12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Mai 1979 i. S. "Gemeinsam"-Stiftung für Benachteiligte gegen Eidg. Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
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Regeste
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Stiftungsaufsicht; Art. 84 Abs. 2 ZGB.
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Sachverhalt
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Die "Gemeinsam"-Stiftung für Benachteiligte, mit Sitz in Zürich, wurde am 26. Januar 1976 durch die Infocard-Infothek AG, Wetzikon (Stifterin), mit einem Stiftungskapital von Fr. 10'000.- errichtet. Zweck der Stiftung ist die "Unterstützung schweizerischer Institutionen mit oder ohne eigener Rechtspersönlichkeit, wie spontane Hilfskomitees für Naturkatastrophen, welche ihrerseits ausschliesslich wohltätige oder gemeinnützige Tätigkeiten zugunsten benachteiligter Personen oder Gruppen entfalten" (Ziff. 3 der Statuten). Mit Verfügung vom 21. März 1977 übernahm das Eidg. Departement des Innern (EDI) die Stiftungsaufsicht, da es sich nach den Statuten um eine gesamtschweizerisch tätige Institution handelt.
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Im Frühling 1977 startete die Stiftung einen Kugelschreiber-Versand. Gemäss dem im Februar 1977 abgeschlossenen Liefervertrag übernahm es die Adress-Data AG Wetzikon (ADAG), deren Verwaltungsratspräsident mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Stifterin identisch ist, für die "Gemeinsam-"Stiftung bis Mitte Oktober 1977 an gesamthaft rund 2 Mio. Adressaten Kugelschreiber zu verschicken. In einem Begleitschreiben wurden die Empfänger aufgerufen, einen Fünfliber an die Stiftung einzuzahlen. Für die Kugelschreiber und deren Versand hatte die Stiftung von den eingehenden Zahlungen Fr. -.80 pro Sendung an die ADAG zu überweisen. Für ein Versandprogramm von rund 2 Mio. Kugelschreiber würde die Entschädigung an die ADAG total Fr. 1,6 Mio. ausmachen; die diese Entschädigung übersteigenden Einzahlungen kämen dann der Stiftung zugute. Nach der vorgelegten Erfolgsrechnung 1977 ergab die Aktion Kugelschreiber für die Stiftung rund Fr. 81'000.-.
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Auf dem den Kugelschreibern beigelegten Werbeblatt (gedrucktes Begleitschreiben) findet sich im Briefkopf (unter der Bezeichnung der Stiftung, der Postadresse und der Postcheck-Konto-Nummer) der gut sichtbare Hinweis: "Aufsichtsbehörde: Eidgenössisches Departement des Innern, Bern." Im nachfolgenden Text, der über den Zweck der Sammlung orientiert, wird auf der Vorderseite noch einmal erwähnt, dass die Stiftung unter eidgenössischer Aufsicht stehe, und auf der Rückseite ist zum dritten Mal von der Aufsichtsbehörde, dem Eidg. Departement des Innern, die Rede.
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Die Kugelschreiber-Aktion erregte bei einzelnen Adressaten Misstrauen und führte auch zu kritischen Äusserungen in der Presse. Das EDI erhielt viele Zuschriften, aus denen hervorgeht, dass manche Leser des Werbebriefes annahmen, die Stiftung stehe unter dem Patronat des Departementes oder werde in irgendeiner besonderen Weise durch Bundesstellen überwacht und gefördert. Es untersuchte in der Folge die Aktivität der Stiftung und kam zum Ergebnis, deren gesamte Tätigkeit sei nicht nur auf Erfüllung des statutarischen Zwecks - Hilfe an gemeinnützige Institutionen und unterstützungsbedürftige Einzelpersonen ausgerichtet, sondern ebenso auf Ermöglichung eines bestimmten Umsatzes an Waren und Dienstleistungen und damit eines durch den Deckmantel der gemeinnützigen Stiftung gesicherten Gewinnes. Mit Verfügung vom 6. April 1978 erliess es unter anderem folgendes Verbot:
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"Der Stiftung wird mit sofortiger Wirkung untersagt, sich in ihren
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Veröffentlichungen und Mitteilungen an Dritte auf die Aufsicht seitens des
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EDI zu berufen oder sonstwie auf die gesetzliche Stiftungsaufsicht Bezug zu
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nehmen."
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Hiegegen hat die Stiftung Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen:
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aa) Der Hinweis auf die Stiftungsaufsicht des EDI erweckt den Anschein einer besondern behördlichen Förderung und dient so als irreführendes Werbemittel für die Sammelaktionen.
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bb) Das EDI möchte sich davor schützen, dass es in der Öffentlichkeit wegen seiner gesetzlichen Funktion als Stiftungsaufsichtsbehörde mit der - begründeter Kritik ausgesetzten - Aktivität einer von ihm beaufsichtigten Institution in engen Zusammenhang gebracht wird, als ob diese Institution ihre fragwürdige, mit geschäftlichen Interessen verknüpfte Sammeltätigkeit unter dem Patronat des EDI betreiben würde.
