BGE 114 II 131 - Picasso-Entscheid
 
22. Urteil der I. Zivilabteilung
vom 7. Juni 1988
i.S. A. gegen Frau X.
(Berufung)
 
Regeste
 
Regeste
1. Art. 23 ff. und 197 ff. OR. Bei falschen Angaben oder Zusicherungen über die Kaufsache kann der Käufer grundsätzlich entweder auf Gewährleistung klagen oder den Vertrag wegen eines Willensmangels anfechten (E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Umstände, unter denen ein Irrtum über die Echtheit eines Kunstwerkes als wesentlich anzusehen ist (E. 2a).
3. Art. 31 OR bestimmt weder ausdrücklich noch sinngemäss, dass der Irrende neben der relativen Frist von einem Jahr auch eine absolute von zehn Jahren zu beachten hat (E. 2b).
4. Art. 67 Abs. 1 OR. Wird der Vertrag nach der Bezahlung des Kaufpreises vom Käufer mit Erfolg wegen Irrtums angefochten, so ist die ungerechtfertigte Bereicherung des Verkäufers in der Leistung einer Nichtschuld zu erblicken. Die absolute Verjährung für den Rückforderungsanspruch des Käufers beginnt deshalb mit der Bezahlung des Preises zu laufen (E. 3).
 
Sachverhalt
A.
Am 4. Oktober 1974 kaufte A. von X., einem namhaften Kunstkenner, eine Tusch-Zeichnung "Modèle et Sculpture" (19 x 12,5 cm), die oben das Datum "juillet 46" trug und mit "Picasso" unterzeichnet war. Er bezahlte Fr. 25'000.-- dafür. Mit Schreiben vom gleichen Tag erklärte der Verkäufer, dass er für die Echtheit der Zeichnung die Garantie übernehme und "dieses Blatt im Nachtrag zum Picasso-Oeuvre-Katalog von Zervos" veröffentlichen lasse.
Der Käufer liess die Echtheit der Zeichnung nicht überprüfen. Als er diese 1985 einer Galerie in Auktion geben wollte, kamen darüber jedoch Zweifel auf. Die Galerie wandte sich an das "Comité Picasso", das ihr am 6. November 1985 antwortete, die Zeichnung stamme nach seiner Auffassung nicht von Picasso. A. versuchte daraufhin umsonst, den Kauf rückgängig zu machen, indem er von der Witwe des inzwischen verstorbenen Verkäufers verlangte, die Zeichnung zurückzunehmen und ihm den Preis zurückzuzahlen.
B.
Am 17. Juni 1986 klagte A. beim Bezirksgericht Bremgarten gegen Frau X. auf Zahlung von Fr. 25'000.-- nebst Zins. Er berief sich in erster Linie auf Unverbindlichkeit des Kaufvertrages wegen Grundlagenirrtums (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR), eventuell auf Schadenersatz wegen absichtlicher Täuschung (Art. 31 Abs. 3 OR). Die Beklagte hielt die Forderung jedenfalls für verjährt, weshalb die Klage schon daran scheitere.
Das Bezirksgericht und auf Appellation hin am 11. Juni 1987 auch das Obergericht des Kantons Aargau wiesen die Klage wegen Verjährung des Anspruchs ab.
C.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt, mit der er an seinen Rechtsbegehren festhält.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
 
Auszug aus den Erwägungen:
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Erwägung 1
a) Erweist ein angeblich echtes Kunstwerk sich nachträglich als gefälscht, so stehen dem Käufer mehrere Rechtsbehelfe mit verschiedenen Ansprüchen zur Verfügung. Wenn der Verkäufer wie hier eine bestimmte Einzelsache verspricht und sie auch liefert, wird der Vertrag erfüllt, wenn auch vielleicht schlecht. Für eine Klage gemäss Art. 97 ff. OR auf Erfüllung oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung bleibt diesfalls kein Raum (BGE 82 II 416 E. 3b). Nach der Rechtsprechung kann der Käufer den Vertrag jedoch wegen eines Willensmangels im Sinne von Art. 23 ff. OR anfechten oder gemäss Art. 197 ff. OR auf Gewährleistung oder auf Schadenersatz wegen schlechter Erfüllung klagen (BGE 109 II 322 mit Hinweisen). Der Alternativität dieser Rechtsbehelfe sind allerdings Schranken gesetzt. Eine Beschränkung ergibt sich insbesondere daraus, dass Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche, die der Käufer aus Mängeln der Kaufsache ableitet, in bezug auf seine Prüfungs- und Rügepflichten und die Verjährung den gleichen Vorschriften unterstehen (BGE 107 II 421 mit Hinweisen). Eine weitere besteht beim Viehkauf, wo der Käufer sich grundsätzlich nicht auf Irrtum berufen kann (BGE 110 II 70 E. 3). Im allgemeinen Kaufrecht anerkennt das Bundesgericht hingegen seit Jahrzehnten, dass der Käufer den Vertrag bei Mängeln, insbesondere bei falschen Angaben oder Zusicherungen über die Kaufsache, auch wegen eines Willensmangels anfechten kann, seine Klage in solchen Fällen folglich nicht von den besondern Voraussetzungen der Sachgewährleistung abhängig gemacht werden darf (BGE 108 II 104 E. 2a mit Hinweisen).
