BGE 86 II 365 - Vertglas |
56. Urteil der I. Zivilabteilung |
vom 20. Dezember 1960 |
i.S. Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne gegen Vertglas, Genossenschaft der Schweizerischen Glasgrosshändler. |
Regeste |
1. Art. 839 OR. Jedenfalls wer Ziele verfolgt, die den von der Genossenschaft geförderten oder gesicherten Interessen ganz oder teilweise widersprechen, hat nicht Anspruch, als Genossenschafter aufgenommen zu werden (Erw. 1). |
2. Art. 28 ZGB, Boykott. |
a) Auch wer sich dem Willen des Boykottierenden bis zum Entscheid des Richters beugt, kann Ansprüche aus Boykott erheben (Erw. 2). |
b) Der Unterlassungsanspruch aus unmittelbarem Boykott hat zur Folge, dass der Richter den Boykottierenden verpflichten muss, Verträge bestimmten Inhalts auch mit dem Boykottierten abzuschliessen (Erw. 3). |
c) Der Boykott verletzt das Persönlichkeitsrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung und ist daher grundsätzlich widerrechtlich. Nur wer mit dem Boykott offfensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolgt, die er auf keine andere Weise wahren kann, verstösst nicht gegen das Recht (Erw. 4). |
d) Den Beweis solcher Rechtfertigungsgründe hat der Boykottierende zu leisten (Art. 8 ZGB) (Erw. 4 lit. e). |
Sachverhalt |
A. |
Die "Vertglas, Genossenschaft der Schweizerischen Glasgrosshändler", die den "gemeinsamen Einkauf von Fensterglas aller Dicken" und die "Regelung des Verkaufes" bezweckt (Art. 1 der Statuten), schliesst mit den in- und ausländischen Herstellern Kaufverträge ab, "um den gesamten inländischen Bedarf an Fensterglas aller Stärken zu decken" (Art. 2 Abs. 1 der Statuten). Die beiden schweizerischen Glashütten Moutier und Romont und die ausländischen Hüttenorganisationen haben sich ihr gegenüber verpflichtet, Fensterglas für den schweizerischen Bedarf nur an die ihr angehörenden Firmen zu liefern. Die Mitglieder der Vertglas dürfen Fensterglas für diesen Bedarf ausschliesslich bei der Vertglas beziehen (Art. 2 Abs. 1 der Statuten). Diese "regelt die Bezugsberechtigung für Fensterglas aller Stärken, Dimensionen und Qualitäten vermittelst Kontingentierung und stellt die Verkaufsbedingungen auf" (Art. 2 Abs. 2 der Statuten).
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"Als Mitglied der Vertglas kann jede im schweizerischen Handelsregister eingetragene Glashandelsfirma aufgenommen werden, die in den der Aufnahme vorausgegangenen, aufeinanderfolgenden fünf Jahren ausschliesslich durch die Vertglas-Organisation gekauft, den Händlervertrag unterschrieben und je Kalenderjahr im Durchschnitt 1 1/2% des Schweizerbedarfs, aber mindestens jährlich 200 Tonnen Fensterglas aller Stärken zu Vertglas-Preisen abgesetzt hat" (Art. 3 Abs. 1 der Statuten). Die Genossenschafter dürfen kein Fensterglas einsetzen (Art. 11 Abs. 1 der Statuten, Art. 1 des Händlervertrages). "Die direkte oder indirekte Übernahme sowie die Ausführung von Fensterglas-Verglasungen auf Holz" ist ihnen verboten. Sie dürfen aber Kristallglas in Schaufenster-Anlagen einsetzen, ferner die Verglasung auf Eisen- oder Betonrahmen übernehmen, wenn sie den Einsatz durch selbständige Glaser ausführen lassen (Art. 11 Abs. 1 der Statuten).
