BGE 91 II 457
 
63. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1965 i.S. Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze gegen Ugo Persichelli und Konsorten.
 
Regeste
Beerbung eines Schweizerbürgers mit letztem Wohnsitz im Ausland.
2. Unter dem Recht des Heimatkantons nach Art. 28 Ziff. 2 NAG ist das im Heimatkanton geltende Recht zu verstehen. An die Stelle des beim Erlass des NAG geltenden kantonalen ist nun das zur Hauptsache vereinheitlichte Recht des ZGB getreten. (Erw. 2 und 3).
3. Entstehungsgeschichte des Art. 59 Abs. 2 ZGB'SchlT. Diese Bestimmung wurde als Bestandteil des Gesetzes in gültiger Form veröffentlicht und ist rechtsverbindlich (Erw. 4). Sie bezieht sich nur auf Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und räumt einem Schweizerbürger, der in einem andern Kanton als seinem Heimatkanton wohnhaft ist, das Recht ein, die Erbfolge in seinen Nachlass durch Verfügung von Todes wegen der allfällig von seinem Heimatkanton im Rahmen des Art. 472 ZBG aufgestellten Sonderregelung zu unterstellen. (Erw. 5).
4. Die Beerbung eines Auslandschweizers untersteht, sofern sie nicht dem ausländischen Recht unterworfen ist, dem eidgenössischen Recht und speziell in bezug auf den Pflichtteilsanspruch der Geschwister dem Art. 471 Ziff. 3 ZGB, nicht der allfällig von seinem Heimatkanton aufgestellten Sonderregelung. Ist dem Auslandschweizer gleichfalls eine auf Anwendung dieses Sonderrechts abzielende "professio juris" vorbehalten? Frage offen gelassen. (Erw. 6).
 
Sachverhalt
A.- Fräulein Hedwig Häusser-Stromboli, geboren am 2. Oktober 1875 in Basel, starb am 22. Januar 1962 in Florenz. Sie war Bürgerin von Zollikon (Kanton Zürich) und Basel. Nach ihrer Übersiedlung von Basel, dem bisherigen Wohnsitz, nach Florenz wurde sie am 16. Mai 1916 von einem in Florenz wohnhaften Ehepaar italienischer Nationalität, Professor Pietro Agostino Stromboli und Frau Bertha Stromboli geborenen Rohr, adoptiert, behielt jedoch ihr schweizerisches Bürgerrecht als ausschliessliches bei. Den Wohnsitz hatte sie hinfort bis zu ihrem Tode in Florenz.
B.- Am 26. und 28. August 1949 errichtete Hedwig Häusser-Stromboli in Basel ein öffentliches Testament, wodurch sie ihr in Basel befindliches Vermögen der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen und der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft vermachte.
Mit einem eigenhändigen, am 25. August 1957 in Florenz errichteten Testament verfügte sie sodann über ihr in Italien gelegenes Vermögen, das sie von ihren Adoptiveltern erworben hatte. Als Erbin setzte sie die Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze ein, eine Vereinigung mit juristischer Persönlichkeit zum Wohl der Armen und Kranken; das Testament enthält ferner Vermächtnisse, so deren drei zu Gunsten der Neffen Ugo Persichelli und Giovanni Persichelli sowie der Nichte Santina Saporiti-Persichelli. Es sind dies die Kinder der am 12. Dezember 1962 in Rom verstorbenen Frau Witwe Anna Helena Persichelli-Häusser, einer Schwester der Erblasserin.
C.- Bereits diese die Erblasserin überlebende Schwester hatte sich gegenüber dem in Basel errichteten Testament auf ihre Eigenschaft als einzige Erbin berufen - was zutraf, da sowohl die Eltern wie auch zwei ledige Schwestern der Erblasserin vorverstorben waren - und ihren Pflichtteil von einem Viertel verlangt. Die betreffenden Vermächtnisnehmer anerkannten diesen Anspruch und schlossen am 10. Oktober 1962 mit der Ansprecherin einen Teilungsvertrag, wonach diese den verlangten Viertel der vermachten Vermögenswerte erhielt.
D.- Am 18. Januar 1963 erhoben Ugo Persichelli, Giovanni Persichelli und Santina Saporiti-Persichelli beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt Klage gegen die Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze, mit dem Begehren:
"Es sei die letztwillige Verfügung des am 22. Januar 1962 verstorbenen Fräulein Hedwig Stromboli vom 25. Januar 1957 um den Pflichtteil der am 12. Dezember 1962 verstorbenen Mutter der Kläger um einen Viertel des Nachlasses herabzusetzen und demgemäss die Beklagte zur Auslieferung von ..., abzüglich ein Viertel der italienischen Erbschaftssteuer auf dem Gesamtnachlass, genaue Abrechnung vorbehalten, zu verurteilen unter o/e Kostenfolge für die Beklagte."
Die beklagte testamentarische Erbin beantragte die Abweisung der Klage unter Kostenfolge.
E.- Sowohl das Zivilgericht, mit Urteil vom 27. Mai 1964, wie auch das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, mit Urteil vom 15. Januar 1965, haben die Klage dahin gutgeheissen, dass die letztwillige Verfügung der Hedwig Häusser-Stromboli vom 25. August 1957 um den Pflichtteil der am 12. Dezember 1962 verstorbenen Mutter der Kläger von einem Viertel auf drei Viertel des Nachlasses herabgesetzt werde. Die mit der Herabsetzungsklage verbundene Leistungsklage wurde in erster Instanz abgewiesen und in zweiter Instanz nicht aufrecht erhalten.
