BGE 88 II 477 |
68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. November 1962 i.S. A. und G. gegen A. und G. |
Regeste |
Anfechtung der Ehelichkeit; Klagerecht des Kindes. |
Der Prozess kann von einem gesetzlichen Vertreter des Kindes in dessen Namen geführt werden (Erw. 4). |
Die Klage ist gegen den in den Zivilstandsregistern als Vater eingetragenen Mann und gegen die Mutter zu richten (Erw. 5). |
Das Kind verwirkt das Klagerecht jedenfalls solange nicht, als es unmündig ist (Erw. 6). |
Materiell unterliegt die Klage des Kindes den gleichen Voraussetzungen wie diejenige des Ehemannes (Erw. 7). |
Sachverhalt |
A.- Mit Urteil vom 11. Mai 1950, das den Parteien am 21. August 1950 zugestellt und infolge unbenützten Ablaufs der 14tägigen Berufungsfrist am 5. September 1950 rechtskräftig wurde, schied das Bezirksgericht St. Gallen die seit 1941 verheirateten Eheleute A.-B. von Laax (Graubünden) wegen entehrenden Verbrechens des Mannes und zur Hauptsache von ihm verschuldeter tiefer Zerrüttung sowie wegen Ehebruchs der Frau. In seinen Erwägungen stellte es fest, die - unmittelbar vor der Niederkunft stehende - Ehefrau habe im Laufe des letzten Jahres, während sich der Ehemann in Strafhaft befunden habe, mit G. ehebrecherische Beziehungen angeknüpft; ihre Schwangerschaft sei "zweifellos auf dieses Verhältnis zurückzuführen."
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Am 17. Mai 1950 gebar die Ehefrau ein Mädchen. Obwohl sie in ihren Aussagen vor dem Instruktionsrichter vom 25. April 1950, die dem Ehemann zur Kenntnis gebracht wurden, erklärt hatte, es sei ihr erwünscht, wenn ihr Mann "möglichst bald Aberkennungsklage gegen das werdende Kind einleitet", unterliess es dieser, die Ehelichkeit des in den Zivilstandsregistern als sein Kind eingetragenen Mädchens anzufechten.
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B.- Nachdem die bisherige Ehe G.s geschieden worden war, verheiratete sich dieser am 9. November 1956 mit Frau B. gesch. A. Das am 17. Mai 1950 geborene Mädchen, um das A. sich nie gekümmert hatte, wurde wie der am 18. Mai 1952 geborene, durch diese Heirat legitimierte Knabe in den ehelichen Haushalt aufgenommen.
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C.- Auf Gesuch der Eheleute G.-B. vom 12. Juli 1961 bestellte das Waisenamt der Stadt St. Gallen diesem Mädchen am 14. Juli 1961 einen Beistand mit dem Auftrag, seine Ehelichkeit anzufechten. Der Beistand leitete am 11. Oktober 1961 beim Vermittleramt des Kreises Ilanz und am 17. November 1961 beim Bezirksgericht Glenner eine entsprechende Klage gegen A. und die Mutter des Kindes ein. G. nahm als Intervenient auf Seiten des Kindes am Prozesse teil. Das Bezirksgericht schützte die Klage. Das Kantonsgericht von Graubünden hat sie dagegen mit Urteil vom 15. Juni 1962 gemäss Antrag des Beklagten A. abgewiesen, weil dem Kind kein Klagerecht zustehe.
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D.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht erneuern der Beistand des Kindes und der Intervenient das Klagebegehren. Der Beklagte A. schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
"Ist der Ehemann vor Ablauf der Anfechtungsfrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, oder ist er unbekannten Aufenthaltes, oder ist es aus anderem Grunde nicht möglich, ihm die Geburt mitzuteilen, so kann jedermann, der neben oder hinter dem Kinde erbberechtigt ist, binnen drei Monaten, nachdem er von der Geburt Kenntnis erhalten hat, die Ehelichkeit anfechten.