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Die Kollektivgesellschaft Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne in Bern, die sowohl Glashandel betreibt als auch das Verglasen, namentlich auf Holz, besorgt, wurde von der Vertglas am 1. Juni 1949 vertraglich als Grosskonsument anerkannt und verpflichtete sich, während der Dauer des Vertrages alles benötigte Fensterglas bei den Mitgliedern der Vertglas oder bei den dieser Genossenschaft vertraglich angeschlossenen Händlern oder Grosskonsumenten zu kaufen. Sie bezog von 1954-1958 jährlich 356-522 Tonnen Fensterglas. Auf den Preisen werden ihr 8% Mengenrabatt gewährt.
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Am 24. Juli 1958 ersuchte die Firma Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne die Vertglas, sie als Genossenschafterin aufzunehmen. Die Vertglas antwortete am 29. August 1958, der Vorstand habe das Gesuch abgelehnt, da sie den Händlervertrag nicht unterschrieben habe und folglich die Voraussetzungen der Mitgliedschaft nicht erfülle.
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B. |
Am 29. Juni 1959 klagte die Firma Wwe. Alfred Giesbrecht Söhne beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit den Begehren: 1. die Vertglas zu verpflichten, sie als Mitglied aufzunehmen, eventuell sie zu den für die Mitglieder geltenden Bedingungen zu beliefern; 2. die Vertglas zu verpflichten, ihr Fr. 13'690.-- nebst 5% Zins seit 14. April 1959 sowie von der Klageeinleitung an bis zur Aufnahme als Mitglied monatlich Fr. 3900.-- nebst 5% Zins zu bezahlen.
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C. |
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 |
In BGE 69 II 45 wurde ausgeführt, die Genossenschaft könne die Mitgliedschaft von der Ausübung eines bestimmten Berufes und anderen tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften abhängig machen und den Eintritt selbst solchen Personen verweigern, die diese Voraussetzungen erfüllten, es sei denn, die Weigerung verstosse gegen allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 2, 27 ZGB). Neuere Urteile gehen davon aus, wer die statutarischen Voraussetzungen erfülle, habe Anspruch, aufgenommen zu werden (BGE 76 II 294, 82 II 306 Erw. 8). Das Schrifttum deckt sich mit dieser Rechtsprechung nur zum Teil (HUBER, ZSchwR nF 59 392; MERZ, Über die Schranken der Kartellbindung, Bern 1953 59; VODOZ, Le droit d'entrer dans une société coopérative appliqué aux organisations professionnelles, Diss. Lausanne 1954 63 ff.; SECRÉTAN, JdT 105 I 200; a.M. DESCHENAUX, ZSchwR nF 70 169 f. Anm. 116; HEFTI, Der Anspruch des Aussenseiters auf Kartellmitgliedschaft, Diss. Bern 1956 44; GERWIG, Schweizerisches Genossenschaftsrecht, Bern 1957 231 ff.; MONNIER, De l'entrée dans une société coopérative, Diss. Neuchâtel 1957 128 f.).
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Mag sie standhalten oder nicht, so lässt sich aus Art. 839 OR jedenfalls nicht ableiten, dass Anspruch auf die Mitgliedschaft auch habe, wer Ziele verfolgt, die den von der Genossenschaft geförderten oder gesicherten wirtschaftlichen Interessen ganz oder teilweise widersprechen. Anders entscheiden, hiesse die Genossenschaft verpflichten, ihren Zweck den Wünschen des Bewerbers anzupassen. Das ist nicht der Sinn des Art. 839 OR. Gemäss Art. 828 Abs. 1 OR ist jeder Genossenschaft die "Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe" eigen. Die Genossenschaft kann und muss somit - im Rahmen des Rechts und der Sittlichkeit (Art. 52 Abs. 3 ZGB) - bestimmen, welchen wirtschaftlichen Interessen sie dienen will. Dem Bewerber obliegt, sich den von der Genossenschaft geförderten oder gesicherten Interessen unterzuordnen, wenn er Mitglied werden will. Daher hat die Klägerin jedenfalls solange nicht Anspruch, von der Beklagten als Genossenschafterin aufgenommen zu werden, als sie das Einsetzen von Fensterglas auf Holz besorgt, das den Mitgliedern der Beklagten durch Art. 11 der Statuten und Art. 1 des Händlervertrages untersagt ist.
