BGE 91 II 81 |
12. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juli 1965 i.S. W. H. Spross gegen J. H. Spross und B. Spross. |
Regeste |
Klage auf Untersagung des Eheabschlusses (Art. 111 ZGB). |
- wenn die Brautleute während der Hängigkeit des Rechtsstreites die Ehe im Ausland eingehen (Erw. 1), |
- ebenso, wenn einer der Verlobten während der Hängigkeit des Rechtsstreites stirbt, sei es auch erst nach Einlegung der Berufung an das Bundesgericht (Erw. 4). |
2. Kann die Eheuntersagungsklage nach Art. 111 ZGB in eine Ehenichtigkeitsklage nach Art. 120 ff. ZGB umgewandelt werden? (Erw. 3). |
3. Welche Rechtsbehelfe hat der Einsprecher, um sich der Anerkennung der im Ausland geschlossenen Ehe zu widersetzen? (Erw. 2). |
Sachverhalt |
A.- Josef Hugo Spross, geboren 1894, von und wohnhaft in Zürich, und Bertha Schnider, geboren 1897, von Basel und Langenbruck BL, wohnhaft in Zürich, meldeten am 8. November 1963 beim Zivilstandsamt Zürich ihr Eheversprechen an. Während der Verkündigungsfrist erhob ein Sohn aus erster Ehe des Bräutigams, Werner Hansjörg Spross, gegen die beabsichtigte Eheschliessung Einspruch mit der Begründung, der Bräutigam sei geisteskrank und daher nicht ehefähig. Da die Verlobten den Einspruch nicht anerkannten, reichte er beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Untersagung des Eheabschlusses ein.
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B.- Während der Hängigkeit der Klage reisten die Brautleute nach England und liessen sich am 19. Juni 1964 vor dem Zivilstandsamt von Thanet (Kent) trauen.
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C.- Infolgedessen schrieb das Bezirksgericht Zürich am 9. Oktober 1964 die auf Untersagung des Eheabschlusses gehende Klage als gegenstandslos geworden ab. Den Rekurs des Klägers hat das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 24. Februar 1965 abgewiesen. Laut der Begründung tritt das Obergericht der Auffassung des Bezirksgerichts bei. Es erklärt ferner, "dass die Klage nach ZGB 111 nicht in eine Nichtigkeitsklage nach ZGB 120 konvertiert werden kann".
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D.- Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, am 12. März 1965 eingereichte Berufung des Klägers an das Bundesgericht mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und das Gericht anzuhalten, den Prozess an Hand zu behalten.
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E.- Der Erstbeklagte Josef Hugo Spross starb am 13. März 1965.
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Im Hinblick auf die Testamentseröffnung ermittelte das Bezirksgericht Zürich (der Einzelrichter in nichtstreitigen Rechtssachen) als gesetzliche Erben des Josef Hugo Spross die Beklagte Nr. 2 sowie die beiden Söhne aus erster Ehe, nämlich Hugo Rolf Spross, geboren 1922, und den Kläger.
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In einem Testament vom 31. Dezember 1964 hatte der Erblasser die beiden Söhne als erbunwürdig bezeichnet und zudem unter Grundangabe gemäss Art. 477 ZGB enterbt. Den dem Sohn Hugo entzogenen Pflichtteil hatte er dessen drei durch ihn vertretenen unmündigen Kindern zugewendet; die überlebende Ehefrau hatte er für den Restnachlass als Universalerbin eingesetzt. Die enterbten Söhne stellten eine Testamentsanfechtung in Aussicht, weshalb das Bezirksgericht eine amtliche Erbschaftsverwaltung anordnete und einstweilen keine Erbbescheinigung ausstellte.
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F.- Die Beklagtschaft beantragt Abweisung der Berufung.
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G.- Zur Präsidialverfügung vom 1. Juni 1965 lassen sich die Parteien in folgender Weise vernehmen: Die Klägerschaft verweist auf die vorderhand geltende testamentarische Erbfolge. Sie beabsichtigt das Testament nicht anzufechten bis zur Erledigung des vorliegenden Prozesses. Die Beklagtschaft legt als Ausweis für den ehelichen Stand der Beklagten Nr. 2 einen Familienschein vor.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Die Klage auf Untersagung des Eheabschlusses nach Art. 111 ZGB leitet eine - nicht vermögensrechtliche - Zivilrechtsstreitigkeit ein, die gemäss Art. 44 OG Gegenstand einer Berufung an das Bundesgericht bilden kann. Fraglich ist indessen, ob es hier zu einem oberinstanzlichen kantonalen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG gekommen ist. Jedenfalls hat man es nicht mit einem materiellen Entscheide zu tun; vielmehr haben die kantonalen Gerichte die Klage ohne Prüfung ihrer Begründetheit wegen des mittlerweile in England erfolgten Eheabschlusses als gegenstandslos geworden abgeschrieben. Unter Umständen kommt zwar einem Erledigungsbeschlusse gleichfalls die Eigenschaft eines Endentscheides zu: dann nämlich, wenn er die endgültige Ablehnung eines zivilrechtlichen Anspruchs bedeutet (vgl. BGE 83 II 544 ff. Erw. 1). Hier ist aber nicht ein Anspruch, der an und für sich noch zu Recht bestehen könnte, aus einem äussern Grunde als erloschen befunden worden. Im Gegenteil beruht der Erledigungsbeschluss der Vorinstanzen auf der Feststellung, dass die Untersagungsklage wegen des im Ausland erfolgten Eheabschlusses ihren Sinn und Zweck verloren habe. Das trifft denn auch zu. Die Untersagungsklage des Art. 111 ZGB richtet sich gegen einen erst bevorstehenden, beabsichtigten Eheabschluss. Sie will eine solche Trauung - einstweilen, solange das Verfahren dauert, und endgültig, wenn die Klage gutgeheissen wird - verhindern (vgl. GÖTZ, Komm., Nr. 4 Abs. 2 und N. 5 zu Art. 111 ZGB). Lassen sich nun aber die Brautleute, während gegen sie eine solche Untersagungsklage hängig ist, im Auslande trauen, so haben sie ihr Ehevorhaben unabhängig von dem in der Schweiz eingeleiteten Verfahren verwirklicht. Das in der Schweiz gestellte Verkündungsgesuch wollen und können sie nun nicht weiter verfolgen, und die von einem Einsprecher erhobene Klage auf Untersagung des Eheabschlusses entbehrt hinfort des Angriffsobjektes. Der Trauung im Auslande, wofür kein schweizerisches Ehefähigkeitszeugnis gemäss Art. 171 ZStV verlangt worden war, konnte diese Klage nicht wirksam vorbeugen.
