BGE 87 II 234
 
33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Dezember 1961 i.S. Esteve Hermanos SA de C.V. gegen Bank Hofmann AG
 
Regeste
Art. 43, 63 Abs. 2 OG. Es ist eine Rechtsfrage, welchen Sinn die zum Vertragsinhalt erklärten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" der Internationalen Handelskammer haben. Sie untersteht dem schweizerischen Recht, wenn die Akkreditivbank ihren Sitz in der Schweiz hat.
 
Sachverhalt
A.- Die Gesellschaft Boden & Haac in Bremen kaufte der Firma Esteve Hermanos SA de C.V. in Matamoros (Mexiko) Baumwolle ab und wies die Bank Hofmann AG in Zürich an, die Verkäuferin zur Deckung des Kaufpreises von 600 Ballen zu akkreditieren. Die Bank Hofmann AG liess der Firma Esteve Hermanos das bis 15. Oktober 1958 gültige unwiderrufliche Akkreditiv für ungefähr US-Dollar 90'000 am 19. August 1958 durch die Bank of America anzeigen. Die Urkunden, gegen deren Übergabe die Bank Hofmann AG leisten sollte, wurden von dieser wie folgt umschrieben (aus dem Englischen übersetzt):
    "1.- Unterzeichnete Handelsrechnung in 3 Kopien.
    2.- Bestätigung von Wilkens & Company, Inc., Memphis/Tenn., wonach festgestellt wird, dass die Verschiffung ungefähr Mitte September 1958 in Übereinstimmung mit den Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht von Wilkens & Company, Inc., Memphis/Tenn., zu gebenden Anordnungen stattgefunden hat.
    3.- Voller Satz umsetzbarer an Order ausgestellter blanko indossierter reiner Bordkonnossemente. Alte Konnossemente annehmbar."
Die Mitteilung der Bank of America enthielt die vorgedruckte Bemerkung
    (übersetzt):
    "Wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt wird, ist dieser Kredit den vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten'Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive'unterworfen."
Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. liess der Bank Hofmann AG nach der Verschiffung von zwei Posten zu je 300 Ballen Baumwolle die folgenden Urkunden vorlegen:
1.- die unterzeichneten Rechnungen Nr. 434 und 435 vom 22. September 1958, lautend auf US-Dollar 48'780.56 bzw. 48'813.48 in je drei Exemplaren;
2.- für jeden Posten eine Erklärung von Wilkens & Company, Inc., vom 5. September 1958, wonach die Baumwolle nach den Instruktionen des Carl Eduard Albrecht von dieser Gesellschaft mit dem Dampfer "Ernst Blumenfeld" ungefähr zweite Hälfte September von Brownsville nach Bremen zu verschiffen sei und die Klägerin bei Einhaltung dieser Anordnungen die Akkreditivbedingungen erfüllt habe;
3.- zwei volle Sätze Konnossemente vom 22. September 1958 über die Verladung von je 300 Ballen Baumwolle auf dem Dampfer "Ernst Blumenfeld" unter Charterpartie.
Die Bank Hofmann AG wies diese Urkunden als mit den Bedingungen des Akkreditivs nicht übereinstimmend zurück und lehnte die Zahlung der Rechnungen ab.
Über das Vermögen der Gesellschaft Boden & Haac war inzwischen der Konkurs eröffnet worden. Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. verkaufte die in Bremen eingetroffene Ware anderweitig. Sie behauptet, der Erlös liege um US-Dollar 25'341.05 unter der Summe ihrer Rechnungen, der Zinsen, Fracht-, Entlade-, Transport- und Lagergebühren.
B.- Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. klagte beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Bank Hofmann AG auf Verurteilung zur Zahlung von US-Dollar 25'341.05 nebst Zins zu 6% seit 8. Oktober 1958, eventuell entsprechender DM- oder Fr.-Beträge, subeventuell auf Annahme entsprechender Wechsel.