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Hiegegen lässt sich nicht einwenden, dieses Verbot widerspreche dem Recht und den guten Sitten, weil kein sachlicher Grund es rechtfertige und es nur dazu diene, unerwünschte Mitbewerber von der Genossenschaft fernzuhalten und den gegenwärtigen Mitgliedern ein Monopol zu sichern. Ob die statutarische Beschränkung der Mitgliedschaft auf ausschliessliche Glasgrosshändler nur der Klägerin oder, wie diese behauptet, zahlreichen Firmen der Zentralschweiz den Eintritt verunmöglicht, ist unerheblich. Die Beklagte verstösst weder gegen das Recht noch gegen die guten Sitten, wenn sie nur die Belange der ausschliesslich Grossglashandel treibenden Personen und Handelsgesellschaften fördern will, nicht auch jene von Firmen, die ausserdem die Verglasung auf Holz besorgen und die daher nicht notwendigerweise die gleichen Interessen haben wie die gegenwärtigen Genossenschafter. Ob die Beschränkung, die sie sich auferlegt, wegen unnützen Zwischenhandels oder übersetzter Zwischengewinne die Ware auf dem Wege vom Hersteller zum Verbraucher verteuert und daher diesem schadet, ist unerheblich. Jedermann ist im Rahmen des Gesetzes frei, sich wirtschaftlich so zu betätigen, wie ihm beliebt, mag das auch den Interessen anderer, ja selbst denen der Allgemeinheit, widersprechen. Da das schweizerische Recht auf dem Boden der Privatwirtschaft und der Verbandsfreiheit steht, darf der Richter nicht eingreifen. Das wäre nicht Rechtsprechung, sondern staatliche Lenkung der Wirtschaft.
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Auch Art. 2 ZGB, auf den die Klägerin sich beruft, berechtigt den Richter nicht dazu. Die Beklagte handelt nicht gegen Treu und Glauben dadurch, dass sie den Kreis der Genossenschafter nicht statutarisch so erweitert, wie die Klägerin es wünscht. Dass sie den Glashandel durch ein tatsächliches Monopol beherrscht, ändert nichts. Wenn eine Genossenschaft ihre Monopolstellung missbraucht, um Dritte als Mitbewerber der Genossenschafter auszuschalten oder ihnen die geschäftliche Tätigkeit zu erschweren, z.B. durch Lieferungsverbote oder Sonderpreise, können die Verletzten wegen Eingriffs in ihre persönlichen Verhältnisse auf Unterlassung und Schadenersatz klagen. Wer die statutarischen und dem Gesetz nicht widersprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt, hat dagegen auch in einem solchen Falle nicht Anspruch auf Aufnahme in die Genossenschaft.
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Das Aufnahmebegehren der Klägerin lässt sich auch nicht damit begründen, das Verglasungsverbot werde von den Mitgliedern der Beklagten systematisch umgangen und sei nur vorgeschoben, um unerwünschte Mitbewerber fernzuhalten. Die Klägerin hat den Beweis, dass das zutreffe, nicht erbracht. Abgesehen davon, dass sie nur wenige Firmen zu nennen vermag, die das Verbot übertreten haben sollen, stellt das Handelsgericht verbindlich fest, dass die Beklagte gegen die Verletzungen eingeschritten ist. Nach den ersten Massnahmen von 1957, die nicht sehr wirksam gewesen sein mögen, änderte die Beklagte am 30. Juni 1959 die Statuten dahin ab, dass den Genossenschaftern auch irgendwelche Beteiligung an einer Firma verboten sei, die sich mit Verglasungen befasst, deren Ausführung den Genossenschaftern selber untersagt ist, und dass die Zuwiderhandlung nach fruchtloser Mahnung zum Verlust der Mitgliedschaft führe. Die Beklagte hat diese Bestimmung tatsächlich angewendet, und es ist ihr nach der Feststellung des Handelsgerichts nicht gleichgültig, ob die Genossenschafter sie befolgen oder nicht. Unter diesen Umständen ist die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin, welche die Statuten zum vornherein nicht einhalten will, als Mitglied aufzunehmen.
