BGE 103 II 64
 
9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1977 i.S. General Electric Company gegen De Beers Industrial Diamond Division Ltd.
 
Regeste
Art. 75 Abs. 1 lit. b PatG.
2. Das gilt selbst dann, wenn der Kläger weiss, dass der Eingetragene nicht mehr Vertreter des Beklagten ist (E. 3).
 
Sachverhalt
A.- Die Firma de Beers Industrial Diamond Division (Proprietary) Ltd. klagte am 6. Oktober 1976 gegen die in den Vereinigten Staaten von Amerika niedergelassene General Electric Company beim Handelsgericht des Kantons Zürich auf Nichtigerklärung der Schweizerpatente Nr. 453315, 506438, 517561 und 554209 und auf Feststellung, dass die Klägerin das letztgenannte Patent nicht verletze. Gleichzeitig stellte sie beim Friedensrichteramt der Stadt Zürich das Begehren um Durchführung des Sühneverfahrens. Sie hielt den Gerichtsstand Zürich für gegeben, weil am 6. Oktober 1976 bezüglich aller vier Patente der in Zürich als Patentanwalt tätige A. als Vertreter der Inhaberin im Patentregister eingetragen war.
Am 20. Oktober 1976 teilte A. der Klägerin mit, er habe sich entschlossen, die Vertretung für die vier Patente niederzulegen. Die gleiche Mitteilung machte er am 21. Oktober 1976 dem Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum. Er ersuchte es, ihn unverzüglich im Register zu streichen, und teilte ihm mit, Rechtsanwalt B. in Bern werde dem Amt die Übernahme der Vertretung anzeigen. Am 22. Oktober gab er dem Friedensrichter bekannt, dass er die Patentinhaberin nicht mehr vertrete, die Gerichte des Kantons Zürich folglich nicht mehr zuständig seien und er zum Sühneversuch vom 26. Oktober nicht erscheinen werde.
Am 28. Oktober 1976 reichte die Klägerin dem Handelsgericht die Weisung ein.
Das Amt für geistiges Eigentum registrierte den Verzicht des A. am 4. November 1976.
B.- Am 8. Dezember 1976 bestritt der neue Patentvertreter der Beklagten, der seinen Geschäftssitz in Bern hat, den Gerichtsstand Zürich.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Einrede durch Vorentscheid vom 8. Februar 1977 ab. Es hält sich gemäss Art. 75 Abs. 1 lit. b PatG für zuständig, weil am 28. Oktober 1976, als nach kantonalem Prozessrecht die Klage durch Einreichung der Weisung hängig wurde, noch A. als Vertreter der Beklagten im Patentregister eingetragen war und nichts darauf ankomme, dass der Vertreter der Klägerin schon vor diesem Tage vom Rücktritt des A. Kenntnis erhalten hat.
C.- Die Beklagte hat gegen den Entscheid des Handelsgerichtes rechtzeitig die Berufung erklärt. Sie beantragt, ihn aufzuheben und das Handelsgericht örtlich unzuständig zu erklären.
Sie macht geltend, die Eintragung des Vertreters des Patentinhabers wirke wie jede nicht mit der Patenterteilung zusammenhangende Eintragung in das Patentregister nur deklarativ und diene dem Beweise. Sie begründe den Gerichtsstand des Art. 75 Abs. 1 lit. b PatG daher nur für den gutgläubigen Kläger, nicht auch für jenen, der wisse, dass der Eingetragene nicht mehr Vertreter sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 75 Abs. 1 lit. b PatG ist zur Beurteilung der im Patentgesetz vorgesehenen Klagen Dritter gegen den Patentinhaber der Richter am Wohnsitz des Beklagten zuständig; liegt dieser Ort nicht in der Schweiz, so ist der Richter am Geschäftssitz des im Register eingetragenen Vertreters oder, wenn die Vertreterbestellung im Register gelöscht ist, am Sitz des Eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum zuständig.