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Bei Zeugung vor Abschluss der Ehe kann die Ehelichkeit des Kindes, auch wenn es vom Ehemann anerkannt ist, durch die zuständige Behörde des Heimatkantons angefochten werden, falls nachgewiesen wird, dass dieser unmöglich der Vater des Kindes sein kann."
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Aus dieser Regelung hat das Bundesgericht in BGE 44 (1918) II 224 den Schluss gezogen, nach dem ZGB sei unter Vorbehalt der in Art. 256 abschliessend aufgezählten Ausnahmefälle einzig der Ehemann berechtigt, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten; der Mutter und dem Kinde stehe dieses Recht nicht zu; das Gesetz weise in diesem Punkte keine Lücke auf. In BGE 49 II 319 (Nr. 44) hat es an dieser Auffassung festgehalten; ebenso im ausführlich begründeten Entscheide BGE 73 (1947) II 203 (vgl. auch BGE 78 I 3), obwohl inzwischen mehrere Autoren und kantonale Gerichte dagegen Stellung genommen und das Anfechtungsrecht des Kindes bejaht hatten (vgl. hiezu die Hinweise bei HEGNAUER, N. 9 zu Art. 253 ZGB; wenn BGE 73 II 203 als Gegner der bundesgerichtlichen Praxis neben GAUTSCHI, SJZ 18-1921/22 S. 317, LEEMANN, SJZ 29-1932/33 S. 273, COMMENT, ZBJV 71-1935 S. 541, SANDMEIER, Die Ehelichkeitsvermutung und ihre Anfechtung, 1938, S. 124 ff., und EGGER, 2. Aufl. 1943, N. 3/4 zu Art. 253 ZGB, auch SILBERNAGEL, 2. Aufl. 1927, N. 3 zu Art. 253 ZGB, und BRIDEL, La règle "Pater is est...", 1927, S. 63, 123 ff. und 156 ff., nennt, so ist diese Angabe dahin zu berichtigen, dass die beiden zuletzt genannten Autoren zwar ein Anfechtungsrecht des Kindes bezw. der Staatsanwaltschaft als wünschbar bezeichnen, das Bestehen eines solchen aber de lege lata verneinen). Die Kritik ist indessen seit dem Entscheide BGE 73 II 203 nicht verstummt. Vielmehr mehren sich die Lehrmeinungen und die - mangels Weiterziehung rechtskräftig gewordenen - Entscheidungen kantonaler Gerichte, die dem Kind das Klagerecht einräumen (vgl. die bei HEGNAUER a.a.O. angeführten Literaturstellen und Entscheide aus der Zeit nach 1947; ferner JACCARD, La représentation des incapables privés de discernement dans l'exercice de leurs droits strictement personnels, 1955, S. 72/73, und BAUMANN, Die höchstpersönlichen Rechte des Bevormundeten, in Zeitschrift für Vormundschaftswesen 1956, S. 6). In neuester Zeit haben sich ausser einem Urteil des Tribunal civil de l'arrondissement de la Veveyse vom 22. Mai 1959 (SJZ 1960 S. 206) namentlich der Kommentar HEGNAUER (N. 10 zu Art. 253 ZGB; grundsätzlich zustimmend die Besprechung von HINDERLING, SJZ 1961 S. 309) und ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. Mai 1960 (SJZ 1960 S. 329) mit einlässlicher Begründung zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts in Gegensatz gestellt. Es rechtfertigt sich daher, diese Rechtsprechung neu zu überprüfen.