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Erwägung 2 |
Ein Boykott, der, wenn er widerrechtlich ist, Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz gibt, liegt in der organisierten Meidung eines Gewerbetreibenden oder Arbeitnehmers zu dem Zwecke, ihn zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu zwingen oder ihn für ein solches zu massregeln (BGE 76 II 285, 81 II 122, 82 II 297). Organisiertem Zwange im Sinne dieser Rechtsprechung setzt die Beklagte die Klägerin aus, denn nach den Feststellungen des Handelsgerichts kann diese sich das für ihren Betrieb benötigte Fensterglas nicht zu konkurrenzfähigen Preisen verschaffen, wenn sie sich der den Markt beherrschenden Beklagten nicht fügt. Unter dem Zwange der von der Beklagten durchgesetzten Marktregelung schloss die Klägerin mit ihr den Vertrag vom 1. Juni 1949. Damit hörte der Zwang aber nicht auf. Er dauert solange an, als die Beklagte mit Hilfe der Ausschliesslichkeitsverträge, die sie mit den Herstellern von Fensterglas verbinden, unter Festsetzung der Preise und Kontingente den Markt beherrscht und sich weigert, die Klägerin zu den gleichen Bedingungen zu beliefern wie die Genossenschafter. Solange der Zwang nicht aufhört, sind die Voraussetzungen des Art. 29 OR erfüllt und kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden, sie habe den Vertrag dadurch genehmigt, dass sie ihn seit 1949 erfüllte (vgl. BGE 84 II 625). Sie befindet sich nicht in der gleichen Lage wie eine Person, deren Willensmangel nach dem Abschluss des Vertrages aufhört und zur Zeit des Urteils nicht mehr besteht.
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Allerdings beantragt die Klägerin nicht ausdrücklich, den Vertrag unverbindlich zu erklären, noch führt sie sonstwie ausdrücklich aus, sie wolle ihn nicht mehr halten. Indem sie verlangt, dass die Beklagte verpflichtet werde, sie zu den für die Genossenschafter geltenden Bedingungen zu beliefern, zielt sie jedoch auf die Ersetzung des alten Vertrages durch einen neuen ab. Sie will, dass der Druck, unter dem das bisherige Verhältnis zustande kam und abgewickelt wird, aufhöre und die Beklagte zu einem Vertrag Hand biete, dem die Klägerin ungezwungen zustimme. Ihr Eventualbegehren schliesst in sich, dass der Richter die Unverbindlichkeit des Vertrages feststelle. Die Beklagte kann daher aus diesem nichts ableiten. Da er der Klägerin bis zur Beendigung des Zwanges die einzige Möglichkeit bietet, das für ihren Betrieb benötigte Fensterglas zu den vereinbarten Preisen zu erhalten, konnte ihr nicht zugemutet werden, ihn zu künden und erst nachher zu klagen. Damit hätte sie sich der Gefahr ausgesetzt, dass ihr Geschäft zugrunde gerichtet und sie dafür nicht sicher und voll entschädigt werde. Das Privatrecht muss nicht nur dem helfen, der dem organisierten Zwange Widerstand leistet und dadurch geschädigt wird, sondern auch dem, der sich bis zum Entscheid des Richters beugt, damit der Schaden möglichst klein bleibe. Durch dieses Vorgehen verletzt der Betroffene keine Interessen des Boykottierenden. Dieser erreicht vorläufig was er will, wenn der Boykottierte sich bis zum Entscheid des Richters fügt.
