BGE 103 II 114 |
19. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Mai 1977 i.S. Minerva Finanz AG gegen Malek |
Regeste |
Abzahlungsvertrag. |
Sachverhalt |
Dariouche Malek, ein iranischer Student, schloss am 15. März 1974 mit der Gasser Automatic einen Kaufvertrag über einen elektronischen Spielautomaten "Pro Tennis" ab, der beim Einwurf von Fr. 1.-- bzw. Fr. 2.-- ein Spiel mit einem Leuchtpunkt auf einem Fernsehschirm erlaubt. Vereinbart wurde ein Barkaufpreis von Fr. 9'900.-- und ein Teilzahlungspreis von Fr. 12'456.--, zahlbar in 36 Monatsraten zu Fr. 346.--; eine Anzahlung wurde nicht vorgesehen. Der Kaufvertrag enthält den vorgedruckten Hinweis, dass der Kaufgegenstand gemäss seiner Beschaffenheit für einen Gewerbebetrieb bzw. für berufliche Zwecke bestimmt sei, weshalb auf das Vertragsverhältnis der Parteien nur die Art. 226h Abs. 2, 226i Abs. 1 und 226k OR des Abzahlungsrechts anwendbar seien.
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Auf Grund einer Zession der Gasser Automatic verlangte in der Folge die Minerva Finanz AG die Zahlung der vereinbarten Monatsraten. Malek teilte jedoch am 2. Mai 1974 sowohl der Verkäuferin als auch der Zessionarin mit, dass er den Vertrag als ungültig betrachte, da die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmung des Art. 226m Abs. 4 OR nicht gegeben seien und deshalb alle Schutzbestimmungen des Abzahlungsvertragsrechts hätten angewendet werden müssen. Vorliegend sei insbesondere keine Anzahlung abgemacht worden.
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Mit Klage vom 25. September 1975 verlangte die Minerva Finanz AG von Malek Zahlung von insgesamt Fr. 12'110.-- nebst Zinsen. Am 22. September 1976 wies der Appellationshof des Kantons Bern die Klage ab. Dabei bejahte er vorerst die Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien und beschränkte im übrigen das Verfahren auf die Frage, ob auf das streitige Vertragsverhältnis die Vorschriften über die Abzahlungsverträge anwendbar seien oder ob es unter die Ausnahmeregelung des Art. 226m Abs. 4 OR falle. Der Appellationshof kam zum Schluss, die Voraussetzungen für diese Ausnahmebestimmung seien nicht gegeben, weshalb er den Kaufvertrag vom 15. März 1974 wegen Fehlens einer Anzahlung im Sinne von Art. 226a Abs. 3 OR für ungültig hielt.
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Mit ihrer gegen das Urteil des Appellationshofs erhobenen Berufung verlangt die Klägerin, es sei festzustellen, dass auf das Vertragsverhältnis der Parteien die Ausnahmeregelung von Art. 226m Abs. 4 OR anwendbar sei; ferner sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Neubeurteilung der bei ihr anhängig gemachten Klagebegehren; allenfalls sei die Klage gutzuheissen. Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Die Parteien stimmen mit der Vorinstanz darin überein, dass der streitige Vertrag ungültig wäre, wenn nicht die Anwendung von Art. 226a Abs. 4 OR wegen der Ausnahmebestimmung von Art. 226m Abs. 4 OR entfiele. Von den in Art. 226m Abs. 4 OR angeführten Ausnahmefällen kommt nur derjenige in Betracht, der sich auf den Kauf von Gegenständen bezieht, "die nach ihrer Beschaffenheit vorwiegend für einen Gewerbebetrieb oder vorwiegend für berufliche Zwecke bestimmt sind". Ob ein solcher Fall vorliegt, ist wegen des zwingenden Charakters des Abzahlungsvertragsrechts unabhängig davon zu untersuchen, dass im Kaufvertrag vom 15. März 1974 ausdrücklich vereinbart wurde, der Spielautomat sei gemäss seiner Beschaffenheit für einen Gewerbebetrieb bzw. für berufliche Zwecke bestimmt.
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Für die Vorinstanz ist massgebend, dass Art. 226m Abs. 4 OR davon spricht, dass die Kaufsache "für einen Gewerbebetrieb" bestimmt sein muss und nicht davon, dass die Kaufsache "gewerblichen Zwecken" dienen müsse. Diese Unterscheidung kann jedoch nicht von entscheidender Bedeutung sein, nimmt doch Art. 226m Abs. 4 OR die Vorschriften des Abzahlungsvertragsrechts auch für jene Kaufgegenstände aus, die "für berufliche Zwecke" bestimmt sind und erfasst damit Erwerbstätigkeiten, die völlig unabhängig von einem Gewerbebetrieb sind.
