BGE 85 II 402 |
64. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1959 i.S. Möbel Glass A.-G. gegen Polinelli. |
Regeste |
Aussteuer- Vorzahlungsvertrag, OR Art. 1, 2, 21, 71, 184, ZGB Art. 27 Abs. 2. |
Willensemigung hinsichtlich der Zahlungsbedingungen; Neben.. punkte (Erw. 2 c). |
Übervorteilung. Begriff von Leistung und Gegenleistung. Unerfahrenheit des Käufers? (Erw. 3). |
Nichtigkeit des Vertrags wegen übermässiger Bindung des Käufers? (Erw. 4). |
Unverbindlichkeit des Vertrags wegen Täuschung? (Erw. 5). |
Sachverhalt |
"1. Der Käufer kauft Schlafzimmer-, Wohnzimmer-, Küchenmöbel, Teppiche, Wäsche-Aussteuer, im Gesamtwert von Fr. 5000.--.
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2. Die Auswahl der Möbel ist für den Käufer vollkommen frei. Sie kann auch in Begleitung eines Vertreters der Glass Möbel AG in den Fabrik-Ausstellungen der dem SEM (Schweiz. Engros-Möbelfabrikantenverband) angeschlossenen Firmen vorgenommen werden. Der Abruf hat jedoch mindestens einen Monat vor Ablieferung zu erfolgen. Es kommen die Tagespreise im Zeitpunkt der Ablieferung in Anrechnung. Die Lieferung erfolgt franko in der ganzen Schweiz. Bei der Auswahl werden die Bahnspesen vom Wohnort nach St. Gallen und zurück vergütet.
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3. Der Käufer leistet eine Einzahlung von Fr. ... bis ... und weitere monatliche Vorauszahlungen von Fr. 50.-, erstmals am 1. August 1956. Er ist berechtigt, auch grössere Zahlungen zu leisten. Die Zahlungen erfolgen an die Schweiz. Volksbank St. Gallen, bei welcher für alle Fr. 500.-- übersteigenden Beträge ein auf den Namen des Käufers lautendes Sparheft eröffnet wird. Sparguthaben der Schweiz. Volksbank St. Gallen sind nach Schweiz. Bankengesetz bis Fr. 5000.-- privilegiert. Über alle, einen Fünftel der Kaufsumme übersteigenden Einzahlungen kann der Käufer frei verfügen. Das Sparheft bleibt bei der Schweiz. Volksbank St. Gallen deponiert. Über das Guthaben kann nur mit schriftlicher Zustimmung der beiden Vertragsparteien verfügt werden.
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4. Dem Käufer wird auf den vorausbezahlten Beträgen der doppelte Bankzins, maximal 5%, bis zur Auswahl der Möbel, jedoch längstens während 5 Jahren, gutgeschrieben und an den Kaufpreis angerechnet. Hernach vermehrt sich das Guthaben um den normalen Sparheftzins.
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5. Ein allfälliger Restbetrag wird bei der Ablieferung der Möbel bar aufbezahlt. Mit Zustimmung der Verkäuferin kann der Restbetrag in monatlichen Teilzahlungen, gemäss separaten Verkaufsbedingungen der Firma Glass Möbel AG, getilgt werden.
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6. Sollte sich der Käufer bis zur Vollendung des 40. Altersjahres nicht verheiratet haben, so ist er berechtigt, frühestens nach 10 Jahren seit Abschluss dieses Vertrages, von diesem zurückzutreten und von der Verkäuferin die Rückerstattung der bereits einbezahlten Beträge, sowie des üblichen Bankzinses, innert 30 Tagen zu verlangen.
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7. Bei Todesfall des Käufers werden die einbezahlten Beträge, sowie der übliche Bankzins, ohne jeden Abzug an dessen Erben zurückerstattet. Ebenso kann die Zurückerstattung an den Käufer im Falle unheilbarer Krankheit oder dauernder Invalidität erfolgen, sofern diese ein Ehehindernis sind.
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8. Mit Zustimmung der Verkäuferin können die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag jederzeit auf eine Drittperson übertragen werden."
