BGE 105 II 218 |
37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juni 1979 i.S. X. gegen X. (Berufung) |
Regeste |
Art. 50 OG. |
Art. 142 Abs. 2 ZGB. |
Wann ist die Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB rechtsmissbräuchlich? (E. 3, 4). |
Sachverhalt |
A.- Die Ehe der Eheleute X., aus der zwei Kinder hervorgegangen sind, wurde 1951 geschlossen. Eine erste Scheidungsklage des Ehemannes wies das Bezirksgericht am 16. April 1970 und das Obergericht am 25. Februar 1971 wegen überwiegenden Verschuldens des Klägers ab. Dieser hatte sich ungefähr ab 1957 fortlaufend Ehebrüche mit verschiedenen Frauen zuschulden kommen lassen, nachdem es schon vorher gelegentlich zu ehebrecherischen Beziehungen gekommen war, von denen die Ehefrau aber keine Kenntnis erhalten hatte. 1966 war er aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und hatte bis zum Abschluss des Scheidungsprozesses mit einer anderen Frau zusammengelebt.
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Nachdem dieses Verhältnis in die Brüche gegangen war, knüpfte der Ehemann 1971 oder 1972 Beziehungen zu einer Frau Y. an, mit der er heute noch zusammenlebt und die er im Falle einer Scheidung zu heiraten gedenkt. Mit Verfügung des Eheschutzrichters vom 31. Oktober 1974, teilweise abgeändert durch Rekursentscheid des Obergerichts vom 8. Januar 1975, wurde er ermahnt, zu seiner Ehefrau zurückzukehren; gleichzeitig wurde dieser gemäss Art. 170 Abs. 1 ZGB das Getrenntleben bewilligt.
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B.- Am 1. November 1975 leitete der Ehemann eine neue Scheidungsklage ein, die das Bezirksgericht mit Urteil vom 24. Februar 1977 im wesentlichen mit folgender Begründung abwies: Es könne offen gelassen werden, ob die Voraussetzungen des Art. 142 Abs. 1 ZGB erfüllt seien, weil den Kläger an einer allfälligen Zerrüttung nach wie vor das weit überwiegende Verschulden treffe und der Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung nicht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden könne.
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Der Kläger zog dieses Urteil ans Obergericht weiter. Dieses fand die Berufung am 28. September 1978 für begründet und beschloss:
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"Das Urteil des Bezirksgerichtes vom 24. Februar 1977 wird aufgehoben und der Prozess zum neuen Entscheid im Sinne der Erwägungen sowie allenfalls zur Durchführung eines ergänzenden Beweisverfahrens über die scheidungs- und güterrechtlichen Nebenfolgen an die Vorinstanz zurückgewiesen".
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Das Obergericht bejahte das Bestehen einer tiefen und unheilbaren Zerrüttung, die eine Fortsetzung der Ehe für den Kläger als unzumutbar erscheinen lasse. Zwar sei dieser an der eingetretenen Zerrüttung nach wie vor als der überwiegend schuldige Teil zu betrachten; indessen erweise sich der Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung als rechtsmissbräuchlich, so dass deren Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB nicht zu berücksichtigen und die Ehe in Gutheissung der Klage gestützt auf Art. 142 ZGB zu scheiden sei. Die Scheidung könne jedoch vom Obergericht nicht selbst ausgesprochen werden, weil das nur im Zusammenhang mit der Regelung der scheidungs- und güterrechtlichen Nebenfolgen geschehen könne. Scheidungsrechtlich gehe es zwar lediglich noch um Leistungen des Klägers aufgrund von Art. 151 ZGB an die Beklagte; doch müssten die verschiedenen Komponenten dieser Rente noch näher bestimmt werden, insbesondere auch die Frage einer allfälligen Genugtuungsleistung. Auch stehe noch nicht fest, inwieweit diese Leistungen allenfalls vom Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung abhängen könnten, so dass im heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden werden könne, ob eine Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in ein besonderes Verfahren zulässig sei oder nicht. Zu allen diesen Fragen werde sich vorerst das Bezirksgericht auszusprechen haben.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
