14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1971 i.S. G. gegen S.
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Regeste
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Anforderungen an Unterlassungsklagen.
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Ein Verstoss gegen diesen Grundsatz ist vom Richter von Amtes wegen zu korrigieren.
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Sachverhalt
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G. und Frau S. waren während mehrerer Jahre intim befreundet. Nachdem Frau S. die Beziehungen zu G. abgebrochen hatte, schrieb er ihr eine Reihe von Briefen mit zum Teil beleidigendem Inhalt, von denen er Kopien an Drittpersonen sandte. Vergebens liess ihn Frau S. durch ihren Anwalt auffordern, den Versand solcher Briefe zu unterlassen. G. fuhr fort, Frau S. Briefe und andere Sendungen unzüchtigen Inhalts zuzustellen. Frau S. erhob daher Klage, wobei sie dem Gericht folgende Streitfrage unterbreitete:
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"Ist dem Beklagten unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams im Sinne von Art. 292 StGB zu verbieten, der Klägerin persönlichkeitsverletzende Briefe zuzustellen bzw. zustellen zu lassen oder sich gegenüber Dritten über die Klägerin persönlichkeitsverletzend zu äussern?"
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Das erstinstanzliche kantonale Gericht hiess dieses Unterlassungsbegehren gut. Eine vom Beklagten hiegegen eingereichte Berufung wies das Obergericht ab. Ziffer 1 des Urteilsdispositivs lautete folgendermassen:
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"Dem Beklagten wird untersagt, der Klägerin Briefe, durch die sie in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt wird, zuzustellen bzw. zustellen zu lassen oder sich gegenüber Drittpersonen über die Klägerin in einer Art, die deren persönliche Verhältnisse verletzt, zu äussern. Bei Nichtbeachtung dieses Verbotes würde der Beklagte dem Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB (Haft oder Busse) überwiesen."
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Der Beklagte führte Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, die Klage abzuweisen.
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Das Bundesgericht wies die Berufung ab, soweit darauf eingetreten werden konnte, und bestätigte das Urteil des Obergerichts unter Verdeutlichung von Ziffer 1 des Dispositivs im Sinne der Erwägungen.
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Aus den Erwägungen:
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Unterlassungsklagen können nur in demjenigen Umfang geschützt werden, als sie auf das Verbot eines genügend bestimmten Verhaltens gerichtet sind (BGE 84 II 457 f.,BGE 78 II 292f. undBGE 56 II 437; JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR Bd. 79 II S. 182a sub lit. d; GROSSEN, La protection de la personnalité en droit privé, ZSR Bd. 79 II S. 40a). Die Vollstreckung des verlangten Verbotes muss möglich sein, ohne dass der hiefür zuständige Richter nochmals eine materielle Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens vorzunehmen hat. Das Urteil der Vorinstanz verstösst gegen diesen Grundsatz, indem darin dem Beklagten die Zustellung von Briefen an die Klägerin und Äusserungen gegenüber Drittpersonen, welche die Klägerin in ihren persönlichen Verhältnissen verletzen, verboten werden. Damit bleibt es dem Strafrichter überlassen zu bestimmen, ob das Verhalten des ihm zur Bestrafung wegen Ungehorsams im Sinne von Art. 292 StGB überwiesenen Beklagten als persönlichkeitsverletzend zu qualifizieren sei oder nicht. Diese Frage hat aber allein der Zivilrichter zu entscheiden.
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Die Vorinstanz hätte daher das von ihr ausgesprochene Verbot unter entsprechender Richtigstellung des bereits zu weit gefassten Klagebegehrens auf jenes Verhalten des Beklagten beschränken sollen, das Gegenstand des Prozesses war. Das Bundesgericht hat dies von Amtes wegen nachzuholen und Ziffer 1 des Urteilsdispositivs der Vorinstanz in dem Sinne zu verdeutlichen, dass sich das an den Beklagten gerichtete Verbot auf Äusserungen beschränkt, deren Rechtswidrigkeit im vorliegenden Verfahren festgestellt wurde (vgl. hiezuBGE 56 II 437f. und BGE 96 II 262). Der Beklagte darf somit der Klägerin keine Briefe mehr zukommen lassen, in denen er sich über die Beziehungen zwischen den Parteien oder über geschlechtliche Dinge äussert oder das Verhalten und den Charakter der Klägerin kritisiert oder ihr gegenüber Drohungen ausspricht. Ebenso hat er alle Äusserungen gegenüber Drittpersonen zu unterlassen, die entweder seine persönlichen Beziehungen zur Klägerin betreffen oder an diese gerichtete Vorwürfe enthalten. Diese Präzisierung bedeutet nicht etwa eine teilweise Gutheissung der Berufung; denn der Beklagte hat im ganzen Verfahren nie geltend gemacht, das auf Unterlassung gerichtete Klagebegehren sei zu weit gefasst. Im übrigen konnte sich die Klage von vorneherein nur auf jenes Verhalten des Beklagten beziehen, dessen Rechtswidrigkeit im Prozess behauptet wurde. Die Vorinstanzen hätten daher das zu allgemein gefasste Unterlassungsbegehren ganz unabhängig von der Stellungnahme des Beklagten nur im Rahmen der sich aus der Klagebegründung ergebenden Konkretisierung zulassen und gutheissen sollen.
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