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Der Vertrag wurde namens der Verkäuferin durch deren Reisevertreter Dillier unterzeichnet. Der Käufer Polinelli, geb. 1933, war zur Zeit des Vertragsschlusses Maschinenschlosser; heute ist er städtischer Polizeisoldat in Zürich.
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Polinelli leistete nur eine einzige Zahlung von Fr. 50.-. Am 21. Dezember 1956 schrieb er an die Firma Glass, die Einhaltung des Vertrages sei ihm unmöglich, da seine Braut schon einen Möbelkaufvertrag von früher her besitze. Die Firma Glass antwortete am 29. Dezember 1956, der Vertrag könne nicht ohne weiteres aufgelöst werden; sie erklärte sich aber bereit, dem Käufer soweit als möglich entgegenzukommen, und ersuchte ihn, den von seiner Braut abgeschlossenen Vertrag zur Prüfung der Angelegenheit einzusenden. Polinelli kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach, sodern teilte der Firma Glass am 4. Januar 1957 lediglich mit, er überlasse ihr die bezahlten Fr. 50.- und erachte die Angelegenheit damit als erledigt. Die Firma Glass ersuchte ihn am 8. Januar 1957 erneut um Zustellung des Vertrags und erklärte, der angebotene Betrag von Fr. 50.- würde zur Deckung ihres Schadens und ihrer Spesen niemals ausreichen; das brancheübliche Reugeld würde in seinem Falle 20% der vertraglichen Kaufsumme, also Fr. 1000.-- betragen.
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Da Polinelli nichts mehr von sich hören liess, betrieb ihn die Firma Glass für vier Monatsraten. Polinelli erhob Rechtsvorschlag mit der Begründung, der Vertrag vom 22. Mai 1956 sei für ihn unverbindlich.
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B.- Am 12. Oktober 1957 erhob die Firma Glass gegen Polinelli Klage mit den Rechtsbegehren:
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1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene "Möbel-Vorzahlungs- und Kaufvertrag" mit einer Kaufsumme von Fr. 5000.-- verbindlich ist.
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2. Es sei demnach der Beklagte zu verpflichten, die monatlichen Ratenzahlungen von Fr. 50. - bis zu Fr. 1000.-- zu bezahlen und den Restbetrag bei Ausübung des Wahlrechts in bar oder durch Abzahlung zu leisten.
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Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage wegen Unverbindlichkeit des Vertrages und erhob Widerklage mit dem Begehren um Verurteilung der Klägerin zur Rückerstattung der bezahlten Fr. 50.- nebst Zins seit 24. Juni 1957. Ferner stellte er das Begehren um Feststellung, dass die Klägerin durch die Verwendung näher bezeichneten Werbematerials unlauteren Wettbewerb begangen habe, und beantragte Veröffentlichung des Urteils hinsichtlich dieses Punktes.
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C.- Das Bezirksgericht Zürich schützte mit Urteil vom 4. November 1958 die Klage und wies die Widerklage ab.
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Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, wies mit Urteil vom 18. Juni 1959 die Hauptklage ab und verpflichtete die Klägerin in teilweiser Gutheissung des vom Beklagten allein noch aufrechterhaltenen ersten Widerklagebegehrens zur Rückerstattung des Betrages von Fr. 50.- nebst Zins zu 5% seit 4. Dezember 1957 an den Beklagten.
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D.- Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin ihre vor den kantonalen Instanzen gestellten Begehren aufrecht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Die Vorinstanz hat gefunden, es sei im vorliegenden Fall kein Vertragsschluss zustande gekommen, weil es an der von Art. 1 OR geforderten übereinstimmenden gegenseitigen Willensäusserung fehle. Diese Auffassung trifft nicht zu. Eine übereinstimmende Willensäusserung liegt in Gestalt des schriftlichen, von beiden Parteien unterzeichneten Vertrages unzweifelhaft vor. Es fragt sich lediglich, ob sie alle wesentlichen Punkte umfasst, insbesondere auch die Bestimmbarkeit von Ware und Preis (Art. 2 Abs. 1 OR).
