § 196 EG ZGB allen vertraglichen Pfandrechten im Range vorangestellt wurden.
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C.- Die Inhaber der Schuldbriefe über Fr. 200'000.-- und Fr. 100'000.--, City-Umbau AG und Teno AG, bestritten den vorgehenden Rang der Steuerpfandforderungen und erhoben innert gesetzter Frist Klage auf Nachstellung derselben hinter ihre eigenen Schuldbriefe. Die Steuerpfandforderung von Fr. 5'740.-- fiel nachträglich zufolge direkter Zahlung durch den Steuerschuldner dahin.
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Am 14. März 1956 wurde die vom Betreibungsamt auf Fr. 240'000.-- geschätzte Liegenschaft für Fr. 330'000.-- versteigert. Zufolge der Voranstellung der verbleibenden Steuerforderung von Fr. 22'786.-- ergab der Verkaufserlös nur für die Schuldbriefforderung im 1. Range volle Deckung, während diejenige im 2. Range einen Ausfall von total Fr. 36'709.80 erleidet.
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D.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich wies die Klagen ab.
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Auf Berufung der Klägerinnen hat dagegen das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 7. Juni 1957 die Klagen gutgeheissen und erkannt, die Steuerpfandforderung von Fr. 22'786.-- werde den Schuldbriefen der Klägerinnen nachgestellt und das Lastenverzeichnis in diesem Sinn abgeändert.
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Die Vorinstanz führt aus, vor ihr hätten die Klägerinnen von allen erhobenen Einwendungen nur noch diejenigen aufrechterhalten, die Vorrangstellung des gesetzlichen Pfandrechts für die Grundstückgewinnsteuer vor allen übrigen Pfandrechten gemäss § 196 EG ZGB verstosse gegen Art. 4 KV (Eigentumsgarantie) und gegen das Bundesrecht (Art. 836 ZGB). Mit Recht berufe sich die Klägerschaft nicht mehr darauf, die Abänderung von § 1941it. e EG sei nicht rechtsgültig, weil die nach Art. 52 SchlT ZGB nötige Genehmigung des Bundesrates nicht vorliege. Diesem Erfordernis unterlägen nur jene Bestimmungen der kantonalen Emführungsgesetze, deren das ZGB zu seiner Ausführung notwendig bedürfe. Die Beibehaltung oder Einführung gesetzlicher Pfandrechte des kantonalen Rechts im Sinne von Art. 836 ZGB gehöre nicht zu diesen notwendigen Anordnungen, sodass der Kanton Zürich darüber ohne Einholung der bundesrätlichen Genehmigung habe legiferieren können.
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Ob § 1941it. e EG/ZGB mit Art. 4 KV vereinbar sei, könne nach herrschender Lehre und Praxis der kantonale Richter nicht überprüfen; eine Änderung dieser zürcherischen Praxis könnte jedenfalls nur durch Entscheid des Gesamtobergerichtes gemäss § 51 Abs. 2 GVG herbeigeführt werden. Die Frage der Verfassungsmässigkeit könne indessen offen bleiben, wenn die Klagen aus andern Gründen zu schützen seien, nämlich weil die Vorrangstellung des gesetzlichen Pfandrechts für die Grundstückgewinnsteuer vor den bestehenden privatrechtlichen Pfandrechten gegen den richtig ausgelegten Art. 836 ZGB verstosse.
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Diese Bestimmung sage über den Rang der kantonalen gesetzlichen Pfandrechte nichts aus, überlasse es also offenbar grundsätzlich den Kantonen, diesen Rang zu bestimmen. Da die Kantone nach Art. 6 Abs. 1 ZGB in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt wurden, seien sie zur Beibehaltung oder Einführung gesetzlicher Pfandrechte des kantonalen öffentlichen Rechts, von denen Art. 836 ZGB spreche und unter welche auch das vorliegend streitige Pfandrecht zur Sicherung der Grundstückgewinnsteuer zu rechnen sei, kraft eigener Gesetzgebungshoheit und nicht etwa auf Grund einer Ermächtigung des Bundesgesetzgebers berechtigt, immerhin mit der Einschränkung, dass sich solche öffentlichrechtlichen Erlasse auf ernsthafte Gründe des öffentlichen Interesses stützen müssten und weder das Bundesrecht aufheben noch ihm widersprechen dürften (BGE 76 I 313f.). Daraus ergebe sich als allgemeine Schranke des ungeschriebenen Rechtes, dass die Kantone durch ihr öffentliches Recht das Bundeszivilrecht nicht vereiteln dürfen.
