32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1977 i.S. Hochstrasser gegen Victoria Feuer-Versicherungs-AG
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Regeste
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Erwerb einer gestohlenen Sache; Art. 934 ZGB.
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Sachverhalt
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Die Firma Kapsreiter & Koch hatte bei der Victoria Feuer-Versicherungs-AG (im folgenden Victoria Feuer genannt) einen Personenwagen Mercedes 280 SE gegen Diebstahl versichert, der in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1974 in Italien aus einer Hotelgarage gestohlen wurde. Der Wagen gelangte in der Folge über einen Mailänder namens Gaetano Nicolasi in die Schweiz, wo er vom Automobilhändler Job erworben wurde. Dieser verkaufte ihn am 25. Juli 1974 an Henri Hüni weiter, der in Zürich eine Garage betreibt und ebenfalls mit Automobilen handelt. Einige Tage später teilte Job Hüni mit, er habe erfahren, dass der Mercedes gestohlen sei. Hüni versuchte umsonst, Job zur Rücknahme des Fahrzeuges zu bewegen, das er schliesslich zum Preis von Fr. 30'000.-- Arnold Hochstrasser verkaufte. In Ziffer 8 des Kaufvertrages vom 19. August 1974 wurde folgendes festgehalten:
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"Der Käufer hat Kenntnis davon, dass das von ihm gekaufte Automobil gestohlen gemeldet ist. Er verzichtet gegenüber dem Verkäufer auf sämtliche Schadenersatz-Ansprüche unter allen Titeln."
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In der Folge kamen Hochstrasser und die Victoria Feuer als Rechtsnachfolgerin der Geschädigten, der sie den Schaden inzwischen ersetzt hatte, überein, den Erlös von Fr. 28'000.--, der beim zwischen ihnen vereinbarten Verkauf des Wagens erzielt worden war, bei der Schweizerischen Kreditanstalt auf einem Sperrkonto zu deponieren. Sie legten fest, dass der Betrag dem gemäss einem Gerichtsurteil oder einem Vergleich Berechtigten auszuzahlen sein werde.
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Am 14. Oktober 1975 leitete die Victoria Feuer beim Bezirksgericht Zürich gegen Arnold Hochstrasser Klage ein mit dem Rechtsbegehren, dieser sei zu verpflichten, seine Einwilligung zur Auszahlung der Summe durch die Bank zu geben. Der Beklagte beantragte, die Klage sei abzuweisen; eventuell sei festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeuges gehabt habe und ihm ein Lösungsrecht im Sinne von Art. 934 Abs. 2 ZGB in der Höhe von Fr. 30'000.-- zustehe.
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Das Bezirksgericht Zürich (7. Abteilung) wies die Klage am 5. Oktober 1976 ab.
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Dieses Urteil zog die Klägerin vor das Obergericht des Kantons Zürich, das am 11. März 1977 Berufung und Klage guthiess.
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Gegen diesen Entscheid hat der Beklagte beim Bundesgericht Berufung erhoben mit dem Antrag, die Klage sei abzuweisen.
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Aus den Erwägungen:
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2. a) Wieweit der Besitzer einer vom Nichtberechtigten erworbenen beweglichen Sache geschützt ist, hängt einerseits von den Umständen ab, unter denen der Besitz des (früheren) Berechtigten unterging (freiwilliger oder unfreiwilliger Besitzesverlust), und andererseits von den Umständen, unter denen der Besitzer die Sache erwarb (guter oder böser Glaube). War die Sache dem Veräusserer - wenn auch ohne Ermächtigung zur Weiterübertragung - anvertraut worden, ist der gutgläubige Erwerber in seinem Eigentum oder beschränkten dinglichen Recht an ihr zu schützen (Art. 933 ZGB). Der gute Glaube muss sich dabei auf die Berechtigung des Veräusserers beziehen, über die Sache zu verfügen (STARK, N. 55, und HOMBERGER, N. 25 zu Art. 933 ZGB; HINDERLING, in Schweizerisches Privatrecht, Band V/1 S. 478).
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Demgegenüber kann der frühere Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst ohne seinen Willen abhanden gekommen ist, sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern (Art. 934 Abs. 1 ZGB). Dem gutgläubigen Empfänger, der die Sache an einer öffentlichen Versteigerung, auf dem Markt oder von einem Kaufmann, der mit Waren der betreffenden Art handelt, erworben hat, steht jedoch der Anspruch auf Vergütung des von ihm entrichteten Preises zu (sog. Lösungsrecht; Art. 934 Abs. 2 ZGB).
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b) Unbestritten ist, dass der Mercedes der berechtigten Firma Kapsreiter & Koch gestohlen worden war, wovon der Beklagte laut Ziffer 8 des Vertrages im Zeitpunkt des Kaufes Kenntnis hatte. Eine den Rechtsmangel heilende Ersitzung durch Hüni oder einen seiner Vormänner war aus zeitlichen Gründen nicht möglich (Art. 934 Abs. 1 und Art. 714 Abs. 2 ZGB). Der Beklagte anerkennt denn auch, zur Herausgabe des Wagens verpflichtet gewesen zu sein, doch erhebt er Anspruch auf Ersatz des bezahlten Kaufpreises mit der Begründung, er habe Hüni gutgläubig für berechtigt gehalten, ihm das Automobil zu verkaufen. Dass er gemeint habe, jener sei Eigentümer gewesen, scheint er - angesichts seines mit der deliktischen Herkunft des Fahrzeuges zusammenhängenden vertraglichen Verzichts auf allfälligen Schadenersatz zu Recht - nicht geltend machen zu wollen. Da er wusste, dass der Mercedes der Berechtigten gestohlen worden und somit ohne deren Willen in Hünis Besitz gelangt war, durfte er aber auch nicht in guten Treuen annehmen, jene habe diesen zur Übertragung des Wagens an ihn ermächtigt. Guter Glaube war in Anbetracht des Wissens um den Diebstahl schlechterdings ausgeschlossen. Die Behauptung des Beklagten, der Polizeibeamte Keller habe ihm erklärt, es könne ihm bei einem Kauf des Fahrzeuges nichts geschehen, ist daher unbehelflich. Die Vorinstanz sah mit Recht davon ab, Keller als Zeugen einzuvernehmen, so dass der deswegen gegen sie erhobene Vorwurf der Verletzung von Art. 8 ZGB von vornherein unbegründet ist. Ebensowenig kann der Beklagte daraus etwas zu seinen Gunsten ableiten, dass ihm das Strassenverkehrsamt für den Mercedes ohne weiteres Kontrollschilder und einen Fahrzeugausweis abgab.
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c) Ist der Beklagte mithin als bösgläubig zu betrachten, war er gemäss Art. 934 Abs. 2 ZGB verpflichtet, den Wagen ohne Anspruch auf Entschädigung herauszugeben, ungeachtet der (unbestrittenen) Tatsache, dass Hüni ein Kaufmann ist, der mit Automobilen handelt. Dass dieser demgegenüber ein Lösungsrecht gehabt haben könnte, ist bedeutungslos, da ohnehin nur der gutgläubige Rechtsnachfolger desjenigen, dem ein solches zustand, seinerseits die Vergütung des entrichteten Erwerbspreises verlangen kann (vgl. STARK, N. 41 zu Art. 934 ZGB). Mit Recht hat die Vorinstanz dem bösgläubigen Beklagten diesen Anspruch nicht zuerkannt und ihn verpflichtet, die Schweizerische Kreditanstalt zu ermächtigen, der Klägerin den hinterlegten Betrag auszuzahlen.
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