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a) Die Bestimmbarkeit der Ware ist beim vorliegenden Vertrag in gleicher Weise gegeben wie im Falle des BGE 84 II 13 ff.; es kann daher auf die dort (S. 18 ff., Erw. 2) gemachten Ausführungen verwiesen werden.
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Die Vorinstanz wendet sich vor allem gegen die im erwähnten Entscheid vertretene Auffassung, es liege eine Wahlobligation im Sinne von Art. 72 OR vor. Da diese Bestimmung sich unter den Vorschriften über die Erfüllung der Obligationen (womit natürlich bestehende Obligationen gemeint sind) findet, kann sich fragen, ob sie hier, wo es sich um die Frage der Entstehung einer rechtsgültigen Obligation handelt, herangezogen werden kann. Immerhin lässt sich aus ihr wenigstens der Rückschluss ziehen, dass beim Vertragsschluss die Leistung nicht ein für allemal und unveränderlich bestimmt werden müsse, sondern dass die Abrede auf mehrere Leistungen nebeneinander lauten könne, in der Meinung, dass nur die eine von ihnen zu erfüllen sei, und zwar gemäss der Wahl des Gläubigers, die in einem dem Vertragsschluss nachfolgenden Zeitpunkt stattfindet. Damit ist allerdings die Neinung der Vorinstanz noch nicht widerlegt, Art. 72 OR setze voraus, "dass die zur Wahl stehenden Gegenstände fest umschrieben sind, so dass der Wahlberechtigte... einfach erklären kann, welcher dieser Gegenstände zur Erfüllung des Vertrages dienen soll." Es ist indessen ergänzend Art. 71 OR heranzuziehen, wonach die geschuldete Sache auch nur der Gattung nach bestimmt sein kann, wobei dem Schuldner die Auswahl zusteht, sofern sich aus dem Rechtsverhältnis nicht etwas anderes ergibt; letzteres ist hier der Fall, da nach dem Vertrag der Käufer auswahlberechtigt ist. Dass es sich um Gattungsware im Sinne von Art. 71 OR handelt (was nicht gleichbedeutend ist mit vertretbaren Sachen), steht ausser Zweifel; denn Gegenstand des Vertrages sind Möbel, Teppiche, Wäsche, und zwar billige Durchschnittsware, wie sich aus allen Begleitumständen, insbesondere aus dem niedrigen Gesamtpreis von Fr. 5000.-- ergibt. Der Vertrag braucht nach Art. 71 OR nicht notwendigerweise auf Lieferung eines ganz bestimmten Gegenstandes oder alternativ auf einen oder mehrere von verschiedenen, aber ganz bestimmten Gegenständen zu gehen; vielmehr kann die Lieferung auch nur der Gattung nach vereinbart und die Spezifikation (Auswahl, Konzentration, Individualisierung) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Die Auswahl kann nach Art. 2 des Vertrages in den Fabrikausstellungen der Klägerin oder der dem SEM angeschlossenen Firmen vorgenommen werden. Damit ist der Bereich, aus dem die Auswahl zu erfolgen hat, in ausreichender Weise umschrieben, um dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der Ware zu genügen.
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b) Der Preis ist nur nach der Gesamtsumme (Fr. 5000.--) bestimmt. Die Verteilung auf die einzelnen Gegenstände erfolgt gemäss Art. 2 des Vertrages durch die Auswahl derselben unter Zugrundelegung der für sie im Zeitpunkt der Ablieferung geltenden Tagespreise.
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Zu der Frage der Bestimmbarkeit des Preises hat sich das Bundesgericht in den Entscheiden BGE 84 II 19 f und 274 lit. b ausgesprochen, worauf verwiesen werden kann. Wenn im zuletzt genannten Entscheid gesagt wurde, die dortige Preisbestimmung ("zu den normalen, jeweils gültigen Preisen") könne "nach Treu und Glauben nur dahin verstanden werden, dass die Kläger die Preise zu bezahlen haben werden, zu welchen die Beklagte die von ihnen auszuwählenden Gegenstände im Zeitpunkt der Auswahl gegen bar auch Dritten anbieten wird", so ist im vorliegenden Falle mit der Bestimmung "Tagespreise im Zeitpunkt der Ablieferung" ebenfalls eine genügende Fixierung getroffen, die zudem die im Entscheid BGE 84 II 633 erwähnte Gefahr ausschliesst, "dass der Vertrag die Freiheit der Klägerin, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen aus angemessenen Beständen auszuwählen", einschränken könnte. Sie lässt auch die beklagtische Behauptung, die Klägerin führe wesentlich erhöhte Detailpreise, die im Wettbewerb um den freien Kunden nicht konkurrenzfähig wären, als unbeachtlich erscheinen; denn es kommt eben nicht auf diese angeblich überhöhten klägerischen, sondern auf die allgemeinen Tagespreise an.