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Die Klägerinnen machten nun geltend, dass aus der Entstehungsgeschichte des Art. 836 ZGB der Wille des Gesetzgebers zur inhaltlichen Beschränkung der gesetzlichen Grundpfandrechte des kantonalen Rechts hervorgehe. Die Prüfung der Gesetzesmaterialien zur genannten Bestimmung ergebe in dieser Beziehung, dass der Entwurf von 1898 zur Sicherung öffentlicher oder solchen verwandter Forderungen für Leistungen im Interesse von Grundstücken ein kantonales eintragungsfreies gesetzliches Pfandrecht bis zum Betrag eines Jahreszinses oder 5% vom Werte der Liegenschaft habe einführen wollen, während darüber hinaus das Pfandrecht nur durch Eintragung sollte begründet werden können, "da doch die Interessen des Verkehrs mit den Grundpfandwerten durch eine allzu ausgedehnte Anerkennung solcher gesetzlicher Ansprüche schwer geschädigt werden müssten". Im Vorentwurf sei dann allerdings eine solche Schranke nicht mehr aufgestellt und aus praktischen Erwägungen die Gewährung des gesetzlichen Pfandrechts für öffentlichrechtliche Forderungen der kantonalen Gesetzgebung vollständig überlassen worden (EUGEN HUBER, Erl. zum Vorentwurf, 1. Aufl. S. 167; 2. Aufl. S. 177 f.). Daraus sei ersichtlich, dass eine gewisse inhaltliche Beschränkung dieser gesetzlichen Pfandrechte vom Gesetzgeber jedenfalls erwogen worden sei. Nach einer solchen habe man schon deswegen gesucht, weil sich der Gesetzgeber wenigstens grundsätzlich der Gefahren bewusst gewesen sei, die den privaten Grundpfandgläubigern und dem Grundkredit drohten, wenn den Kantonen die Rangordnung ihrer gesetzlichen Pfandrechte auch gegenüber den privaten überlassen würde. Wenn keine dieser materiellen Beschränkungen des Gesetzgebungsrechts der Kantone in den definitiven Text Eingang gefunden habe, so wegen der Schwierigkeiten ihrer Umschreibung, der Willkürlichkeit einer prozentualen Begrenzung, der Notwendigkeit einer amtlichen Schätzung der Grundstücke, namentlich aber weil die Kantone von diesen für ihre Finanzen nicht unbedeutenden Rechten möglichst wenig preisgeben wollten. Der Verzicht auf eine Beschränkung sei schliesslich durch die Überlegung erleichtert worden, dass nach der damaligen kantonalen Gesetzgebung die Belastung durch diese Ansprüche noch wenig bedeutend gewesen sei. Man habe bei der Redaktion des Art. 836 ZGB hauptsächlich an Forderungen für öffentliche Leistungen im Interesse des öffentlichen Wohles gedacht, die als Reflexwirkung eine Wertvermehrung des Pfandgrundstückes zur Folge hatten. So habe auch der zürcherische Gesetzgeber den Sinn des Art. 836 verstanden, als er im EG/ZGB in § 194 die öffentlichrechtlichen Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht aufgezählt habe. Aber auch für die zürcherische Liegenschaftensteuer, welche einen bescheidenen Ausgleich für die von der öffentlichen Hand im Interesse der Grundeigentümer erbrachten Leistungen bedeute, erscheine die Vorrangstellung des gesetzlichen Pfandrechts ohne weiteres als angemessen. Die vom Grundeigentümer aus diesen verschiedenen Rechtstiteln geschuldeten Beiträge bewegten sich in den weitaus meisten Fällen in bescheidenem Rahmen, sodass sich eine Belastungsgrenze erübrigt habe. Dieses beruhigende Argument sei in allen weitern Phasen der Gesetzesberatung besonders betont, dabei jedoch nicht ausgeschlossen worden, dass sich das kantonale Recht in dieser Beziehung ändern könnte. Insbesondere sei sich der Gesetzesredaktor Eugen Huber dieser Möglichkeit durchaus bewusst gewesen, habe er doch in der Expertenkommission (Prot. S. 280) erklärt, das kantonale Recht habe über das Rangverhältnis der gesetzlichen Pfandrechte zu entscheiden, wobei sich bei kleineren Beträgen die Voranstellung rechtfertige, weil die nachstehenden Gläubiger darunter nicht erheblich zu leiden hätten. Damit komme klar zum Ausdruck, dass das ZGB - wie in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt - es zwar dem kantonalen Rechte überlassen habe, den Rang seiner gesetzlichen Pfandrechte zu bestimmen, aber in der vom Gesetzesredaktor in der Expertenkommission ausgesprochenen Erwartung, dass der kantonale Gesetzgeber seinerseits von dieser Kompetenz angemessenen Gebrauch mache und den vom ZGB verfolgten Zweck der möglichsten Sicherheit des Hypothekarkredites nicht vereitle durch die Voranstellung gesetzlicher Pfandrechte für grössere öffentlichrechtliche Forderungen.