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Der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes lassen nicht sicher erkennen, wie es in diesem Punkte zu verstehen sei. Keine der genannten Bestimmungen sagt ausdrücklich, dass die Ehelichkeit allein vom Ehemann und gegebenenfalls (wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür zutreffen) von den "andern Berechtigten" im Sinne von Art. 256 angefochten werden könne. Die Vorschrift von Art. 253 Abs. 2, die in BGE 73 II 204 dahin ausgelegt wurde, dass sie das Kind "schlechthin" in die Beklagtenrolle verweise, bedeutet nach Wortlaut und Zusammenhang in Wirklichkeit nur, dass die in Art. 253 Abs. 1 vorgesehene Klage des Ehemanns gegen das Kind und die Mutter zu richten sei. Mit der Frage, ob auch das Kind auf Anfechtung der Ehelichkeit klagen könne oder nicht, befasst sich diese Vorschrift nicht. Das Klagerecht des Kindes wird auch dadurch nicht ohne weiteres ausgeschlossen, dass das Kind in Art. 256 unter den "andern Berechtigten" nicht genannt wird. Wortlaut und Zusammenhang lassen die Auslegung zu, diese Bestimmung wolle nur sagen, in welchen Fällen andere Personen als der Ehemann gegen das Kind und die Mutter klagen können. Umgekehrt kann aus Wortlaut und System des Gesetzes aber auch nicht gefolgert werden, dass ausser den darin ausdrücklich als berechtigt bezeichneten Personen noch andere, insbesondere das Kind, die Ehelichkeit anfechten können.
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Auch die Erforschung der Umstände, unter denen die Art. 253 ff. ZGB entstanden sind, liefert, wie das zürcherische Obergericht im angeführten Urteil (SJZ 1960 S. 329/30) zutreffend dargelegt hat, keine schlüssigen Anhaltspunkte für die Entscheidung der massgebenden Frage. Was über diese Umstände feststellbar ist, schliesst insbesondere entgegen der in BGE 73 II 204 /05 vertretenen Ansicht die Möglichkeit nicht aus, dass bei Erlass des ZGB das Problem der Klageberechtigung des Kindes übersehen wurde. Richtig ist zwar, dass diese Frage bei der Ausarbeitung des deutschen BGB geprüft und negativ beantwortet worden war (Motive zu dem Entwurfe eines BGB für das Deutsche Reich, IV, 1888, S. 658 ff.). Auch waren in der Schweiz schon vor dem Erlass des ZGB vereinzelt Klagen eingeleitet worden, mit denen das Kind oder die Mutter die Ehelichkeit anzufechten versuchten (vgl. die Hinweise bei SANDMEIER a.a.O. S. 121/22). Daraus folgt aber keineswegs mit Sicherheit, dass bei der Schaffung des ZGB die - in EUGEN HUBERS System und Geschichte des schweiz. Privatrechts (I, 1886, S. 393 ff.) und in den Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (1. Ausg., 1. Heft S. 235 f.; 2. Ausg., I S. 253 f.) nicht berührte - Frage, ob das Kind klageberechtigt sein solle, bedacht worden sei. Die Bemerkung in der bundesrätlichen Botschaft, zur Anfechtung sei regelmässig nur der Ehemann berechtigt, "jedenfalls niemand neben ihm" (BBl 1904 IV S. 34), dürfte darauf zurückgehen, dass in der Expertenkommission die Frage gestellt und verneint worden war, ob die Mutter die Ehelichkeit anfechten könne (vgl. die näheren Angaben im zit. Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich). Auf jeden Fall aber lässt sich nicht sagen, bei Erlass des ZGB habe die klare und bestimmte, auch für die Adressaten des Gesetzes erkennbare Vorstellung gewaltet, dass das Kind kein Klagerecht besitze. Selbst wenn es sich aber noch so verhielte, wäre dies für die Auslegung des Gesetzes nicht schlechthin massgebend, sondern bliebe zu prüfen, ob triftige Gründe ein Abweichen von der damals herrschenden Auffassung gebieten (vgl. MEIER-HAYOZ N. 217 zu Art. 1 ZGB).