Diese Bestimmung lässt schon nach ihrem Wortlaut, auch dem französischen und dem italienischen, nicht daran zweifeln, dass der Gerichtsstand des Geschäftssitzes des Vertreters ausschliesslich von der Eintragung im Patentregister, nicht von der tatsächlichen Vertretereigenschaft des Eingetragenen abhängt. Denn dieser Gerichtsstand wird erst dann durch jenen am Sitz des Amtes für geistiges Eigentum abgelöst, "wenn die Vertreterbestellung im Register gelöscht ist". Würde schon das Ende des Vertreterverhältnisses den Gerichtsstand am Geschäftssitz des Vertreters hinfällig machen, so entstände eine zeitliche Lücke, in welcher der Patentinhaber ohne schweizerischen Wohnsitz in der Schweiz nicht belangt werden könnte. Wenn die Eintragung von Anfang an materiell unrichtig ist, bestände überhaupt kein schweizerischer Gerichtsstand, bis ein Vertreter registriert würde, der dies wirklich ist. Das wäre unerträglich.
Die Entstehungsgeschichte der Bestimmung zeigt denn auch einwandfrei, dass der Wortlaut dem Willen der Bundesversammlung entspricht. Im Entwurf des Bundesrates (BBl 1950 I 1102) lautete die Bestimmung in Art. 95 Abs. 1 lit. b wie folgt:
"Liegt dieser Ort nicht in der Schweiz, so ist der Richter am Geschäftssitz des Vertreters oder, wenn kein Vertreter bestellt ist, am Sitz des Amtes für geistiges Eigentum zuständig."
Der Nationalrat nahm diese Fassung zunächst ohne Erörterungen an (Sten.Bull. 1952 N. 441). Die Kommission des Ständerates schlug den Wortlaut vor, der Gesetz geworden ist. Ihr Berichterstatter Schoch führte aus, wer in der Schweiz keinen Wohnsitz habe, könne die Erteilung eines Patentes nur beantragen und die Rechte aus dem Patent nur geltend machen, wenn er einen in der Schweiz niedergelassenen Vertreter habe. Der Gerichtsstand am Geschäftssitz dieses Vertreters solle solange gegeben sein, als der Vertreter im Register noch eingetragen ist. Der Ständerat stimmte der Kommission ohne Diskussion zu (Sten.Bull. 1953 S 395 f.). Im Nationalrat drang hierauf diese Auffassung, wie aus den Ausführungen seiner Berichterstatter Perrin und Huber erhellt, ebenfalls ohne weitere Aussprache durch (Sten.Bull. 1953 N. 745).
2. Gegen den klaren Sinn des Gesetzes vermag der Einwand der Beklagten, es hange vom Zufall und der Arbeitslast des Amtes für geistiges Eigentum ab, wie rasch eine begehrte Löschung eines Vertreters vollzogen werde, nicht aufzukommen. Das Interesse des Klägers an der lückenlosen Möglichkeit, in der Schweiz klagen zu können, hat mehr Gewicht als der Wunsch des Beklagten, sich einem solchen Gerichtsstand durch die Beendigung des Vertreterverhältnisses zu entziehen und damit die Belangung zu erschweren. Daran ändert auch die Auffassung der Beklagten nichts, durch die Verzögerung der Löschung des Vertreterverhältnisses würde der "passivlegitimierte Vertreter festgenagelt", das heisst der "materiell richtige Vertreter" müsste sich wegen der zufällig verzögerten Löschung am Gerichtsstand seines Vorgängers einlassen. Passiv legitimiert ist nicht der Vertreter, sondern der Patentinhaber. Dass dieser sich am Geschäftssitz des früheren, aber noch immer eingetragenen Vertreters zu verantworten hat, ist nicht unbillig. Unhaltbar wäre es dagegen, wenn dem Beklagten ermöglicht würde, kurz vor der Rechtshängigkeit der Klage durch einmalige oder wiederholte Auswechslung des Vertreters den Gerichtsstand zu verschieben und damit dem Kläger die Verfolgung zu erschweren oder zu verunmöglichen. Interessen des eingetragenen oder des wirklichen Vertreters stehen überhaupt nicht auf dem Spiel; niemand braucht sich gegen seinen Willen als Vertreter mit dem Prozess zu befassen.