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Von den übrigen Forderungen gemäss § 194 EG unterscheide sich nun die Grundstückgewinnsteuer insofern, als sie nicht mit Leistungen zur Erhaltung oder Vermehrung des Wertes des Grundstücks zusammenhänge, sondern die teilweise Abschöpfung eines bei der Handänderung realisierten Konjunkturgewinnes bezwecke. Ob und in welcher Höhe ein solcher eintreten werde, sei für den Hypothekargläubiger, anders als bei den üblichen öffentlichrechtlichen Ansprüchen, in keiner Weise voraussehbar. In dem System von Beitragsarten nach § 194 EG wirke die Grundstückgewinnsteuer als ein Fremdkörper. Schon das zürcherische Steuergesetz von 1917 habe die Grundstückgewinnsteuer gekannt und für sie ein gesetzliches Pfandrecht eingeführt, jedoch über dessen Rang nichts bestimmt; und sowohl der Kantonsrat als das Obergericht hätten es abgelehnt, ihm den Vorrang vor bereits bestehenden privaten Pfandrechten zuzugestehen. Es könne sich bei dieser Steuer um Beträge handeln, welche die privaten Grundpfandrechte nicht nur im zweiten, sondern auch die im ersten Range schädigen könnten. Während dem Hypothekargläubiger bei drohender Wertverminderung des Pfandes die Abhilfemöglichkeiten gemäss Art. 808-810 ZGB zur Verfügung ständen, sei ihm bei der Grundstückgewinnsteuer jede Mitwirkung verwehrt, erfahre er doch vom Verkauf erst hinterher, nachdem die Steuerforderung schon festgelegt und das gesetzliche Pfandrecht bereits entstanden sei. Das Sicherungssystem des Grundpfandrechts gemäss ZGB und mit ihm das ganze Hypothekarkreditwesen werde vereitelt, wenn der private Grundpfandgläubiger stets damit rechnen müsse, dass seiner pfandgesicherten Forderung ein gesetzliches Pfandrecht für Grundstückgewinnsteuern vorangestellt werden könnte, das durch seinen Umfang eine empfindliche, wenn nicht die völlige Entwertung seines privaten Pfandrechts bewirken könne. Diese Ordnung laufe darauf hinaus, dass sich der Fiskus auf Kosten der privaten Grundpfandgläubiger seinen Anteil an den oftmals spekulativen Grundstückgewinnen sichere. Hiefür vermöge sich die öffentliche Hand nicht auf ernsthafte Gründe des öffentlichen Interesses zu stützen, da dem Gesetzgeber andere Sicherungsmöglichkeiten ohne Verletzung von Drittrechten offen ständen. Die geltende Regelung vermöge sich deshalb nicht auf Art. 6 ZGB zu stützen und stehe zudem mit den durch Art. 4 BV gewährleisteten Rechtsgrundsätzen einer rechtsgleichen, Treu und Glauben entsprechenden Behandlung des Bürgers im Widerspruch. Das kantonale Recht dürfe nicht angewendet werden, wenn seine Anwendung mittelbar zu einer enteignungsähnlichen Schädigung von Grundpfandgläubigern führe. Dies sei der Fall, wenn eine vor der Entstehung des gesetzlichen Pfandrechts innerhalb der normalen Beleihungsgrenze bestellte Hypothek bei Veräusserung des Grundstückes infolge des Vorranges des gesetzlichen Pfandrechts keine volle Deckung mehr finde. Eine derartige Gefährdung des Hypothekarkredites widerspreche so sehr dem vom Bundeszivilrecht verfolgten Ziele der Sicherung der Grundpfandrechte und dem Grundsatz der Wahrung der Rechtssicherheit, dass die durch das kantonale Recht angeordnete Vorrangstellung der gesetzlichen Pfandrechte für die Grundstückgewinnsteuer als eine Vereitelung des Bundeszivilrechts und damit als bundesrechtswidrig erscheine.