a) Ein selbständiger Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann vor, wenn in ihm eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung urteilsmässig erledigt worden ist, und zwar unabhängig davon, ob das im Urteilsdispositiv ausdrücklich gesagt wird oder ob dieses auf Rückweisung an die erste Instanz zu neuer Beurteilung "im Sinne der Erwägungen" lautet (BGE 91 II 204 /205). Der zitierte Entscheid macht allerdings unter Hinweis auf BGE 81 II 399 einen Vorbehalt für den Scheidungsprozess. In der Tat hat das Bundesgericht im zuletzt genannten Urteil in Anlehnung an BGE 78 II 398 entschieden, wenn in einem Scheidungsprozess ein kantonales Berufungsgericht den Streit mit Bezug auf den Scheidungspunkt und die Nebenfolgen zu neuer Beurteilung an die erste Instanz zurückweise, liege kein selbständiger Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG vor, und zwar auch dann nicht, wenn in den Erwägungen des oberinstanzlichen Rückweisungsentscheides die untere Instanz verbindlich angewiesen werde, in ihrem neuen Urteil die Scheidung auszusprechen. Beiden zitierten bundesgerichtlichen Urteilen lag der gleiche Sachverhalt zugrunde wie dem vorliegenden Fall. Das Bezirksgericht hatte die Scheidungsklage abgewiesen; das Obergericht gelangte demgegenüber zum Ergebnis, die Voraussetzungen für eine Gutheissung der Scheidungsklage seien erfüllt, es könne jedoch die Scheidung nicht selbst aussprechen, weil vorerst die erste Instanz sich zu den Nebenfolgen der Scheidung äussern müsse. Damit aber hat das Obergericht in allen drei Fällen über die materiell-rechtliche Frage der Scheidung ein endgültiges und abschliessendes Urteil gefällt. Das Bezirksgericht hat im neuen Urteil nicht mehr die Wahl, ob es die Scheidung aussprechen wolle oder nicht, sondern ist an die verbindliche Weisung des Obergerichtes, die Scheidungsklage gutzuheissen, gebunden. Nach der eingangs aufgeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt somit ein selbständiger Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG vor, der grundsätzlich der Berufung ans Bundesgericht unterliegt, sofern die beiden weiteren Voraussetzungen der genannten Bestimmung erfüllt sind, dass nämlich im Falle der Gutheissung der Berufung sofort ein Endentscheid herbeigeführt und damit ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichtes gerechtfertigt erscheint.
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b) Die Argumente, mit denen in den beiden Präjudizien BGE 78 II 398 und 81 II 398 die Anwendung von Art. 50 OG auf Fälle der vorliegenden Art abgelehnt wird, vermögen nicht zu überzeugen. Dass das Obergericht in beiden Fällen die Scheidung weder ausgesprochen hat, noch hätte aussprechen können, ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 50 OG unerheblich; entscheidend ist allein, dass materiell über den Scheidungsanspruch des klagenden Ehegatten verbindlich und abschliessend entschieden worden ist.
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Auch wo ein Vor- oder Zwischenentscheid einer kantonalen Berufungsinstanz im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteil die Verjährung verneint, die Aktivlegitimation bejaht oder die grundsätzliche Haftpflicht feststellt, muss der Entscheid der Berufungsinstanz diesen Sachentscheid nicht zwingend ausdrücklich im Dispositiv enthalten, sondern er kann sehr wohl einfach auf Rückweisung zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen lauten. Um solche Fälle handelte es sich beispielsweise in BGE 93 II 244 und BGE 91 II 204; in BGE 100 II 429 /430 E. 2 wurde ausgeführt, ein Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG liege immer dann vor, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Berufung ein Endurteil fällen könne. Diese zuletztgenannte Voraussetzung war aber sowohl in BGE 78 II 398 wie in BGE 81 II 398 erfüllt, und sie ist entgegen den Ausführungen in der Berufungsantwort auch im vorliegenden Falle gegeben. Gelangt nämlich das Bundesgericht im Gegensatz zum Obergericht zur Auffassung, die Voraussetzungen für eine Gutheissung der Scheidungsklage seien nicht gegeben, so kann es diese abweisen, ohne dass es erforderlich ist, den Fall ans Obergericht zurückzuweisen.
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Andere Gründe, dem vorinstanzlichen Entscheid die Berufungsfähigkeit abzusprechen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht eingewendet werden, das Bezirksgericht müsse bei der neuen Beurteilung der Scheidungsklage auch Tatsachen berücksichtigen, die nach dem obergerichtlichen Urteil eingetreten seien. Es ist nicht einzusehen, inwiefern neu eingetretene Tatsachen einen einmal begründeten Scheidungsanspruch wieder hinfällig machen könnten. Aber auch wenn eine solche Möglichkeit bestünde, vermöchte das nichts daran zu ändern, dass eine Gutheissung der Berufung zu einem Endurteil fährt, womit die erste in Art. 50 OG aufgestellte Voraussetzung erfüllt ist.
