BGE 112 II 206 |
34. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. April 1986 i.S. Niederer gegen Baumgartner (Berufung) |
Regeste |
1. Entgegennahme einer staatsrechtlichen Beschwerde als Berufung. |
2. Zulässigkeit der Anordnung des Verkaufs oder der Versteigerung einer Sache (Art. 612 Abs. 2 und 3 ZGB). |
Die Anordnung des Verkaufs oder der Versteigerung einer Sache als erbrechtliche Vollstreckungsmassnahme ist von Bundesrechts wegen solange ausgeschlossen, als die Zugehörigkeit der betreffenden Sache zum Nachlass noch nicht geklärt ist (E. 2). |
Sachverhalt |
Am 31. August 1984 verstarb Berta Niederer-Harlacher. Ihre Erben sind - soweit sie nicht abgefunden worden sind - Ernst Niederer als überlebender Ehegatte und Elisabeth Baumgartner-Harlacher als Nichte.
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B.- a) Am 12. Juni 1985 reichte Ernst Niederer beim Bezirksgericht Unterlandquart eine Klage auf Feststellung und Teilung des Nachlasses seiner verstorbenen Frau ein. Dabei beantragte er sinngemäss insbesondere eine Feststellung darüber, ob der auf den Namen der Frau eingetragene hälftige Miteigentumsanteil Frauengut darstelle oder Errungenschaft bilde.
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b) Elisabeth Baumgartner-Harlacher hatte indessen bereits am 20. Mai 1985 beim Kreisamt Maienfeld ein Begehren um Anordnung der Versteigerung des fraglichen Miteigentumsanteils gestellt. Mit Entscheid vom 23. September 1985 ordnete der Präsident des Kreisamtes an, dass der Miteigentumsanteil unter den Erben versteigert werde.
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Gegen diesen Entscheid erhob Ernst Niederer Rekurs beim Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden. Dieses wies den Rekurs am 20. November 1985 ab.
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C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht ersucht Ernst Niederer um Aufhebung des Entscheides des Kantonsgerichtspräsidiums.
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Elisabeth Baumgartner-Harlacher sowie das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden beantragen die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
a) Nach bündnerischem Recht stellt das Bezirksgericht im Erbteilungsprozess die Höhe des Nachlasses sowie die den einzelnen Erben zufallenden Quoten fest. Die Realteilung als Vollstreckungsmassnahme ist hingegen Sache des Kreispräsidenten. Das Bundesrecht steht dieser Zweiteilung der Zuständigkeit nicht entgegen; namentlich schreibt es nicht vor, welche Behörde darüber zu entscheiden hat, ob eine Erbschaftssache als solche in die Teilung einzubeziehen (d.h. einem Lose zuzuweisen) oder zu verkaufen bzw. zu versteigern sei (BGE 81 II 182 f.).
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b) Streitig ist im vorliegenden Fall jedoch nicht die Zuständigkeit des Kreispräsidenten als solche, sondern die Frage, ob der nach bündnerischem Recht für die Realteilung zuständige Kreispräsident die Versteigerung einer Sache auch dann anordnen könne, wenn bestritten ist, dass die betreffende Sache überhaupt zum Nachlass gehört.
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Dies ist eine zivilrechtliche Frage, die nach Bundesrecht zu beantworten ist. Zu ihrer endgültigen und dauernden Regelung haben die Parteien zudem ein kontradiktorisches Verfahren eingeleitet, sodass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Zivilrechtsstreitigkeit vorliegt (BGE 109 II 27 mit Hinweisen). In BGE 81 II 182 hat das Bundesgericht das Vorliegen einer Zivilrechtsstreitigkeit für den Fall bejaht, dass sich die Parteien (in einem kontradiktorisch eingeleiteten und einen endgültigen Entscheid bezweckenden Verfahren) darüber streiten, ob eine zum Nachlass gehörende Liegenschaft als solche in die Teilung einbezogen (d.h. einem Lose zugewiesen) oder verkauft werden soll. Erst recht trifft dies für den vorliegenden Fall zu, bei dem nicht nur über die Art der Teilung gestritten wird, sondern darüber, ob diese zur Zeit überhaupt vorgenommen werden könne.