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Übrigens, so führt die Vorinstanz in Erwägung V aus, müssten die Klagen auch aus dem kantonalrechtlichen Grunde geschützt werden, dass die Schuldbriefe der Klägerinnen schon vor dem Erlass und Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes, das die Vorrangstellung des Pfandrechts für die Grundstückgewinnsteuer brachte, im Grundbuch eingetragen worden seien, eine Rückwirkung des neuen Steuergesetzes auf diese wohlerworbenen Rechte aber ohne ausdrückliche Anordnung nicht angenommen werden dürfe.
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E.- Gegen das Urteil des Obergerichtes legte die Stadtgemeinde Zürich Berufung an das Bundesgericht sowie gleichzeitig die Nichtigkeitsbeschwerde an das zürcherische Kassationsgericht ein. Dieses hat mit Urteil vom 25. November 1957 die Nichtigkeitsbeschwerde in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass die Eventualbegründung Erw. V (Ablehnung der Rückwirkung des neuen Steuergesetzes) gestrichen wurde, wodurch jedoch das die Klagen schützende Dispositiv keine Änderung erfuhr.
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F.- Mit der vorliegenden Berufung hält die beklagte Stadtgemeinde Zürich an ihrem Antrag auf Abweisung der Klagen und Voranstellung der Steuerpfandforderung im Lastenverzeichnis als Nr. 1 fest.
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Die Klägerinnen tragen auf Abweisung der Berufung an.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Bei der Prüfung der Tragweite des Art. 836 ZGB ist von seinem Wortlaute auszugehen. Dieser beschränkt sich auf die Anordnung, dass die gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechtes aus öffentlichrechtlichen ... Verhältnissen zu ihrer Entstehung keiner Eintragung im Grundbuch bedürfen - im Gegensatz zu denjenigen des Privatrechts. Sein Wortlaut enthält also lediglich eine negative Formvorschrift (vgl. GUSBERTI, Das Steuerpfandrecht, Zürch. Diss. 1944, S. 33 f.). Der Artikel sagt nicht etwa, dass die Kantone berechtigt seien, gesetzliche Grundpfandrechte zu schaffen und sie gesetzgeberisch auszugestalten; vielmehr stellt er lediglich fest, dass es solche kantonalen gesetzlichen Pfandrechte schon vor dem ZGB gab und neben den Grundpfandrechten des ZGB weiterhin geben wird, ohne dass sie wie diese an die Voraussetzung der Eintragung im Grundbuch gebunden sind. Art. 836 ZGB ist ein Anwendungsfall von Art. 6, wonach die Kantone in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden. Die Kantone sind demnach befugt, über die gesamte Materie des Steuerrechts - mit Ausnahme der Bundessteuern - zu legiferieren. Es steht ihnen nicht nur zu, festzusetzen, was jeder Steuerpflichtige zu leisten hat, sondern auch, welche Sicherheit die kantonalen und kommunalen Fisci für diese Leistungen beanspruchen können. Zur Beibehaltung oder Einführung gesetzlicher Pfandrechte im Sinne des Art. 836 ZGB sind die Kantone, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, kraft eigener Gesetzgebungshoheit, nicht etwa auf Grund einer Ermächtigung oder Delegation des Bundesgesetzgebers befugt. Das ZGB und im besonderen dessen Art. 836 kann und will den kantonalen öffentlichrechtlichen Grundpfandrechten keinen bestimmten Inhalt oder Umfang vorschreiben. Aus dem Umstand, dass der Vorbehalt zu ihren Gunsten im Abschnitt über die Grundpfandverschreibung steht, folgt immerhin als positive Vorschrift, dass diese kantonalen Pfandrechte für öffentlichrechtliche Forderungen den Pfandtypus der Grundpfandverschreibung des ZGB benützen müssen, da sie doch berufen sind, in ihrer Wirkung mit den privaten Grundpfandrechten in Konkurrenz zu treten. Die gesetzgebungstechnische Funktion des Art. 836 ist nicht, den Kantonen einen Rahmen zu ziehen, in dessen Schranken sie ihre gesetzlichen Grundpfandrechte aufstellen und ausgestalten dürften; vielmehr nimmt dieser Vorbehalt lediglich vom Vorhandensein dieser auf der kantonalen Autonomie beruhenden Rechte - inmitten der bundesrechtlichen Regelung der privaten Grundpfandrechte - Kenntnis und weist ihnen die Form eines der drei bundesrechtlichen Pfandtypen an, jedoch unter Verzicht auf das Gültigkeitserfordernis der Eintragung. Auch hinsichtlich des Ranges der gesetzlichen Pfandrechte bestimmt Art. 836 nichts - und kann, angesichts des dargelegten Verhältnisses der beiden Gesetzgebungshoheiten, nichts bestimmen. Ebensowenig setzt er ihnen hinsichtlich der Höhe der durch sie zu sichernden Forderungen Schranken.