F.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Testamentserbin am Antrag auf Abweisung der Herabsetzungsklage fest. Der Antrag der Kläger geht auf Bestätigung des die Klage gutheissenden Urteils.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 17 Abs. 4 des Niederlassungs- und Konsularvertrages zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 in Verbindung mit Abs. 3 daselbst und nach der hiezu in Art. 1V des Protokolls betreffend die Vollziehung dieses Staatsvertrages angebrachten Ergänzung sind Streitigkeiten, welche zwischen den Erben eines in Italien verstorbenen Schweizers hinsichtlich seines Nachlasses entstehen könnten, vor dem Richter des Heimatortes des Erblassers auszutragen. Über das hiebei anwendbare materielle Recht sprechen sich die erwähnten internationalen Vereinbarungen nicht aus. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass die Zuständigkeit des Richters des schweizerischen Heimatortes die Anwendung des schweizerischen Rechts nach sich zieht (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 6/1932 Nr. 98 S. 121, 7/1933 Nr. 81 S. 101/2, 8/1934 Nr. 70 S. 100; A. SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., Bd. II S. 552; R. ANLIKER, Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, S. 69; F. MASPOLI, Le successioni e il trattato italo-svizzero S. 62). Das gilt ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz der Streitparteien (BGE 42 I 108 ff.; SCHNITZER, a.a.O.). Die vorliegende Streitigkeit untersteht daher dem schweizerischen Recht. Es ist hiefür ohne Belang, dass sich die Klage gegen eine juristische Person des italienischen Rechtes mit Sitz in Florenz richtet und die Kläger italienische Staatsbürger mit Wohnsitz in Italien sind.
Die gleiche Lösung würde sich übrigens beim Fehlen einer staatsvertraglichen Regelung zwischen der Schweiz und Italien bereits aus der in Art. 28 NAG getroffenen Regelung ergeben. Nach dessen Ziff. 2 unterstehen die Schweizer mit (letztem) Wohnsitz im Ausland (in bezug auf die Erbfolge in ihren Nachlass) dem Recht und der Gerichtsbarkeit des Heimatkantons, wenn sie nach der ausländischen Gesetzgebung nicht dem ausländischen Recht unterworfen sind. Hier fallen die dem italienischen Codice civile von 1942 vorausgehenden "Disposizioni sulla legge in generale" in Betracht. Nach ihrem Art. 23 untersteht die Erbfolge unabhängig vom Orte, wo sich die Vermögenswerte befinden, dem Gesetz des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte.
("23. Legge regolatrice delle successioni per causa di morte. - Le successioni per causa di morte (456 s.) sono regolate, ovunque siano i beni, dalla legge dello Stato al quale apparteneva, al momento della morte, la persona della cui eredità si tratta").
Die Parteien sind denn auch darüber einig, dass der vorliegende erbrechtliche Streit von den schweizerischen Gerichten und zwar nach schweizerischem Rechte zu entscheiden ist, und dass, soweit dabei kantonales Recht zur Anwendung kommt, es dasjenige des Kantons Basel-Stadt ist. In der Tat ist nach Art. 22 Abs. 3 ZGB bei einer Mehrzahl schweizerischer Heimatorte derjenige für die Heimatangehörigkeit entscheidend, wo die betreffende Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte, und beim Fehlen eines solchen Wohnsitzes der Ort, dessen Bürgerrecht sie oder ihre Vorfahren zuletzt erwarben.
Wie erwähnt, hatte die Erblasserin ihren Wohnsitz vor ihrer Übersiedlung nach Florenz in Basel.
"Geschwister eines Erblassers, der im Kanton Basel-Stadt heimatberechtigt war und entweder in dessen Gebiet seinen letzten Wohnsitz hatte oder, bei anderweitigem Wohnsitz, die Erbfolge in seinen Nachlass dem Rechte von Basel-Stadt unterstellt hatte, haben keinen Pflichtteilsanspruch."
Die Beklagte übersieht nicht, dass weder die eine noch die andere der in diesem § 125 alternativ vorgesehenen Voraussetzungen zur Anwendung des heimatlichen kantonalen Sonderrechts erfüllt ist. Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 22 Abs. 2 NAG, auf welchen jener § 125 stillschweigend anspielt, kann der Erblasser die Erbfolge nur durch ausdrückliche dahingehende Verfügung, sog. professio juris, dem Recht des Heimatkantons unterstellen (BGE 40 II 18). Indessen hält die Beklagte dafür, für die Beerbung eines Auslandschweizers gelte, sofern sie nicht dem ausländischen Recht unterworfen ist, nach Art. 28 Ziff. 2 NAG (allenfalls in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 ZGB'SchlT) das Sonderrecht des Heimatkantons von Gesetzes wegen.
"Sind diese Schweizer" ("Schweizer, welche im Ausland ihren Wohnsitz haben") "nach Massgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Rechte nicht unterworfen, so unterstehen sie dem Recht und dem Gerichtsstand des Heimatkantons".