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Dazu kommt, dass ein Ehegatte, der sich der Scheidungsklage widersetzt, ein schützenswertes Interesse daran hat, sich nicht in ein langwieriges Beweisverfahren über die Nebenfolgen einlassen zu müssen, um dann schliesslich vor Bundesgericht zu erreichen, dass die Scheidungsklage doch abgewiesen wird. Es liegt somit auch im Interesse einer allfälligen Rettung der Ehe, dass möglichst rasch abschliessend über den Scheidungspunkt entschieden wird.
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Aus diesen Gründen ist die in BGE 78 II 398 und BGE 81 II 398 eingeschlagene Rechtsprechung aufzugeben und Art. 50 OG auch im Scheidungsprozess uneingeschränkt gleich anzuwenden wie in andern Zivilprozessen.
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c) Es bleibt noch zu entscheiden, ob die zweite in Art. 50 Abs. 1 OG aufgestellte Voraussetzung erfüllt sei, dass durch die Zulassung der Berufung ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann. Auch diese Frage ist in BGE 78 II 399 zu Unrecht verneint worden. Das Beweisverfahren über die Nebenfolgen der Scheidung kann unter Umständen sehr weitläufig und kostspielig sein. Die Abtrennung der güterrechtlichen Auseinandersetzung und ihre Verweisung in ein besonderes Verfahren soll nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichtes die Ausnahme bilden, und sie ist in jedem Falle dann ausgeschlossen, wenn das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung die Beurteilung von Entschädigungs- und Unterhaltsansprüchen beeinflussen kann (BGE 98 II 345, BGE 95 II 68). Aber auch die Regelung von andern Nebenfolgen kann oft umfangreiche und zeitraubende Abklärungen erfordern. Im vorliegenden Fall geht es, wie das Obergericht zutreffend ausführt, um die Regelung von Entschädigungs- und Unterhaltsansprüchen der Beklagten sowie um die Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Ob die erwähnte Voraussetzung, die letztere in ein gesondertes Verfahren zu verweisen, erfüllt ist, steht keineswegs fest. So oder so aber kann mit einer Zulassung der Berufung unter Umständen ein Aufwand an Zeit und Kosten eingespart werden, der die Anrufung des Bundesgerichtes als gerechtfertigt erscheinen lässt. Auf die Berufung ist daher einzutreten.
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Das Recht des unschuldigen oder weniger schuldigen Ehegatten, sich der Scheidungsklage seines überwiegend schuldigen Partners zu widersetzen, findet seine Schranke wie jedes Recht am allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB. Indessen macht das Bundesgericht nur mit grosser Zurückhaltung von der Möglichkeit Gebrauch, eine Anrufung von Art. 142 Abs. 2 ZGB wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig zu erklären. Das rechtfertigt sich einerseits, weil Art. 2 Abs. 2 ZGB nur dem offenbaren Missbrauch eines Rechts den Schutz versagt, andererseits weil das in Art. 142 Abs. 2 ZGB verankerte Recht, sich der Scheidungsklage des überwiegend schuldigen Ehepartners zu widersetzen, nicht durch eine allzu weitgehende Relativierung ausgehöhlt werden darf (vgl. dazu BGE 104 II 151 /152 mit Hinweisen). In seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesgericht einen Rechtsmissbrauch nur dann angenommen, wenn der die Scheidung ablehnende Ehegatte nicht gewillt war, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, obwohl der andere Teil hiezu bereit gewesen wäre und sein ehewidriges Verhalten aufgegeben hätte (BGE 92 II 76). Nach dieser Rechtsprechung wäre die vorliegende Klage zum vornherein abzuweisen, da der Kläger ja stets erklärt hat, er sei nicht gewillt, sein Verhältnis zu Frau Y. abzubrechen und zu seiner Ehefrau zurückzukehren. Indessen hat das Bundesgericht in verschiedenen nicht publizierten neueren Entscheiden die Frage aufgeworfen, aber schliesslich offengelassen, ob die in BGE 92 II 76 aufgestellte Regel nicht zu starr sei. Mit BGE 104 II 152 /153 hat sie diese schliesslich dahin gemildert, dass eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB auch dann vorliegen könne, wenn zwar der überwiegend schuldige Ehegatte nicht bereit sei, sein ehewidriges Verhalten aufzugeben, das Festhalten des schuldlosen oder weniger schuldigen Ehegatten an der Ehe aber als völlig sinnlos erscheine und dieser Ehegatte keinerlei schützenswertes Interesse an der Fortdauer der Ehe geltend machen könne. Nach diesem neuesten Stand der Rechtsprechung ist der vorliegende Fall zu beurteilen.