In einem Teil der Lehre wird demgegenüber, ebenfalls seit Jahrzehnten, die Auffassung vertreten, bei mangelhafter Erfüllung des Kaufvertrages sei ausschliesslich Gewährleistungsrecht anwendbar (so insbesondere BECKER, N. 22 zu Art. 24 OR; MERZ, in Festschrift (FS) Guhl S. 85 ff.; CAVIN, in Schweizerisches Privatrecht (SPR) VII/1 S. 117 ff.; ders. in Semjud 91/1969 S. 329 ff. und 340 ff.; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 203; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse S. 229; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 353). Das Bundesgericht hat diese Auffassung stets abgelehnt, sei es ausdrücklich oder sinngemäss unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, der es im Entscheid 98 II 21 in Anlehnung an OFTINGER sogar gewohnheitsrechtliche Bedeutung beigemessen hat. Die Kritik an seiner Rechtsprechung ist auch seitdem nicht verstummt (MERZ, in ZBJV 110/1974 S. 47 und 118/1982 S. 131/32; MEIER-HAYOZ, in ZBJV 123/1987 S. 73 ff. und 81); es wird dem Bundesgericht vielmehr vorgehalten, dass es die gegenteilige Meinung wiederholt bloss erwähnt oder sie verworfen habe, ohne sich sachlich damit auseinanderzusetzen (GAUCH/SCHLUEP, OR Allg. Teil I 4. Aufl. N. 608a).
Dazu ist vorweg zu bemerken, dass das Bundesgericht sich bereits 1916 für die alternative Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Irrtum neben den Vorschriften über die Gewährleistung beim Kauf ausgesprochen hat (BGE 42 II 497 E. 3). Seitdem hat es seine Auffassung nicht nur in zahlreichen Urteilen bestätigt und mehrmals überprüft, sondern auch zu davon abweichenden Lehrmeinungen Stellung genommen; dies ist besonders einlässlich in BGE 82 II 412 ff. geschehen, wo es um ein als echt verkauftes Selbstporträt des Malers van Gogh ging. Seit diesem Entscheid hat das Bundesgericht sich mit Ergänzungen oder blossen Hinweisen begnügt (84 II 517, 88 II 412, 102 II 103, 106 II 34), was aber nur heissen konnte, dass es an seiner ständigen Rechtsprechung festhielt. Es durfte dies umso mehr, als seine Auffassung inzwischen auch von einem Teil der neueren Lehre ausdrücklich gebilligt worden ist (statt vieler GIGER, N. 61 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR mit Zitaten; BUCHER, OR Allg. Teil S. 180 ff.; KELLER/LÖRTSCHER, Kaufrecht, 2. Aufl. S. 102 f.).