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Die Vorinstanz hat diese Frage im wesentlichen mit der Begründung verneint, es könne nicht im Ernst behauptet werden, der Beklagte habe mit dem Kauf eines einzigen Spielautomaten, dessen Betreuung im Monat nicht mehr als 20 Minuten erfordere, einen Gewerbebetrieb eröffnet. Dies könnte nur gesagt werden, wenn jemand eine Vielzahl solcher Apparate anschaffe, um damit z.B. einen Spielsalon zu betreiben. Der geringe Zeitaufwand für die Wartung des Apparates schliesse auch die Annahme aus, dass der Spielautomat vorwiegend für berufliche Zwecke bestimmt sei. Bei einem Studenten könne von einem Nebenberuf nur dann gesprochen werden, wenn er eine solche Zahl von Apparaten anschaffen würde, dass deren Betreuung einen erheblichen Zeitaufwand erforderte oder dass sie wenigstens einen wesentlichen Ertrag abwürfen. Auch Kaufgegenstände, die nach ihrer Beschaffenheit gewerblichen Zwecken dienen, seien demnach nur dann von den strengen Formvorschriften des Abzahlungsvertragsrechts auszunehmen, wenn der Käufer diese Gegenstände hauptberuflich verwende oder ein offenkundiger Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb bestehe.
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b) Mit diesen Darlegungen stellt die Vorinstanz entscheidend auf die subjektiven Verhältnisse des konkreten Käufers ab. Dies tut sie namentlich auch, wenn sie ausführt, im Falle des Beklagten seien die Ausnahmebestimmungen nicht anwendbar, weil er nur einen einzigen Apparat erworben habe, während beim Erwerb einer Vielzahl von Apparaten eine Ausnahme allenfalls vorliege. Das Gesetz stellt indessen ausschliesslich auf die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ab und wendet damit ein objektives - in der Natur des Kaufgegenstandes liegendes - Unterscheidungsmerkmal an. Für die Anwendbarkeit des Art. 226m Abs. 4 OR kann es deshalb keine Rolle spielen, ob der Inhaber eines Spielsalons einen weiteren Apparat zu zehn bereits vorhandenen hinzukauft oder ob ein anderer Käufer einen Einzelapparat erwirbt, um daraus einen Nebenverdienst zu erzielen. Eine Rücksichtnahme auf solche Beweggründe will das Gesetz eben ausschliessen.
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Für den gewerblichen oder beruflichen Charakter eines Gegenstandes ist entscheidend, dass mit ihm Geld verdient werden kann und soll, wie das bezüglich des streitigen Spielautomaten im angefochtenen Urteil verbindlich festgestellt wird. Entgegen der Auffassung des Beklagten ändert sich an dieser Zweckbestimmung nichts, wenn sich später herausstellt, dass die Erwartungen hinsichtlich des Gewinns sich nicht erfüllen. Unerheblich ist auch, ob sich solche Apparate in Privathäusern mindestens so häufig vorfinden, wie in gewerblichen Unternehmungen. Darauf käme es nur dann an, wenn die Apparate vorwiegend zu privaten statt zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken gehalten würden. Ein Spielapparat, der über Fr. 12'000.-- kostet und nur durch den Einwurf von Geld in Betrieb gesetzt werden kann, dient jedoch im allgemeinen nicht zu Spielen im privaten Kreis. In der Literatur wird denn auch die Ausnahmebestimmung des Art. 226m Abs. 4 OR auf Musik-, Spiel- und Warenautomaten bezogen (STOFER, a.a.O., S. 170; GIGER, a.a.O., S. 68). Für die Anwendung von Art. 226m Abs. 4 OR genügt es schon, wenn der Kaufgegenstand vorwiegend für Gewerbebetriebe oder berufliche Zwecke bestimmt ist. Das kann nichts anderes heissen, als dass die Vorschriften des Abzahlungsvertragsrechts auch dann entfallen, wenn ein solcher Kaufgegenstand entgegen seiner regelmässigen Bestimmung gelegentlich für rein private Zwecke gekauft wird.
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c) Damit steht fest, dass vorliegend wegen der Beschaffenheit und Zweckbestimmung des Kaufgegenstandes die Ausnahmeregelung des Art. 226m Abs. 4 OR zum Zuge kommt und die besonderen Formvorschriften des Abzahlungsvertragsrechts nicht anwendbar sind. Bei Geschäften dieser Art kann das zu stossenden Ergebnissen führen und dem Schutzgedanken des Gesetzes zuwiderlaufen. Dieser wurde jedoch mit der Ausnahmebestimmung von Art. 226m Abs. 4 OR zugunsten einer einfach zu handhabenden Regelung bewusst durchbrochen. Eine solche Regelung erleichtert es den Vertragsparteien und Finanzierungsinstituten zu beurteilen, ob die Formvorschriften des Abzahlungsrechts anwendbar sind oder nicht. Dies liegt letztlich auch im Interesse des Käufers.
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Mit welchen Methoden der Verkäufer Gasser den Beklagten zum Kaufe des Spielautomaten bewogen hat, kann für die Auslegung von Art. 226m Abs. 4 OR keine Rolle spielen. Sie sind allenfalls dann zu untersuchen, wenn zu prüfen ist, ob der Beklagte den Vertrag unter Willensmängeln eingegangen ist oder ob die Klägerin ihren Anspruch rechtsmissbräuchlich geltend macht.
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Da die Vorinstanz zu Unrecht die Formvorschriften des Abzahlungsvertragsrechts angewendet hat, ist ihr Urteil aufzuheben und die Sache an sie zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG), damit sie die weiteren Einwendungen des Beklagten beurteile.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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