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2. Der Umstand, dass der Kläger die im Ausland geschlossene Ehe mit Hinweis auf Art. 7f Abs. 1 NAG als nichtig betrachtet, vermag daran nichts zu ändern. Grundsätzlich ist eine im Ausland geschlossene Ehe von Schweizerbürgern, wenn ihr formgültiger Abschluss amtlich bescheinigt ist, wie es hier zutrifft, als gültig anzusehen, bis sie allenfalls gerichtlich als ungültig erklärt wird (vgl. BECK, Komm. zum SchlT des ZGB, N. 99 zu Art. 7f NAG; BGE 60 II 1ff.). Eine Frage für sich ist, ob es dem Kläger gelingen wird, auf dem Weg der von ihm erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Streichung des bereits eingetragenen Eheabschlusses in schweizerischen Zivilstandsregistern zu erwirken. Wie immer jenes Beschwerdeverfahren ausgehen mag, wird die Untersagungsklage nicht wieder aufleben (was nicht etwa der Erledigungsbeschluss als solcher ausschliessen würde, denn er schafft nicht materielle Rechtskraft; vgl. LEUCH, N. 3 zu Art. 203 der bernischen ZPO). Hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde keinen Erfolg, so ist damit einer Ehenichtigkeitsklage (nach Art. 121 ZGB, allenfalls auch nach ausländischem Recht, vgl.BGE 60 II 6/7 Erw. 1c) nicht vorgegriffen. Ob dem Kläger ausserdem eine Registerberichtigungsklage nach Art. 45 Abs. 1 ZGB zustünde, und ob er dazu eine hinreichende Veranlassung finden könnte, ist hier nicht zu prüfen (vgl. BGE 87 I 468 /69 Erw. 2).
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4. Vollends müsste die Eheuntersagungsklage, wenn es nicht schon vorher geschehen wäre, durch ein erst seit dem angefochtenen Beschluss des Obergerichts eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden sein: durch den Tod des Bräutigams, also des Beklagten Nr. 1. Wäre es nämlich nicht zum Eheabschluss im Auslande gekommen, und wäre die Untersagungsklage in kantonaler Instanz durch materielles Urteil abgewiesen worden, so hätte sie seither durch jenes neue Ereignis ihren Sinn und Zweck verloren (übrigens ebenso, wenn ein die Klage gutheissendes Urteil des Obergerichts von den Brautleuten weitergezogen worden wäre). Denn infolge des Todes des Bräutigams liesse sich das Ehevorhaben nun ohnehin keineswegs mehr verwirklichen. So wenig wie eine während der Hängigkeit der Scheidungsklage durch den Tod eines Ehegatten aufgelöste Ehe noch geschieden werden kann (BGE 46 II 178,BGE 51 II 539,BGE 76 II 254; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. A., S. 328 N. 108), so wenig kann es nach dem Tod eines Verlobten noch zum Eheabschluss kommen; bei einer solchen Sachlage ist daher auch einer auf Untersagung dieses Rechtsaktes gehenden Klage keine weitere Folge zu geben. Solche Tatumstände, welche das Prozessrechtsverhältnis selbst berühren, sind, selbst wenn sie erst seit dem angefochtenen kantonalen Urteil eingetreten sind, im Berufungsverfahren vor Bundesgericht noch zu berücksichtigen. Sie fallen nicht unter das Verbot neuer Vorbringen nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, da sie nicht zur Ergänzung der materiellen Urteilsgrundlage dienen, sondern dem ganzen Streitverhältnis die Grundlage entziehen (vgl.BGE 33 II 32/34 Erw. 5,BGE 39 II 799Erw. 3,BGE 72 II 346/47 Erw. b; WEISS, Berufung, S. 158/59; BIRCHMEIER, N. 8 b cc zu Art. 55 OG, S. 205 und 590 unten).
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Da indessen die vorliegende Klage wegen des im Ausland erfolgten, amtlich bescheinigten Eheabschlusses schon in kantonaler Instanz gegenstandslos geworden war, hat es beim Nichteintreten auf die Berufung sein Bewenden. Auf die mit und nach dem Tode des Beklagten Nr. 1 komplex gewordene Rechtslage und die unabgeklärte endgültige Erbfolge ist immerhin durch Zustellung des gegenwärtigen Urteils auch an alle ausser den verbliebenen Prozesspareiten noch in Betracht fallenden Interessenten Rücksicht zu nehmen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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