Die in Deutschland und Frankreich vorherrschende Auffassung ist vom Bundesgericht schon im van Gogh-Entscheid kurz zusammengefasst worden (BGE 82 II 420/21 mit Zitaten). Die deutsche Rechtsprechung und eine Mehrheit der Lehre lehnen eine wahlweise Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Irrtum nach wie vor ab (vgl. neben den Kommentaren zu §§ 119 und 459 BGB insbesondere FLUME, Das Rechtsgeschäft, S. 484 ff.; LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl. II/1 S. 73/74 sowie die Nachweise bei GIGER unter N. 63). Andere Autoren halten an der Alternativität fest, teils gestützt auf die schweizerische Rechtsprechung, die den Käufer zu Recht als den schutzwürdigeren Teil behandle und unbillige Auswirkungen vermeiden lasse (vgl. insbesondere SCHMIDT, Die Falschlieferung beim Kauf, in Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1962 S. 710 ff. mit weiteren Hinweisen auf Kritik unter Anm. 10). Wegen solcher Auswirkungen wird die geltende deutsche Praxis auch in der neueren Lehre als problematisch bezeichnet und eine differenziertere Beurteilung befürwortet (WESTERMANN, N. 6 vor und N. 73 ff. zu § 459 BGB). Nach der französischen Rechtsprechung und Lehre wird heute die alternative Anwendung dagegen grundsätzlich als zulässig angesehen (GHESTIN, Traité de droit civil, II S. 317 ff.; CAVIN, SPR VII/1 S. 117; GIGER, N. 63). Soweit im Schrifttum an der Ausschliesslichkeit des Gewährleistungsrechts festgehalten wird, soll dieser Vorbehalt sich auf Mängel in den Gebrauchseigenschaften körperlicher Sachen beschränken (PLANIOL/RIPERT/ESMEIN, Traité pratique de droit civil français, Bd. 6 S. 221 f. N. 184).
b) Sieht das Gesetz für gleiche Tatbestände mehrere Rechtsbehelfe mit unterschiedlichen Rechtsfolgen vor, so sind seine Normen vermutungsweise alternativ anwendbar, wenn ihre Auslegung nicht ergibt, dass die eine als Sonderbestimmung den andern vorgeht. Die Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stützt sich vorweg auf diesen Auslegungsgrundsatz, weil die Vorschriften des Kaufrechts im Verhältnis zu Art. 24 OR als lex specialis zu betrachten und deshalb ausschliesslich anwendbar seien (VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I S. 310 mit Zitaten unter Anm. 38a). Diese Annahme geht indes, wie bereits in BGE 82 II 421 festgehalten worden ist, zum vornherein fehl; sie verkennt, dass die hier wie dort streitigen Rechtsbehelfe auf verschiedenem Rechtsgrund beruhen, die Anfechtung wegen Irrtums einen Mangel in der Willensbildung und damit der Vertragsentstehung, der Anspruch auf Gewährleistung dagegen Mängel in der Vertragserfüllung betrifft.
Ähnlich verhält es sich mit den Einwänden, das Gewährleistungsrecht ordne die Folgen von Sachmängeln abschliessend, weshalb für eine wahlweise Anwendung der Vorschriften über den Irrtum kein Raum bleibe; das ergebe sich auch daraus, dass es die Folgen einer arglistigen Täuschung selbständig regle. Dem ist mit BGE 82 II 421/22 vorweg entgegenzuhalten, dass die Tatbestände, die von den Vorschriften über den Irrtum einerseits und vom Gewährleistungsrecht anderseits erfasst werden, sich nicht decken, sondern einander überschneiden. Schon das spricht gegen eine abschliessende Ordnung. Dazu kommt, dass der Käufer im Gewährleistungsrecht mit der Prüfungs- und Rügepflicht und mit der kurzen Verjährung qualifizierte Erfordernisse zu beachten hat, die seiner Berufung auf Irrtum nicht entgegengehalten werden können. Das leuchtet auch der Sachen nach ein. Der Käufer wird sich vernünftigerweise erst dann auf Irrtum berufen, wenn er den besondern Erfordernissen des Gewährleistungsrechts nicht genügt und seine Ansprüche aus dem Kaufrecht deswegen verloren hat (GIGER, N. 26 ff. und 64 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR). Die Vorbehalte des Gewährleistungsrechts für Fälle absichtlicher Täuschung (Art. 198/99, 203 und 210 OR) sodann lassen sich schon deshalb nicht auf den einfachen Irrtum übertragen, weil die Rechtsfolgen der beiden Willensmängel sich deutlich voneinander unterscheiden (BGE 108 II 107 E. 2c).
