13. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1974 i.S. Leisinger gegen Schlegel.
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Regeste
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Güterrechtliche Auseinandersetzung bei Scheidung (Art. 154 Abs. 2 und 214 Abs. 1 ZGB).
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Sachverhalt
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A.- Peter Schlegel und Dora Leisinger gingen am 28. Mai 1955 miteinander die Ehe ein. Dieser entsprossen zwei Kinder. Die Ehegatten wohnten während der ganzen Dauer der Ehe in Klosters. Im Jahre 1958 bauten die Ehegatten gemeinsam auf der vom Ehemann durch Tausch gegen das von ihm in die Ehe eingebrachte Maiensäss "Rüti" erworbenen Parzelle Nr. 574 im Zentrum von Klosters ein Dreifamilienhaus, genannt Haus "Litzner". Die Familie Schlegel belegte die Wohnung im Dachstock und vermietete die beiden andern Wohnungen an Feriengäste. Beide Ehegatten investierten ihre Ersparnisse in das Haus, dessen Verwaltung vornehmlich von der Ehefrau besorgt wurde.
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B.- Am 18. August 1967 machte die Ehefrau beim Bezirksgericht Oberlandquart eine Trennungsklage anhängig. Der Ehemann begehrte widerklageweise die Scheidung der Ehe. Im Laufe des Verfahrens beantragte die Klägerin ebenfalls die Scheidung. Mit Urteil vom 28. Februar 1973 schied das Bezirksgericht Oberlandquart in Gutheissung von Klage und Widerklage die Ehe der Parteien gestützt auf Art. 142 ZGB. Gleichzeitig genehmigte es mit einigen Änderungen die von den Parteien abgeschlossene Scheidungskonvention. Beide Parteien hatten darin ausdrücklich auf Vermögensleistungen im Sinne von Art. 151 bis 153 ZGB verzichtet. Das Gericht stellte fest, dass der Klägerin aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung ein Anspruch von total Fr. 57 736.60 in bar zustehe und dass sie ausserdem zur Rücknahme der von ihr eingebrachten Möbel und Aussteuergegenstände im Anschaffungswert von Fr. 4210.-- berechtigt sei.
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Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung an das Kantonsgericht von Graubünden. Dieses hiess die Berufung am 17. Oktober 1973 teilweise gut und erhöhte den Anspruch der Klägerin aus Güterrecht auf Fr. 78 795.60. Im übrigen wies das Kantonsgericht die Berufung ab.
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C.- Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei insoweit aufzuheben, als ihr aus Güterrecht der Betrag von Fr. 82 186.-- zuzusprechen sei; ferner sei ihr im Zuge der güterrechtlichen Auseinandersetzung auf Anrechnung an ihre Güterrechtsforderung das Haus "Litzner" samt Mobiliar zum Schätzungswerte zuzuteilen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen:
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Unter den Aktiven des eingebrachten Gutes des Ehemannes findet sich der Betrag von Fr. 42 118.--, welcher 40% des heutigen Wertes des Bodens "Litzner" darstellt. Die Vorinstanz hat dem Beklagten nämlich vom heutigen Wert des Bodens "Litzner" nur jenen Teil als eingebrachtes Gut zugerechnet, der dem Anteil des eingetauschten Maiensässes am damaligen Gesamtpreis für den Boden "Litzner" entspricht, was ungefähr 40% ausmachte. Diese Berechnung wird von der Klägerin ebenfalls nicht bestritten.
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Hingegen wiederholt die Klägerin ihren seit Beginn des Prozesses gestellten Antrag auf Zuweisung des Hauses "Litzner" samt Mobiliar in ihr Eigentum auf Anrechnung an ihre güterrechtliche Forderung. Diese Forderung, welche sich auf total Fr. 78 795.60 beläuft, besteht zur Hauptsache aus dem Anteil der Klägerin am ehelichen Vorschlag in der Höhe von Fr. 60 098.70.
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b) Der Vorschlag ist den Ehegatten bei der Scheidung nach ihrem Güterstande zuzuweisen (Art. 154 Abs. 2 ZGB). Lebten die Ehegatten unter dem Güterstand der Güterverbindung, so erhält die Frau einen Drittel des Vorschlages, während zwei Drittel dem Ehemann verbleiben (Art. 214 Abs. 1 ZGB). Der Vorschlag ist der Aktivsaldo des ehelichen Vermögens, der verbleibt nach Abzug der ehelichen Schulden, der Ausscheidung des Mannesgutes und des eingebrachten Frauengutes sowie der Tilgung der Ersatzforderungen der Ehefrau. Er ist ein rein zahlenmässiger Begriff und sagt nichts aus über die Eigentumsverhältnisse. Durch den Anteil der Frau am Vorschlag wird nur ausgedrückt, welche Forderung die Frau oder ihre Erben gegen den Mann oder seine Erben wegen der Zunahme des ehelichen Vermögens haben (LEMP, Kommentar, N. 3 zu Art. 214 ZGB). Vorschlag ist nicht Errungenschaft. Eigentümer der Errungenschaft ist bei der Güterverbindung der Ehemann (Art. 195 Abs. 2 ZGB). Infolgedessen besteht der Anteil der Ehefrau am Vorschlag nur in einer Geldforderung gegen den Ehemann. Sie kann bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht die Zuweisung von Vermögensstücken der Errungenschaft verlangen (BGE 82 II 487 Erw. 2; LEMP, a.a.O.).