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Erwägung 3 |
3.- Das Begehren der Klägerin, der Richter habe die Beklagte zu verpflichten, sie zu den gleichen Bedingungen zu beliefern wie die Genossenschafter, ist nicht schon deshalb abzuweisen, weil es auf einen Zwang zum Abschluss von Verträgen abzielt, also in die Vertragsfreiheit eingreift. Da dem Boykott die organisierte Unterbindung oder Erschwerung wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Boykottierten eigen ist, schränkt der Unterlassungsanspruch, den die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Falle unerlaubten Boykottes anerkennt, diese Freiheit stets ein. Jeder unerlaubte Boykott, gehe er dahin, dass ein Verband seinen Mitgliedern oder Dritten Vertragsabschlüsse mit einer bestimmten Person verbietet (mittelbarer Boykott), oder bestehe er darin, dass ein über ein tatsächliches Monopol verfügender Verband die Abschlüsse unterlässt oder nur zu erschwerten Bedingungen vornimmt (unmittelbarer Boykott), beruht auf einem Missbrauch der Vertragsfreiheit. Es liegt kein grundsätzlicher Unterschied darin, dass in jenem Falle die richterliche Aufhebung des vom Verbande erlassenen Verbotes genügt, um dem Boykottierten zu seinem Recht zu verhelfen, während in diesem Falle die Untersagung des Boykottes durch den Richter das Gebot an den Boykottierenden in sich schliesst, Verträge zu bestimmten Bedingungen auch mit dem Boykottierten abzuschliessen. Die Zulässigkeit dieses Gebotes verneinen, hiesse den Unterlassungsanspruch davon abhängig machen, wie der Verband die Verfolgung seiner Ziele organisiert. Ein wirksames Einschreiten gegen den unmittelbaren Boykott wäre nicht möglich. Das kann das Gesetz nicht wollen. Der Vertragsfreiheit sind durch das Recht des Boykottierten auf Teilnahme am freien Wettbewerb im Falle des unmittelbaren Boykottes die gleichen Grenzen gezogen wie beim mittelbaren Boykott.
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Erwägung 4 |
Im neueren Schrifttum (s. namentlich F. GUISAN, La protection de la personnalité et le boycott commercial, Festgabe für Carl Wieland, Basel 1934 174; O. A. GERMANN, Unlauterer Wettbewerb, Zürich 1945 302 ff.; A. SIMONIUS, Ein verkanntes Freiheitsrecht, Festgabe für Erwin Ruck, Basel 1952 261 ff.; H. MERZ, Über die Schranken der Kartellbindung, Bern 1953 29 ff.; M. KUMMER, Anwendungsbereich und Schutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlauteren und gegen freiheitsbeschränkenden Wettbewerb, Bern 1960 129 ff.; JÄGGI, ZBJV 96 389; H. MERZ, ZBJV 96 460 ff.) wird teils gelehrt, der Boykott sei immer widerrechtlich und auf eine Abwägung der Interessen des Boykottierenden gegenüber denen des Boykottierten komme nichts an, teils wird der Rechtsprechung zum mindesten vorgehalten, sie verkenne die grundsätzliche Unerlaubtheit des Boykottes und trage dem Interesse des Boykottierten an freier wirtschaftlicher Betätigung zu wenig Rechnung.
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b) Die Auffassung, der Boykott sei grundsätzlich erlaubt, lässt sich nicht damit begründen, es stehe jedem frei, sich des Abschlusses von Rechtsgeschäften zu enthalten, und jeder dürfe sich zur Verfolgung seiner Interessen mit anderen zusammenschliessen. Gewiss begeht an sich nichts Unerlaubtes, wer es ablehnt, mit jemandem ein Rechtsverhältnis einzugehen, mag seine Haltung auch verabredet sein. Im Boykott liegt aber mehr als ein verabredetes Nichtabschliessen von Verträgen. Er besteht in der organisierten Meidung eines Gewerbetreibenden oder Arbeitnehmers mit dem Zwecke, ihn zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu nötigen, sei es zur Aufgabe oder Nichtaufnahme einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit (Vernichtungsboykott, Verdrängungsboykott), sei es zur Ausrichtung derselben auf die ihm auferlegten Bedingungen (Unterwerfungsboykott). Die verabredete Unterlassung bestimmten rechtsgeschäftlichen Verkehrs ist nur das Mittel zur Erreichung dieses Zieles. Die Erlaubtheit des Mittels macht das auf einen Erfolg gerichtete oder ihn bewirkende Verhalten nicht rechtmässig. Massgebend ist, ob dieser vom Rechte nicht missbilligt ist. Verletzt die Handlung oder Unterlassung ein fremdes Rechtsgut oder trachtet der Täter mit ihr auf eine solche Verletzung, so ist sie widerrechtlich, wenn nicht besondere Gründe, z.B. berechtigte Notwehr oder erlaubte Selbsthilfe (Art. 52 OR), sie rechtfertigen.
