7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Februar 1979 i.S. H. Leuenberger & Söhne gegen Ciulla (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
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Überstundenarbeit.
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Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung kann der Arbeitnehmer weder ausdrücklich noch stillschweigend auf Lohn verzichten, der ihm aus Überstundenarbeit zusteht.
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Erwägungen:
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Kläger habe vom Juni 1975 bis Januar 1978 das Monatsgehalt entgegengenommen, ohne die nach seiner Meinung geschuldeten Überzeitzuschläge zu fordern; dadurch habe er entgegen der willkürlichen Annahme des Obergerichts einen Anspruch auf Zuschläge verwirkt. Die Unverzichtbarkeit auf Forderungen im Sinne von Art. 341 Abs. 1 OR stehe einer Verwirkung des Anspruches durch längeres Zuwarten nicht im Wege.
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a) Diese Auffassung ist von beiden Vorinstanzen mit der Begründung verworfen worden, Überstundenarbeit sei seit der Revision des Arbeitsvertragsrechtes nach den neuen Bestimmungen des OR sowie nach den Vorschriften des einschlägigen Gesamtarbeitsvertrages (GAV) zu entschädigen. Art. 321c Abs. 3 OR sehe dafür nebst dem Normallohn einen Zuschlag von mindestens einem Viertel vor. Art. 16.4 des hier anwendbaren GAV der Schweiz. Metallunion stimme damit überein, sei eine unabdingbare Bestimmung gemäss Art. 357 Abs. 2 OR, gelte für die ganze Dauer des Arbeitsverhältnisses und begründe daher einen Anspruch im Sinne von Art. 341 Abs. 1 OR, auf den der Arbeitnehmer nicht verzichten könne. Ein Verstoss gegen Treu und Glauben liege nicht vor, da der Kläger seit Beginn der Rezession mit ernsthaften Nachteilen rechnen musste, wenn er die Lohnzahlungen beanstandet hätte. Vorher habe die Beschwerdeführerin die Überzeitzuschläge pünktlich bezahlt; sie sei sich ihrer Pflicht aber weiterhin bewusst gewesen, habe folglich mit der nachträglich erhobenen Forderung rechnen müssen.
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Die Beschwerdeführerin hält dem BGE 101 II 289 E. 8b entgegen, wo ausgeführt worden ist, dass Streitigkeiten über die wöchentliche Arbeitszeit, die Ruhezeit, Ferientage, Reiseentschädigungen und die Vergütung von Überstunden rasch zu erledigen sind. Allfällige Beanstandungen seien daher bei der Lohnzahlung anzubringen; wenn der Arbeitnehmer zusätzliche Forderungen geltend machen wolle, verlangten Treu und Glauben, dass er dies nach einer kurzen Überlegungszeit tue, da sonst die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gefährdet würde.
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In jenem Fall ging es nicht um Überstundenarbeit, sondern um Ersatz von Ferien und wöchentlicher Ruhezeit durch Geldleistungen; die Entschädigung für Überstunden wurde nur beiläufig erwähnt, obschon selbst dazu nach der Streitfrage kein Anlass bestand. Der Sachverhalt war zudem nach dem alten Recht zu beurteilen, das keine dem Art. 341 Abs. 1 OR entsprechende Regel enthielt; deshalb stellte sich damals denn auch die Frage, ob die Beklagten ihre Ersatzansprüche gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB dadurch verwirkten, dass sie die Ansprüche erst bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses erhoben.
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Mit dem Inkrafttreten der in Art. 341 Abs. 1 OR enthaltenen Regel ist die rechtliche Stellung des Arbeitnehmers deutlich verstärkt worden. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht auf Forderungen verzichten, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben. Damit soll den Umständen Rechnung getragen werden, dass der Arbeitnehmer sich in einem gesteigerten Abhängigkeitsverhältnis befindet und häufig der wirtschaftlich schwächere Teil ist, während des Arbeitsverhältnisses unter Druck gesetzt werden oder aus Angst um seine Stelle Hemmungen haben kann, zusätzliche Ansprüche unverzüglich zu erheben. Das leuchtet namentlich in Zeiten wirtschaftlicher Rezession und dann ein, wenn ein Unternehmen, wie hier, mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Aus solchen Gründen schliesst Art. 341 Abs. 1 OR nicht nur einen ausdrücklichen, sondern auch einen Verzicht durch konkludentes Verhalten des Arbeitnehmers aus.
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Der Ausschluss beschränkt sich zudem nicht auf eine blosse Überlegungsfrist; er gilt für die ganze Dauer des Arbeitsverhältnisses und einen Monat nach dessen Beendigung. Hätte der Gesetzgeber bloss an Schlussabrechnungen oder Saldoquittungen gedacht, die der Arbeitnehmer etwa unterzeichnen muss, wenn er den letzten Lohn ausbezahlt erhält, dann hätte er sich in Art. 341 Abs. 1 OR mit dem zusätzlichen Monat begnügen können.
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b) Es kann deshalb auch nicht der Sinn des Gesetzes sein, dem Arbeitnehmer den erhöhten Schutz, der ihm durch die neue Bestimmung gewährt wird, auf dem Umweg über Art. 2 Abs. 2 ZGB wieder entziehen zu wollen. Diese Norm setzt die Bestimmungen des Zivilrechts nicht allgemein für bestimmte Arten von Fällen ausser Kraft, sondern weist den Richter nur an, besondern Umständen des einzelnen Falles Rechnung zu tragen (BGE 91 II 9 E. 1e und dort angeführte Urteile). Solche Umstände, welche das Zuwarten des Klägers als missbräuchlich erscheinen liessen, liegen hier nicht vor (vgl. BGE 98 II 144 E. 3 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin muss sich vielmehr entgegenhalten lassen, dass sie die Entschädigung von Überstundenarbeit einstellte, obschon sie sich ihrer Zahlungspflicht bewusst blieb. Es steht ihr daher nicht an, sich auf Treu und Glauben zu berufen, um die Nachlassgläubiger auf Kosten des Klägers besser stellen zu können. Von Willkür des Obergerichts kann schlechterdings nicht die Rede sein. Durch die Umstände unterscheidet der vorliegende Fall sich denn auch deutlich von dem in BGE 101 II 283 ff. veröffentlichten, wo es übrigens um die Abgeltung von Ruhezeit und Ferien durch Geldleistungen ging. Dass im Regest des Entscheides neben den damals noch anwendbaren Bestimmungen in Klammern auch die neuen angeführt worden sind, besagt entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht, das Bundesgericht habe an seiner Auffassung über die Entschädigung von Überstundenarbeit unbekümmert um das neue Recht festgehalten. Es kann daraus nur abgeleitet werden, dass eine Verwirkung von Ferienansprüchen und insbesondere des Rechts auf Übertragung solcher auf das nächste Jahr möglich ist, nicht aber, dass auch Überstundenentschädigungen, die im Entscheid nur beiläufig erwähnt worden sind, der Verwirkung unterliegen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
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