BGE 86 II 89 |
15. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. März 1960 i. S. Marti gegen Konkursmasse der Emet AG |
Regeste |
1. Art. 181 OR erklärt nicht eine durch Sondernormen ausgeschlossene Schuldübernahme als zulässig. |
Sachverhalt |
A.- Viktor Marti, Peter Franz Roth und Walter Distel gründeten am 25. Mai 1955 die Emet AG mit Sitz in Zürich. Sie zerlegten das Grundkapital von Fr. 50'000.-- in fünfzig Inhaberaktien zu Fr. 1000.--, von denen Marti 48 und Roth und Distel je eine zeichneten. Der Verwalrungsrat bestand aus Marti als Präsidenten und aus Roth. Oskar Pfister wurde Geschäftsführer mit Einzelunterschrift.
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Obwohl die Gründer nur 40% des Nennwertes der Aktien einzahlten, gab die Gesellschaft die Titel aus. Am 12. Juli 1955 teilte Marti der Gesellschaft mit, er habe die Aktien Nr. 3-50 an Angela Waeyenborghs in Mecheln abgetreten. Gleichzeitig hinterlegte er die Aktie Nr. 1 als Pflichtaktie und ersuchte er die Gesellschafft, auch Roth zur Hinterlegung seiner Pflichtaktie zu veranlassen. Am 14. Juli 1955 kam zwischen Angela Waeyenborghs und der durch Marti vertretenen Gesellschaft ein schriftlicher Vertrag zustande, wonach jene die Aktien Nr. 3-50 dieser zur Aufbewahrung übergeben und der Aufbewahrerin "unwiderruflich Blankovollmacht" zur Ausübung des Stimmrechtes erteile. Am gleichen Tage unterzeichnete Pfister eine "Bestätigung und Verpflichtung", worin er erklärte, dass sich alle Aktien am Sitze der Gesellschaft in seiner Obhut befänden, und zwar zwei als Pflichtaktien und 48 als Eigentum der Angela Waeyenborghs. Er verpflichtete sich, die Aktien so zu verwalten, dass den Bestimmungen des Obligationenrechts über nicht voll einbezahlte Inhaberaktien Nachachtung verschafft werde. Er fügte bei, als Geschäftsführer der Gesellschaft und Bevollmächtigter der Angela Waeyenborghs entlaste er in diesem Sinne die Gründer-Aktionäre.
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In den Jahren 1956 und 1957 versuchte die Gesellschaft, Angela Waeyenborghs zur Einzahlung des noch nicht beglichenen Teils des Grundkapitals zu bewegen, hatte aber keinen Erfolg. Am 3. September 1957 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Angela Waeyenborghs kam der Aufforderung der Konkursverwaltung, die 50 Inhaberaktien abzuliefern, am 18. September 1957 auf erste Aufforderung hin nach. Sie stellte sich auf den Standpunkt, sie sei nicht Aktionärin, sondern die Titel seien ihr von ihrem Bräutigam Pfister nur verpfändet und in Nutzniessung gegeben worden.
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B.- Am 16. Juni 1958 klagte die Konkursmasse der Emet AG beim Amtsgericht Luzern-Stadt gegen Marti mit dem Begehren, er habe ihr zur Deckung des nicht einbezahlten Nennbetrages von 48 Aktien Fr. 28'800.-- nebst 5% Zins seit 30. Oktober 1957 zu zahlen.
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C.- Der Beklagte hat die Berufung erklärt. Er beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin stellt den Antrag, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Wenn die Ausführungen des Beklagten dahin zu verstehen sind, Angela Waeyenborghs habe durch die Übernahme der Aktien die Aktiven und Passiven des von der Emet AG betriebenen Geschäftes erworben, so ist ihm entgegenzuhalten, dass sie nicht alle Titel übernommen hat und dass selbst der Erwerb aller ihr höchstens Eigentum an den Papieren verschafft hätte, nicht auch die Vermögenswerte und Schulden der Gesellschaft auf sie hätte übergehen lassen (BGE 85 II 114). Das ist so klar, dass der Beklagte selber den Standpunkt einnimmt, die angebliche Geschäftsübernahme habe den Gläubigern der Gesellschaft nicht angezeigt zu werden brauchen.
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Sollte der Beklagte dagegen sagen wollen, die 48 Aktien als solche seien ein aus Aktiven und Passiven bestehendes Vermögen, so würde er verkennen, dass die Normen des Aktienrechtes über die Voraussetzungen, unter denen Inhaberaktien ausgegeben werden dürfen und vom Zeichner auf einen anderen übertragen werden können, dem Art. 181 OR vorgehen. Die aktienrechtliche Ordnung, insbesondere Art. 683 OR, dient dem Schutze der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und der Aktionäre und gilt daher selbst dann, wenn die Papiere zu einem Vermögen gehören oder einzige Bestandteile eines Vermögens sind. Art. 181 will nicht eine durch Sonderbestimmungen ausgeschlossene Schuldübernahme zulässig erklären, sondern nur die Form erleichtern, die eine an sich erlaubte Schuldübernahme sonst nach Art. 176 f. erfordern würde.