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c) Die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung sind ebenfalls gegeben. Die vorliegende Zivilrechtsstreitigkeit ist vermögensrechtlicher Natur, und der gemäss Art. 46 OG erforderliche Streitwert wird bei weitem übertroffen. Auch die gemäss Art. 55 OG an eine Berufungsschrift zu stellenden formellen Anforderungen sind erfüllt. Wohl beantragt Ernst Niederer - für eine staatsrechtliche Beschwerde zutreffend - lediglich die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Es ist jedoch unbestritten, dass er die Anordnung der Versteigerung des Miteigentumsanteils rückgängig machen will. Ebenso ergibt sich aus der Rechtsschrift hinreichend, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sein sollen.
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Infolge der Zulässigkeit der Berufung bleibt sowohl die staatsrechtliche Beschwerde als auch die Nichtigkeitsbeschwerde zum vornherein ausgeschlossen (Art. 68 Abs. 1 und Art. 84 Abs. 2 OG). Die vorliegende Eingabe ist daher als Berufung entgegenzunehmen und zu behandeln (vgl. BGE 107 II 315 f.).
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2. Die Vorinstanz ist bei ihrem Entscheid unter anderem davon ausgegangen, der zwischen den Parteien anhängige Erbprozess stehe der Anordnung einer Versteigerung des umstrittenen Miteigentumsanteils durch den Vollstreckungsrichter nicht entgegen. Durch die Versteigerung werde der Ausgang des Erbstreites nicht präjudiziert, da im Falle, dass der zu versteigernde Miteigentumsanteil nicht zum Nachlass gehören würde, an die Stelle des Gegenstandes dessen Wert in Form des Erlöses trete. Im übrigen seien die Voraussetzungen für eine Versteigerung erfüllt, sodass diese antragsgemäss anzuordnen sei.
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a) Können sich die Erben über die Teilung der Erbschaft nicht einigen, so greifen die gesetzlichen Teilungsvorschriften ein. Gemäss Art. 611 Abs. 1 ZGB sind so viele Teile oder Lose zu bilden, als Erben oder Erbstämme vorhanden sind. Ist die Zuweisung einer Erbschaftssache an ein Los aber aus besonderen Gründen ausgeschlossen, z.B. weil der Wert der Sache - wie im vorliegenden Fall - den Ertrag eines Erbteils erheblich übersteigt und die Sache nicht ohne erheblichen Wertverlust geteilt werden kann, so ist die Sache nach Art. 612 Abs. 2 ZGB zu verkaufen und der Erlös zu teilen (BGE 97 II 16 mit Hinweisen). Der Verkauf oder die Versteigerung einer Sache zum Zwecke der Teilung des Erlöses setzt indessen voraus, dass über die Zugehörigkeit der betreffenden Sache zum Nachlass Gewissheit besteht. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass ein Gegenstand verkauft oder versteigert wird, der in fremdem Eigentum steht. Für die Anordnung des Verkaufs oder der Versteigerung bleibt daher von Bundesrechts wegen kein Raum, solange die Zugehörigkeit einer Sache zum Nachlass bestritten und noch nicht geklärt ist.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 21. September 1960 in SJZ 58 (1962) S. 90 f. Wohl wurde dort die Auffassung, dem Verfahren auf Anordnung einer Versteigerung stehe ein - zumal später angehobener - Erbteilungsprozess nicht entgegen, als durchaus vertretbar bezeichnet. In jenem Verfahren war jedoch nicht strittig, ob der zu versteigernde Gegenstand überhaupt zum Nachlass gehöre oder nicht. Auch war offenbar keiner der Erben in der Lage oder willens, die ungeteilte Liegenschaft zu übernehmen und die andern Erben abzufinden, sodass es früher oder später ohnehin zu einer Versteigerung gekommen wäre. Das Bundesgericht konnte daher offenlassen, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn in bezug auf den fraglichen Gegenstand bestimmte Begehren gestellt worden wären, deren Beurteilung durch die Versteigerung präjudiziert worden wären.