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Ein solches Recht besteht in der Tat. Die Bundesverfassung gewährleistet in den von ihr selbst und der Gesetzgebung gezogenen Schranken die Freiheit des Handels und der Gewerbe (Art. 31 BV). Diese Bestimmung bietet unmittelbar nur Schutz gegen Eingriffe des Staates (BGE 32 II 368, 52 II 384, 62 II 100). Sie verrät aber dennoch, dass die schweizerische Wirtschaft auf freiem Wettbewerb beruhen soll (BGE 82 II 302). Dieser darf nicht durch private Abmachungen ausgeschaltet werden. Jeder hat nicht nur das Recht, an ihm teilzunehmen, sondern soll sich dabei auch nach den Grundsätzen des freien Wettbewerbes benehmen können, d.h. in der Lage sein, seine wirtschaftliche Tätigkeit so zu organisieren, wie ihm beliebt. Das sind Auswirkungen seiner Persönlichkeit (Art. 28 ZGB). Wer durch kollektive Massnahmen darauf ausgeht, die Teilnahme eines andern am Wettbewerbe dauernd oder vorübergehend zu verunmöglichen oder zu erschweren oder dem andern die Bedingungen aufzuzwingen, unter denen er soll teilnehmen können, greift in seine persönlichen Verhältnisse ein, verletzt sein privates Recht auf Handels- und Gewerbefreiheit. Dieses gibt keinen Anspruch auf ein gesichertes wirtschaftliches Auskommen (BGE 52 II 383) und schützt niemanden vor den Ausflüssen eines sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abwickelnden Wettbewerbes, mögen die Mitbewerber dem andern einzeln oder geschlossen in die Quere kommen. Boykott aber geht über das hinaus, was jeder als Folge eines normalen freien Wettbewerbes dulden muss. Wer jemanden boykottiert, trachtet darnach, ihn auf dem Wege organisierten Zwanges als Mitbewerber zu vernichten, zu verdrängen oder zu unterwerfen oder ihn zu massregeln. Das darf er nicht tun.
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Gewiss treten die Grenzen zwischen solchem Vorgehen und erlaubtem Wettbewerbe nicht immer klar zutage. Die gegenseitige Macht der Wettbewerber, die um Bezugsquellen oder Absatzmöglichkeiten ringen, ist oft im Wirtschaftskampf entscheidend. Wird ein Mitbewerber durch die Macht anderer ausgeschaltet oder behindert, so ist er nicht notwendigerweise in seiner Persönlichkeit verletzt. Wann das zutreffe, ist aber eine Frage der Umschreibung des Boykottes, nicht seiner Widerrechtlichkeit. Liegt ein Boykott vor, so verletzt er notwendigerweise das Persönlichkeitsrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung und ist er daher grundsätzlich widerrechtlich.