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Der Einwand des Beklagten, das schweizerische Recht stehe auf dem Boden der "objektiven Bestimmbarkeit" und verwerfe die "subjektive Bestimmbarkeit", stösst ins Leere; denn die in Frage stehende Vertragsbestimmung hat natürlich die objektive Bestimmbarkeit im Auge. Dem Beklagten würde daher das Recht zustehen, zu gegebener Zeit für die definitive Preisbestimmung nötigenfalls den Richter anzurufen.
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c) Die Vorinstanz nimmt an, es fehle auch hinsichtlich der Zahlungsbedingungen an der nötigen Willenseinigung.
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aa) Das angefochteneUrteilwirft zunächst den Zahlungsbedingungen Unklarheit, ja irreführende Formulierung vor (ohne dass deutlich ersichtlich ist, was für rechtliche Folgerungen daraus zu ziehen wären). Dieser Vorwurf bezieht sich auf Ziff. 3 des Vertrages, wo es heisst:
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"Die Zahlungen erfolgen an die Schweiz. Volksbank St. Gallen, bei welcher für alle Fr. 500.-- übersteigenden Beträge ein auf den Namen des Käufers lautendes Sparheft eröffnet wird. ... Über alle, einen Fünftel der Kaufsumme übersteigenden Einzahlungen (= hier Fr. 1000. - ) kann der Käufer frei verfügen. Das Sparheft bleibt bei der Schweiz. Volksbank St. Gallen deponiert. Über das Guthaben kann nur mit schriftlicher Zustimmung der beiden Vertragsparteien verfügt werden."
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Es ist zuzugeben, dass auf den ersten Blick eine Unklarheit besteht, indem die Verfügung über das einbezahlte Geld das eine Mal als dem Käufer für den einen Fünftel der Kaufsumme übersteigenden Betrag freistehend bezeichnet, das andere Mal bezüglich des ganzen Betrages von der Zustimmung beider Vertragsparteien abhängig gemacht wird. Indessen ergibt die nähere Betrachtung, dass offenbar an der ersten Stelle gemeint ist, ein Fünftel des Gesamtpreises werde von der Beklagten als Anzahlung in Anspruch genommen, während die übersteigenden Beträge dem Kläger gehörten, und an der zweiten Stelle: zur Verfügung darüber sei jedoch die Zustimmung beider Parteien nötig. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Vertrag den Sinn hat, grundsätzlich solle der ganze Preis in Raten einbezahlt und dann zur Bezahlung der ausgewählten Gegenstände verwendet werden, so dass eine vorherige Verfügung über das Einbezahlte, insbesondere Rückzüge, nicht ohne weiteres in Frage kämen. Wenn auch diese Ziff. 3 etwas unklar abgefasst ist, kann hieraus doch nicht das Nichtzustandekommen des Vertrages abgeleitet werden; sie ist eben auszulegen.
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bb) An der nötigen Willenseinigung der Parteien soll es aber nach der Vorinstanz insbesondere fehlen, weil es in Ziff. 5 des Vertrages heisst:
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"Ein allfälliger Restbetrag wird bei der Ablieferung der Möbel bar aufbezahlt. Mit Zustimmung der Verkäuferin kann der Restbetrag in monatlichen Teilzahlungen, gemäss separaten Verkaufsbedingungen der Firma Glass Möbel AG, getilgt werden."