Durch das Gewährleistungsrecht wird der Käufer übrigens in verschiedener Hinsicht auch begünstigt, da er insbesondere zwischen Wandelung und Minderung wählen, im einen wie im andern Fall zudem Schadenersatz verlangen kann und der Verkäufer zu beweisen hat, dass der Käufer den Mangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses gekannt habe. Die formellen Erfordernisse sind daher bloss das Gegenstück zur materiellen Begünstigung und damit die Rechtfertigung für die von der Irrtumsanfechtung abweichende Ordnung. Auch das ist bereits in BGE 82 II 422 ff. eingehend auseinandergesetzt worden. Nicht zu übersehen ist ferner, dass der Anfechtung wegen Irrtums in Art. 25 und 26 OR ebenfalls Schranken gesetzt sind, aber auch im Rahmen dieser Bestimmungen der Interessenabwägung Rechnung getragen werden kann, die dem Gewährleistungsrecht zugrunde liegt (KELLER/LÖRTSCHER, S. 103). Dagegen geht es schon nach dem Sinn und Zweck dieser Schranken nicht an, bei Irrtum und Täuschung auf die gleiche Interessenlage zu schliessen.
Ein weiterer Vorwurf geht dahin, die bundesgerichtliche Rechtsprechung entbehre der Folgerichtigkeit, wenn sie einerseits Ansprüche aus Art. 97 ff. und aus Art. 41 ff. neben solchen aus Gewährleistung nur unter den Voraussetzungen der Art. 197 ff. OR zulasse, anderseits aber die alternative Anfechtung wegen Irrtums nicht von diesen Voraussetzungen abhängig mache (MERZ, FS Guhl S. 106 f.). Dass die Art. 197 ff. im Verhältnis zu den Art. 97 ff. OR als Sonderbestimmungen anzusehen sind, den allgemeinen folglich vorgehen, erhellt schon aus ihrer Einordnung. Beide betreffen aber die Vertragserfüllung und beruhen letztlich auf dem gleichen Rechtsgrund, weshalb es nahe liegt, Ansprüche aus den allgemeinen gleich zu behandeln wie solche aus den besondern. Gegen diese Beschränkung der allgemeinen Klage auf Erfüllung haben indes gerade Autoren, welche auf Sachmängel ausschliesslich Gewährleistungsrecht angewendet wissen wollen, beachtliche Gründe vorgebracht, so insbesondere CAVIN (SPR VII/1 S. 112), der sich zudem dagegen wehrt, dass konkurrierende Deliktsansprüche den formellen Schranken des Gewährleistungsrechts unterstellt werden (S. 113); ob diesfalls an der Rechtsprechung festzuhalten sei, ist in BGE 90 II 88 E. 2 übrigens offengelassen worden. Der Einwand schliesslich, dass Art. 373 Abs. 2 OR gemäss BGE 109 II 335 als Sonderregel der allgemeinen Bestimmung über den Irrtum vorgeht, ergibt entgegen F. SCHÖBI (Grundlagenirrtum neben Gewährleistung?, in recht 1984 S. 134 ff.) keinen Widerspruch; denn damit wird übersehen, dass die Sonderbestimmung nicht nur die Erfüllung, sondern wie Art. 24 OR auch die Entstehung des Vertrages betrifft, insoweit Inhalt und Rechtsgrund der beiden Ordnungen folglich identisch sind.
c) Für die alternative Anwendbarkeit der Irrtumsvorschriften neben dem Gewährleistungsrecht sprechen sodann praktische Überlegungen. Zu Recht weist BUCHER (S. 181 f.) darauf hin, dass sich keine eindeutigen Kriterien ermitteln lassen, wenn Sachmängel und Sacheigenschaften voneinander zu unterscheiden sind, jene zwar Gewährleistungsansprüche begründen, nach Auffassung der Kritiker aber keine Anfechtung wegen Irrtums zulassen, und umgekehrt (vgl. auch OFTINGER, Bundesgerichtspraxis zum Allg. Teil OR, S. 104). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich z.B. bei Sachverhalten der vorliegenden Art, weil in solchen Fällen in der Lehre auch die Auffassung vertreten wird, die fehlende Echtheit eines Gemäldes stelle überhaupt keinen Sachmangel, sondern bloss einen Willensmangel dar (BUCHER, S. 182). Ähnlich verhält es sich bei Aktienkäufen, wenn streitig ist, ob der Mangel die Kaufsache, den wirtschaftlichen Wert der Aktien oder bloss den Bestand und Umfang der damit veräusserten Rechte betrifft (BGE 107 II 422; CAVIN, SPR VII/1 S. 118). Die Alternativität erleichtert daher auch praktikable, dem Sinn und Zweck des Gesetzes angemessene Lösungen (BGE 100 IV 255 E. 1c, 96 I 605 E. 4).
