BGE 93 II 71
 
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. April 1967 i.S. Ortsgemeinde Murg gegen Spinnerei Murg AG
 
Regeste
Grundlast; Ablösung nach dreissigjährigem Bestande; Ausschluss dieser Ablösung? (Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3 ZGB).
2. Wann ist eine Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden und deshalb der Ablösung nach dreissigjährigem Bestande entzogen? Ablösung einer Grundlast, die den jeweiligen Eigentümer einer Sägereiliegenschaft, zu deren Gunsten ein ehehaftes Wasserrecht besteht, dazu verpflichtet, das für den Gebrauch der Gemeinde und der Gemeindebürger bestimmte Holz zu einem Vorzugspreis zu sägen.
 
Sachverhalt
A.- Die Spinnerei Murg AG ist Eigentümerin einer Sägereiliegenschaft in Murg, Parzelle Nr. 125, die sie am 7. April 1937 erworben hat. Zur Liegenschaft gehören Wasserrechte am Murgbach, und es lastet darauf folgende Verpflichtung:
"Ein Sägerecht, wonach die Sägebesitzer gehalten sind, der Ortsgemeinde Murg Holz zu billigem Preisansatz zu sägen, nach den spez. Bedingungen des gütlichen Vergleiches zwischen der Gemeinde Murg und den Sagenbesitzern vom 20. September 1823."
Diese Last geht auf den Kaufvertrag vom Jahre 1615 zurück, mit dem die Gemeinde Murg "die Sagen sambt ihrer Gerechtigkeit so darzu gehört" um 106 Münzgulden an die Brüder Heiny und Hanniss Weibell verkaufte, wobei die Käufer sich verpflich teten, "den im Fläcken" (d.h. den Einwohnern von Murg) das Holz zum eigenen Gebrauch zu einem Sonderpreis zu sägen.
B.- Mit Schreiben vom 27. August 1962 kündigte die Spinnerei Murg AG der Ortsgemeinde Murg das Sägerecht auf den 31. August 1963. Die Ortsgemeinde widersetzte sich dieser Kündigung mit der Begründung, das Sägerecht sei im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit einer unablösbaren Dienstbarkeit, nämlich mit einem ehehaften Wasserrecht, verbunden und könne daher nicht abgelöst werden.
Die Spinnerei Murg AG reichte hierauf gegen die Ortsgemeinde Murg beim Kantonsgericht St. Gallen eine Klage mit folgenden Rechtsbegehren ein:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das gemäss 'gütlichem Vergleich zwischen der Gemeinde Murg und den Sägenbesitzern im Unterbach, vom 20. September 1823' zu Gunsten der Genossen von Murg und zu Lasten der Liegenschaft Grundbuch Quarten Parzelle Nr. 215 (heutige Eigentümerin: Spinnerei Murg AG) als Grundlast begründete Sägerecht, wonach 'der Eigentümer dieser Liegenschaft verpflichtet ist, den Bürgern der Gemeinde Murg für ihren Gebrauch Holz zu schneiden lt. Vertrag', von der Klägerin am 27. August 1962 rechtsgültig auf den 31. August 1963 gekündigt wurde, und dass demzufolge ab 1. September 1963 die Klägerin nicht mehr verpflichtet ist, den Angehörigen der Ortsgemeinde Murg Holz zum verbilligten Tarif zu sägen;
2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das Sägerecht zufolge der rechtmässig erfolgten Kündigung durch die Klägerin mit Wirkung ab 1. September 1963 im Grundbuch der Politischen Gemeinde Quarten zu löschen ist;
3. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte das Sägerecht gemäss Vertrag vom 20. September 1823 schon bisher nur zu Gunsten der Ortsgenossen, nicht aber auch für ihren eigenen Holzbedarf in Anspruch nehmen durfte;
4. Der von der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechts eventuell zu beanspruchende Ablösungsbetrag sei vom Richter festzusetzen."
Die Klägerin machte im wesentlichen geltend, die Parteien seien darüber einig, dass das von der Beklagten beanspruchte Sägerecht eine Grundlast darstelle. Dass diese Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden sei, treffe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu. Es bestehe kein innerer Zusammenhang zwischen Säge- und Wasserrecht, sondern dieses könne unabhängig von jenem ausgeübt werden. Zudem sei der Murgbach durch Art. 1 des St. Galler Gesetzes von 1894 über die Benützung der Gewässer zum öffentlichen Gewässer erklärt worden, das unter der Hoheit des Staates stehe. Das Wasserrecht belaste also nicht mehr die Ortsgemeinde, sondern den Staat. Endlich habe der Regierungsrat des Kantons St. Gallen der Klägerin am 24. Dezember 1937 gestattet, die Wasserkraft des ehehaften Wasserrechtes statt für den Betrieb der Sägerei für die Gewinnung elektrischer Energie zu verwenden und den so gewonnenen Strom zum Verbrauch in die Spinnerei zu leiten.