Danach gilt, sofern die Gesetzgebung des Wohnsitzstaates nicht entgegensteht, der Heimatgerichtsstand und das Heimatrecht vorerst in internationaler Beziehung. Ausserdem ist festgelegt, dass sich der Gerichtsstand im Heimatkanton (und nicht etwa in einem andern Kanton) befindet und das im Heimatkanton geltende Recht (und nicht das Recht eines andern Kantons) anwendbar sei. Dagegen will die in Frage stehende Gesetzesnorm keineswegs kantonales gegenüber eidgenössischem Recht zur Geltung bringen. Unter dem "Recht des Heimatkantons" ist einfach das in diesem Kanton geltende Recht zu verstehen, das beim Erlass des NAG vorherrschend kantonales Recht war, seit Inkrafttreten des schweizerischen ZGB aber nun zur Hauptsache vereinheitlichtes Bundesprivatrecht ist. Daneben gilt kantonales Privatrecht nur noch, soweit das Bundesrecht ihm Raum lässt (Art. 5 Abs. 1 ZGB). Diese Abgrenzung der Geltungsbereiche von eidgenössischem und kantonalem Privatrecht ist auch für die Anwendung des Art. 28 Ziff. 2 NAG massgebend, wie bereits in BGE 46 II 218 /19 Erw. 2 ausgesprochen wurde und allgemein anerkannt ist (vgl. STAUFFER, N. 1 zu Art. 28 NAG; D. AEBLI, Der Pflichtteil der Geschwister und ihrer Nachkommen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1939/40 S. 95).
Daraus folgt zunächst, dass die erbrechtliche Verfügungsfreiheit eines (nicht dem ausländischen Recht unterworfenen) Auslandschweizers sich jedenfalls insoweit nach Bundesprivatrecht, nämlich nach Art. 470/71 ZGB richtet, als das Bundesrecht nicht die Aufstellung kantonalen Sonderrechts vorbehält. Das frühere kantonale Erbrecht ist durch das eidgenössische Erbrecht ersetzt worden; dieses beherrscht, soweit kein Vorbehalt kantonalen Erbrechtes Platz greift, auch die Beerbung von Auslandschweizern, welche nach Art. 28 Ziff. 2 NAG dem Heimatrecht unterstehen.
Hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs der Geschwister, wie ihn Art. 471 Ziff. 3 ZGB auf einen Viertel des gesetzlichen Erbanspruches bemisst, behält nun freilich Art. 472 ZGB kantonale Sonderregelungen vor. Diese können in verschiedener Weise von jener bundesrechtlichen Norm abweichen, nämlich entweder (wie § 125 des EG von Basel-Stadt) den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufheben oder ihn auf die Nachkommen der Geschwister ausdehnen. Eine solche Sonderregelung gilt aber nach Art. 472 ZGB nur für die Beerbung von Bürgern des betreffenden Kantons, die zudem ihren letzten Wohnsitz im Kantonsgebiete hatten. Diese zweite Voraussetzung trifft bei Kantonsbürgern, die als Auslandschweizer (d.h. eben mit letztem Wohnsitz im Auslande) gestorben sind, offensichtlich nicht zu.
Zu prüfen bleibt, ob, was die Beklagte ferner geltend macht, der Anwendungsbereich der auf Art. 472 ZGB beruhenden kantonalen Sonderregelungen durch Art. 59 (ursprünglich 61) des Schlusstitels des ZGB auf eine auch für den vorliegenden Erbfall massgebliche Weise erweitert wurde.
"Das Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 bleibt für die Rechtsverhältnisse der Schweizer im Auslande und der Ausländer in der Schweiz, und soweit kantonal verschiedenes Recht zur Anwendung kommt, in Kraft.
Insbesondere wird das kantonale Pflichtteilsrecht betreffend die Geschwister und ihre Nachkommen als heimatliches Recht der Kantonsangehörigen anerkannt (Art. 22 des genannten Gesetzes)."
Aus dem ersten Absatz lässt sich für die Ansicht der Beklagten nichts herleiten. Es ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall nur die Weitergeltung des Art. 28 NAG, der, wie soeben dargetan (Erw. 3), in Ziff. 2 nun das vereinheitlichte schweizerische Privatrecht zur Anwendung kommen lässt, kantonales Privatrecht aber nur insoweit, als das ZGB es vorbehält.
Der zweite Absatz, dessen Sinn und Tragweite sich aus dem Wortlaut nicht eindeutig ergibt, stand noch nicht in der Gesetzesvorlage, wie sie in der Sommersession 1907 der Bundesversammlung vorlag und im Sinn einer Bereinigung der Differenzen, jedoch mit Vorbehalt der redaktionellen Bereinigung, von beiden Räten genehmigt wurde (Sten. Bull. 1907 StR S. 322, NR S. 411; vgl. den entsprechenden Art. 1826 bis des damals zur Beratung stehenden Entwurfes). Dieser Absatz wurde (zunächst ohne den eingeklammerten Hinweis auf Art. 22 NAG) durch die Redaktionskommission eingefügt (als zweiter Absatz des Art. 61 des Schlusstitels). Über den Grund dieser Textergänzung sprach sich der Bericht der Redaktionskommission vom 20. November 1907 an die Bundesversammlung nicht aus (BBl 1907 VI S. 367 ff. deutsch, 404/5 französisch). In den Schlussabstimmungen vom 10. Dezember 1907 genehmigten die beiden Räte den ganzen Gesetzestext in der bereinigten Fassung mit Einschluss des den erwähnten Abs. 2 enthaltenden Art. 61 (später 59) des Schlusstitels ohne Diskussion (Sten. Bull. 1907 NR 755/56, StR 542/43). Im Hinblick auf die Veröffentlichung ergänzte dann die Redaktionskommission den Art. 61 Abs. 2 SchlT noch durch den eingeklammerten Hinweis auf Art. 22 NAG (der sich im deutschen und im französischen Texte vorfindet, jedoch im italienischen Texte fehlt). Urheber dieses Klammerzusatzes war (wie neulich erfolgte Archivstudien ergaben) der Präsident der Redaktionskommission, Nationalrat F.E. Bühlmann; Prof. EUGEN HUBER, welcher der Redaktionskommission ebenfalls angehörte, achtete den Zusatz einer Druckfehlerberichtigung gleich (vgl. die Mitteilungen des Bundesarchivars OSCAR GAUYE, La genèse de l'art. 59 tit. fin. CC, ZSR NF 84/I 1965 S. 127 ff.). Mit dem so gefassten Art. 61 (59) SchlT wurde das Gesetz veröffentlicht: zuerst im Bundesblatt (1907 VI S. 884 deutsch, S. 716 französisch) und nach Ablauf der Referendumsfrist in der amtlichen Sammlung der eidg. Gesetze (Bd. 1908 S. 528 deutsch, S. 540 französich, S. 528 italienisch). Der gleiche Text ging in die Bereinigte Sammlung 1848-1947 über (Bd. 2 S. 195 deutsch, S. 187 französisch, S. 191 italienisch).