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a) Hievon ausgehend ist zunächst zu prüfen, ob die zürcherische Grundstückgewinnsteuer in Ansehung ihrer rechtlichen Natur, abgesehen von der möglichen Höhe der Steuerbeträge, sich unter Art. 836 ZGB subsumieren lässt. Die Ausdrucksweise des Gesetzes bezüglich der Umschreibung der gesetzlichen Pfandrechte ist, wie schon vor Inkrafttreten des Gesetzes festgestellt wurde (WIELAND, Komm. 1909, Art. 836 N. 2), ungenau und unklar, indem nicht ausser Zweifel steht, ob rein textlich das Bestimmungsmerkmal ... "für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen" nur zu der Kategorie der "andern Verhältnisse" oder auch zu derjenigen der "öffentlichrechtlichen" gehört. Soweit es sich aber um öffentlichrechtliche Verhältnisse handelt, folgt aus dem erwähnten, in Art. 6 ZGB ausgesprochenen absoluten Vorbehalt der kantonalen Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, dass die in Art. 836 gegebene Umschreibung der Pfandrechte aus öffentlichrechtlichen Verhältnissen überhaupt keine weiteren, einschränkenden Elemente enthalten kann, da ein solches auf eine Beschänkung der kantonalen Kompetenz auf öffentlichrechtlichem Gebiet hinausliefe, die eben Art. 6 ZGB zum vornherein ausschliesst.
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b) Aber selbst wenn man das Begriffselement "für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen ..." auch auf Forderungen aus öffentlichrechtlichen Verhältnissen, namentlich auf Steuern, anwenden wollte, könnte der zürcherischen Grundstückgewinnsteuer die besondere Beziehung zum Grundstück - im Gegensatz etwa zur allgemeinen Vermögens- oder Einkommenssteuer - nicht abgesprochen werden (vgl. BGE 62 II 24ff.). Richtig ist freilich, dass es sich bei der Grundstückgewinnsteuer, einer Wertzuwachssteuer auf Liegenschaften, um eine Einkommenssteuer handelt, die zwar an die Tatsache der Veräusserung einer Liegenschaft anknüpft, bei der jedoch nicht die Liegenschaft das Steuerobjekt bildet, sondern der dabei erzielte Gewinn, d.h. der Wertüberschuss der bei der Veräusserung bezogenen Vorteile über die für Erwerb und Wertvermehrung gemachten Aufwendungen hinaus (vgl. BGE 83 I 136 ff., bes. 142, und dort zitierte Literatur; HEINRICH GUHL, Die Spezialbesteuerung der Grundstückgewinne in der Schweiz, Diss. Zürich 1953, S. 65; für Objektsteuer auf dem Gewinn: F. TH. ZWEIFEL, Besteuerung der Grundstückgewinne im Kanton Zürich im Lichte der Praxis und Rechtsprechung, in Bulletin der Continental Revisions- und Treuhand AG, Januar 1957). Dieser steuerrechtlich hybride Charakter der Grundstückgewinnsteuer steht ihrer Subsumtion unter die in Art. 836 ZGB gemeinten Forderungen nicht entgegen. Sie wird allerdings bezogen nur von denjenigen Personen, die Grundeigentümer waren, und wird fällig in dem Moment, da dieselben aufhören, es zu sein, nämlich nicht mit dem Verkauf, sondern erst mit der Eigentumsübertragung (§ 171 StG; H. PESTALOZZI, Handkommentar zum Zürcher Steuergesetz, § 161 N. 2). Sie trifft jedoch nur bisherige Grundeigentümer in dieser ihrer Eigenschaft, und zwar ohne Ausnahme alle ihr Eigentum veräussernden Grundeigentümer, sofern ein Gewinn vorhanden ist, nicht nur einzelne oder einzelne Kategorien derselben, und nicht andere Bürger, die auch Grundeigentümer sind, bei denen aber die Voraussetzungen der Handänderung und des Gewinnes nicht zutreffen. Die Grundstückgewinnsteuer weist mithin die direkte Beziehung zum Pfandgrundstück auf, die bei der allgemeinen Vermögenssteuer vermisst wurde (BGE 62 II 29). Vom begrifflichen Gesichtspunkt aus kann daher ihre Subsumtion unter Art. 836 ZGB nicht verneint werden.