Das Handelsgericht wies am 10. April 1961 die Klage gemäss dem Antrage der Beklagten ab. Es kam zum Schluss, die Urkunden, welche die Klägerin der Beklagten habe einreichen lassen, entsprächen hinsichtlich des Tages der Verschiffung der Ware den Bedingungen des Akkreditives nicht, weshalb offen bleiben könne, ob die Beklagte die Urkunden auch wegen anderer Unstimmigkeiten habe zurückweisen dürfen.
C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr US-Dollar 25'341.05 nebst Zins zu 5% seit 21. Januar 1959 zu zahlen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, sie eventuell abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beklagte meint, das Bundesgericht sei an die Auffassung des Handelsgerichts gebunden, wonach die Verschiffung der Baumwolle am 22. September 1958 nicht im Sinne der Bedingungen des Akkreditivs "ungefähr Mitte September 1958", sondern zu spät erfolgte. Sie macht geltend, in der vorinstanzlichen Auffassung liege eine tatsächliche Feststellung; weder die vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive", noch der gewöhnliche Sprachgebrauch, auf den das Handelsgericht sich berufe, berührten irgendwie Bundesrecht. Auf die Berufung könne daher nicht eingetreten werden.
Das Handelsgericht hält die am 22. September 1958 erfolgte Verschiffung der Ware deshalb für verspätet, weil es unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Sprachgebrauches und der erwähnten "Richtlinien" der Meinung ist, die Wendung "ungefähr Mitte September" sei nicht dahin zu verstehen, dass der 22. noch innerhalb der Frist liege. Damit stellt es nicht einen übereinstimmenden tatsächlichen Parteiwillen fest, sondern legt es den Vertrag aus. Ob es diesen richtig verstehe, ist eine Rechtsfrage (BGE 69 II 319, ff.,BGE 73 II 175, BGE 83 II 307, BGE 85 II 454). Dass es sie unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs entschied, ändert nichts. Es ist nicht eine Tatfrage, wie eine Erklärung im Hinblick auf den üblichen Sinn der Worte vom Empfänger verstanden werden durfte. Auch die Ermittlung des Sinnes der "Richtlinien" gehört nicht dem Gebiete des Tatsächlichen an. Diese Bestimmungen wurden kraft der Verweisung in der Erklärung der Bank of America vom 19. August 1958 zum Vertragsinhalt, wie wenn sie in der Erklärung wörtlich wiedergegeben worden wären (BGE 34 II 639f.,BGE 77 II 155f., BGE 86 II 257). Auslegung der "Richtlinien" bedeutet daher Auslegung des Vertrages. Eine Tatfrage wäre es nur, wie die "Richtlinien" lauten. Deren Wortlaut ist aber nicht streitig.
Die Rechtsfrage nach dem Sinn der Wendung "ungefähr Mitte September" ist nicht nach ausländischem, sondern nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Die Beklagte, die das streitige Akkreditiv ausstellte, hat ihren Sitz in der Schweiz. Akkreditive unterstehen dem Recht am Sitz der Akkreditivbank (Angewiesene) (SCHÖNENBERGER/JÄGGI Allg. Einl. N. 309 und dort zitierte Rechtsprechung).
Vertragliche Wahl eines anderen Rechts durch die Parteien ist nicht behauptet (BGE 87 II 199 f.); vielmehr sind beide Parteien vor der Vorinstanz von der bereits gegebenen Massgeblichkeit des schweizerischen Rechtes ausgegangen.
Wenn die Auffassung der Klägerin, der 22. September 1958 als Verschiffungstag habe den Bedingungen des Akkreditivs entsprochen, richtig ist, verletzt das angefochtene Urteil somit Bundesrecht. Auf die Berufung ist daher einzutreten (Art. 43 OG).