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Das ist keine absolute Grenze. Die verabredete Unterlassung wirtschaftlicher Beziehungen zum Boykottierten ist, entgegen Simonius a.a.O. 276, nicht immer unerlaubt. Das Recht, keine solchen Beziehungen zu unterhalten, ergibt sich aus der Autonomie der Person im Privatrecht. Im Falle des Boykottes entfällt es wegen des Zieles, das mit ihm verfolgt wird. Nun lässt sich aber nicht sagen, dieses Ziel, bestehend in der Vernichtung, Verdrängung, Unterwerfung oder Massregelung des Boykottierten, sei notwendigerweise unerlaubt. Es gibt Fälle, in denen es den Boykott rechtfertigt (vgl. Urteil der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 25. Juni 1955 i.S. Film-Verleih-Verband in der Schweiz gegen Reinegger). Der Konflikt zwischen den beiden qualitativ gleichwertigen Rechten kann nicht ein für allemal entschieden werden, in dem Sinne, dass das eine dem andern als überlegen erklärt würde. Es verhält sich gleich wie in anderen Fällen, in denen Persönlichkeitsrechte aufeinanderstossen, z.B. das Recht auf Kritik und Aufklärung einerseits und das Persönlichkeitsrecht des durch sie Betroffenen anderseits. Der Richter hat im einzelnen Falle das von der Rechtsordnung höher eingeschätzte Recht zu bestimmen. Dabei wird er den sich gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragen, die durch die in Frage stehenden Rechte geschützt sind. Jene des Boykottierenden sind gleich wie die des Boykottierten privater Natur und gehen diesen nicht grundsätzlich vor. Auch geben nicht die wirtschaftlich wichtigeren Interessen notwendigerweise den Ausschlag. Der Boykottierende handelt nicht schon dann rechtmässig, wenn die von ihm erstrebten Vorteile den dem Boykottierten zugefügten Schaden übertreffen. Nur wer mit dem Boykott offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen verfolgt, die er auf keine andere Weise wahren kann, verstösst nicht gegen das Recht (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER Art. 41 N. 25/7).
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e) Der Boykottierende hat solche Interessen zu beweisen (Art. 8 ZGB). Der Boykottierte genügt seiner Pflicht durch den Nachweis des Boykottes. Das ergibt sich daraus, dass dieser grundsätzlich widerrechtlich ist und nur ausnahmsweise, wenn besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen, trotz Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Boykottierten von der Rechtsordnung geduldet wird. Diese Verteilung der Beweislast entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung zum Vernichtungsboykott (BGE 76 II 290, 81 II 125) und wurde im Ergebnis auch beim Verdrängungsboykott anerkannt (BGE 82 II 302 Erw. 6), der sich übrigens von jenem nicht scharf abgrenzen lässt. Für den Unterwerfungsboykott kann nichts anderes gelten. Er bedient sich der Drohung mit Vernichtung oder Verdrängung als Mittel zur Unterwerfung. Sind Vernichtung und Verdrängung durch kollektiven Zwang grundsätzlich widerrechtlich, so kann auch die Bedrohung mit solchen Folgen in der Regel nicht zulässig sein. Der Boykottierte braucht daher nur darzutun, dass der Boykottierende auf Unterwerfung ausging. Dieser seinerseits hat zu beweisen, dass er offensichtlich überwiegende berechtigte Interessen hatte, die er nicht auf andere Weise wahrnehmen konnte.
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Erwägung 5 |
Was die Beklagte in der Berufungsantwort vorbringt, genügt nicht zur Rechtfertigung ihres Boykottes.
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Das gilt vorab für den Einwand, die Klägerin könnte durch tief angesetzte Verglasungspreise den Handel mit Fensterglas weitgehend an sich reissen, wodurch die reinen Glashändler ausgeschaltet und die Schreiner und Glaser gefährlich konkurrenziert würden. Die Tatsache, dass ein Unternehmer durch angemessene Organisation seines Betriebes in der Lage ist, die Gestehungskosten und damit die von seinen Kunden zu zahlenden Preise herabzusetzen, ist kein vom Recht anerkannter Grund, ihn zu boykottieren, mag auch sein Vorgehen den hergebrachten Aufbau eines Wirtschaftszweiges erschüttern. Wenn der Glasgrosshändler ein nützliches Zwischenglied ist, dessen Verdienst tatsächlichen Leistungen entspricht, dann entstehen der Klägerin sowohl die Kosten des Grosshändlers als auch jene des Verglasers, weil sie beide Tätigkeiten ausübt. Dann ist sie nicht in der Lage, zu wesentlich tieferen Preisen zu verglasen als andere. Sollte dagegen richtig sein, dass sie das tun kann, weil sie sowohl Grosshändler als Verglaser ist, dann stände fest, dass der Boykott einer unzweckmässig aufgezogenen Wirtschaft zu Hilfe kommen soll. Das wäre kein berechtigter Grund, durch Kollektivzwang in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin auf Teilnahme an einem freien Wettbewerb einzugreifen.