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b) Die Stiftungsaufsicht dient nicht nur dem Ziel, der Absicht des Stifters Geltung zu verschaffen und die richtige Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens zu überwachen, sondern die Aufsichtsbehörde hat auch die öffentlichen Interessen in einem umfassenden Sinne wahrzunehmen (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, Bd. 1/3, Die Stiftungen, S. 554 ff.); vor allem hat sie dafür zu sorgen, dass die Stiftungsorgane das objektive Recht beachten (BGE 100 Ib 144 mit Hinweisen). Die Tätigkeit der Stiftung darf - auch unter Wahrung des zulässigen Stiftungszweckes - in ihren Formen und Auswirkungen nicht widerrechtlich oder unsittlich sein. Eine Stiftung, deren statutarischer Zweck keinen Grund zur Auflösung gemäss Art. 88 Abs. 2 ZGB gibt, hat sich auch in ihrer effektiven Tätigkeit an die Schranken von Recht und Sitte zu halten. Gegen Verstösse oder die konkrete Gefahr von Verstössen kann mit präventiven und repressiven Aufsichtsmitteln eingeschritten werden (BGE 100 Ib 144 f.; RIEMER, a.a.O., S. 557 ff.).
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aa) Es ist nicht üblich, dass Stiftungen bei Sammelaktionen auf die gesetzlich vorgeschriebene Stiftungsaufsicht hinweisen oder die Aufsichtsbehörde im Briefkopf gewissermassen als Referenz angeben. Wenn nun eine einzelne Stiftung - entgegen der allgemeinen Übung - die Stiftungsaufsicht hervorhebt und die Aufsichtsbehörde zudem noch jenes Departement des Bundes ist, das sich u.a. mit Sozialversicherung befasst, so erweckt dies beim Leser des Werbematerials falsche Vorstellungen: Der mit der gesetzlichen Ordnung der Stiftungsaufsicht nicht vertraute Empfänger der Sendung wird durch die Erwähnung der Bundesaufsicht leicht zum Schluss verleitet, es handle sich um eine Aktion, die unter der besondern Obhut, Förderung und Kontrolle einer Bundesstelle durchgeführt werde. Mit dem auffälligen Hinweis auf die Bundesaufsicht wollte vermutlich die Stiftung gerade den Eindruck erwecken, ihre Aktion unterscheide sich von andern Sammelaktionen durch eine spezielle staatliche Kontrolle und sei deswegen besonders vertrauenswürdig. Ein anderer Grund für die ungewöhnliche und stark hervorgehobene Erwähnung der Aufsichtsbehörde ist nicht erkennbar. Aber selbst wenn diese Absicht der Irreführung ursprünglich nicht bestanden hätte, müsste aufgrund der Erfahrung, dass der Hinweis auf die Aufsichtsbehörde sehr oft irrtümlich als besondere Empfehlung verstanden wird, eine Fortsetzung dieses weite Kreise des Publikums täuschenden Verhaltens untersagt werden. Dass formell rechtlich gesehen die Mitteilung, Aufsichtsbehörde sei das Eidg. Departement des Innern, der Wahrheit entspricht, vermag die Verwendung dieser wahren Feststellung zur Irreführung des Publikums nicht zu rechtfertigen. Die Beaufsichtigung einer Stiftung durch eine Behörde ist ja nicht eine spezielle Auszeichnung oder Anerkennung der Institution. Daher ist es auch nicht üblich, die Aufsichtsbehörde zu erwähnen. Wenn nun eine Stiftung den Hinweis auf die Aufsichtsbehörde anbringt, erweckt sie beim Adressaten irreführend den Eindruck, es handle sich da um etwas Besonderes, auf das sich nur diese Institution berufen könne. Dadurch wird mit der Tatsache der gesetzlichen Stiftungsaufsicht Missbrauch getrieben; der Hinweis auf die Aufsicht wird zum Vortäuschen einer besondern Förderung oder Anerkennung verwendet.
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bb) Die Aufsichtsbehörde selber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass durch die ausdrückliche Erwähnung der gemäss Gesetz auszuübenden Aufsicht nicht in der Werbung für eine Sammelaktion irreführend der Eindruck erweckt wird, diese Stiftung stehe dem EDI besonders nahe und die Sammelaktion verdiene wegen der Bundesaufsicht spezielles Vertrauen. Neben der Vermeidung einer Irreführung des Publikums rechtfertigt auch der Schutz der Aufsichtbehörde vor einem Missbrauch ihres Namens zu unlautern Werbezwecken das angefochtene Verbot weiterer Hinweise auf die Stiftungsaufsicht.
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Im übrigen ist festzuhalten, dass dieses Verbot die Beschwerdeführerin in keiner Weise bei der legalen Ausübung ihrer Tätigkeit beschränkt oder behindert. Es wird nur der Missbrauch der Tatsache der Stiftungsaufsicht für irreführende Reklame untersagt.
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