Diese Auffassung hält nicht stand. Die unter Ziffer 2 der Akkreditivbedingungen genannte Bestätigung von Wilkens & Company, Inc. hatte festzustellen, "dass die Verschiffung ungefähr Mitte September 1958 in Übereinstimmung mit den Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht ... zu gebenden Anordnungen stattgefunden hat" ("that shipment has been arranged about middle of September 1958 in accordance with instructions to be given to you by Mr. Carl Eduard Albrecht. .."). Die Worte "in Übereinstimmung mit den. Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht ... zu gebenden Anordnungen" geben nur Antwort auf die Frage, wie, nicht auch wann die Verschiffung stattzufinden habe. Die Beklagte bestimmte den Zeitpunkt der Verladung abschliessend selber "auf ungefähr Mitte September 1958" und verwies nur bezüglich der anderen Umstände der Verschiffung auf die Anordnungen Albrechts.
3. Das Formular, auf dem die Bank of America der Klägerin am 19. August 1958 vom Akkreditiv Kenntnis gab, enthielt am Fusse die gedruckte Bemerkung, wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt werde ("unless otherwise expressly stated"), sei dieser Kredit den vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive" unterworfen. Eine ausdrückliche Bestimmung darüber, was die Beklagte unter "Mitte September" verstehe, enthielt die Mitteilung nicht. Der Inhalt dieses Begriffes ist daher dem Art. 47 der "Richtlinien" zu entnehmen, der lautet: "Die Ausdrücke ,Anfang', ,Mitte', oder ,Ende' eines Monats sind auszulegen als vom 1. bis 10., vom 11. bis 20. und vom 21. bis zum letzten Tage eines jeden Monats, immer einschliesslich gemeint." Darnach war unter "Mitte September" eine vom 11. bis und mit 20. September reichende Frist zu verstehen, nicht der 15. September, wie es nach Art. 76 Abs. 2 OR zuträfe, wenn die Vertragschliessenden sich nicht auf die Anwendung der "Richtlinien" geeinigt hätten.
Die Beklagte machte ihre Verpflichtung aus dem Akkreditiv nicht von der Verschiffung "Mitte September 1958" abhängig, sondern ergänzte diese Wendung durch "ungefähr" ("about"). Über dieses Wort darf nicht hinweggesehen werden. Die Klägerin durfte voraussetzen, dass die Beklagte als Akkreditivbank nicht Ausdrücke ohne Sinn verwende.
"Ungefähr Mitte September" ist nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte den Begriff "Mitte" wie Art. 47 der "Richtlinien" ihn umschreibt, abgelehnt habe, so dass sein Sinn dem Art. 76 Abs. 2 OR oder dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen wäre. Auf Art. 76 Abs. 2 OR oder den allgemeinen Sprachgebrauch könnte die Beklagte sich nur berufen, wenn sie die "Richtlinien" in diesem Punkte ausdrücklich als nicht massgebend erklärt hätte. Sie hat ja selber der Klägerin durch die Bank of America erklären lassen, die "Richtlinien" seien massgebend, "wenn nicht ausdrücklich (expressly) anders bestimmt werde". Die Wendung "ungefähr Mitte September 1958" enthält nicht eine ausdrückliche Ablehnung des Begriffs "Mitte", wie ihn Art. 47 der "Richtlinien" versteht, sondern bedeutet nur, dass es der Beklagten auf die strenge Einhaltung der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Frist vom 11. bis 20. September 1958 nicht ankomme, sie vielmehr ihre Verpflichtung aus dem Akkreditiv schon erfüllen werde, wenn diese Frist "ungefähr" beachtet werde.