Zu bedenken ist ferner, dass Bedeutung und Funktionen des einfachen Kaufvertrages mit der technischen Entwicklung und der allgemeinen Tendenz zum Massenvertrag sich gewandelt haben, weshalb der Käufer mehr denn je als der schutzwürdigere Teil erscheint, wenn er schlecht bedient worden ist (BÜHLER, Zur sogenannten Alternative Gewährleistung - Irrtum im Kaufrecht, SJZ 74/1978 S. 1 ff.). Das spricht ebenfalls dafür, dem Käufer, der die Sache nicht rechtzeitig geprüft oder die Klagefrist gemäss Art. 210 OR verpasst hat, nicht auch noch die Berufung auf Willensmängel zu versagen. Dazu gehört auch, dass die als Begründung für die kurzen Fristen angeführten Verkehrsbedürfnisse in Wirklichkeit einseitig den Verkäufer begünstigen und die Interessen des Käufers ausser acht lassen (SCHMIDT, NJW S. 711 und 713). Schliesslich ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Verschiedenheit der Interessenlage und deren Ursachen nicht gegen, sondern für die wahlweise Zulassung der beiden Rechtsbehelfe sprechen.
d) Aus diesen Erwägungen ist auch nach erneuter Überprüfung an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Eine Änderung müsste sich zudem auf sachliche und ernsthafte Gründe stützen können, zumal wenn es wie hier um eine langjährige Praxis geht (BGE 111 Ia 162 E. 1a und 111 II 310 E. 2 mit Hinweisen). Diese ist zwar von einem Teil der Lehre beharrlich kritisiert oder angezweifelt, von einem andern, ebenso gewichtigen Teil aber von Anfang an begrüsst und bis in die neueste Zeit ausdrücklich gebilligt worden. Das kann nur heissen, dass weder die eine noch die andere Lehrmeinung sich bisher durchzusetzen vermochte, sich vielmehr für beide gute Gründe anführen lassen. Unter diesen Umständen geht es auch aus Überlegungen der Rechtssicherheit nicht an, eine ständige Rechtsprechung leichthin aufzugeben, selbst wenn ihr angesichts der anhaltenden Kritik möglicherweise nicht gewohnheitsrechtliche Geltung zuerkannt werden kann. Wenn der Kaufvertrag sich wie hier auf eine Speziessache mit einer bestimmten Eigenschaft bezieht, die angeblich fehlt, ist es dem Käufer daher weiterhin nicht verwehrt, sich wahlweise auf die Vorschriften über den Irrtum oder auf Gewährleistungsrecht zu berufen.
 
Erwägung 2
Ob die falsche Vorstellung des Irrenden auch notwendige Vertragsgrundlage seines Partners sein und dieser zudem erkennen müsse, dass die Vorstellung für jenen eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages gewesen sei, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (statt vieler BGE 113 II 29 mit Hinweisen; VON TUHR/PETER, S. 309/10; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. S. 168/69; GAUCH/SCHLUEP, N. 592 f.), kann vorliegend jedoch offenbleiben; das eine wie das andere ergibt sich hier schon daraus, dass der Verkäufer die Echtheit der Zeichnung ausdrücklich zugesichert hat. Zu Recht sind daher schon die Vorinstanzen davon ausgegangen, der Kläger habe sich bei Abschluss des Vertrages in einem wesentlichen Irrtum befunden, sollte die Zeichnung sich als Fälschung erweisen. Das ist auch die Meinung der Parteien im Berufungsverfahren.
Das schweizerische Recht kennt etwa im Gegensatz zum deutschen, das die Anfechtung wegen Irrtums auf 30 Jahre seit Abgabe der mangelhaften Willenserklärung begrenzt (§ 121 Abs. 2 BGB), in dieser Richtung keine ausdrückliche zeitliche Beschränkung. Die herrschende Lehre schliesst daraus, dass der Irrende einzig die relative Jahresfrist zu beachten hat und sich grundsätzlich noch Jahrzehnte nach Abschluss des Vertrages auf den Willensmangel berufen kann, sofern sein Zuwarten Treu und Glauben nicht widerspricht (VON TUHR/PETER, S. 333 Anm. 22; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 126, BUCHER, S. 187; GILLARD, Scriptum CO partie générale, S. 388; K. OGUZMAN, in SJZ 59/1963 S. 265 ff.). Einzelne Autoren halten dagegen die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren für anwendbar (z.B. ENGEL, S. 233) oder lassen die Frage offen (GAUCH/SCHLUEP, N. 689); dies ist auch in BGE 101 II 210 geschehen.