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4. Das Obergericht hält im angefochtenen Entscheid fest, die Beklagte erkläre zwar nach wie vor, sie sei jederzeit zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bereit; doch habe das Obergericht aus verschiedenen Vorfällen die Überzeugung gewonnen, eine echte Bindung an die Ehe und den Kläger im allein entscheidenden persönlichen Bereich sei bei der Beklagten nicht mehr vorhanden. Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Schlussfolgerung, die vom Bundesgericht frei überprüft werden kann (BGE 104 II 152). Tatsächlicher Natur und daher für das Bundesgericht verbindlich sind nur die Feststellungen über die einzelnen Vorfälle, auf die sich die Annahme des Obergerichts stützt.
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a) Das Obergericht wirft der Beklagten vor, sie habe nicht das Geringste unternommen, um den Kläger zurückzugewinnen, als dieser vor einigen Jahren von seiner früheren Freundin Z. verlassen worden war und noch nicht mit Frau Y. zusammenlebte. Dabei liess das Obergericht offen, ob diese Zwischenzeit entsprechend der Darstellung des Klägers zwei Jahre oder gemäss Behauptung der Beklagten nur sechs Monate gedauert habe. Jedenfalls sei der Erklärungsversuch der Beklagten, der Kläger sei damals sehr viel mit einer Frau W. zusammengewesen, nicht plausibel; die Beklagte habe selbst zugeben müssen, dass es sich dabei nur um Vermutungen gehandelt habe, weshalb die Aussagen des Klägers zutreffen dürften, diese Frau sei nicht mehr als eine normale Bekannte gewesen. Es kann offen bleiben, wieweit es sich bei diesen Ausführungen des Obergerichtes um verbindliche Feststellungen oder um blosse Vermutungen handelt. Jedenfalls wirft das Obergericht der Beklagten nicht vor, die angeblich harmlose Natur der Beziehungen des Klägers zu Frau W. sei ihr bekannt gewesen. Wenn die Beklagte aber vermutete, es habe sich auch dabei um ein Liebesverhältnis gehandelt - und dazu hatte sie nach allem, was vorgefallen war, hinreichend Anlass -, so war ihr nicht zuzumuten, sich während dieser Zeit intensiv um eine Rückgewinnung des Klägers zu bemühen. Abgesehen davon kann einer Ehefrau, die von ihrem Ehemann jahrelang mit den verschiedensten Frauen betrogen wird, wohl nicht verübelt werden, wenn sie nicht in jeder kürzeren oder längeren Pause zwischen zwei Verhältnissen ihres Mannes versucht, diesen zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu bewegen.
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b) Der Kläger wollte 1973 ein landwirtschaftliches Grundstück im Ausmass von rund 4000 m2 an die Gemeinde verkaufen, wozu er die Zustimmung der Ehefrau (offenbar einen Verzicht auf das Vorkaufsrecht gemäss EGG) benötigte. Diese Zustimmung soll die Beklagte einige Zeit hinausgezögert haben. Dass die Verzögerung ein Jahr gedauert habe, schliesst das Obergericht daraus, dass die Beklagte die entsprechende Behauptung des Klägers "nicht substantiiert" bestritten habe. Die Berufung rügt, diese Feststellung sei in Verletzung von Art. 158 Ziff. 1 ZGB zustandegekommen. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Auch wenn die Beklagte sich ein ganzes Jahr lang überlegt haben sollte, ob sie diese Zustimmungserklärung abgeben wolle oder nicht, so könnte daraus jedenfalls nicht auf eine ehewidrige Gesinnung ihrerseits geschlossen werden. Es ist nicht einzusehen, was die ihr von der Vorinstanz vorgeworfene "nicht geringe Verkennung der Besonderheiten dieses Verkaufes" mit der Frage zu tun haben soll, ob es der Beklagten mit ihrer Versicherung, an der Ehe festhalten zu wollen, ernst sei. Wenn sie der Meinung war, der vereinbarte Kaufpreis sei zu niedrig, und ausserdem grundsätzliche Bedenken gegen die Veräusserung von Grundstücken hatte, so waren das Beweggründe, die jedenfalls nichts Verwerfliches an sich haben. Nicht gerade liebenswürdig, aber in Anbetracht des Verhaltens des Klägers verständlich war die Bemerkung der Beklagten anlässlich der Befragung vor Bezirksgericht, sie sei nicht dafür, dass man alles verkaufe, um das Geld an Mätressen ihres Mannes zu geben.