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Eine Gesetzesrevision, bei welcher die Gelegenheit zur Regelung der streitigen Frage bestanden hätte, aber trotz den in Lehre und Rechtsprechung darüber entstandenen Diskussionen nicht ergriffen worden wäre, was allenfalls als negative Stellungnahme des Gesetzgebers gedeutet werden könnte (vgl. BGE 76 II 62), hat nicht stattgefunden.
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Unter diesen Umständen ist allein auf Grund der ratio legis und der Würdigung der im Spiel stehenden Interessen zu entscheiden, ob die in Art. 253 ff. ZGB enthaltenen Vorschriften darüber, wer die Ehelichkeit anfechten könne, als erschöpfend zu gelten haben oder ob das Gesetz in diesem Punkt eine Lücke aufweise. Dabei ist zu beachten, dass die Annahme einer Lücke nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn der Richter das Fehlen einer gewissen Vorschrift als unbefriedigend empfindet. Eine Lücke darf dagegen nach der wohlbegründeten neuern Lehre angenommen werden, wenn keine schlüssigen Argumente dafür vorliegen, dass das Gesetz die betreffende Frage abschliessend ordne, sondern wenn sich im Gegenteil ergibt, dass die gesetzliche Regelung "nach den dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Wertungen und Zwecksetzungen", "gemessen an seiner (des Gesetzes) eigenen Absicht und Teleologie" als unvollständig und damit ergänzungsbedürftig erscheint, m.a.W. wenn eine "planwidrige Unvollständigkeit" besteht (MEIER-HAYOZ N. 276 zu Art. 1 ZGB, LARENZ S. 286).
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3. Das ZGB ist, wie in BGE 44 II 225 und BGE 73 II 205 /06 angenommen, zweifellos bestrebt, den familienrechtlichen Beziehungen, insbesondere auch dem ehelichen Kindesverhältnis, im Interesse der Allgemeinheit Festigkeit zu verleihen. Dieses Bestreben war aber bei der Regelung der ehelichen Abstammung nicht allein wegleitend. Die in Art. 252 ZGB aufgestellte Vermutung der Ehelichkeit ist nicht unwiderlegbar. Vielmehr können nach Art. 253 ff. der Ehemann und unter Umständen weitere Berechtigte beim Zutreffen bestimmter Voraussetzungen die Ehelichkeit anfechten. In diesen Fällen räumt also das Gesetz dem individuellen Interesse der Klageberechtigten daran, dass die Rechtslage mit der wahren Abstammung in Einklang gebracht wird, gegenüber dem erwähnten öffentlichen Interesse den Vorrang ein.
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Ein Kind, das nicht vom Ehemann seiner Mutter gezeugt wurde, dürfte in der Regel daran interessiert sein, den ehelichen Stand, den es kraft Art. 252 ZGB erlangt hat, beizubehalten. Auch es kann jedoch in gewissen Fällen ein Interesse daran haben, die wahre Abstammung zur Geltung zu bringen. So kann es sich namentlich dann verhalten, wenn die Ehe der Mutter mit dem Manne, der nach Art. 252 ZGB als sein Vater gilt, aufgelöst worden ist und die Mutter seinen Erzeuger geheiratet hat. In diesem Falle verschafft ihm die Beseitigung der Vermutung, dass es vom frühern Ehemann seiner Mutter abstamme, gemäss Art. 258 ZGB die Stellung eines ehelichen Kindes seines wirklichen Vaters. Diese Stellung zu erhalten, kann für das Kind nicht nur in wirtschaftlicher, sondern vor allem auch in persönlicher Beziehung von grosser Bedeutung sein; dies zum mindesten dann, wenn es, wie das in solchen Fällen wohl meistens zutrifft, bei der Mutter und seinem wirklichen Vater lebt. Als Kind eines andern Mannes als des wirklichen Vaters gelten zu müssen, kann bei dieser Sachlage die Stellung des Kindes in der Umwelt erschweren und sein seelisches Wohl, namentlich seine innere Sicherheit, ernstlich beeinträchtigen. Das Kind kann also ein ebenso gewichtiges Interesse haben wie der Ehemann, die Ehelichkeit anfechten zu können.