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Der erste Satz ist völlig klar: Es handelt sich um ein Zug-um-Zug-Geschäft. Aber die Vorinstanz beanstandet, dass bezüglich der Umwandlung des Vertrages in einen Abzahlungsvertrag nichts Verbindliches gesagt sei. Dies ändert aber, wie das Bundesgericht in BGE 84 275 II Erw. 3 und 631 Erw. 1 ausgeführt hat, nichts daran, dass der Zug-um-Zug-Verkauf rechtsgültig ist, indem es sich bei der Festlegung der näheren Bedingungen für das bloss eventuell vorgesehene Abzahlungsgeschäft um Nebenpunkte im Sinne des Art. 2 OR handelt.
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Ergänzend ist zu bemerken, dass die Vorinstanz zu Unrecht von der Voraussetzung ausgeht, jeder Kaufvertrag mit ratenweiser Vorausbezahlung des Kaufpreises müsse die Möglichkeit enthalten, denselben in einem gewissen Zeitpunkt in ein Abzahlungsgeschäft umzuwandeln. Zu dieser Auffassung gelangt die Vorinstanz, indem sie kurzerhand annimmt, es sei dem Vertreter der Klägerin und dieser selbst beim Vertragsabschluss "natürlich klar" gewesen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Ausübung seines Wahlrechts nicht in der Lage sein werde, die Restzahlung zu leisten; weiter geht sie - ohne jede Grundlage - davon aus, dass diese Situation (Unmöglichkeit der Aufbringung des Kaufpreisrestes durch Barzahlung bei Vornahme der Auswahl) "nach Wissen und Willen beider Parteien über kurz oder lang eintreten" werde. Durch diese Einstellung hat sich die Vorinstanz dazu verleiten lassen, den allein massgebenden Umstand völlig in den Hintergrund zu schieben, den Umstand nämlich, dass der Beklagte sich unterschriftlich verpflichtet hat, während einiger Jahre Ratenzahlungen zu leisten, die auf ein Sparheft angelegt werden und dann nach Ablauf der Frist und Einzahlung des vollen vorgesehenen Betrages eine Aussteuer zu beziehen oder aber bei Bezug der Gegenstände vor diesem Zeitpunkt den noch ausstehenden Kaufpreisrest bar aufzuzahlen.
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Abgesehen hievon ist übrigens der Vorinstanz ganz allgemein entgegenzuhalten, dass es sozial- und ehepolitisch betrachtet gesünder erscheint, wenn Eheinteressenten zunächst einige Jahre sparen, um dann, wenn sie die Mittel für eine Aussteuer beisammen haben, ein von Schulden unbelastetes Eheleben beginnen zu können, statt sich auf die leere Hand hin zu verehelichen und von Anfang an mit Abzahlungsverpflichtungen belastet zu sein, was erfahrungsgemäss häufig zu Schwierigkeiten im ehelichen Verhältnis führt.
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Nach dem Gesagten ist der Beklagte also verpflichtet, bei Übernahme der Aussteuergegenstände den Kaufpreisrest gemäss dem Zug-um-Zug-Prinzip bar zu bezahlen, falls die erbrachten Vorzahlungen zur Deckung der vollen Kaufpreisschuld nicht ausreichen. Diese Verpflichtung wird durch die Ausweichmöglichkeit des Abschlusses eines Abzahlungsvertrages, der im Vertrag erwähnt wird, nicht beseitigt. Will der Beklagte von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch machen, so ist es durchaus nicht abwegig, dass die Klägerin dazu auch etwas zu sagen haben soll; denn die Lieferung auf Abzahlung bedeutet ein so grosses Risiko für den Verkäufer, dass man ihm nicht zumuten kann, es ohne Rücksicht auf die persönlichen Eigenschaften des Käufers einfach zu übernehmen.
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d) Auf Grund der vorstehenden Erwägungen ist demnach in Bestätigung der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung die erforderlicheBestimmbarkeit von Ware und Preis anzunehmen und der Vertrag unter diesen Gesichtspunkten als zustandegekommen zu betrachten.