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Art. 61 (59) des Schlusstitels trotz seiner ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte volle Gesetzeskraft erlangt hat. Denn ein in gültiger Form verkündetes Gesetz ist für jedermann und insbesondere auch für den Richter verbindlich (vgl. BURCKHARDT, Komm. zur BV, 3. A. S. 788; FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 931; MEIER-HAYOZ, Komm., N. 84 zu Art. 1 ZGB). Gesetzesbestandteil ist auch der dem Art. 59 Abs. 2 SchlT in Klammer beigefügte Hinweis auf Art. 22 NAG, der bloss aus Versehen nicht auch im italienischen Text angebracht wurde.
5. In welchem Sinne das kantonale Pflichtteilsrecht der Geschwister und ihrer Nachkommen (also das in Art. 472 ZGB vorbehaltene, an bestimmte Schranken gebundene Pflichtteilsrecht) durch Art. 59 Abs. 2 ZGB'SchlT "anerkannt" wird, ergibt sich aus der Stellung dieser Bestimmung im Gesetz und aus dem Hinweis auf Art. 22 NAG. Diese letztere Bestimmung galt von jeher nur für die Beerbung von Einwohnern der Schweiz, seien es Schweizerbürger (welche nach Art. 22 Abs. 1 NAG erbrechtlich dem Gesetz ihres Wohnsitzkantons unterstanden, jedoch nach Abs. 2 daselbst befugt waren, die Erbfolge in ihren Nachlass dem Recht ihres Heimatkantons zu unterstellen), seien es Ausländer, denen in analoger Weise die Unterstellung der Erbfolge unter ihr ausländisches Heimatrecht zustand (und weiterhin zusteht, gemäss Art. 32 NAG, mit Vorbehalt von Staatsverträgen; vgl. TUOR, Komm., 2. A., Einleitung N. 35/36 und N. 18 zu Art. 472 ZGB; ESCHER, 3. A., N. 8 zum gleichen Artikel). Die Beerbung eines Auslandschweizers fiel dagegen unter die spezielle Norm des Art. 28 NAG. Geht man bei der Auslegung des Art. 59 Abs. 2 SchlT hievon aus, so hat diese Bestimmung - da für Ausländer ein heimatliches kantonales Recht nicht in Frage kommt - nur Schweizerbürger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, aber ausserhalb ihres Heimatkantons, im Auge. Art. 59 Abs. 2 SchlT will somit die in einem Kanton getroffene Sonderregelung - wobei nur die dem Erblasser grössere Freiheit gewährende, den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufhebende in Betracht fällt - den Kantonsbürgern mit Wohnsitz in einem andern Kanton durch Einräumung des Rechtes einer professio juris zugänglich machen. Das ist denn auch herrschende Ansicht, wie sie die Kommentare Escher und Tuor schon in der ersten Auflage bei Art. 472 ZGB vertraten (ESCHER, Bem. Abs. 1 und 2; TUOR, N. 10 bis 17). Bei dieser Auslegung lässt sich Art. 59 Abs. 2 SchlT dem Art. 472 ZGB ohne Widerspruch angliedern; sie steht auch im Einklang mit dem von der Redaktionskommission der Bundesversammlung durch Einfügung des zweiten Absatzes in den Art. 61 (59) SchlT (und hernach durch den eingeklammerten Zusatz zu diesem Absatze) verfolgten Zweck (vgl. im Anhang der Abhandlung von F. GUISAN, La réserve des héritiers collatéraux de la deuxième parentèle, ZSR NF 49/1930 S. 307 ff., den Brief des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 18. Juli 1911 an die Conférence des Notaires de Genève und den Brief der Justizabteilung dieses Departements vom 26. März 1929 an Prof. F. Guisan; ferner die von O. GAUYE, a.a.O., mitgeteilten Schriftstücke, namentlich eine Notiz von Prof. EUGEN HUBER vom August 1907: "Hilft Art. 1826 bis? Ja, Art. 22, 2", a.a.O. S. 134, und ein Manuskript desselben Autors, a.a.O. S. 135). Es war weder Aufgabe noch Absicht der Redaktionskommission, den Beschlüssen der beiden Räte widersprechende materielle Änderungen an der Gesetzesvorlage vorzunehmen, was ihr Bericht vom 20. November 1907 noch ausdrücklich hervorhebt. Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT wurde eingefügt, weil man sich davon Rechenschaft gab, dass Art. 477 bis (nun Art. 472 ZGB) dem über das Pflichtteilsrecht der Geschwister und ihrer Nachkommen zustande gekommenen Kompromiss nicht völlig Rechnung trage und durch Zulassung einer professio juris bei Wohnsitz des Erblassers in einem andern Kanton zu ergänzen sei.