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Dass die Befugnis hiezu gleichwohl unter allen Umständen dem Ehemann und den "andern Berechtigten" im Sinne von Art. 256 ZGB vorbehalten bleiben müsse, wird entgegen der Auffassung, die in den erwähnten Präjudizien vertreten wurde, nicht durch ein öffentliches Interesse gefordert. Wenn zur Ermöglichung der Legitimation durch den wirklichen Vater auch dem Kind erlaubt wird, die Ehelichkeit anzufechten, so schafft dies keine Gefahr für die Stabilität der Familie im allgemeinen. Die Ehelichkeitsvermutung behält ihre grundlegende Bedeutung für die Familienrechtsordnung, sofern dem Kind die Anfechtung der Ehelichkeit nicht unter leichtern Voraussetzungen gestattet wird als den übrigen Berechtigten (vgl. Erw. 7 hienach). Dass wenigstens im einzelnen Fall eine Gefährdung der Familie zu befürchten sei, wenn dem Kinde bei Auflösung der frühern Ehe und Wiederverheiratung der Mutter das Anfechtungsrecht zugestanden wird, kann ebenfalls nicht anerkannt werden. Im übrigen darf normalerweise erwartet werden, dass die Vormundschaftsbehörden, ohne deren Mitwirkung ein solcher Prozess im Namen eines minderjährigen Kindes nicht eingeleitet werden kann (Art. 392 Ziff. 2 und Art. 421 Ziff. 8 ZGB), leichtfertige oder missbräuchliche Klagen verhindern. Dass die Beschränkung des Klagerechts auf die im ZGB ausdrücklich als berechtigt bezeichneten Personen als "starke Hemmung vor ehelicher Untreue" wirke (BGE 73 II 206), ist nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen.
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Das Argument, das "grundsätzlich ausschliessliche Anfechtungsrecht" des Ehemanns folge notwendigerweise aus der Treuepflicht der Frau und aus der gesetzlichen Ehelichkeitsvermutung, deren Gegenstück es bilde (BGE 73 II 205), vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Der betrogene Ehemann ist zwar allein befugt, darüber zu befinden, ob und allenfalls welche Folgerungen rechtlicher Natur er gegenüber der untreuen Ehefrau aus ihrem Fehltritt ziehen, insbesondere ob er deswegen die Scheidung verlangen will oder nicht. Dagegen lässt sich aus der Treuepflicht der Ehefrau und aus der Tatsache, dass der Ehemann die Kinder seiner Frau trotz allen Verdachtsgründen als die seinen gelten lassen muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung der Ehelichkeit nicht gegeben sind, keineswegs ableiten, dass es beim Zutreffen dieser Voraussetzungen ausschliesslich von seinem Belieben abhängen müsse, ob die Kinder rechtlich seine ehelichen Kinder bleiben sollen, selbst wenn sie bei Aberkennung der Ehelichkeit sogleich von ihrem wirklichen Vater legitimiert würden. Es widerspricht den dem ZGB zugrunde liegenden, dem Wohl der Kinder grösste Bedeutung beimessenden Anschauungen über die Familie, in einer derart wichtigen Angelegenheit, die nicht nur den Ehemann, die schuldige Frau und ihren Partner, sondern vor allem auch die Kinder angeht, den Willen des Ehemannes als allein massgebend zu betrachten und den Kindern bezw. den zu ihrem Schutz berufenen vormundschaftlichen Organen die Möglichkeit vorzuenthalten, ihre Interessen selbständig zu wahren. Eine solche streng patriarchalische Auffassung ist auf jeden Fall heute nicht mehr zeitgemäss.