Die Meinung, ausser der Jahresfrist des Art. 31 OR bestehe noch eine absolute zehnjährige Verwirkungsfrist, beruft sich auf VON TUHR (ZSR NF 16/1897 S. 1 ff. und 17/1898 S. 1 ff., insbesondere S. 53 und S. 62). Dass dieser Autor neben der relativen Frist, die er für zu lang bemessen hält, die analoge Anwendung einer zusätzlichen absoluten befürworte, ist den zitierten Stellen indes nicht zu entnehmen. Das folgt weder aus seiner Erörterung der deutschen Regelung (S. 53 Anm. 2) noch aus seinen Ausführungen zum Rückforderungsanspruch, der nach der allgemeinen Regel in zehn Jahren verjähre (S. 62). Rückforderung und Anfechtung sind nämlich nicht das gleiche; nach dem Wortlaut des Art. 31 OR schliesst die Rückforderung lediglich die Anfechtung ein. Diese ist aber auch für sich allein denkbar, wo der Irrende noch nicht geleistet, folglich auch nichts zurückzufordern hat. Ebensowenig hat VON TUHR die Irrtumsanfechtung in der ersten Auflage seines Allgemeinen Teils des Obligationenrechts von 1924 (S. 275 Anm. 22) einer absoluten Frist unterstellen wollen.
Die klare Unterscheidung, die der Gesetzgeber in Art. 31 OR einerseits (bloss einjährige relative Frist) und in den Art. 60 und 67 anderseits (zehnjährige absolute neben der einjährigen relativen Frist) getroffen hat, lässt auf eine bewusst und gewollt abweichende Regelung schliessen. Dafür spricht auch, dass die Jahresfrist des Art. 31 OR nicht als Verjährungs-, sondern als Verwirkungsfrist zu qualifizieren ist (BGE 101 II 209; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 22 zu Art. 31 OR; BECKER, N. 5 zu Art. 31 OR).
 
Erwägung 3
a) Es ist unbestritten, dass der Kläger die relative Verjährungsfrist von einem Jahr rechtzeitig unterbrochen hat. Streitig ist dagegen, ob die absolute Verjährung eingetreten ist. Die Antwort hängt davon ab, ob für die Entstehung des Rückforderungsanspruchs und damit für den Beginn der zehnjährigen Verjährungsfrist der Zeitpunkt der Leistung oder der Zeitpunkt der Anfechtung massgebend ist. Dabei fragt sich, ob der Anspruch eine Nichtschuld oder eine Leistung aus nachträglich weggefallenem Rechtsgrund betrifft, weil im ersten Fall die absolute Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Leistung, im zweiten aber mit dem Wegfall des Rechtsgrundes zu laufen beginnt (VON TUHR/PETER, S. 518; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 67 OR; ENGEL, S. 407; KELLER/SCHAUFELBERGER, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 97).
Das Bundesgericht hat die Frage bisher nicht einheitlich beantwortet. In den Entscheiden 64 II 135 E. 2 und 92 II 179 E. 6c, wo es um Rückforderungen wegen Unverbindlichkeit von Verträgen ging, vertrat es die Auffassung, es liege Bezahlung einer Nichtschuld vor. In den Entscheiden 87 II 139 E. 7 und 109 II 327 E. 4c sprach es hingegen von einer Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund, obschon auch diesen Fällen Tatbestände von Willensmängeln zugrunde lagen. Die verjährungsrechtlichen Folgen, die sich aus dem Unterschied der beiden Bereicherungsansprüche ergeben, standen allerdings weder im einen noch im andern Fall im Vordergrund.