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Der Richter ist nun nicht befugt, entgegen den klaren gesetzlichen Bestimmungen eine Geldforderung der Ehefrau in ein Recht auf Zuweisung von bestimmten Vermögensobjekten, die im Eigentum des Ehemannes stehen, umzuwandeln. So hat das Bundesgericht schon ausdrücklich entschieden, dass der Richter der Frau auf ihre Ersatzforderung für eingebrachtes Gut nicht Errungenschaftsgegenstände, die dem Manne gehören, in natura zuweisen kann (BGE 78 II 308 Erw. 4a). Der gleiche Grundsatz gilt aber auch bezüglich des Anteils der Frau am ehelichen Vorschlag.
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c) In der Berufungsschrift wird auf BGE 80 II 102 hingewiesen und geltend gemacht, auch im vorliegenden Fall würden besondere Gründe vorliegen, die es rechtfertigten, der Klägerin eine Sachleistung zu gewähren, und zwar in Form der Zuweisung des Hauses "Litzner" in ihr Eigentum. Von der Rechtsprechung ist bisweilen der geschiedenen Frau im Zusammenhang mit der Regelung der finanziellen Wirkungen der Scheidung, wenn ganz besondere Umstände gegeben waren, ein Anspruch auf eine Sachleistung aus dem Vermögen des Ehemannes eingeräumt worden. In dem von der Klägerin angeführten Urteil hat das Bundesgericht entschieden, dass die Entschädigung an den schuldlos geschiedenen Ehegatten gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB in einer Sachleistung bestehen kann, sofern besondere Gründe es rechtfertigen; im zu beurteilenden Fall wurde anstelle einer Geldleistung die Übertragung einer Liegenschaft vorgesehen (BGE 80 II 102 ff.). Das Bundesgericht führte dazu aus, dem Begriff der Entschädigung entspreche nach landläufigem Sprachgebrauch sowohl die Geld- als auch die Naturalentschädigung. Als angemessene Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB lasse sich somit zwanglos auch eine den Verhältnissen angemessene Sachleistung betrachten. Entspreche aber die Möglichkeit der Zuerkennung einer Sachleistung bei besondern Umständen schon dem Begriff der Entschädigung, so sei die analoge Anwendung von Art. 43 OR nicht notwendig. Auch die familienrechtliche Betrachtungsweise führe nicht zu einer engeren Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB; wenn der schuldlose Ehegatte durch die Ehescheidung seine wirtschaftliche Existenz verliere, könne die ihm dafür gebührende Entschädigung unter Umständen in angemessenster Weise durch eine Sachleistung erfolgen (BGE 80 II 104 /5).
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Das Obergericht des Kantons Zürich hat einer geschiedenen Frau einen Radioapparat unter dem Titel der Genugtuung gemäss Art. 151 Abs. 2 ZGB zu Eigentum zugesprochen. Da der Ehemann zahlungsunfähig war, erkannte das Obergericht in analoger Anwendung von Art. 49 Abs. 2 OR auf eine andere Art der Genugtuung (SJZ Bd. 51 (1955) S. 43 Nr. 19). Ebenso hat das Obergericht des Kantons Aargau einer geschiedenen Frau in Anwendung von Art. 156 ZGB Schlafzimmermöbel, welche sie für die Kinder benötigte, im Sinne einer zusätzlichen Realleistung des Ehemannes zu den ihm für den Unterhalt der Kinder auferlegten monatlichen Barbeiträgen zugewiesen (SJZ Bd. 63 (1967) S. 92 Nr. 45). Auch in diesem Fall hat der weitgefasste Wortlaut von Art. 156 ZGB dem Richter ermöglicht, die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten, dem die Kinder entzogen worden sind, nicht nur in Form einer Geldleistung zu umschreiben.
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Ganz anders ist die Rechtslage bei der Aufteilung des ehelichen Vorschlages. Der Anspruch der Frau auf den Vorschlagsdrittel hat nicht den Charakter einer Entschädigung. Nach den gesetzlichen Bestimmungen steht ihr nur eine Geldforderung zu. Dem Richter ist daher nicht erlaubt, der geschiedenen Frau eine Sachleistung zuzuerkennen und dem Ehemann Sachwerte wegzunehmen, die in seinem Eigentum stehen. Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, dass gar keine besondern Gründe gegeben sind, welche ein Abweichen von der auf dem Gesetz beruhenden Praxis allenfalls rechtfertigen könnten. Die Klägerin macht lediglich geltend, dass sie seit Beginn des Prozesses mit den Kindern eine der Wohnungen des Hauses "Litzner" innehabe und bei einer Ausweisung aus dieser Wohnung in Not geraten würde. Damit ist aber keineswegs erstellt, dass sie nicht eine andere Wohnung finden würde, falls sich der Beklagte nach der Scheidung weigern würde, ihr weiterhin die bisherige Wohnung zu vermieten. Die Tatsache, dass die Ehefrau gestützt auf die vom Richter für die Dauer des Scheidungsprozesses erlassenen vorsorglichen Massnahmen eine Wohnung in der dem Ehemann gehörenden Liegenschaft behalten konnte, gibt ihr natürlich kein Recht, dieses Haus als ihr Eigentum zu beanspruchen. Überdies gehört im vorliegenden Fall die fragliche Liegenschaft noch teilweise zum eingebrachten Gut des Ehemannes, da der Boden, auf dem das Haus erstellt wurde, von ihm zum Teil durch Tausch mit einem Grundstück, das zum Mannesgut gehörte, erworben worden war. Die Berufung erweist sich somit als offensichtlich unbegründet.
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