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Im vorliegenden Fall hat der Berufungskläger demgegenüber im Verfahren vor dem Kreispräsidenten als Vollstreckungsrichter geltend gemacht, der fragliche Miteigentumsanteil gehöre nicht zum Nachlass, sondern zum Mannesgut. Zur Klärung dieser Frage hat er beim zuständigen Bezirksgericht einen Erbprozess angehoben und unter anderem sinngemäss das Rechtsbegehren gestellt, es sei festzustellen, ob der Miteigentumsanteil Frauengut darstelle und damit in den Nachlass der Frau falle oder ob er als Errungenschaft ihm selber zustehe und damit dem Nachlass entzogen sei. Die Anordnung der Versteigerung des Miteigentumsanteils, bevor diese Frage geklärt ist, verstösst nach dem Gesagten gegen das Bundesrecht.
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b) Zum gleichen Ergebnis führt auch eine weitere Überlegung. Die umstrittene Miteigentumshälfte an der Einfamilienhausliegenschaft ist im Grundbuch unbestrittenermassen auf den Namen der Erblasserin eingetragen. Gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB besteht daher die Vermutung, dass die Erblasserin wirklich Miteigentümerin war. Gelingt dem Berufungskläger weder der Beweis des Gegenteils noch der Nachweis eines besonderen Rechtsverhältnisses (vgl. hierzu LEMP, N. 16 zu Art. 212 ZGB), bleibt es sachenrechtlich auch im Verhältnis unter den Ehegatten bei dieser Ordnung. Der Berufungskläger hat jedenfalls keinen güterrechtlichen Anspruch darauf, einen auf den Namen der Ehefrau lautenden Erwerb, der z.B. aus Mitteln der ihm gehörenden Errungenschaft finanziert wurde, als sein Eigentum zu fordern (BGE 74 II 147; TUOR/SCHNYDER, 9. Aufl. 1979, S. 204). Hingegen ist dessen Wert bei der Vorschlagsberechnung zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts vom 29. November 1951 in ZBGR 35 (1954) S. 323 f.; TUOR/SCHNYDER, a.a.O. S. 204; vgl. auch HAUSHEER, Grundeigentum und Ehescheidung aus zivilrechtlicher Sicht, in: ZBGR 65 (1984) 265 ff.). Daraus ergibt sich, dass sich der Berufungskläger der Versteigerung des auf den Namen der Erblasserin lautenden Miteigentumsanteils nicht unter Hinweis auf ein "güterrechtliches Eigentum" widersetzen kann. Hingegen können die im Erbprozess beantragten güterrechtlichen Feststellungen im vorliegenden Fall für die Durchführung und das Ergebnis der Teilung präjudizierend wirken. Denn nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid bildet das im Miteigentum stehende Grundstück praktisch das gesamte eheliche Vermögen. Sollte sich nun aber im Erbstreit vor dem Bezirksgericht ergeben, dass der Wert der strittigen Miteigentumshälfte bei der Berechnung des Vorschlages zu berücksichtigen ist, weil diese aus Mitteln des Mannesgutes finanziert wurde, so kann der Berufungskläger bei der Versteigerung des Frauengutes, namentlich beim Mitbieten zur Ersteigerung der fraglichen Miteigentumshälfte, der Berufungsbeklagten in einer stärkeren Stellung gegenübertreten, als wenn die strittige Miteigentumshälfte bei der Vorschlagsberechnung ausser Betracht fallen würde. Daraus erhellt, dass die Anordnung einer Versteigerung, bevor über die güterrechtlichen Verhältnisse Klarheit besteht, die Gleichberechtigung der Erben beeinträchtigt. Dieser in Art. 607 und 610 ZGB verankerte Grundsatz bildet aber die oberste Richtschnur für die Erbteilung (TUOR/SCHNYDER, a.a.O. S. 466). Die Anordnung der Versteigerung erweist sich daher zur Zeit auch unter diesem Gesichtspunkt als bundesrechtswidrig.
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