Abweichende Auffassungen, wonach die dem kantonalen Sonderrecht in Art. 472 ZGB aufgestellten Schranken überhaupt nicht mehr gelten würden - so dass ein in einem andern Kanton wohnhafter Erblasser von Gesetzes wegen nach dem Sonderrecht des Heimatkantons zu beerben wäre - sind abzulehnen. Denn eine solche Auslegung des Art. 59 Abs. 2 SchlT liefe auf eine Abänderung des eindeutigen Art. 472 ZGB hinaus. E. WOLF (Der Pflichtteil der Geschwister im interkantonalen Recht nach Art. 472 ZGB, SJZ 19/1922/23 S. 82/83) betrachtet den Art. 472 ZGB als blosse Kollisionsnorm; danach hätte bei übereinstimmender Sonderregelung des Wohnsitz- und des Heimatkantons immer dieses kantonale Recht zu gelten, ohne dass es einer professio juris bedürfte. Noch weiter entfernt sich von Art. 472 ZGB die Ansicht von R. RICKENBACHER (Zum Pflichtteilsrecht der Geschwister nach interkantonalem Recht, ZbJV 65/1929 S. 159 ff.), es gelte nach dem Domizil- oder Territorialprinzip des Art. 22 NAG "im Zweifel" das kantonale Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers. Danach käme der grundlegenden Norm des eidgenössischen Rechtes (Art. 471 Ziff. 3 ZGB) nur subsidiäre Bedeutung zu, und es würde dem kantonalen Sonderrecht ein die Grenzen des Art. 472 ZGB überschreitender Anwendungsbereich zugewiesen. Mit eingehender Begründung vertritt sodann F. GUISAN (in der bereits angeführten Abhandlung, ZSR NF 49/1930 S. 307 ff.) die Ansicht, die beiden Normen Art. 472 ZGB und Art 59 Abs. 2 SchlT liessen sich gar nicht miteinander in Einklang bringen. Die letztere Bestimmung setze die grundsätzliche Weitergeltung kantonalen Rechtes voraus, dessen Inhalt freilich nun durch Art. 472 ZGB bindend umschrieben sei. Von den beiden Bestimmungen verdiene diejenige des Schlusstitels als die (nach der Entstehungsgeschichte) neuere und zugleich als die sachlich bessere den Vorzug. Der zwischen den beiden Normen bestehende Widerspruch sei in dem Sinne zu beheben, dass grundsätzlich das kantonale Recht nach dem Domizilprinzip gelte und demgegenüber bloss eine auf Anwendung des Heimatrechtes gerichtete professio juris des Erblassers vorbehalten bleibe. In Art. 472 ZGB seien somit die Worte "für die Beerbung ihrer Angehörigen, die in ihrem Gebiete den letzten Wohnsitz gehabt haben" (und ebenso die in entsprechendem Sinn einschränkenden Bestimmungen der kantonalen Gesetze) als nicht geschrieben zu betrachten (a.a.O. S. 344). Demgegenüber ist in erster Linie zu bemerken, dass Art. 472 ZGB und Art. 59 Abs. 2 SchlT Gesetzesbestimmungen gleichen Datums sind. Dem Gesetzgeber kann nicht der Wille zugeschrieben werden, er habe den in seinem wesentlichen Text unverändert gelassenen Art. 477 bis, wie er in der Sommersession 1907 vorlag (im entsprechenden Art. 472 sind nur die Worte "in ihren Einführungsgesetzen" weggelassen und ist das Wort "Pflichtteilsschutz" ersetzt durch "Pflichtteilsanspruch"), durch Annahme des Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT in wesentlichen Teilen aufheben wollen. Zuzugeben ist, dass die durch diese letztere Norm dem Erblasser zugestandene professio juris anderer Art ist als die in Art. 22 Abs. 2 NAG vorgesehene. Während diese Vorschrift von einer Konkurrenz kantonaler Rechte ausging - desjenigen des Wohnsitz- und desjenigen des Heimatkantons -, soll nun eine professio juris zu Gunsten des heimatlichen kantonalen Sonderrechtes gegenüber dem an und für sich bei Wohnsitz des Erblassers in einem andern Kanton geltenden eidgenössischen Recht möglich sein. Gewiss hätte es sich gerechtfertigt, die neuartige professio juris selbständig zu formulieren statt sich des Hinweises auf Art. 22 NAG zu bedienen. Indessen ist trotz der (wie allgemein anerkannt ist) ungeschickten Fassung des Art. 59 Abs. 2 SchlT dem offensichtlichen Willen des Gesetzes Geltung zu verschaffen.