C.- Die Beklagte beharrte auf ihrem Standpunkt, beantragte die Abweisung der Klage und stellte die Widerklagebergehren:
"a) die Klägerin und Widerbeklagte zu verpflichten, der Beklagten und Widerklägerin den durch Expertise festzustellenden, max. Fr. 2000.-- betragenden Schaden zu ersetzen, der ihr und den Bürgern von Murg durch die Einstellung des Sägereibetriebes bis heute entstanden ist und bis 31. August 1963 noch entsteht,
b) gerichtlich festzustellen, dass die Klägerin und Widerbeklagte nach wie vor verpflichtet sei, ihr und den Bürgern (Genossen) von Murg zu den im Vergleich von 1823 vereinbarten Preisen Holz zu sagen,
c) die Beklagte und Widerklägerin für sich und die Genossen von Murg zu ermächtigen, die der Klägerin und Widerbeklagten gemäss Vergleich von 1823 obliegenden Verpflichtungen auf deren Kosten vornehmen zu lassen."
D.- Mit Beschluss vom 5. April 1965 ordnete das Kantonsgericht eine Expertise zur Festsetzung der Höhe des Ablösungsbetrages an. Auf die Berufung der Beklagten gegen diesen Beschluss trat das Bundesgericht am 9. Februar 1966 nicht ein, womit auch die Anschlussberufung der Klägerin dahinfiel.
In der Folge einigten sich die Parteien für den Fall der Ablösbarkeit des Sägerechtes auf einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.--, so dass die angeordnete Begutachtung unterbleiben konnte.
Am 22. November 1966 erkannte das Kantonsgericht:
"1. Es wird festgestellt, dass das im Grundbuch der Gemeinde Quarten zu Lasten der Liegenschaft Parzelle No. 215 als Grundlast eingetragene Sägerecht von der Klägerin auf den 31. August 1963 rechtsgültig gekündigt worden und demnach untergegangen ist.
2. Das in Ziff. 1 erwähnte Sägerecht ist im Grundbuch der Gemeinde Quarten zu löschen.
3. Ziff. 3 des Klagebegehrens wird abgewiesen.
4. Die Klägerin hat der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechtes einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.-- zu bezahlen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen."
Die Klägerin wurde mit einem Drittel, die Beklagte mit zwei Dritteln der Gerichts- und Parteikosten belastet.
E.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage und Gutheissung der (in der Berufungsschrift wiederholten) Widerklagebegehren b und c.
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Dingliche Rechte, die beim Inkrafttreten des ZGB bereits bestanden, stehen gemäss Art. 17 Abs. 2 SchlT/ZGB in bezug auf ihren Inhalt nach dem Inkrafttreten des ZGB, soweit dieses eine Ausnahme nicht vorsieht, unter dem neuen Recht. Zur Frage, welchen Inhalt ein Rechtsverhältnis habe, d.h. welche Befugnisse und Pflichten es begründe, gehört auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beteiligter seine Auflösung verlangen könne (MUTZNER N. 29 zu Art. 3 SchlT). Für die Ablösung einer unter dem alten Rechte begründeten Grundlast durch den Schuldner gilt also Art. 788 ZGB, insbesondere Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 betreffend die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, es sei denn, dass eine der in Art. 17 Abs. 2 SchlT vorbehaltenen Ausnahmestimmungen eingreife.
Art. 17 Abs. 3 SchlT, wonach dingliche Rechte, die nach dem neuen Rechte nicht mehr errichtet werden könnten, unter dem bisherigen Rechte bleiben, ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar; denn die streitige Grundlast hat eine Leistung zum Inhalt, die sich im Sinne von Art. 782 Abs. 3 ZGB aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks ergibt, so dass sie auch unter der Herrschaft des ZGB hätte errichtet werden können.