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Der Fall der Veräusserung einer nicht voll einbezahlten Inhaberaktie ist den gesetzgebenden Behörden nicht entgangen. Er war schon in Art. 636 aoR geordnet. Nach dieser Norm durften auf den Inhaber lautende Aktien nur nach Einzahlung der Hälfte des Nennwertes ausgegeben werden und blieb der Zeichner bis zur Einzahlung dieser Hälfte auch dann haftbar, wenn er sein Anrecht auf einen andern übertrug und dieser die Verbindlichkeit zur Einzahlung übernahm. Nach der Einzahlung der Hälfte des Nennwertes war die Entlastung des Zeichners möglich, wenn sie in den ursprünglichen Statuten vorgesehen war. Das geltende Obligationenrecht regelt den Fall in Art. 683. Auf den Inhaber lautende Aktien dürfen erst nach der Einzahlung des vollen Nennwertes ausgegeben werden (Abs. 1). Vor der Volleinzahlung ausgegebene Aktien sind nichtig (Abs. 2 Satz 1). Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit rechtsgeschäftlicher Verfügung über nicht voll einbezahlte Inhaberaktien; wenn solche ausgegeben werden, ist es so zu halten, als ob sie nicht beständen. Untauglich ist insbesondere der Versuch, einen Dritten durch Übergabe der Papiere zum Aktionär zu machen. Für die sinngemässe Anwendung des Art. 687 OR ist daher kein Raum.
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3. Da die von der Emet AG ausgegebenen Inhaberaktien gemäss Art. 683 Abs. 2 OR nichtig sind, gelten die Rechte der Aktionäre als nicht verbrieft. Die Fragen, ob sie unabhängig vom Papier übertragen werden konnten (vgl. BGE 48 II 402 f., BGE 83 II 454 f.) und, wenn ja, ob die Übertragung der Form der Abtretung von Forderungen bedurfte oder, wie der Beklagte geltend macht, formlos möglich war, stellen sich jedoch nicht. Aus der angeblich formlos möglichen Übertragung nicht gültig verbriefter Aktienrechte schliesst der Beklagte zu Unrecht, dass auch die Verpflichtung des Aktionärs zur Einzahlung des gezeichneten Betrages übertragen werden könne, weil sonst die Möglichkeit der Veräusserung der Rechte sinnlos wäre. Abgesehen davon, dass die Abtretung von Rechten auch dann einen Sinn haben kann, wenn sie den Abtretenden seiner Pflichten nicht enthebt, übersieht der Beklagte, dass die Abtretung von Rechten und die Übertragung von Verpflichtungen zwei verschiedene Vorgänge sind, die je einer eigenen Regelung unterstehen. An der Abtretung von Rechten braucht der, gegen den sie sich richten, gewöhnlich nicht mitzuwirken (Art. 164 Abs. 1, 967 ff. OR, Art. 869 ZGB). Die Befreiung des Schuldners als Folge der Übernahme der Schuld durch einen Dritten tritt dagegen in der Regel nicht gegen den Willen des Gläubigers ein (Art. 176 Abs. 1 OR, Art. 639 Abs. 1, 832 Abs. 2, 833 Abs. 3, 846 ZGB), auch nicht bei der Veräusserung eines Vermögens oder Geschäftes mit Aktiven und Passiven, denn hier kann der Gläubiger den alten Schuldner noch während zwei Jahren belangen (Art. 181 OR). Diese im Interesse des Gläubigers aufgestellte Ordnung gilt selbst dann, wenn der Schuldner gegen den Gläubiger auch Rechte hat und sie ohne dessen Mitwirkung veräussern kann.
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4. Indem das Gesetz die Ausgabe nicht voll einbezahlter Inhaberaktien verbietet und diese, wenn sie trotzdem vor der Volleinzahlung ausgegeben werden, als nichtig erklärt, will es der Gesellschaft, ihren Gläubigern und ihren Aktionären Gewähr bieten, dass das Grundkapital voll einbezahlt werde. Wer es gezeichnet hat, ist Schuldner des gezeichneten Betrages, bis er einbezahlt ist. Diese Ordnung ist zwingend. Es widerspräche den Interessen der Gesellschaftsgläubiger und der Mitaktionäre, wenn die Gesellschaft einen Zeichner seiner Verpflichtung entheben und einen andern an seiner Stelle als Schuldner annehmen könnte. Dem die Gesellschaft beherrschenden Mehrheitsaktionär oder einzigen Aktionär wäre dadurch ermöglicht, sich in Voraussicht ihres finanziellen Zusammenbruchs seiner Verpflichtung zur Einzahlung des gezeichneten Betrages zu entschlagen und einen zahlungsunfähigen Dritten als Schuldner annehmen zu lassen. Der Zweck, dem Art. 683 OR dient, wäre dadurch vereitelt. Ist der Schuldnerwechsel in Verbindung mit der Übertragung der Inhaberaktie unmöglich, weil diese nichtig ist, so kann ihn das Gesetz auch nicht unabhängig vom Bestand gültiger Aktien gestatten wollen. In dem in BGE 48 II 395 ff. veröffentlichten Falle erachtete das Bundesgericht freilich die Entlassung des Zeichners in Verbindung mit der Übertragung seiner unverbrieften Mitgliedschaftsrechte als zulässig. Damals galt aber noch Art. 636 aoR. Aus diesem Entscheide kann daher unter der Herrschaft der strengeren Ordnung des Art. 683 OR die Gültigkeit einer den Zeichner befreienden Schuldübernahme nicht abgeleitet werden. Der Zeichner bleibt neben dem Übernehmer solidarisch verpflichtet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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