In diesem Sinne haben denn auch mehrere Autoren gegenüber F. Guisan Stellung bezogen: so die Kommentare TUOR (2. A., N. 17 c zu Art. 472 ZGB) und ESCHER (3. A., N. 6 a zum gleichen Artikel); D. AEBLI (a.a.O. S. 62/63 und 66); P. PIOTET (Droit fédéral et droit cantonal sur la réserve héréditaire des frères et soeurs et de leurs descendants. JdT 110/1962, dr. féd., S. 66 ff., namentlich 80 - 82). Nichts Entgegenstehendes ist aus dem (von F. GUISAN a.a.O. S. 334 ff. besprochenen) Urteil i.S. Erben Beltrami gegen Beltrami (BGE 48 II 434 ff.) zu folgern. Es befasst sich gar nicht mit Art. 472 ZGB und sagt nichts über dessen Verhältnis zu Art. 59 Abs. 2 SchlT aus. In jenem Fall handelte es sich um den Nachlass eines Tessiners mit letztem Wohnsitz im Kanton Graubünden. Der Erblasser hatte die Erbfolge nicht dem (den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufhebenden) Tessiner Recht unterstellt. Somit blieb es beim bundesrechtlichen Pflichtteilsanspruch des Bruders nach Art. 471 Ziff. 3 ZGB. Das Urteil kommt zum gleichen Ergebnis, indem es auf das (den Pflichtteilanspruch der Geschwister unberührt lassende, ja auf deren Nachkommen ausdehnende) Recht des Kantons Graubünden verweist. Diese kantonale Regelung war in Wahrheit nicht massgeblich, was mehrere Autoren mit Recht bemerken, ohne die Richtigkeit der Entscheidung als solcher in Zweifel zu ziehen (vgl. insbebesondere PIOTET, a.a.O. S. 71).
6. Was nun insbesondere die Beerbung eines Auslandschweizers betrifft - Geltung des Heimatrechts gemäss Art. 28 Ziff. 2 NAG vorausgesetzt -, so ergibt sich aus Erw. 3 und 5, dass die soeben erwähnte Bestimmung sich nicht in dem von der Beklagten vertretenen Sinne mit Art. 472 ZGB verbinden lässt, und dass Art. 59 Abs. 2 SchlT mit seinem Hinweis auf Art. 22 NAG sich nicht auf die Beerbung eines Auslandschweizers bezieht. In einem Teil der Literatur (namentlich in ältern Schriften) wird allerdings dieser Bestimmung des Schlusstitels der weitergehende Sinn beigelegt, dass ganz allgemein bei Anwendung des NAG, also auch des Art. 28 dieses Gesetzes, das auf Art. 472 ZGB beruhende Sonderrecht eines Kantons als heimatliches Recht eines Bürgers dieses Kantons zu gelten habe. So bemerkt A. REICHEL (Kommentar, 1916, Bem. 2 zu Art. 59 SchlT, S. 147/48), ein Auslandschweizer, dessen Heimatkanton den Pflichtteilsanspruch auf die Nachkommen der Geschwister ausgedehnt hat, sei in entsprechender Weise in seiner Verfügungsfreiheit eingeschränkt: "Nach Absatz 2 des Art. 59 SchlT haben die Geschwisterkinder einen Anspruch, da das kantonale Pflichtteilsrecht betr. die Geschwister und Geschwisterkinder als Heimatrecht gilt, was auch für Art. 28 gelten muss". Ebenso J. PILLER (La condition des Suisses à l'étranger d'après le droit civil suisse, thèse Fribourg 1918, S. 136/37) und die erste Auflage (1929) des Kommentars TUOR (N. 20 zu Art. 472 ZGB): "Wenn in solchen Fällen das schweizerische Heimatrecht zur Anwendung kommt, denken wir, dass damit auch die im Heimatkanton des Erblassers etwa bestehende Sonderregelung des Pflichtteilsrechtes miteinzubegreifen ist, und zwar ungeachtet des etwa zu eng gefassten Wortlautes des kantonalen Gesetzes... Dies scheint uns aus Art. 59 II ZGB (gemeint ist: SchlT) unzweifelhaft hervorzugehen." Dieselbe Ansicht vertritt ESCHER (der sich in der ersten Auflage des Kommentars noch nicht zur Frage geäussert hatte), Komm., 2. A., 1937, N. 9 zu Art. 472 ZGB. Indessen hatte bereits E. BECK, Komm. zum Schlusstitel, 1932 (N. 20 zu Art. 59) die gegenteilige Auffassung dargelegt: Schon der Wortlaut des Art. 472 ZGB lasse es nicht zu, die kantonale Sonderregelung auch bei Beerbung eines Auslandschweizers anzuwenden; die "neutrale" Fassung des Art. 59 SchlT besage nichts Gegenteiliges. Zum gleichen Schluss führe die Auslegung des Art. 472 ZGB nach seinem Zweck. Es handle sich dabei um eine einschränkend auszulegende Ausnahmebestimmung gegenüber der Regel des Art. 471 Ziff. 3 ZGB. "Und endlich ist zu berücksichtigen, dass die gegenteilige Lösung dazu führen würde, dass die im Ausland wohnhaften Schweizer, wenn schweizerisches Recht gilt, dem weitergehenden Pflichtteilsrecht ihres Heimatkantons in zwingender Weise unterstellt wären, während die in einem andern Kanton wohnhaften Landsleute nicht dem Recht des Heimatkantons unterstehen. Es liegt näher, sie den in einem andern Kanton wohnhaften Kantonsbürgern als den im Heimatkanton wohnhaften gleichzustellen". In gleichem Sinne äussern sich P. ANLIKER (Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, 1933, S. 2 - 4), D. AEBLI (a.a.O. S. 95 - 97) und nun auch die Kommentare TUOR (2. A., 1952, N. 20 zu Art. 472 ZGB) und ESCHER (3. A., 