b) In der Lehre werden über die Wirkungen eines Vertrages, bei dessen Abschluss sich eine Partei in einem wesentlichen Irrtum befunden hat, verschiedene Auffassungen vertreten. Nach der Ungültigkeitstheorie ist der Vertrag von Anfang an ungültig, entfaltet folglich überhaupt keine Wirkungen; solche entstehen nur, wenn das Rechtsgeschäft nachträglich vom Irrenden ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten genehmigt wird (GAUCH/SCHLUEP, N. 673 ff. mit Hinweisen; ENGEL, S. 232/33). Der Vertrag ist somit suspensiv bedingt. Nach der Anfechtungstheorie gilt er hingegen vorerst als gültig, kann aber vom Irrenden durch Berufung auf den Willensmangel aufgelöst werden, weshalb er als resolutiv bedingt erscheint. Diese Auffassung soll zur Zeit in der schweizerischen Lehre vorherrschen (GAUCH/SCHLUEP, N. 681 mit Hinweisen). Nach einer dritten Theorie schliesslich, die von einer geteilten Ungültigkeit ausgeht, ist der Vertrag für die betroffene Partei von Anfang an ungültig, für die andere dagegen gültig, für jene also suspensiv, für diese resolutiv bedingt (VON TUHR/PETER, S. 338, insbesondere unter Anm. 37a). Unterschiedlich wird nach diesen Theorien auch der Bereicherungsanspruch qualifiziert, der sich ergibt, wenn der Irrende den Vertrag mit Erfolg anficht. Nach der Ungültigkeitstheorie betrifft der Anspruch eine Nichtschuld, weshalb die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt; nach der Anfechtungstheorie dagegen erweist er sich als Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund mit Beginn der absoluten Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Anfechtung, während er nach der geteilten Ungültigkeitstheorie für den Irrenden als Leistung einer Nichtschuld, für den Vertragspartner aber als Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund erscheint (GAUCH/SCHLUEP, N. 1106; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu Art. 62 OR; BUCHER, S. 693 Anm. 162; VON TUHR/PETER, S. 338 Anm. 37a).
Den Grundgedanken und den Zielen, die sich aus der Entstehung des Gesetzes ergeben, entspricht indes nur die Ungültigkeit des Vertrages, sei diese Wirkung nun als ein- oder zweiseitig anzusehen, bevor der Irrende sich auf den Mangel beruft. Dies hat namentlich GAUCH in einer rechtshistorischen Studie (Vertrag und Parteiwille, in 100 Jahre OR S. 343 ff.) überzeugend dargetan. Der Versuch, die einseitige Unverbindlichkeit durch eine eigentliche Anfechtbarkeit ("annulabilité") des Vertrages zu ersetzen, wurde in den Vorarbeiten ausdrücklich abgelehnt. Das schweizerische Recht sollte sich dadurch nicht nur klar vom deutschen unterscheiden, das auf dem Grundsatz der Anfechtbarkeit beruht, sondern Ungewissheiten einer verwirrenden Terminologie vorbeugen und die Anwendung des Gesetzes erleichtern (GAUCH/SCHLUEP, N. 682; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 ff. zu Art. 31 OR; VON TUHR, ZSR NF 17/1898 S. 44 ff.). Die an diesem historischen Verständnis insbesondere von PIOTET (in ZBJV 121/1985 S. 148 ff.) geübte Kritik vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Ist aber von der Ungültigkeit des Vertrages auszugehen, so ist die Bereicherung in Fällen wie hier in der Bezahlung eines nichtgeschuldeten Kaufpreises zu erblicken, weshalb die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt.
Diese verjährungsrechtliche Folge ergibt sich übrigens auch aus der Anfechtungstheorie, nehmen deren Vertreter doch an, der Vertrag werde diesfalls ex tunc aufgehoben, folglich von Anfang an unwirksam (GAUCH/SCHLUEP, N. 680; BUCHER S. 639 Anm. 162; GILLARD, S. 386). Das deutsche Recht sieht diese Rückwirkung denn auch ausdrücklich vor (§ 142 Abs. 1 BGB), und die deutsche Lehre scheint nun ebenfalls mehrheitlich der Meinung zu sein, die Bereicherung lasse sich deshalb nicht als Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund ausgeben (STAUDINGER/LORENZ, 12. Aufl. N. 87 zu § 812 BGB mit Zitaten; SCHMIDT, NJW 1962 S. 713). Entscheidend ist somit nicht, ob von Anfang an beidseitige Ungültigkeit anzunehmen sei, sondern dass die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes so oder anders auf dessen Abschluss zurückzubeziehen ist, wenn der Vertrag erfolgreich wegen Irrtums angefochten wird. Dem entspricht auch die positivrechtliche Regelung in § 200 BGB.