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c) Den weiteren Erwägungen, aus denen die Vorinstanz mit Rücksicht auf die Grössenordnung der möglichen Steuerbeträge diese Unterstellung gestützt auf die Entstehungsgeschichte des Art. 836 und aus gesetzgebungspolitischen Gesichtspunkten ablehnt, kann nicht beigepflichtet werden.
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Der Methode, eine Bestimmung gegen ihren Wortlaut aus den Gesetzesmaterialien auszulegen, stehen grundsätzliche Bedenken gegenüber. Inhalt des Gesetzes ist, was darin steht, sei es ausdrücklich, sei es nach Systematik, durch Analogieschluss und dergl. daraus ableitbar. Art. 836 ZGB enthält keinerlei Andeutung einer Beschränkung der gesetzlichen Grundpfandrechte hinsichtlich des Wertes oder des Ranges. Was gewisse mit der Gesetzesvorbereitung befasste Stellen wünschten und einzelne dabei tätige Personen dachten und sagten, ist für die Auslegung nicht massgeblich, wenn es im Gesetzestext selbst nicht Ausdruck gefunden hat (vgl. BGE 80 II 212 f., BGE 81 I 282 Erw. 3, BGE 82 I 153, BGE 82 II 485 f.). Wenn im Vorentwurf von 1898 zum ZGB ein eintragungsfreies gesetzliches Pfandrecht nur bis zum Betrage eines Jahreszinses vom Liegenschaftswert oder 5% desselben vorgesehen, aber bereits im Entwurfe des Bundesrates und schliesslich im Gesetze jede solche Einschränkung fallen gelassen und die Regelung für öffentlichrechtliche Forderungen schlechtweg der kantonalen Gesetzgebung überlassen wurde, so spielt es für die nachherige Auslegung keine Rolle mehr, dass anfänglich eine inhaltliche Beschränkung erwogen worden war; im Gegenteil lässt sich aus dem Verzicht auf jeden derartigen textlichen Zusatz doch wohl nur der Schluss ziehen, dass von irgendwelcher quantitativen Beschränkung der kantonalen Rechtsetzungsbefugnis bewusst und in Kenntnis der Probleme abgesehen worden ist.
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Dass ferner bei den Gesetzesberatungen zu Art. 836 ZGB hauptsächlich an Forderungen für wertvermehrende öffentliche Leistungen und an relativ bescheidene Beträge gedacht wurde, ändert nichts daran, dass diese beruhigende Annahme im Gesetzestext durch keinerlei Beschränkung Ausdruck gefunden hat. Wenn der Gesetzesredaktor Eugen Huber in der Expertenkommission ausdrücklich die Bestimmung des Rangverhältnisses der gesetzlichen Pfandrechte den Kantonen zuerkannte und bemerkte, bei kleineren Beträgen werde sich die Voranstellung rechtfertigen, so war das freilich eine Erwartung und Mahnung an die Adresse der Kantone; das ZGB selbst hat weder eine dahingehende allgemeine Erwartung ausgesprochen noch eine bestimmte Limite für Vorgangspfandrechte gesetzt.