Der Anwendung der Bestimmungen des neuen Rechts über die Ablösung der Grundlasten nach dreissigjährigem Bestande steht auch Art. 18 Abs. 3 SchlT nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift bleibt der vor dem Inkrafttreten des ZGB durch Rechtsgeschäft festgesetzte Inhalt eines dinglichen Verhältnisses auch unter dem neuen Recht anerkannt, soweit er nicht mit diesem unverträglich ist. Nach dem angefochtenen Urteil, das in diesem Punkte auf der Anwendung des alten kantonalen Rechts beruht, wurde seinerzeit die Unkündbarkeit des streitigen Sägerechts vereinbart. Diese Abrede ist jedoch im Sinne von Art. 18 Abs. 3 SchlT mit dem neuen Recht unverträglich, da Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB (unter Vorbehalt von Abs. 3) zwingend bestimmt, der Schuldner könne die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast auch dann verlangen, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit vereinbart wurde.
Ebensowenig wie Art. 17 Abs. 3 oder Art. 18 Abs. 3 SchlT greift im vorliegenden Fall eine andere Ausnahmebestimmung ein, die der Anwendung des neuen Rechts entgegenstände. Dieses ist daher nach Art. 17 Abs. 2 SchlT massgebend (vgl. BGE 45 II 394 und das von der Vorinstanz angeführte Urteil des Bundesgerichtes vom 21. Februar 1963 i.S. Papierfabriken Landquart AG gegen Gemeinde Igis; MUTZNER N. 43 zu Art. 17 SchlT).
Die Bestimmungen des Art. 788 ZGB über die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande wären im übrigen auf das streitige Sägerecht selbst dann anzuwenden, wenn sich das nicht schon aus Art. 17 Abs. 2 SchlT ergäbe. Diese Bestimmungen wurden erlassen, um dauernde, feudalähnliche Belastungen von Grund und Boden mit Leistungspflichten zu verhindern (vgl. namentlich HUBER in Sten.Bull. 1906 S. 588; TUOR, Das Schweiz. ZGB, 7. Aufl. S. 575). Sie wurden also um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt und sind daher auf altrechtliche, nach dem alten Recht nicht oder erst nach längerer Frist ablösbare Grundlasten wenn nicht schon kraft Art. 17 Abs. 2, so auf jeden Fall kraft Art. 2 SchlT anwendbar (LEEMANN N. 18/19; vgl. auch WIELAND N. 2 b zu Art. 788 ZGB).
Das ehehafte Wasserrecht, das zugunsten der Liegenschaft der Klägerin am Murgbach besteht, stellt eine Dienstbarkeit dar (BGE 88 II 503 mit Hinweisen) und ist unablösbar. Bei Beurteilung der Frage, ob die streitige Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit dieser unablösbaren Dienstbarkeit verbunden sei, sind das St. Galler Gesetz von 1894 über die Benützung der Gewässer und der Regierungsratsbeschluss vom 24. Dezember 1937, welcher der Klägerin die Verwendung der Wasserkraft des Murgbachs zur Erzeugung elektrischer Energie für ihre Spinnerei gestattet, zunächst ausser Betracht zu lassen. Die Klägerin will aus diesen Erlassen ableiten, dass die von der Beklagten behauptete Verbindung zwischen Grundlast und Dienstbarkeit, falls sie bestanden haben sollte, dahingefallen sei. Diese Frage stellt sich nicht, wenn eine Verbindung im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB schon vor diesen Erlassen fehlte.
3. Dass eine Grundlast mit einer Grunddienstbarkeit verbunden sei, kann nur angenommen werden, wenn zwischen diesen beiden Rechtsverhältnissen ein innerer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang kann an sich sowohl dann bestehen, wenn die Grundlast und die Grunddienstbarkeit das gleiche Grundstück belasten, als auch dann, wenn die Grundlast auf dem Grundstück ruht, zu dessen Gunsten die Dienstbarkeit besteht. (Man denke z.B. an eine Grundlast, die den Eigentümer eines wegberechtigten Grundstücks über Art. 741 ZGB hinaus zum vollen Unterhalt eines auch den Interessen des Belasteten dienenden Weges auf dessen Grundstück verpflichtet.) Der Wortlaut von Art. 788 Abs. 3 ZGB schliesst die Anwendung dieser Bestimmung auf Fälle der zweiten Art nicht schlechthin aus. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liegt indes die Auffassung näher, dass Art. 788 Abs. 3 ZGB nur gilt, wenn Grundlast und Grunddienstbarkeit auf dem gleichen Grundstück ruhen. Das kennzeichnende Element dieser beiden Rechtsverhältnisse, auf das ihre Namen hinweisen, ist die dadurch bewirkte Belastung eines Grundstücks. Der nächstliegende Sinn des Erfordernisses einer Verbindung von Grundlast und Grunddienstbarkeit ist also der, dass die beiden Belastungen miteinander verbunden sein und mithin auf dem gleichen Grundstück liegen müssen.