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Voraussetzung einer Übervorteilung ist ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in einem Vertrage, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinnes des andern herbeigeführt worden ist. Die Vorinstanz nimmt offensichtlich Übervorteilung des Beklagten unter Ausbeutung seiner geschäftlichen Unerfahrenheit an. Diese Auffassung hält der Prüfung nicht stand.
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a) Bezüglich des Erfordernisses des offenbaren Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist zunächst festzustellen, dass die einander gegenüberzustellenden Leistungen einerseits in den noch auszuwählenden Aussteuergegenständen, und zwar gemäss Tagespreisen im Zeitpunkt der Ablieferung, und anderseits im Betrag von Fr. 5.000.-- bestehen. So betrachtet, kann ein offenbares Missverhältnis überhaupt nicht in Frage kommen. Die Vorinstanz bringt denn auch gar nicht Leistung und Gegenleistung in Vergleich, sondern stellt - indem sie sich über den Wortlaut von Art. 21 OR hinwegsetzt - ganz andere Grössen einander gegenüber, nämlich einmal den Umstand, dass der Beklagte durch den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin gebunden sei und somit bei keiner andern Firma zu allenfalls besseren Bedingungen mehr kaufen könne, und sodann die von der Klägerin für die Einzahlungen des Beklagten vorgesehene Zinsvergütung, welche sie zu niedrig findet. Daraus zieht sie dann die Schlussfolgerung: "Betrachtet man aber das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auf diese Weise, so ist die Übervorteilung des Beklagten offensichtlich". Bei dieser Betrachtungsweise müsste aber folgerichtig auch jeder Lebensversicherungsvertrag als unverbindlich betrachtet werden; denn auch der Versicherungsnehmer bindet sich im obigen Sinne, erhält aber dafür nicht einmal eine angeblich unbefriedigende, sondern überhaupt keine Zinsvergütung auf seinen Einzahlungen.
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b) Auch eine Ausbeutung der Unerfahrenheit liegt nicht vor. Der Beklagte war zur Zeit des Vertragsabschlusses Maschinenschlosser und ist jetzt Polizeisoldat der Stadt Zürich. Es ist allgemein bekannt, dass bei den Aufnahmeprüfungen zur Polizei, jedenfalls in Stadt und Kanton Zürich, ziemlich grosse Anforderungen nicht nur in körperlicher, sondern auch in geistiger Hinsicht gestellt werden. Der Beklagte muss daher mindestens von durchschnittlicher Intelligenz sein. Dann konnte er sich aber sehr wohl ein Bild darüber machen, ob ihm der Erwerb einer Aussteuer auf dem Wege der Vorzahlungsvertrages dienlich sei oder nicht, und nur darum handelt es sich. Die von der Vorinstanz angestellten Überlegungen gehen am Kern der Sache vorbei. Zudem ist nicht dargetan, dass die betreffenden Angaben für den Vertragsschluss kausal waren; bezüglich der "Allonge" steht sogar das Gegenteil ausser Zweifel.
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Im vorliegenden Falle macht die Vorinstanz unter Hinweis auf eine Abhandlung von Prof. JÄGGI (ZBJV 1958 S. 417 ff.) geltend, der Vorzahlungsvertrag müsse das unbedingte, nicht von der Zustimmung des Verkäufers abhängige Recht des Käufers vorsehen, nach Leistung der Mindestzahlung einen Abzahlungskauf vorzunehmen und so die für ihn sonst zu lange Dauer des Vorzahlungsvertrages abzukürzen, wobei die Abzahlungsraten nicht höher sein dürften als die Vorzahlungsraten. Die Vorinstanz bemerkt, Prof. Jäggi sage nicht ausdrücklich, welches die Folge der Nichterfüllung dieses Erfordernisses sein solle, und nimmt an, sie könne nur in der Nichtigkeit des Vertrages bestehen. Diese letztere Auffassung ist abzulehnen. Wer einen Vorzahlungsvertrag eingeht, ist daran so gut gebunden, wie ein Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung, bei der die Zahlungspflicht noch länger dauert. Es mag als wünschbar bezeichnet werden, dass ein Vorzahlungsvertrag Bestimmungen über eine Umwandlung in ein Abzahlungsgeschäft enthalte; daraus aber eine Voraussetzung für seine Gültigkeit zu machen, geht zu weit. Übrigens ist auch Prof. JÄGGI nicht der Auffassung, das Fehlen einer solchen Bestimmung ziehe die Nichtigkeit des Vertrages nach sich; er erklärt nämlich (a.a.O. S. 451), in diesem Falle habe "der Käufer von Gesetzes wegen das Recht, nach Leistung einer angemessenen Anzahlung die Umwandlung in einen Abzahlungskauf zu verlangen". Ob dies der Fall sei, kann hier dahingestellt bleiben, da der Beklagte ja keine angemessene Anzahlung geleistet, sondern gerade nur die erste Rate von Fr. 50.- bezahlt hat.