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d) Mit dem Verzicht auf eine solche wertmässige Begrenzung nahm der Gesetzgeber bewusst das Risiko in Kauf, dass die öffentlichrechtliche Belastung künftig einmal grösser sein könnte als die unbedeutenden Beträge, von denen man in der Expertenkommission keine wesentliche Benachteiligung der privaten Pfandgläubiger befürchtete. Enthält aber Art. 836 weder ausdrücklich noch dem Sinne nach eine Schranke hinsichtlich der Höhe der Pfandforderung oder deren Rang, so kann nicht gesagt werden, ein kantonales gesetzliches Pfandrecht, das sich als stärkere Belastung auswirrkt, verstosse gegen jene bundesrechtliche Bestimmung, während ein anderes, das nur eine kleinere Belastung mit sich bringt, mit ihr vereinbar sei. Wenn das Bundesrecht schon einen öffentlichrechtlichen Einbruch in das System der Pfandrechte und ihrer Ränge hinnimmt und bewusst auf eine wertmässige Begrenzung verzichtet, kann für die Frage der Rechtsgültigkeit nicht entscheidend sein, ob im Einzelfalle der "Fremdkörper" grösser oder kleiner sei. Der in der Kompetenzausscheidung gemäss Art. 6 ZGB begründete und von Art. 836 für die gesetzlichen Pfandrechte sanktionierte Einbruch des öffentlichen Rechts in das Zivilrecht ist seit der Schaffung des ZGB freilich grösser geworden, wohl weniger zufolge der theroretischen Ausdehnung des öffentlichen Rechts auf Kosten des privaten - die Steuern galten schon damals als öffentlichrechtlich -, als infolge der Zunahme der öffentlichen Aufgaben und des daherigen Anwachsens der Fiskalität. Nur wenn das Ergebnis der vorstehend vertretenen, sich an den Gesetzestext haltenden Auslegung so unsinnig und unbillig wäre, dass vor 1912 niemand an etwas derartiges gedacht haben könnte und daher eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, dürfte die Rechtsprechung sich anmassen, den Gesetzgeber zu korrigieren. So aber liegt die Sache bei der Grundstückgewinnsteuer denn doch nicht, wo es sich nur um ein Mehr oder Weniger handelt. Von einer Vereitelung des Bundeszivilrechts bezüglich des Grundpfandwesens kann nicht die Rede sein. Es ist nicht Aufgabe des Bundeszivilrechtes, den Bürger, in casu den privaten Grundpfandgläubiger, vor derartigen aus der kantonalen Gesetzgebung folgenden Risiken zu bewahren. Es darf als normal vorausgesetzt werden, dass, wo bei einer Grundstückveräusserung ein Gewinn gemacht wird, auch die Hypotheken gedeckt sind. Wenn es von diesem Regelfall Ausnahmen geben kann, wie vorliegend, und die Folgen als unbillig und unerwünscht empfunden werden, so ist es Sache des Gesetzgebers, das Gesetz abzuändern, nicht des Richters, die Auslegung auf einen ganz andern Boden zu stellen. So, wie das Gesetz heute lautet, bildet die Kollokation der Grundstückgewinnsteuerforderung der Stadtgemeinde an erster Stelle keine Verletzung von Bundesrecht, weshalb das angefochtene Urteil, das die Klage der beiden Pfandgläubigerinnen in Bejahung einer solchen gutgeheissen hat, aufzuheben ist.
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3. Es ist im kantonalen Verfahren ausserdem die Frage diskutiert worden, ob § 196 EG/ZGB gegen Art. 4 der zürch. Kantonsverfassung verstosse. Die Vorinstanz hat jedoch in Erw. III die Frage der Überprüfbarkeit kantonaler Gesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit ausdrücklich offen gelassen, ebenso diejenige, ob das bezirksgerichtliche Urteil "die allenfalls aus einem ungeschriebenen Satz des Bundesrechtes abzuleitende Eigentumsgarantie verletze". Nach der Streichung der von der Vorinstanz in Erw. V angestellten Erwägungen (Rückwirkung des neuen Steuergesetzes) durch das Kassationsgericht und der Verneinung einer Bundesrechtsverletzung im Sinne von Erw. IV des vorinstanzlichen Entscheides durch das vorliegende Urteil ist es Sache der Vorinstanz, diese zurückgestellten klägerischen Standpunkte nachträglich zu prüfen, wobei entsprechend den Erwägungen des Kassationsgerichtes der Entscheid auch auf Nichteintreten wird lauten können. Den Parteien bliebe dann anheimgestellt, auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde die Frage der Verfassungsmässigkeit vor das Bundesgericht zu bringen. Die Gutheissung der vorliegenden Berufung hat daher nicht im Sinne der Abweisung der Klagen, sondern lediglich in dem der Aufhebung des Urteils und der Rückweisung an die Vorinstanz zu erfolgen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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