Bleibt es somit dabei, dass das Gesetz den in Frage stehenden Gerichtsstand vom Eintrag des Vertreters, nicht von dessen wirklichen Vertretereigenschaft abhangen lässt, so kann dahingestellt bleiben, welche Wirkungen der Eintrag im übrigen hat. Auf die Argumente, welche die Beklagte auf Art. 33 PatG, das Handelsregisterrecht und das Schrifttum über die Bedeutung von Einträgen nach dem deutschen Patentgesetz stützt, um darzutun, dass die Eintragung eines Vertreters in das schweizerische Patentregister nur deklarativ wirke und dem Beweis diene, braucht daher nicht eingegangen zu werden. Die Beklagte verkennt, dass hinsichtlich des Gerichtsstandes die Eintragung nach dem klaren Willen des Gesetzes konstitutiv wirkt.
3. Da nach Art. 75 Abs. 1 lit. b PatG die Eintragung des Vertreterverhältnisses, nicht dieses selbst, den Gerichtsstand begründet, muss dieser auch unabhängig vom Wissen des Klägers über das wirkliche Verhältnis bestehen. Auch sachlich rechtfertigt es sich nicht, eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung dann zu machen, wenn der Kläger weiss, dass der Eingetragene nicht mehr Vertreter des Beklagten ist. Weder die Eintragung des Vertreters in das Patentregister noch der an sie geknüpfte Gerichtsstand dienen dem Schutze gutgläubiger Kläger. Auf die Eintragung statt auf das tatsächliche Vertretungsverhältnis wird nur aus praktischen Überlegungen abgestellt. Es soll - vom Kläger, aber auch vom Beklagten und vom Richter - einfach und zuverlässig festgestellt werden können, wo sich der Gerichtsstand befindet. Wäre im einzelnen Falle zu untersuchen, ob der Eintrag im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage mit den Tatsachen übereinstimmte und ob der Kläger von seiner Unrichtigkeit Kenntnis hatte, so würden Streitigkeiten um den Gerichtsstand Vorschub geleistet und die materielle Beurteilung der Sache verzögert. Auch bliebe es dem Beklagten möglich, die Rechtsverfolgung trölerisch zu erschweren. Er brauchte dem Kläger nur kurz vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit jeweilen mitzuteilen, dass er den Vertreter gewechselt oder überhaupt keinen Vertreter mehr habe.
BLUM/PEDRAZZINI (Das schweizerische Patentrecht, Art. 75 Anm. 4 lit. d), auf die sich die Beklagte beruft, stellen sich denn auch nicht klar auf den Standpunkt - geschweige denn, dass sie ihn begründen würden -, der Gerichtsstand am Geschäftssitz des eingetragenen Vertreters stehe nur dem gutgläubigen Kläger zur Verfügung. Sie sagen zwar, wenn ein Vertreter noch eingetragen, aber nicht mehr berechtigt sei, könne dieser Umstand dem gutgläubigen Kläger nicht mit zerstörender Wirkung bezüglich des Gerichtsstandes entgegengehalten werden. Sie fügen aber bei, das Gesetz knüpfe nämlich den Gerichtsstand am Sitze des Patentamtes an die Löschung der Vertreterstellung im Register und drücke damit die Unerheblichkeit des Bestehens des eigentlichen inneren Vertreterverhältnisses für die Gerichtsstandsfrage aus. Abschliessend schreiben sie, es liege übrigens auf der Hand, dass schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Beklagte dem Kläger die fehlende Vertretereigenschaft des Eingetragenen nicht entgegenhalten könne, "mindestens" wenn der Kläger gutgläubig sei.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Februar 1977 bestätigt.