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Die Vorinstanz verweist auf das weitere Postulat (JÄGGI, a.a.O. S. 444 f.), dass der Vorzahlungsvertrag ein wirkliches Auflösungsrecht aus wichtigem Grund enthalten müsse, wie es im Gesetz für andere Dauerschuldverhältnisse vorgesehen ist, und sie erklärt, von einem solchen Recht sei im vorliegenden Fall keine Rede. Diese Feststellung der Vorinstanz beruht auf einem offensichtlichen Versehen. Denn Ziff. 6 und 7 des Vertrages sehen ausdrücklich solche wichtige Auflösungsgründe vor (Nichtverheiratung des Käufers bis zur Vollendung des 40. Altersjahres, Todesfall, unheilbare Krankheit oder dauernde schwere Invalidität des Käufers). Damit sind die dringendsten Fälle berücksichtigt. Ein "wirkliches Auflösungsrecht", so wie es die Vorinstanz offenbar versteht, wäre mit dem Grundsatze, dass Verträge zu erfüllen sind, unvereinbar. Übrigens folgert Jäggi auch aus dem Mangel einer solchen Bestimmung keineswegs die Nichtigkeit des Vertrages, sondern er spricht sich (a.a.O. S. 451) dahin aus, dass der Käufer in einem solchen Falle von Gesetzes wegen das Recht habe, bei Eintritt eines wichtigen Grundes die entschädigungslose Aufhebung des Vertrages zu verlangen. Ein solcher wichtiger Grund wird aber vom Beklagten gar nicht geltend gemacht.
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5. a) Nicht ausgesprochen hat sich die Vorinstanz zu den Einreden des Irrtums und der Täuschung, zu denen das bezirksgerichtliche Urteil im Sinne der Ablehnung Stellung genommen hatte. Die Vorinstanz hat lediglich gewisse hierher gehörende tatsächliche Momente unter dem Gesichtspunkt der Übervorteilung mit in Betracht gezogen. Die Berufungsantwort hält an der Einrede der Täuschung fest. Sie beruft sich auf die vom klägerischen Vertreter Dillier bei den Vertragsunterhandlungen gemachten Angaben bzw. begangenen Verschweigungen. Dazu ist vor allem festzustellen, dass der Beklagte, bevor er sich durch seine Unterschrift verpflichtete, den abzuschliessenden Vertrag genauestens zur Kenntnis nahm. Er wusste also, dass er in den Fabrikausstellungen der dem SEM angeschlossennen Firmen auswählen könne (Ziff. 2), dass (nur) für alle den Betrag von Fr. 500.-- übersteigenden Einzahlungen ein auf seinen Namen lautendes Sparheft eröffnet (Ziff. 3) und dass ihm auf den vorausbezahlten Beträgen "der doppelte Bankzins, maximal 5%, jedoch längstens während 5 Jahren, gutgeschrieben und an den Kaufpreis angerechnet werde, nachher dagegen nur noch der normale Sparheftzins" (Ziff. 4). Auf all das hat er Anspruch, und zu mehr hat er sich nicht verpflichtet. Was die Vorinstanz an der Art und Weise der klägerischen Werbung rügt, könnte - unter dem Gesichtspunkt der Täuschung - nur von Bedeutung sein, wenn die erwähnten Angaben für den Vertragsabschluss durch den Kläger kausal gewesen wären. Dass dies der Fall war, stellt die Vorinstanz nicht fest und kann daher entgegen der Behauptung des Beklagten nicht als gegeben betrachtet werden.