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Dass der Ehemann unter Umständen den begreiflichen Wunsch haben kann, den Schein der Ehelichkeit der von einem Dritten gezeugten Kinder seiner Frau aufrechtzuerhalten, lässt sich freilich nicht leugnen (vgl. AUBERT, Les actions de la filiation en droit civil suisse, 1955, S. 171). Dieser Wunsch pflegt jedoch nach Auflösung der Ehe (zumal nach Scheidung wegen Ehebruchs) nicht mehr so stark empfunden zu werden wie bei fortdauernder Ehe. Wenn der Ehemann trotz Auflösung der Ehe die Ehelichkeit der von seiner Frau im Ehebruch empfangenen Kinder nicht anficht, so beruht dies häufig auf blosser Gleichgültigkeit (hie und da sogar auf der Absicht, der geschiedenen Frau und ihrem Partner Unannehmlichkeiten zu bereiten). Wie dem aber auch sei, so verdient auf alle Fälle das Interesse des Kindes daran, seine wahre Ehelichkeit zu erlangen, mehr Schutz als das Interesse des früheren Ehemannes daran, weiterhin als Vater des betreffenden Kindes zu gelten und nicht als betrogener Ehemann dazustehen.
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Wenn Art. 256 ZGB für gewisse Fälle die Anfechtung der Ehelichkeit durch andere Personen als den Ehemann zulässt, so macht dies ein eigenes Anfechtungsrecht des Kindes nicht etwa überflüssig. Aus Art. 256 ZGB lässt sich im Gegenteil ein Argument zugunsten dieses Rechts gewinnen. Indem diese Bestimmung für den Fall der Verhinderung des Ehemanns jeder neben oder hinter dem Kinde erbberechtigten Person die Anfechtung der Ehelichkeit gestattet, lässt sie die Anfechtungsklage zur Wahrung vorwiegend oder rein materieller Interessen zu. Für ein Kind, das im Falle der Aberkennung der Ehelichkeit auf die Legitimation durch seinen wirklichen Vater rechnen kann, stehen dagegen, wie dargetan, oft nicht nur wirtschaftliche, sondern auch starke persönliche Interessen auf dem Spiele. Unter der Herrschaft eines Gesetzes, das sich wie das ZGB den Schutz der Persönlichkeit besonders angelegen sein lässt, wäre es ungereimt, diesen Interessen den Schutz durch das Mittel der Anfechtungsklage grundsätzlich zu versagen, während dieser Rechtsbehelf andern Personen zu Gebote steht, selbst wenn sie damit nur materielle Vorteile verfolgen.
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Bei der Klage auf Anfechtung der Ehelicherklärung (Art. 262 ZGB), die eine ähnliche Funktion erfüllt wie die Anfechtungsklage im Sinne von Art. 253 ff., hat denn auch die Rechtsprechung das Klagerecht des Kindes schon längst bejaht, obwohl Art. 262 nur die erbberechtigten Verwandten der Eltern sowie die zuständige Behörde des Heimatkantons des Vaters, nicht auch das Kind selber als klageberechtigt bezeichnet (BGE 40 II 299).
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Eine Klage des Kindes nur bei "eigentlich missbräuchlicher Nichtausübung" des Anfechtungsrechts durch den Ehemann "in Anwendung von Art. 2 ZGB" zuzulassen, welche Möglichkeit das Bundesgericht in BGE 73 II 207 /08 angedeutet hat, ohne dazu näher Stellung zu nehmen, würde nicht genügen, um die legitimen Interessen des Kindes hinlänglich zu schützen. Im übrigen ist zweifelhaft, ob es möglich wäre, in der Unterlassung einer Klage durch den Ehemann einen Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 ZGB zu erblicken und diesem dadurch zu begegnen, dass ausnahmsweise eine Klage des Kindes zugelassen würde (vgl. HEGNAUER N. 10 a.E. zu Art. 253 ZGB mit Hinweisen). Dagegen können auf Grund von Art. 2 ZGB missbräuchliche Klagen des Kindes abgewehrt werden, falls solche trotz der Kontrolle, welche die Vormundschaftsbehörden während der Minderjährigkeit des Kindes auszuüben vermögen, vorkommen sollten. Wenn die Gefahr missbräuchlicher Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind sehr erheblich wäre, so hätten solche Missbräuche übrigens in der schon recht reichhaltigen kantonalen Praxis zutage treten müssen, was nicht der Fall zu sein scheint.
