BGE 109 II 330 |
69. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. September 1983 i.S. X. gegen A. AG und B. (Berufung) |
Regeste |
Arbeitsvertrag; Kündigung zur Unzeit durch den Arbeitgeber. Verlängerung der Kündigungsfrist wegen unverschuldeter Krankheit (Art. 336e Abs. 2 und 3 OR). |
Sachverhalt |
X. stand seit 6. November 1969 als Verkaufsingenieur im Dienst der Firmen A. AG und B. in Zürich. Am 2. August 1979 kündigte er auf Ende Januar 1980, erhielt dann aber am 31. August 1979 seinerseits die Kündigung per Ende November 1979. Im Februar 1980 klagte er gegen die beiden Arbeitgeberfirmen auf Lohnfortzahlung samt Zulagen für die Monate Dezember 1979 und Januar 1980, weil er nach Erhalt der Kündigung verunfallt und krank geworden und die Kündigung deshalb erst auf Ende Januar 1980 wirksam geworden sei. Das Arbeitsgericht Zürich wies die Klage ab, soweit es darauf eintrat. Auf Appellation des Klägers liess das Obergericht des Kantons Zürich die Kündigung erst für den 31. Dezember 1979 gelten und verpflichtete mit Urteil vom 22. Oktober 1982 die Beklagten solidarisch zur Zahlung von Fr. 4654.30 nebst Zins.
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Der Kläger hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung eingelegt mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage unter Einbezug des Januarlohns für Fr. 10'157.60 nebst Zins gutzuheissen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen: |
2. Eine durch unverschuldete Krankheit oder unverschuldeten Unfall verursachte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers führt im überjährigen Arbeitsverhältnis zu einem Kündigungsschutz von höchstens acht Wochen (Art. 336e Abs. 1 lit. b OR). Die Kündigung, die während dieser Sperrfrist erfolgt, ist nichtig; ist sie dagegen vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336e Abs. 2 OR). Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin (Art. 336e Abs. 3 OR).
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Der Kläger macht geltend, aufgrund dieser Bestimmung hätte der Ablauf der Kündigungsfrist auf Ende Januar 1980 hinausgeschoben werden müssen.
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a) Nach dem angefochtenen Entscheid ist erwiesen, dass der Kläger verunfallt und vom 23. November bis zum 3. Dezember voll sowie bis zum 10. Dezember 1979 teilweise arbeitsunfähig war. Da sich der Unfall nach der Kündigung ereignete, ist diese an sich gültig, indes wurde der Lauf der Kündigungsfrist vom 23. November 1979 an unterbrochen (Art. 336e Abs. 2 OR). Sie endete statt am 30. November erst am 10. oder am 17. Dezember 1979, sofern die teilweise Arbeitsunfähigkeit mitzuberücksichtigen ist, was offen bleiben kann. So oder anders verlängerte sich die Frist gemäss Art. 336e Abs. 3 OR bis Ende Dezember 1979, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat und der Kläger nicht bestreitet.
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b) Der Kläger behauptet, er sei vor Ablauf dieser Frist, an Weihnachten 1979, erkrankt und bis Februar 1980 krank gewesen. Er beansprucht deshalb eine weitere Verlängerung des Kündigungsschutzes bis Ende Januar 1980.
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Ob der Kläger tatsächlich erkrankt und erneut arbeitsunfähig geworden ist, kann wie im vorinstanzlichen Verfahren dahingestellt bleiben, sofern eine Verlängerung der Kündigungsfrist ausgeschlossen ist.
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Art. 336e Abs. 2 OR garantiert dem Arbeitnehmer trotz Unfalls oder Krankheit eine ungekürzte Kündigungsfrist, damit er in der Lage ist, sich nach einer neuen Stelle umzusehen (BRÜHWILER, Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, S. 191 N. 4; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweiz. Privatrecht VII/1, S. 412). Das kann zu einem unüblichen Endtermin führen, weshalb Abs. 3 eine Verlängerung auf den nächsten üblichen Termin vorsieht (Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Mai 1977 in SJ 100/1978, S. 218 E. 1d; Botschaft zum Arbeitsvertragsrecht vom 25. August 1967, BBl 1967 II 381 f.; ebenso STREIFF, Leitfaden zum neuen Arbeitsvertrags-Recht, 2. Aufl., S. 131 N. 8; SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, S. 245). Daraus entwickelt BRÜHWILER (a.a.O., S. 191 f.) eine differenzierte Lösung, welcher das angefochtene Urteil folgt.
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Danach wird zwar grundsätzlich bei einer zweiten Erkrankung während der verlängerten Kündigungsfrist diese erneut unterbrochen, sofern insgesamt die Sperrfrist von vier oder acht Wochen nicht überschritten wird. Indes ist zu unterscheiden, ob die neuerliche Erkrankung in die gemäss Abs. 2 verlängerte Kündigungsfrist fällt oder erst in die zusätzliche Zeitspanne bis zum üblichen Endtermin nach Abs. 3. Zur Begründung wird angeführt, nur Abs. 2 trage dem Umstand der Krankheit Rechnung, während Abs. 3 einfach einen praktischen Stellenwechsel sicherstelle. Das lege den Schluss nahe, dass eine Erkrankung erst in diesem Zeitpunkt, nachdem der Arbeitnehmer trotz Abzugs einer ersten Krankheitszeit bereits im Genuss der vollen Kündigungsfrist gewesen sei, nicht nochmals einen Kündigungsschutz auslöse.
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Dieser Auffassung ist beizupflichten. Sie trägt dem Ziel eines ausgewogenen Kündigungsschutzes, der den Arbeitgeber nicht unbillig belastet (vgl. Botschaft a.a.O., S. 379), besser Rechnung als eine undifferenzierte Verlängerung der Kündigungsfrist. Die Lösung darf im übrigen nicht einseitig Arbeitnehmerinteressen im Auge haben, gilt sie doch entsprechend auch zugunsten des Arbeitgebers (Art. 336f OR).
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Der Kläger erkrankte angeblich vor Ablauf der nach Art. 336e Abs. 3 bis Ende Dezember 1979 verlängerten Kündigungsfrist, aber nach der spätestens am 17. Dezember 1979 abgelaufenen Frist gemäss Abs. 2. Soweit er gestützt auf Art. 336e OR Ansprüche aus Lohn, Kinderzulagen und Gratifikationen für den Monat Januar 1980 erhebt, erweist sich die Berufung daher als unbegründet.
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