Dass Art. 788 Abs. 3 ZGB so zu verstehen ist, wird durch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung und durch sachliche Erwägungen bestätigt.
a) Der Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 15. November 1900 liess in Art. 782 die Ablösung einer Grundlast nach dreissigjährigem Bestande unter Vorbehalt des öffentlichen Rechts ohne Ausnahme zu. In den Erläuterungen wurde dazu ausgeführt, die Bodenbelastung dürfe "in dem Sinne keine ewige werden, dass der Eigentümer, auch wenn er sich die Ablösung nicht ausbedungen hat, doch die Last nach gewisser Zeit einseitig soll aufheben dürfen"; die Freiheit des Bodens verlange eine. zeitliche Einschränkung der Belastungsdauer (Erl. 1. Ausg., 3. Heft, S. 155; 2. Ausg., II. Band, S. 164/65).
In der Expertenkommission erklärte HUBER bei Behandlung von Art. 782 des Vorentwurfs, "der Artikel betreffe nur diejenigen Fälle, wo der betreffenden Realberechtigung nicht eine Verpflichtung gegenüberstehe; sei sie ein Nebenrecht zur Servitutsverpflichtung, so könne sie nicht allein zur Ablösung kommen" (Prot. Exp. Komm., Originalausgabe, IV. Bd., S. 165; Ausgabe Kümmerly & Frey, IV. Bd., S. 204). Auf Antrag von HUBER, BROSI und ISLER wurde dann dem Art. 782 der folgende Absatz beigefügt: "Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wo die Grundlast mit einer Grunddienstbarkeit verbunden ist." Auf die Frage von MENTHA, ob in einem solchen Falle die Grundlast als solche eingetragen werde oder ob sie in der Eintragung der Dienstbarkeit inbegriffen sei, antwortete HUBER, "es sei möglich, dass die Grundlast gesondert eingetragen werde trotz des Zusammenhanges mit der Dienstbarkeit, wenn es den Parteien so beliebe" (Prot. Originalausgabe IV S. 362, Ausgabe Kümmerly & Frey IV S. 435). Die Redaktionskommission fügte vor "Grunddienstbarkeit" noch das Wort "unablösbaren" ein. In dieser Fassung, von welcher der heutige Art. 788 Abs. 3 ZGB nur in einem unwesentlichen Punkte ("wenn" statt "wo") abweicht, ging die erwähnte Bestimmung als Art. 782 Abs. 3 in den Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes von 1903 und als Art. 778 Abs. 3 in den Entwurf des Bundesrates vom 28. Mai 1904 ein. HUBER führte dazu im Nationalrat aus (Sten. Bull. 1906 S. 589):
"Nach Ablauf von 30 Jahren soll also jede Grundlast abgelöst werden können... Nur in einem Falle muss eine längere Dauer zu Lasten des Schuldners zugestanden werden, wenn sie sich verbindet mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit, wenn z.B. die Zudienung darin besteht, dass ohne Ablösbarkeit auf dem dienenden Grundstück Weg- und Brückenunterhalt geleistet werden muss. Wenn da die Grundlast abgelöst werden könnte, während das Recht weiterbesteht, so würde der Berechtigte in schweren Nachteil kommen."
Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur den Fall im Auge hatte, wo der durch eine Dienstbarkeit mit einer Duldungspflicht belastete Grundeigentümer gleichzeitig durch eine Grundlast zu einer positiven Leistung verpflichtet ist, die nötig ist, damit der Berechtigte die Dienstbarkeit auf die Dauer ausüben kann. Mag die erste Äusserung HUBERS in der Expertenkommission, wo er von einem Nebenrecht (statt von einer Nebenpflicht) zur Servitutsverpflichtung sprach, nicht ganz eindeutig sein, so lassen doch seine weitern Äusserungen keinen Zweifel darüber bestehen, dass er nur an den Fall einer Grundlast dachte, die auf dem mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstück ruht und dessen Eigentümer zu einem Tun im Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten verpflichtet.