1959, N. 9 zum gleichen Artikel, mit Hinweis auf ein Urteil des Kassationshofes des Kantons Neuenburg: SJZ 25 S. 139). Anderseits spricht sich in der neueren Literatur A. SCHNITZER (Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., 1958, Bd. 2 S. 515/16) wiederum für die Anwendung des kantonalen Sonderrechts aus, wenn der Erblasser als Auslandschweizer dem Heimatrecht untersteht: "... Nur wenn die Rechtsordnung des Wohnsitzes ihr Wohnsitzrecht nicht auf die Erbfolge anwendet, ist gemäss Art. 28 Ziff. 2 die Erbfolge dem Recht der Heimat unterworfen. Infolge der Vereinheitlichung des Erbrechts bedeutet das sonst die Anwendung des Bundesrechts. Da hier jedoch ein kantonaler Vorbehalt ist, so wird durch Art. 59 klargestellt, dass das kantonale Heimatrecht anerkannt wird. Das hat zur Folge, dass in diesem Falle ohne professio juris das Geschwisterpflichtteilsrecht so zu behandeln ist, wie der Heimatkanton es regelt. ... Der Auslandschweizer untersteht also ohne professio juris dem Recht des Heimatkantons bei Verweisung der ausländischen Rechtsordnung auf das Recht der Heimat, während der Schweizerbürger, der in einem andern Kanton als im Heimatkanton stirbt, zur Herbeiführung dieses Ergebnisses die professio juris ausnützen müsste. Dieses Ergebnis ist aber verständlich, da im letzteren Fall eine Konkurrenz zwischen Wohnsitz- und Heimatkanton besteht, die ja gerade dazu geführt hat, die unglücklich redigierten Bestimmungen zugunsten des Heimatkantons zu treffen. Diese Konkurrenz besteht bei Wohnsitz im Ausland nicht". Demgegenüber bekennen sich andere Autoren zur vorherrschend gewordenen Ansicht, wonach für die Beerbung eines Auslandschweizers (Geltung des Heimatrechts vorausgesetzt) das Sonderrecht des Heimatkantons nicht von Gesetzes wegen gilt, einem solchen Erblasser aber immerhin (wie allgemein angenommen wird) gleich wie bei Wohnsitz in einem andern Kanton als dem Heimatkanton die Unterstellung der Erbfolge unter das heimatliche kantonale Sonderrecht offensteht. So RATHGEB (Professio juris et convention internationale, Université de Lausanne, Recueil des Travaux 1958, S. 79, Fussnote 1), welcher die Begrenzung des kantonalen Rechtsbereiches durch Art. 472 ZGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 NAG hervorhebt, und PIOTET (a.a.O. S. 85), welcher namentlich der von A. SCHNITZER getroffenen Unterscheidung zwischen der Rechtslage des in einem andern Kanton wohnhaften Kantonsbürgers und derjenigen des Auslandschweizers entgegentritt.
Der vorherrschenden Ansicht ist darin beizustimmen, dass es entgegen den Ausführungen von A. SCHNITZER seit Inkrafttreten des ZGB auf dem Gebiete des Pflichtteilsrechtes der Geschwister und ihrer Nachkommen keine Konkurrenz zwischen kantonalem Wohnsitzrecht und kantonalem Heimatrecht mehr gibt, sondern nur noch die Wahl zwischen kantonalem Heimatrecht und dem eidgenössischen Recht in Frage kommt. Von interkantonalen Gesetzeskonflikten kann auf diesem Rechtsgebiete nicht mehr gesprochen werden, weshalb eben die in Art. 59 Abs. 2 SchlT vorbehaltene professio juris einen neuartigen Charakter hat (Erw. 5). Im übrigen darf die unbestimmte Fassung dieser Bestimmung ("Insbesondere wird ... anerkannt") nicht dazu verleiten, ihr ausser dem Vorbehalt einer dem Art. 22 Abs. 2 NAG nachgebildeten, in entsprechender Form abzugebenden professio juris auch noch eine für die Anwendung des Art. 28 NAG massgebliche Auslegungsregel zu entnehmen. Einmal lag es nicht in der Absicht der Redaktionskommission der Bundesversammlung, durch Einfügung des Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT den gemäss Art. 472 ZGB begrenzten gesetzlichen Anwendungsbereich des kantonalen Sonderrechtes zu erweitern (Erw. 5). Sodann hätte eine Ausdehnung des Sonderrechts auf die dem Heimatrecht unterstehenden Auslandschweizer ihren Platz richtigerweise in Art. 472 ZGB selbst oder aber in Art. 28 NAG finden müssen. Jedenfalls darf eine das gesetzliche Geltungsgebiet kantonalen Sonderrechts nicht eindeutig in solchem Sinn erweiternde Regel nicht in eine Bestimmung des Schlusstitels hineingelegt werden, welche ihre einleuchtende und erschöpfende Erklärung in jener an Art. 22 Abs. 2 NAG anknüpfenden Einräumung eines Verfügungsrechts besonderer Art an den in einem andern Kanton wohnenden und darum nicht von Gesetzes wegen dem heimatlichen Sonderrecht unterstehenden Erblasser findet. Dem Aufbau der erbrechtlichen Normen des ZGB mit Einschluss des Art. 59 Abs. 2 SchlT entspricht es somit, es für die Beerbung von Auslandschweizern bei der eidgenössischen Regel des Art. 471 Ziff. 3 ZGB bewenden zu lassen. Es kann sich hiebei nur fragen, ob auch einem Auslandschweizer in