46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1961 i.S. Verband Schweiz. Gerbereien gegen Spörry & Schaufelberger A.-G.
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Regeste
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Täuschungsgefahr, Art. 1 Abs. 2 lit. b und d UWG.
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Sachverhalt
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Die beklagte Firma Spörry & Schaufelberger AG vertreibt seit über 10 Jahren einen von ihr hergestellten Plastic-Kunststoff unter der Bezeichnung "Plasticleder". Dieser Kunststoff dient unter anderem zur Herstellung von Artikeln, für welche auch Leder verwendet werden kann, wie Koffer, Taschen, Mappen, Möbelbezüge und dergleichen.
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Der Kläger, der Verband Schweiz. Gerbereien, ein Verein mit Sitz in Zürich, ist der Auffassung, die Bezeichnung "Plasticleder" sei geeignet, die Kundschaft zu der Annahme zu verleiten, die damit bezeichneten Waren seien aus echtem Leder hergestellt. Seine deswegen erhobene Klage wegen unlauteren Wettbewerbs wurde vom Handelsgericht Zürich abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigt.
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Aus den Erwägungen:
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Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, dass das im Ausdruck "Plasticleder" enthaltene Wort "Leder" auf ein aus tierischer Haut erzeugtes, durch Gerben bearbeitetes Naturprodukt hinweist. Das Wort "Leder" als solches stellt somit eine Beschaffenheitsangabe des genannten Inhalts dar.
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Die von der Beklagten unter der Bezeichnung "Plasticleder" vertriebene Ware ist dagegen nicht ein Ledererzeugnis im dargelegten Sinn, sondern ein Kunststofferzeugnis. Es ist daher zu untersuchen, ob diese Beschaffenheit der Ware der Beklagten durch die Verbindung des Wortes "Leder" mit dem Wort "Plastic" bei den Kreisen, die als Interessenten und Abnehmer in Betracht fallen, mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, d.h so, dass die Gefahr einer Verwechslung der Ware der Beklagten mit Erzeugnissen aus tierischem Leder behoben wird.
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Wie der Kläger an sich zutreffend hervorhebt, ist der Begriff "Leder" älter als der Begriff "Plastic", und es kommt jenem im allgemeinen Sprachgebrauch daher vor diesem die Priorität zu. Die Wortverbindung "Plasticleder" besitzt somit die erforderliche Unterscheidungskraft im Verhältnis zwischen den konkurrierenden Waren der Beklagten und den echten Ledererzeugnissen nur, wenn der Zusatz "Plastic" geeignet ist, die Beschaffenheitsangabe des Wortes "Leder" zu entkräften. Ob diese Voraussetzung erfüllt sei, bemisst sich nach der Verkehrsauffassung, d.h. danach, wie die Abnehmerkreise der Ware der Beklagten die Wortverbindung "Plasticleder" auffassen (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl., S. 388, N. 45). Dabei ist auf die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Vor allem ist die Bedeutung massgebend, welche der heutige Sprachgebrauch und das heutige Sprachempfinden der angesprochenen Käuferkreise den Worten "Leder" und "Plastic" und ihrer Verbindung beimessen. Entgegen der Meinung des Klägers kommt es dabei jedoch nicht auf die Auffassungsgabe der "Einfachen und Beschränkten" an. Entscheidend ist vielmehr, wie der normalbegabte Durchschnittskäufer bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit im täglichen Geschäftsverkehr die fragliche Warenbezeichnung tasächlich versteht. Die vom Kläger namentlich im kantonalen Verfahren vorgetragenen sprachwissenschaftlichen und historischen Erörterungen sind der Käuferschaft von Leder- und Plasticwaren im allgemeinen fremd und für die Ermittlung des Sprachgebrauchs dieses Personenkreises daher unmassgeblich.
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a) In erster Linie ist darauf hinzuweisen, dass das Wort "Leder" im Zeitpunkt, in dem die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Plasticleder" begann, die Bedeutung einer Beschaffenheitsangabe für gegerbte tierische Haut bereits zum Teil eingebüsst hatte. Denn wie nicht streitig ist, sind seit ungefähr 1830 Werkstoffe, welche Leder imitieren, unter der Bezeichnung "Kunstleder" auf dem Markte. Der Kläger wendet ein, der Ausdruck "Kunstleder" habe sich eingebürgert; die Beifügung des Bestandteils "Kunst-" lasse deutlich erkennen, dass eben ein künstliches Leder vorliege. Hieraus folgt aber ohne weiteres die Unbegründetheit der in der Berufung erneut vertretenen Auffassung, dass zwangsläufig an das Leder aus der tierischen Haut gedacht werde, wenn das Wort "Leder" in irgendeiner Verbindung auftauche. Als die Beklagte vor über 10 Jahren für ihre Erzeugnisse die Bezeichnung "Plasticleder" wählte, war bereits seit langem die Wortverbindung "Kunstleder" als Beschaffenheitsangabe für Leder imitierende Kunststoffe gebräuchlich. Das Wort "Leder" war also schon damals zu einer "schwachen", zum mindesten zu einer nur beschränkt wirksamen Beschaffenheitsangabe geworden.
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b) Zutreffend stellt sodann das Handelsgericht fest, "Plastic" sei in der Schweiz zu einer gebräuchlichen Sachbezeichnung geworden, die der breiten Öffentlichkeit geläufig ist. Der klägerische Einwand, auch heute noch gebe es in der Schweiz eine grosse Zahl von Leuten, welche den Begriff "Plastic" nicht kennen oder wenigstens nicht verstehen, widerspricht der Lebenserfahrung. Die Plastic-Werkstoffe haben im schweizerischen Wirtschaftsleben eine so ausgedehnte Verbreitung gefunden, dass praktisch jedermann, insbesondere auch das grosse Heer der Käufer von Gebrauchsartikeln des täglichen Lebens, das Wort "Plastic" als Bezeichnung für einen Kunststoff kennt. Diese Bezeichnung hat sich im Sprachgebrauch der Abnehmerkreise für Leder- und Kunstledererzeugnisse derart eingebürgert, dass es beim Leser oder Hörer stets eine gedankliche Assoziation mit einem Kunststoff auslöst. Dies trifft sowohl zu, wenn das Wort "Plastic" allein, wie auch wenn es als Bestandteil einer Wortverbindung (z.B. Plasticeimer, Plasticstoff, Plasticvorhang usw.) verwendet wird.
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Es ist deshalb der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten, dass dem Zusatz "Plastic" die Kraft zukommt, die durch den allgemein üblichen Gebrauch der Wortverbindung "Kunstleder" bereits geschwächte Beschaffenheitsangabe des Wortes "Leder" für ein gegerbtes tierisches Fell zu denaturieren. Damit entfällt die Gefahr, dass die Abnehmer von Waren, die als "Plasticleder" bezeichnet werden, diese mit Erzeugnissen aus echtem Leder verwechseln.
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