Dass eine bestimmte Frist nur ungefähr eingehalten zu werden brauche, heisst vernünftigerweise nicht, dass sie kürzer, sondern dass sie etwas länger bemessen werde, d.h. dass die Handlung schon ein wenig vor dem Anfangs- und auch noch ein wenig nach dem Endtermin vorgenommen werden könne. Denn um etwas später als am Anfang oder etwas früher als am Ende des vereinbarten Zeitraumes handeln zu dürfen, braucht der Verpflichtete keiner besonderen Erlaubnis. "Ungefähr Mitte September" bedeutet deshalb, dass die Verschiffung schon vor dem 11. und auch nach dem 20. September zulässig sei, wobei sie allerdings weder viel früher noch viel später stattfinden solle.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Beklagte habe sich damit pleonastisch ausgedrückt, weil sich schon aus Art. 47 der "Richtlinien" ergebe, dass die Verschiffung nicht genau in der Mitte des Monats zu erfolgen brauchte. Wer so überlegt, geht unzutreffenderweise davon aus, dass unter "Mitte" wie nach Art. 76 Abs. 2 OR oder nach allgemeinem Sprachgebrauch ein bestimmter Kalendertag zu verstehen sei. Im vorliegenden Falle bedeutet "Mitte" einen Zeitraum von zehn Kalendertagen, nämlich den 11. bis 20. des Monats. Indem die Beklagte von "ungefähr Mitte" sprach, dehnte sie diese Frist aus, nicht den in Art. 76 Abs. 2 OR umschriebenen oder den im allgemeinen Sprachgebrauch massgebenden Zeitbegriff.
Die Beklagte geht fehl, wenn sie einwendet, gemäss Art. 35 Abs. 1 der "Richtlinien" bewirkten Ausdrücke wie "etwa" oder "circa" nur Abweichungen vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge oder vom Stückpreis; für die Zeitbestimmungen gemäss Art. 46-48 der "Richtlinien" seien sie unbeachtlich. Art. 35 Abs. 1 lautet: "Die Ausdrücke "etwa", "circa" oder ähnliche sind dahin auszulegen, dass eine Abweichung von 10% nach oben oder nach unten vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge oder vom Stückpreis der Ware je nach dem, wo die Ausdrücke in den Anweisungen verwendet werden, statthaft ist." Das ist nur eine Regel für die Auslegung von Ausdrücken. Sie bedeutet nicht, dass Worte wie "etwa", "circa", "ungefähr" als nicht geschrieben zu gelten haben, wenn sie bei Zeitangaben stehen.
Über den Ausdruck "ungefähr" kann auch nicht mit der Begründung hinweggesehen werden, die Bedingungen eines Akkreditivs seien streng auszulegen. Eine solche Auslegung setzt Strenge in der Fassung der Erklärungen voraus. Wer unbestimmte, verschwommene, vieldeutige Ausdrücke verwendet, gibt zu erkennen, dass es ihm auf Genauigkeit nicht ankommt. Daran ändert es nichts, dass die einleitenden "Allgemeinen Bemerkungen" der "Richtlinien" in Abs. 2 sagen: "In Dokumenten-Akkreditiven enthaltene Weisungen müssen in jeder Hinsicht vollständig und genau sein; technische Ausdrücke oder überflüssige Einzelheiten sind zu vermeiden, damit Irrtümern und Missverständnissen vorgebeugt wird." Das ist eine blosse Empfehlung. Sie mag dafür sprechen, dass die Beteiligten im einzelnen Falle auf genaue Befolgung der Weisungen tatsächlich Wert legten. Sie bedeutet aber nicht, dass der Spielraum, den ein verschwommener Ausdruck offen lässt, als nicht vereinbart oder möglichst eng zu gelten habe.
Wenn eine Handlung schon ein wenig vor dem 11. und noch ein wenig nach dem 20. des Monats vorgenommen werden darf, ist sie innerhalb von Zeiträumen zulässig, die nach Art. 47 der "Richtlinien" mit "Anfang" bzw. "Ende" des Monats bezeichnet werden können. Das ist jedoch kein Grund, "ungefähr Mitte" nicht im erwähnten Sinne auszulegen. Die Beklagte gab damit zu erkennen, dass ihr auch noch ein gewisser Teil vom "Anfang" und ein gewisser Teil vom "Ende" des Monats für die Verschiffung passe. Da ihr weder der ganze "Anfang" noch das ganze "Ende" genehm war, konnte sie weder "Anfang oder Mitte" noch "Mitte oder Ende" noch "im September" sagen. Die Parteien waren zudem nicht verpflichtet, die in Art. 47 der "Richtlinien" vorgesehenen Ausdrücke zu verwenden. Sie konnten irgendwie ausdrücken, innerhalb welcher Zeit die Verschiffung stattzufinden habe. Sie hätten z.B. sagen können, "frühestens am 9. und spätestens am 22. September" oder "zwischen dem 8. und dem 23. September". Dass die Beklagte die Wendung "ungefähr Mitte September" vorzog, ist kein Grund, sie nicht dabei zu behaften, dass die Verschiffung an einem nicht zu weit vor dem 11. bzw. nicht zu weit nach dem 20. September liegenden Tag erfolgen könne.