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c) Nicht anders verhält es sich mit der angeblichen Weigerung der Beklagten, den Kläger Bilder aus dem Haus an der ...strasse wegnehmen zu lassen. Vorerst ist festzuhalten, dass die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz auch in diesem Punkt sehr vage und unbestimmt sind. Jedenfalls ergibt sich aus den Akten, dass die vom Obergericht erwähnte tätliche Auseinandersetzung in die Zeit vor dem ersten Scheidungsprozess fällt und somit in diesem Zusammenhang Ohnehin unbeachtlich ist. Ob es nach rechtskräftiger Erledigung der ersten Scheidungsklage noch zu Differenzen zwischen den Parteien über die Wegnahme von Bildern gekommen ist, ergibt sich jedenfalls aus ihren Aussagen in der persönlichen Befragung - und andere Beweismittel zu dieser Frage existieren nicht - keineswegs eindeutig. Vor allem aber hat die Beklagte stets geltend gemacht, der Kläger habe ihr versprochen, am Haus an der ...strasse nichts zu verändern. Auch wenn das Haus und die darin befindlichen Bilder im Eigentum des Klägers stehen, durfte sie sich auf dieses Versprechen berufen, ohne dass ihr deswegen der Vorwurf gemacht werden könnte, ihre Bindung an die Ehe sei erloschen.
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d) Durch Verfügung des Eheschutzrichters vom 31. Oktober 1974 wurde die Liegenschaft ...strasse der Beklagten zur unentgeltlichen Benutzung zugewiesen und der Kläger verpflichtet, Reparatur- und Unterhaltskosten zu bezahlen. Wenn die Beklagte dem Kläger, obwohl dieser reichlich bemessene Unterhaltsleistungen erbrachte, gelegentlich auch geringfügige Reparaturrechnungen zur Bezahlung zustellte, so mag das vielleicht als kleinlich erscheinen. Ebenso wenig grosszügig aber war es, wenn der Kläger die Bezahlung dieser geringfügigen Beträge ablehnte und sich deswegen mit der Beklagten stritt. So oder so kann jedenfalls auch daraus kein schwerwiegender Vorwurf an die Adresse der Beklagten konstruiert werden.
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e) Den Gründen, die die Beklagte für ihr Festhalten an der Ehe anführt, misst das Obergericht selbst "nicht entscheidende, höchstens das Bild abrundende" Bedeutung zu. Indessen ist auch dazu festzustellen, dass die von der Beklagten vorgebrachten Argumente zumindest beachtlich und jedenfalls nicht abwegig sind. Sie will an der Ehe wegen der Kinder festhalten und befürchtet, im Falle einer Scheidung breche der Zusammenhalt der Familie auseinander; weiter befürchtet sie, der Kläger erliege im Falle einer Scheidung den ungünstigen Einflüssen seiner Mutter und seiner Schwester, und daraus könnte sich schliesslich eine Benachteiligung der Kinder ergeben. Man mag mit dem Obergericht darüber orakeln, wieweit diese Befürchtungen objektiv gerechtfertigt sind oder nicht. Jedenfalls aber handelt es sich nicht um eine Argumentation, die das Festhalten der Beklagten an der Ehe als rechtsmissbräuchlich erscheinen liesse. Auch wenn sie die Situation objektiv falsch einschätzen sollte, so wäre ihr jedenfalls subjektiv zuzubilligen, dass sie durchaus achtbare und plausible Motive für ihren Widerstand gegen die Scheidung ins Feld führt.
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f) Auch dass die Beklagte das Gefühl hat, der Kläger brauche sie noch in einer gewissen Hinsicht und sie könnte ihm in mancher Beziehung eine Stütze sein, lässt in keiner Weise auf den Verlust jeglicher ehelicher Gesinnung bei ihr schliessen, im Gegenteil. Auch hier ist es unerheblich, ob diese Meinung der Beklagten objektiv gerechtfertigt ist oder nicht. Es kommt allein darauf an, ob ihre Motive subjektiv als achtenswert erscheinen und ob ihre Beteuerungen ehrlich gemeint sind. Dass das nicht der Fall sei, kann ihr jedenfalls nicht nachgewiesen werden und wird vom Obergericht denn auch nicht behauptet.
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Zusammenfassend sind die vom Obergericht angeführten Argumente weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit ausreichend, um den Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung als offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB erscheinen zu lassen. Der obergerichtliche Entscheid, die Scheidungsklage des Klägers sei gutzuheissen, erweist sich somit als bundesrechtswidrig. Die Berufung ist daher zu schützen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Scheidungsklage abzuweisen.
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