HUBER hat denn auch später in einem Gutachten für die Finanzdirektion der Stadt Bern ausgeführt, Art. 788 Abs. 3 ZGB gelte nur, "wo der belastete Grundeigentümer zugleich zu gewissen Leistungen verpflichtet werden soll, wo also die Grundlast denselben Verpflichteten aufweist wie die Grunddienstbarkeit..." (zitiert nach B. MAYR VON BALDEGG, Die Gegenleistung beim Baurecht, Berner Diss. 1938, S. 87). Die ersten wissenschaftlichen Bearbeiter des ZGB, von denen die meisten bei der Ausarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hatten, teilen diese Auffassung, soweit sie sich über die Frage deutlich äussern (ROSSEL ET MENTHA, Manuel du droit civil suisse, 1. Aufl. II S. 176/77, 2. Aufl. III No. 1445 S. 79; LEEMANN N. 13 zu Art. 788 in Verbindung mit N. 41 und 22/23 zu Art. 782 ZGB; nicht eindeutig WIELAND N. 4 zu Art. 788 in Verbindung mit N. 3 zu Art. 730, N. 2 zu Art. 741 und N. 5a zu Art. 782 ZGB).
c) Wie bereits dargelegt, ist Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, der die Ablösung von Grundlasten durch den Schuldner nach dreissigjähriger Dauer zulässt, um der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden (so auch LIVER N. 222 zu Art. 730 ZGB). Vor allem auch deshalb darf Art. 788 Abs. 3 ZGB, der eine Ausnahme von dem in Abs. 1 Ziff. 2 niedergelegten Grundsatze vorsieht, nicht ausdehnend ausgelegt werden. Vielmehr ist die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung auf die Fälle zu beschränken, wo die Grundlast eine Leistung zum Inhalt hat, die nötig ist, um die Ausübung einer unablösbaren Grunddienstbarkeit zu ermöglichen. Nur wenn die Grundlast einem solchen Zwecke dient, lässt es sich sachlich rechtfertigen, die im öffentlichen Interesse vorgesehene Ablösbarkeit der Grundlast nach dreissigjährigem Bestande auszuschliessen und die Grundlast wie die Dienstbarkeit ohne Möglichkeit der Ablösung für unbegrenzte Zeit bestehen zu lassen. Ein Zusammenhang der erwähnten Art kann aber zwischen der Grundlast und der Grunddienstbarkeit nur bestehen, wenn jene auf dem gleichen Grundstück ruht wie diese. Von einer durch Grundlast begründeten Leistungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten (zumal von einer solchen der vorliegenden Art) lässt sich nicht sagen, sie bestehe im angegebenen Sinne im Interesse der Ausübung der Dienstbarkeit, also des Dienstbarkeitsberechtigten, und dieser müsse sich deshalb das Bestehen der Grundlast während der vollen Dauer der Dienstbarkeit gefallen lassen.
c) Dieser Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB lässt sich nicht entgegenhalten, der Erlass einer Bestimmung von so beschränkter Tragweite wäre angesichts des Art. 730 Abs. 2 ZGB überflüssig gewesen. Nach dieser Vorschrift kann eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen mit einer Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Diese Bestimmung erlaubt also bloss, den jeweiligen Eigentümer des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks zu Leistungen nebensächlicher, akzessorischer Art zu verpflichten (LIVER N. 203 ff. zu Art. 730 ZGB). Zudem haftet der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Erfüllung einer nach Art. 730 Abs. 2 ZGB mit einer Grunddienstbarkeit verbundenen Leistungspflicht nur persönlich, nicht mit dem Grundstück (LIVER N. 227 zu Art. 730, mit Hinweisen). Wenn mit einer Grunddienstbarkeit eine nicht bloss nebensächliche Leistungspflicht verbunden werden soll oder wenn gewünscht wird, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Erfüllung seiner Leistungspflicht mit dem Grundstück hafte, muss also eine Grundlast errichtet werden. Art. 788 Abs. 3 ZGB ist erlassen worden, um zu verhindern, dass solche Grundlasten vor dem Erlöschen der Dienstbarkeiten, deren Ausübung sie sichern, durch den Schuldner abgelöst werden können. Er schliesst eine solche Ablösung wenigstens dann aus, wenn die den Inhalt der Grundlast bildende Leistungspflicht des Dienstbarkeitsverpflichteten im Verhältnis zu dessen Duldungspflicht nicht geradezu die Hauptsache ist (LIVER N. 222 zu Art. 730 ZGB). Der Umstand, dass derartige Verbindungen zwischen einer Grundlast und einer Dienstbarkeit selten sein mögen, vermag eine ausdehnende Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB nicht zu rechtfertigen.