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b) Im einzelnen ist zu den Vorbringen der Berufungsantwort zur Frage der Täuschung zu bemerken: Wenn in dem Werbeprospekt, den der Vertreter der Klägerin dem Beklagten vorlegte, in Ziff. 3 von mündelsicherer Anlage der Einzahlungen auf einem staatlich garantierten Sparheft die Rede ist, so ergibt sich aus dem Vertrag (Ziff. 3) klar und deutlich, dass dies für die ersten Fr. 500.-- nicht gilt.
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Mit dem weiter erwähnten "Propagandaschlager Marie Kobler" ist der Aufdruck auf der Allonge zum Postcheck-Einzahlungsschein Act. 10/4 gemeint, den der Beklagte festgestelltermassen vor Vertragsabschluss nicht gesehen hat.
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Die Angabe, dass der Beklagte, wenn er durch die Stadt gehen würde und irgendwo ein schönes Möbelstück sehe usw., hatte nach der Aussage des Zeugen Dillier nicht die Meinung, dass er bei jedem beliebigen Möbelgeschäft kaufen könne; der Zeuge hat dem Beklagten ja eine Liste der Fabriken gezeigt, unter denen er auswählen könne. Jene Angabe konnte sich übrigens vernunftgemäss auch nicht auf Luxusmöbel "in besonderen Hölzern, besonderen Formen, besondern Kunststoffen, patent- und modellgeschützte Stücke" beziehen (wie die Berufungsantwort meint), da doch die ganze Aussteuer nur Fr. 5000.-- kosten sollte und es sich daher ganz klar nur um billige Durchschnittsware handeln konnte.
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Dass Dillier den Beklagten pflichtwidrig über gewisse Punkte unvollständig unterrichtet habe, und zwar in Täuschungsabsicht, ist ebenfalls zu verneinen. Diese Verschweigung soll sich darauf beziehen, dass "als vertragstypische Vergünstigung aus dem Vorzahlungsvertrag nur die Zinsdifferenz von Fr. 230.-- zu betrachten sei, nicht aber der von ihm in Aussicht gestellte wesentlich höhere Zinsertrag (einfacher plus doppelter Bankzins)". Bei letzterem handle es sich bloss um eine Scheinleistung, da er von der Klägerin als Geschäftsunkosten behandelt werde und folglich bei der Kalkulation des Detailverkaufspreises preissteigernd wirke. Das ist aber selbstverständlich, und auch der normal intelligente Beklagte musste sich sagen, dass jede dem Kunden gewährte Vergünstigung vom Verkäufer wieder irgendwie eingebracht werden muss, da ein auf Gewinnerzielung ausgehendes kaufmännisches Unternehmen keine Wohlfahrtseinrichtung darstellt.
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Die Behauptung der Berufungsantwort, das "Zinsschema" in Act. 35 Ziff. 3 sei "durch die Vorinstanz als irreführend und täuschend entlarvt" worden, trifft nicht zu. Die Vorinstanz führt an der angerufenen Urteilsstelle aus, dass die angegebenen Endkapitalien teilweise etwas zu hoch erscheinen, möglicherweise, weil dabei Stammeinlagen eingerechnet worden seien, während die Klägerin dem Beklagten eine solche nicht gutgeschrieben habe. Darin kann keine "Entlarvung einer Täuschung" erblickt werden. Dafür bedürfte es sicherer und genauer umschriebener Feststellungen. Dass nicht auseinander gehalten sei, welcher Teil dem üblichen Bankzins entspreche und welcher eine Mehrleistung der Klägerin darstelle, ist ohnehin kein Umstand, der als Täuschungsmoment überhaupt in Betracht kommen könnte.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 18. Juni 1959 wird aufgehoben und statt dessen erkannt:
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b) der Berufungsbeklagte wird verpflichtet, die monatlichen Ratenzahlungen von Fr. 50.- bis zu Fr. 1000.-- zu bezahlen und den Restbetrag bei Ausübung des Wahlrechtes in bar oder durch Abzahlung zu leisten.
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