analoger Anwendung jener Bestimmung des Schlusstitels eine auf Unterstellung der Erbfolge unter das allfällige Sonderrecht seines Heimatkantons gerichtete Verfügung zuzugestehen sei. Für die Bejahung dieser Frage (wofür sich die Vertreter der vorherrschenden Ansicht durchwegs aussprechen) lassen sich gewichtige Gründe anführen. Vor allem stehen in beiden Fällen die gleichen Interessen auf dem Spiel, und die von Art. 59 Abs. 2 SchlT zugelassene professio juris neuer Prägung beruht, wie gesagt, trotz dem (eben nicht ganz zutreffenden) Hinweis auf Art. 22 NAG nicht auf einem Konflikt kantonaler Gesetze. Über diese Frage braucht indessen hier nicht entschieden zu werden, da ja keine Unterstellungsverfügung vorliegt. Es genügt festzustellen, dass der von der Beklagten verfochtene Rechtssatz weder dem Art. 28 NAG in Verbindung mit dem nun zur Hauptsache vereinheitlichten Erbrecht des ZGB mit der Abgrenzungsregel des Art. 472 ZGB, noch dem an und für sich gar nicht die Beerbung von Auslandschweizern betreffenden, auf solche Erbfälle höchstens analog (im gleichen Sinne wie für Kantonsbürger mit Wohnsitz in einem andern Kanton) anwendbaren Art. 59 Abs. 2 SchlT zu entnehmen ist. Nichts Abweichendes wurde im Falle Gilly und Konsorten gegen Bosio entschieden (BGE 46 II 213 ff.). Damals war der auf kantonales Recht gestützte Pflichtteilsanspruch der Kläger (Nachkommen einer Schwester und eines Bruders des mit Wohnsitz in Italien verstorbenen Erblassers, eines Bürgers des Kantons Graubünden) vor Bundesgericht nicht mehr streitig (S. 223/24 daselbst).
Diese Erwägungen führen zur Anwendung des Art. 471 Ziff. 3 ZGB, also zur Bejahung des auf die Kläger übergegangenen Pflichtteilsanspruchs ihrer Mutter und somit zur Gutheissung der Herabsetzungsklage. Von einer Gesetzeslücke, wie sie PIOTET (a.a.O. S. 84 Mitte) in bezug auf die Beerbung von Auslandschweizern (mit gleichem Endergebnis) annimmt, kann nicht mit gutem Grunde gesprochen werden. Es gilt eben das vereinheitlichte Erbrecht des ZGB, soweit keine vom Bundesrecht vorbehaltene Regel des kantonalen Rechtes innert der diesem gezogenen Schranken Platz greift (Art. 5 Abs. 2 ZGB). Nur dann könnte angesichts des grundsätzlich geltenden Bundesprivatrechts eine durch kantonales Recht auszufüllende Gesetzeslücke für den in Frage stehenden Erbfall angenommen werden, wenn unabweisliche Gründe die von der Beklagten verfochtene Lösung so gebieterisch erheischten, dass das Fehlen einer dahingehenden gesetzlichen Regel sich nur durch ein Versehen des Gesetzgebers erklären liesse. Das ist nun aber nicht der Fall. Gewiss ist mancher Auslandschweizer mit seinem Heimatkanton ebenso stark gefühlsmässig verbunden wie ein auf Schweizergebiet, in einem andern Kanton, wohnender Bürger desselben Kantons. Und im allgemeinen dürfte es jenem schwerer fallen als diesem, sich nach dem schweizerischen internationalen Erbrecht und nach dem Inhalt des allenfalls massgeblichen internen schweizerischen Rechtes zu erkundigen. Wenn man es deshalb als gerechtfertigt erachten möchte, den Auslandschweizer nicht auf eine (hier als ihm zustehend vorausgesetzte) professio juris zu verweisen, um sich die dem heimatlichen kantonalen Sonderrecht entsprechende Verfügungsfreiheit zu verschaffen, so erhebt sich jedoch die Frage, ob die nämliche Rechtsstellung nicht auch einem auf Schweizergebiet, in einem andern Kanton, wohnenden Bürger desselben Kantons eingeräumt werden sollte, was aber nur durch Änderung des Art. 472 ZGB geschehen könnte. Anderseits wäre es nicht unbedenklich - und rechtfertigt sich daher nicht die Annahme einer in solchem Sinne auszufüllenden Gesetzeslücke -, den Angehörigen eines Kantons, welcher die entgegengesetzte Regelung getroffen, also den Pflichtteilsanspruch der Geschwister auf ihre Nachkommen ausgedehnt hat, bei letztem Wohnsitz im Ausland zwingend über Art. 472 ZGB hinaus dieser sonderrechtlichen Beschränkung der Verfügungsfreiheit zu unterwerfen, obwohl eine solche Beschränkung nach der soeben erwähnten Abgrenzungsnorm nicht gilt für seine Mitbürger mit letztem Wohnsitz auf Schweizergebiet in einem andern Kanton, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser Kanton dieselbe Sonderregelung getroffen hat wie der Heimatkanton. Wie auch immer man diese Fragen vom gesetzgebungspolitischen Standpunkt aus betrachten mag, verbietet es nach geltendem Gesetz die beherrschende Stellung des Bundesprivatrechts, bei der Beerbung von Auslandschweizern kantonales Sonderrecht als gesetzliche Regel anzuwenden, da es an einem für solche Erbfälle aufgestellten Vorbehalt des kantonalen Rechtes fehlt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Januar 1965 bestätigt.