Diese Behaftung entspricht den für die Auslegung von Verträgen massgebenden Grundsätzen. Nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtes anerkannten Vertrauenstheorie sind Willenserklärungen Vertragschliessender so auszulegen, wie sie nach Treu und Glauben von der Gegenpartei verstanden werden durften (BGE 69 II 322, BGE 80 II 31 f.). Unklarheiten im Ausdruck gehen zu Lasten jener Partei, welche die Erklärung verfasst hat (BGE 48 II 246,BGE 50 II 543, BGE 81 II 159). Das ist im vorliegenden Falle die Beklagte. Die Klägerin durfte sich darauf verlassen, dass die Gegnerin sich anders ausgedrückt hätte, wenn sie die Verschiffung streng innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis 20. September hätte vorschreiben wollen. Die Umstände lassen denn auch Gründe für einen etwas weiteren Spielraum erkennen. Als das Akkreditiv eröffnet wurde, wussten die Beteiligten noch nicht, welche Gelegenheit zur Verschiffung der Ware sich bieten werde, sonst hätten sie nicht die Anordnungen Albrechts für die Verladung als massgebend erklärt und wären sie nicht noch heute uneins, ob die Verladung auf ein Charterschiff habe zugelassen werden wollen. Die Klägerin durfte um so mehr annehmen, das Wort "ungefähr" räume ihr eine gewisse über den Begriff "Mitte September" hinausgehende Freiheit in der Wahl des Verladetages ein, als ein kurzer Aufschub dem nicht leicht verderblichen Frachtgut nicht schaden konnte.
Diese Bestimmung ist jedoch nach ihrem Wortlaut, wie die Beklagte in erster Linie selber geltend macht, nur auf Abweichungen vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge und vom Stückpreis anwendbar. Wie die Zeitbestimmungen auszulegen seien, führen die "Richtlinien" in den Art. 46-48 aus. Hier hätte es gesagt werden müssen, wie die Ausdrücke "ungefähr", "etwa" und dgl. in Verbindung mit Zeitangaben zu verstehen seien. Es ist denn auch nicht üblich, im Geschäftsverkehr die Zeit in Prozenten einer Einheit zu bezeichnen, wie das bei Geldbeträgen, Warenmengen und Stückpreisen vorkommt.
Da die "Richtlinien" über die Bedeutung von "ungefähr" in Verbindung mit Zeitangaben schweigen, ist der Sinn des Ausdruckes dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen. Darnach kann nicht zweifelhaft sein, dass eine Frist von "ungefähr" zehn Tagen mit einer Überschreitung von nur zwei Tagen unter Umständen, wie sie hier vorliegen, nicht verpasst ist. Hätte die Beklagte eine strengere Auffassung dem Vertrag zugrunde legen wollen, so hätte sie sich nach Treu und Glauben deutlicher ausdrücken müssen, zumal sie in kaufmännischen Belangen ebenso erfahren ist wie die Klägerin und die in Abs. 2 der "Allgemeinen Bemerkungen" der "Richtlinien" enthaltene Empfehlung kannte.
5. Da die Beklagte schon im kantonalen Verfahren geltend machte, die Klägerin habe auch andere Bedingungen des Akkreditives nicht erfüllt, und da das Handelsgericht sich auch über den Umfang der allfälligen Verpflichtung der Beklagten noch nicht ausgesprochen hat, muss die Sache zu neuer Beurteilung zurückgewiesen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. April 1961 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.