d) In BGE 52 II 44 hat das Bundesgericht freilich ausgeführt, eine den Bauberechtigten zur Zahlung des Baurechtszinses verpflichtende Grundlast (deren Errichtung zulasten des als Grundstück ins Grundbuch aufgenommenen Baurechtes es als zulässig erachtete) könne gemäss Art. 788 Abs. 3 ZGB nicht abgelöst werden, "weil auch auf diese Gegenleistung für die Einräumung der Servitut zutrifft, dass sie mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist, nicht weniger als auf ein 'Nebenrecht zur Servitutsverpflichtung', dessen besonderer Berücksichtigung die genannte Vorschrift ihre Entstehung verdankt (vgl. Protokoll der Expertenkommission 3 [richtig 4] S. 165)." Dabei handelte es sich jedoch nur um eine beiläufige Bemerkung. Im damals beurteilten Falle war der Anspruch des Grundeigentümers auf den Baurechtszins weder durch eine derartige Grundlast noch durch ein Grundpfand gesichert worden. Vielmehr bestimmte der Baurechtsvertrag, die Pflicht zur Zahlung des Baurechtszinses ("Rentenverpflichtung") werde "inhaltlich mit dem Baurecht zu einem einzigen dinglichen Verhältnis verbunden"; bei Säumnis des Rentenschuldners sei der Rentengläubiger berechtigt, Befriedigung aus dem Erlös des Baurechtes oder dessen Übertragung an ihn zu verlangen. Das Bundesgericht erklärte eine solche Ausgestaltung des Baurechts als unzulässig und machte die wiedergegebene Bemerkung lediglich im Zusammenhang mit Ausführungen darüber, dass sich die Pflicht zur Zahlung des Baurechtszinses gleichwohl in einer die hypothekarische Belehnung des Baurechts nicht ausschliessenden Weise dinglich sichern lasse. Die in BGE 52 II 44 vertretene Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB ist also durch das Bestreben beeinflusst, der Praxis ein Mittel zur dinglichen Sicherung des Anspruchs auf den Baurechtszins zu bieten. Dieses Bestreben darf bei Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB als mit einer Grunddienstbarkeit verbunden gelten kann, auf jeden Fall heute schon deshalb nicht mehr mitspielen, weil die am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Art. 779 i und k ZGB die Sicherung des Baurechtszinses in anderer Weise (durch Gewährung eines Anspruchs auf Errichtung eines Pfandrechts) regeln. Im übrigen wurde in BGE 52 II 27 ff. verkannt, dass die Leistung eines Baurechtszinses nach Art. 782 Abs. 3 ZGB überhaupt nicht Inhalt einer Grundlast sein kann, weil diese Leistung sich weder aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks (des Baurechtes) ergibt noch für die wirtschaftlichen Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks bestimmt ist (so auch LIVER in ZBJV 1958 S. 383). Die Frage, ob eine zur Sicherung des Baurechtszinses errichtete Grundlast gemäss Art. 788 ZGB ablösbar sei oder nicht, kann sich also in Wirklichkeit gar nicht stellen. Um so weniger lässt sich an der in BGE 52 II 44 vertretenen Auffassung über die Tragweite von Art. 788 Abs. 3 ZGB festhalten. Vielmehr ist die Anwendung dieser Bestimmung aus den im vorliegenden Entscheide angeführten Gründen abzulehnen, wenn die Grundlast nicht eine für die Ausübung der Dienstbarkeit nötige Leistung des Dienstbarkeitsverpflichteten, sondern eine Leistung des Dienstbarkeitsberechtigten zum Inhalt hat, gleichgültig, ob es sich dabei um dessen Gegenleistung für die Einräumung der Dienstbarkeit oder um eine sonstige Leistung handle.
Die streitige Grundlast, welche die dienstbarkeitsberechtigte Klägerin zu einer Leistung verpflichtet, fällt also nicht unter Art. 788 Abs. 3 ZGB, sondern die Klägerin war berechtigt, auf Grund von Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ihre Ablösung zu verlangen. Die Berufung der Beklagten ist also unbegründet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 22. November 1966 bestätigt.