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Aus diesen Gründen hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 18. Oktober 1962 in Sachen R., dem ein dem vorliegenden entsprechender Tatbestand zugrunde lag, eine Gesetzeslücke angenommen und das Recht des Kindes zur Anfechtung seiner Ehelichkeit wenigstens für den Fall bejaht, dass die Ehe zwischen der Mutter und dem gemäss Art. 252 ZGB als Vater eingetragenen Manne aufgelöst worden ist und dass die Mutter den Erzeuger des Kindes geheiratet und der frühere Ehemann die Klage versäumt hat. Hieran ist festzuhalten und der Klägerin folglich beim Zutreffen der eben genannten Voraussetzungen das ihr von der Vorinstanz abgesprochene Klagerecht zuzuerkennen. - Zu prüfen, ob allenfalls noch weitere Personen (namentlich die Mutter) als klageberechtigt zu betrachten seien und ob das Kind auch dann klagen könne, wenn es nicht auf die nachfolgende Legitimation durch denwirklichen Vater rechnen kann, sondern bei Gutheissung seiner Anfechtungsklage unehelich bliebe, ist heute so wenig wie in Falle R. notwendig.
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4. Ist dem Kind das Anfechtungsrecht in Fällen wie dem vorliegenden um seiner Persönlichkeit willen zuzugestehen, so stellt sich die Frage, ob dieses Recht nur durch das Kind selber, nachdem es urteilsfähig geworden ist (vgl. Art. 19 Abs. 2 ZGB), oder schon vorher durch einen gesetzlichen Vertreter in seinem Namen ausgeübt werden könne. In BGE 73 II 207 vertrat das Bundesgericht die Auffassung, letzteres müsste wohl verneint werden. Wäre die Ausübung durch einen gesetzlichen Vertreter ausgeschlossen, so vermöchte jedoch das Anfechtungsrecht des Kindes den Interessen, zu deren Schutz es bestimmt ist, in vielen Fällen nicht oder nur mangelhaft zu dienen. Für ein im Ehebruch gezeugtes Kind, das durch den wirklichen Vater legitimiert werden soll, ist es am besten, wenn die Anfechtung der Ehelichkeit und die Legitimation so früh wie möglich erfolgen. Auch liegt es in seinem Interesse, wenn ihm die Vorgänge, die zur Klage Anlass geben, möglichst lange verborgen bleiben. Sollen die Vorteile, welche die Anfechtung dem Kinde bieten soll, nicht weitgehend illusorisch werden, so muss also die Anfechtung durch einen gesetzlichen Vertreter, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist, zugelassen werden (SANDMEIER a.a.O. S. 183; HEGNAUER, N. 11 zu Art. 253 ZGB; HINDERLING a.a.O.).
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Diese Lösung steht nicht etwa mit sonst ausnahmslos geltenden Grundsätzen im Widerspruch. Der Beistand eines ausserehelichen Kindes kann unzweifelhaft in dessen Namen auf Zusprechung mit Standesfolge klagen, obwohl es sich hier wie bei der Anfechtung der Ehelichkeit um eine Angelegenheit handelt, die höchstpersönliche Belange des Kindes berührt, und auch sonst sind zum Schutze der Kinder Eingriffe der Behörden in ihre höchstpersönlichen Angelegenheiten oft unvermeidlich (Art. 157, Art. 283 ff. ZGB).