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Unerheblich ist auch der Einwand, die der Klägerin auferlegten Preise unterschieden sich von denen der Genossenschafter so wenig, dass das Geschäft der Klägerin nicht nur zugrunde gerichtet worden sei, sondern sich günstig entwickelt habe. Die Widerrechtlichkeit des Boykottes hängt nicht von den auferlegten Bedingungen ab, sondern ist gegeben, weil dem Boykottierten durch die Drohung mit Unterbindung der Lieferungen die Freiheit genommen wird, seine Tätigkeit so zu organisieren, wie ihm beliebt, d.h. weil er durch kollektive Massnahmen gezwungen wird, einer Organisation beizutreten oder einen Vertrag zu unterzeichnen. Es ist nicht nötig, dass ausserdem die auferlegten Bedingungen seine geschäftliche Entwicklung verhindern, d.h. der Unterwerfungsboykott sich in einen Verdrängungs- oder Vernichtungsboykott verwandle.
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Wenn die Behauptung der Beklagten, der Einstandspreis für Fensterglas sei im Verhältnis zu den Bearbeitungskosten von völlig untergeordneter Bedeutung, richtig sein sollte, wäre übrigens nicht zu verstehen, dass die Aufhebung des von der Klägerin zu zahlenden Mehrpreises, der nach der Darstellung der Beklagten nur etwa 4% erreichen soll, sich eigne, den ganzen Wirtschaftszweig zugrunde zu richten, wie die Beklagte angeblich befürchtet.
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b) Falls das Handelsgericht zum Schlusse kommt, der vorliegende Boykott lasse sich nicht rechtfertigen, ist das Begehren der Klägerin, die Beklagte habe sie zu den für die Genossenschafter geltenden Bedingungen zu beliefern, grundsätzlich begründet. Immerhin ist denkbar, dass die Verpflichtungen der Beklagten gegenüber ihren Lieferanten, namentlich gegenüber den schweizerischen Glashütten, oder andere Umstände, wie die von den Genossenschaftern im Interesse der schweizerischen Glaserzeugung gebrachten Opfer, einen Preisunterschied rechtfertigen, und zwar unter dem gleichen Gesichtspunkt, unter dem die Beklagte von der Klägerin im Falle der Aufnahme in die Genossenschaft ein Eintrittsgeld hätte erheben können (vgl. BGE 82 II 303 Erw. 6 lit. b). Wenn die Kosten der von der Beklagten besorgten Organisation des Glasmarktes nicht nur aus den Erträgen der Verkäufe, sondern auch aus Leistungen der Genossenschafter (besonders in Form von Beiträgen, abzüglich Rückvergütungen) gedeckt werden, ist es billig, dass die Klägerin, die aus dieser Tätigkeit Nutzen zieht, ihren Teil daran beitrage. Das Handelsgericht wird diesen Punkt immerhin nur zu prüfen haben, wenn die Beklagte für die massgebenden Behauptungen entsprechend dem kantonalen Prozessrecht geeignete Beweise angeboten hat.
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Sollte sich eine Erhöhung der Preise gegenüber denen, die den Genossenschaftern bewilligt werden, rechtfertigen, so darf sie nur unter dem erwähnten Gesichtspunkt stattfinden. Ausgeschlossen ist es, von der Klägerin höhere Preise zu verlangen, weil sie nicht nur Glashandel treibt, sondern auch Verglasungen ausführt. Der Gebrauch, den der Käufer von der gekauften Ware macht, berührt den Verkäufer nicht; dieser hat ihm in der Bestimmung der Preise nicht Rechnung zu tragen. Nur die den Grosshändlern eingeräumten Preise und Lieferbedingungen dürfen entscheidend sein. Da die Klägerin im grossen einkauft, hat sie Anspruch auf die gleichen Mengenrabatte wie die andern Grosshändler. Die Zuschläge, welche die Beklagte der Klägerin einzig zum Zwecke auferlegt, gewisse Mindestpreise beim Verbraucher zu gewährrleisten und so die Konkurrenzierung der Schreiner und Glaser zu verhindern, sind nicht zulässig.
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Entscheid: |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Juni 1960 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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