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Die Frage, ob bei Urteilsunfähigkeit des Ehemannes eine Anfechtungsklage gegen das Kind und die Mutter nicht von einem gesetzlichen Vertreter des Mannes, sondern nur von den in Art. 256 Abs. 1 ZGB genannten Personen im eigenen Namen angehoben werden könne, wie dies in BGE 73 II 207 angenommen wurde, ist für den Entscheid darüber, ob im Namen des Kindes ein gesetzlicher Vertreter klagen könne, nicht ohne weiteres präjudiziell und kann daher dahingestellt bleiben (vgl. zu dieser umstrittenen Frage HEGNAUER, N. 6 zu Art. 253 ZGB mit Hinweisen, HINDERLING, a.a.O. und JACCARD, a.a.O. S. 73 ff.).
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5. Die Klage des Kindes hat sich in erster Linie gegen den Ehemann der Mutter zu richten, dem die Rechtsstellung eines ehelichen Vaters aberkannt werden soll. Aber auch die Mutter hat ein schutzwürdiges Interesse daran, zu einer solchen Klage Stellung nehmen zu können, obschon ihre Interessen in Fällen der in Frage stehenden Art meist mit denen des Kindes übereinstimmen dürften. Mit Recht ist daher im Falle R. und im vorliegenden Falle neben dem als Vater eingetragenen Ehemann auch die Mutter eingeklagt worden.
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Im vorliegenden Fall braucht die Frage der Befristung nicht allseitig geprüft zu werden. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Lösung Hegnauers schwere Unzukömmlichkeiten mit sich brächte und die Möglichkeit einer Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind in vielen Fällen vereiteln würde. Wann die Vormundschaftsbehörde von der Untätigkeit des Ehemanns und der andern Berechtigten im Sinne von Art. 256 ZGB Kenntnis erhalten hat, ist meist nur schwer festzustellen. Ferner genügt diese Kenntnis für die Vormundschaftsbehörde nicht, um entscheiden zu können, ob im Namen des Kindes eine Klage einzuleiten sei. Ein solcher Entscheid ist der Behörde erst möglich, wenn ihr Tatsachen bekannt sind, die zur Begründung der Anfechtung dienen können. Ausserdem kann es vorkommen, dass die Auflösung der Ehe zwischen der Mutter und dem als Vater eingetragenen Manne und die Wiederverheiratung der Mutter mit dem wirklichen Vater, die das Interesse des Kindes an der Anfechtung der Ehelichkeit offenbar werden oder überhaupt erst entstehen lassen, erst nach Ablauf der von Hegnauer befürworteten Frist erfolgen. Die Auffassung Hegnauers ist daher abzulehnen. Da das Bedürfnis nach einer Befristung bei der Klage des Kindes weniger ausgeprägt ist als bei der Klage des Ehemanns und da für eine Befristung der Klage des Kindes ein vor dem Eintritt der Mündigkeit liegender, sachlich befriedigender und im einzelnen Falle leicht und zuverlässig feststellbarer Ausgangspunkt nicht zu finden ist, rechtfertigt sich die Annahme, dass die Klage des Kindes jedenfalls solange keiner Verwirkung unterliegt, als es noch nicht mündig ist (so auch schon das Urteil vom 18. Oktober 1962 i.S. R.). Die vorliegende Klage ist somit rechtzeitig.
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Ob der Beklagte A. unmöglich der Vater der Klägerin sein könne und ob der heutige Ehemann der Mutter der Erzeuger dieses Kindes sei, so dass es bei Gutheissung seiner Klage gemäss Art. 258 ZGB legitimiert würde, ist von der Vorinstanz nicht geprüft worden, weil sie dem Kinde die Klagelegitimation von vornherein absprach. Da ihr Entscheid in diesem Punkte dem Bundesrecht widerspricht, ist die Sache zur Prüfung der erwähnten Fragen und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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