BGE 122 II 385
 
49. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Oktober 1996 i.S. A. D., Ö. D. und R. D. gegen Polizei- und Militärdirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 100 lit. b Ziff. 3 und Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Verweigerung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an einen Ausländer sowie des Nachzugs seines ausländischen Kindes aus einer früheren Beziehung.
Umfang der Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als richterlichen Behörde (E. 2).
Beurteilung des Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung des ausländischen Ehemannes einer Niedergelassenen unter Berücksichtigung unverschuldeter Fürsorgeabhängigkeit, des Nichtbezahlens von Schulden sowie des Umstandes, dass der Ausländer jedenfalls weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung erhält (E. 3).
Für das Kind getrennt lebender ausländischer Eltern setzt ein Nachzugsrecht voraus, dass es zum in der Schweiz weilenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).
 
Sachverhalt
Der türkische Staatsangehörige Ö. D. kam am 12. November 1980 als Sohn nicht verheirateter Eltern in der Türkei zur Welt und lebte zunächst bei seiner Mutter, später bei einem Onkel und daraufhin bei seinen Grosseltern väterlicherseits in der Türkei. 1981 reiste der Vater A. D., geboren 1957, in die Schweiz aus, wo er eine Schweizerin heiratete. Aus einer Beziehung mit der gleichaltrigen gebürtigen Polin R. D., die in der Schweiz als Flüchtling anerkannt ist, ging 1983 der zweite Sohn E. D. hervor. 1984 wurde die erste Ehe von A. D. geschieden, worauf er 1985 in die Türkei ausreiste und dort R. D. heiratete. 1986 kehrte A. D. in die Schweiz zurück, wo ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. 1987 erhielten R. D. und 1988 E. D. je die Niederlassungsbewilligung. Von 1989 bis 1991 lebte E. D. in der Türkei bei seinem Halbbruder Ö. D. und den Grosseltern, im übrigen weilte er bei seinen Eltern in der Schweiz.
Am 18. August 1988 willigte die leibliche Mutter von Ö. D. in der Türkei ein, ihren Sohn in die Schweiz ausreisen zu lassen. In der Folge wurden 1988, 1989 und 1991 drei Gesuche um Nachzug von Ö. D. in die Schweiz gestützt auf die Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) wegen fehlender finanzieller Mittel bzw. erheblicher Schulden der hier ansässigen Familie abgelehnt. Ein Versuch im Jahr 1992, Ö. D. über Einladungen zu befristetem Aufenthalt in die Schweiz zu bringen, scheiterte ebenfalls. 1993 holten A. D. und seine Frau den Sohn Ö. D. ohne Visum und Bewilligung in die Schweiz, wo er seither lebt.
Am 30. August 1994 stellte A. D. das vierte Nachzugsgesuch für seinen Sohn Ö. D.. Mit Verfügung vom 15. September 1994 wies die Fremdenpolizei der Stadt Bern das Gesuch mit der gleichen Begründung wie in den früheren Entscheiden erneut ab.
Am 11. Oktober 1994 ersuchte A. D. um Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Die Fremdenpolizei wies mit Verfügung vom 1. November 1994 auch dieses Gesuch ab.
A. D. führte gegen die beiden Entscheide der Fremdenpolizei Beschwerde. Er beantragte vor der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, es sei ihm die Niederlassungsbewilligung zu erteilen und Ö. D. sei in diese Niederlassungsbewilligung einzubeziehen. Die Polizei- und Militärdirektion wies die Beschwerden am 22. November 1995 ab und verweigerte die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Dagegen erhoben A. D. und R. D. sowie Ö. D. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 21. Februar 1996 gut, soweit es um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ging, wies sie im übrigen aber ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 19. März 1996 an das Bundesgericht beantragen A. D., Ö. D. und R. D., A. D. sei die Niederlassungsbewilligung zu erteilen und Ö. D. in dessen Bewilligung einzubeziehen; eventuell sei Ö. D. der Aufenthalt in der Schweiz zu bewilligen. Weiter ersuchen sie um aufschiebende Wirkung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Im wesentlichen berufen sie sich auf Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) sowie auf Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101).
In ihren Vernehmlassungen schliessen das Verwaltungsgericht und die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Ausländerfragen stellt für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Antrag, die Beschwerde sei im Hinblick auf den Sohn Ö. D. gutzuheissen und die Sache an die kantonalen Behörden zurückzuweisen zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung; im übrigen sei die Beschwerde abzuweisen.
Mit Verfügung vom 22. April 1996 hat der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
 
Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 4 ANAG entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 122 II 1 E. 1a, 289 E. 1a; BGE 120 Ib 257 E. 1a; je mit Hinweisen).
b) Nach Art. 17 Abs. 2 zweiter Satz ANAG hat ein Ausländer, dessen Ehegatte über die Niederlassungsbewilligung verfügt, nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Da im vorliegenden Fall die Ehefrau (Beschwerdeführerin 3) im Besitz der Niederlassungsbewilligung ist und der Ehemann (Beschwerdeführer 1) sich seit über fünf Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhält, hat dieser einen Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach gestützt auf Gesetzesrecht einzutreten, soweit damit die Erteilung der Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer 1 beantragt wird. Beide Ehegatten sind insofern beschwerdeberechtigt; legitimiert ist aber auch der Sohn (Beschwerdeführer 2), da sein allfälliger Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung des Vaters unter anderem gerade von der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an denselben abhängt (vgl. E. 1c).
Im Hinblick auf die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers 1 erlangt jedoch Art. 8 EMRK keine Bedeutung. Diese Bestimmung gibt auch dann, wenn sie ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz vermittelt (vgl. dazu E. 1c), keinen Anspruch auf eine bestimmte Bewilligungskategorie (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1f; BGE 115 Ib 1 E. 4b). Entscheidend ist einzig, dass der Ausländer faktisch die Möglichkeit hat, sein Verhältnis zu einem hier lebenden Familienangehörigen in angemessener Weise zu pflegen, wozu jede Anwesenheitsberechtigung, welche dies zulässt, genügt (unveröffentlichtes Urteil vom 23. November 1995 i.S. A.). Da der Beschwerdeführer 1 vorerst weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung erhält, erweist sich sein allenfalls auf Art. 8 EMRK gestützter Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz zwecks gemeinsamen Familienlebens mit seiner Frau bereits als verwirklicht.
c) Gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG haben ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen. Im vorliegenden Zusammenhang fragt sich, ob es dafür genügt, dass der nachzugswillige Elternteil selbst erst einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung hat, oder ob die Erteilung derselben bereits vorausgesetzt ist. Wie es sich damit verhält, kann aber dahingestellt bleiben, denn die Beschwerdeführer 1 und 2 können sich im Hinblick auf den Nachzug des letzteren jedenfalls auf Art. 8 EMRK berufen.
Diese Bestimmung garantiert den Schutz des Familienlebens. Gestützt darauf ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seiner hier anwesenden nahen Verwandten zulässig, wenn diese über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen und die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 109 Ib 183; BGE 122 II 1 E. 1e, 289 E. 1c; BGE 120 Ib 1 E. 1d, 6 E. 1, 16 E. 3a und 257 E. 1c, mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung setzt die Annahme eines gefestigten Anwesenheitsrechts wenigstens einen festen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung voraus (BGE 122 II 1 E. 1e; BGE 119 Ib 91 E. 1c; vgl. auch BGE 111 Ib 161 E. 1a). Da der Beschwerdeführer 1 in diesem Sinne ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat und die Beziehung zu seinem Sohn intakt ist und gelebt wird, erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insofern als zulässig. Beschwerdeberechtigt sind jedenfalls Vater und Sohn. Fraglich ist jedoch, ob im Hinblick auf die Beziehung von Vater und Sohn auch die Beschwerdeführerin 3 legitimiert ist oder ob eventuell ihr eigenes Verhältnis zum Stiefsohn ebenfalls unter dem Schutz von Art. 8 EMRK steht; das kann jedoch offenbleiben, da auf die Beschwerde ohnehin einzutreten ist.
d) Nicht eingetreten werden kann indessen, soweit sich die Beschwerdeführer - zumindest sinngemäss - auch gegen die Wegweisung des Beschwerdeführers 2 wenden bzw. deren Unverhältnismässigkeit geltend machen, ist dagegen doch von Gesetz wegen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen (Art. 100 lit. b Ziff. 4 OG).
2. Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, in welchem Fall die Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG greift (BGE 122 II 1 E. 1b mit Hinweisen). Danach ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn die richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben hat. Da im vorliegenden Fall der angefochtene Entscheid durch ein Gericht erging, gelangt Art. 105 Abs. 2 OG zur Anwendung.
Dieser Anspruch führt nicht in jedem Fall zum Ziel. So erlischt er, wenn der Anspruchsberechtigte gegen die öffentliche Ordnung verstossen hat (Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG). Die Voraussetzung für ein Erlöschen des Anspruches ist weniger streng als im Fall des ausländischen Ehegatten eines Schweizers oder einer Schweizerin, bei dem nach Art. 7 Abs. 1 letzter Satz ANAG ein Ausweisungsgrund vorliegen muss (BGE 120 Ib 129 E. 4a). Aus dem Gesetz lassen sich sodann weitere Gründe ableiten, die zu einem Dahinfallen des Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung führen können (vgl. BGE 119 Ib 81 E. 2). Immerhin muss die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts verhältnismässig sein; da aber im Vergleich zur Regelung von Art. 7 ANAG bereits geringere öffentliche Interessen für ein Erlöschen des Anspruchs genügen, sind auch die entgegenstehenden privaten Interessen weniger stark zu gewichten als bei einer Ausweisung (vgl. BGE 120 Ib 129 E. 4a).
Sodann und vor allem kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass zwar unverschuldete Fürsorgeabhängigkeit allein keinen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellt, wohl aber das Nichtbezahlen von Schulden; dies gilt jedenfalls dann, wenn diese einen bedeutenden Umfang erreichen. Nach der verbindlichen Feststellung des Verwaltungsgerichts (vgl. E. 2) hatte der Beschwerdeführer 1 im Februar 1996 Schulden im erheblichen Betrag von über Fr. 100'000.--; weiter hatte er sich nicht bemüht, die Schulden zu stabilisieren, geschweige denn abzubauen.
Auch wenn Fürsorgeabhängigkeit allein nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung begründet, lässt sie sich doch bei der Verhältnismässigkeitsprüfung berücksichtigen. Gemäss dem angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdeführer 1 bis Ende 1995 rund Fr. 45'000.-- an Fürsorgegeldern bezogen und wird bis Ende 1996 vermutlich den Betrag von Fr. 80'000.-- überschritten haben. Ob dies genügen würde, um eine Ausweisung bzw. die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung überhaupt zu begründen, kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben, erhält doch der Beschwerdeführer 1 weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung; eine Entfernungsmassnahme steht also gar nicht zur Diskussion. Das persönliche Interesse des Beschwerdeführers 1 an der Niederlassungsbewilligung liegt letztlich einzig im Recht, seinen Sohn in die Niederlassungsbewilligung einbeziehen zu dürfen. Aber auch das fällt nicht entscheidend ins Gewicht, nachdem sich ein Nachzugsrecht im vorliegenden Fall - allerdings mit gewissen Nuancen (insbesondere kein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Sohn, sondern lediglich allenfalls einer Aufenthaltsbewilligung) - jedenfalls aus Art. 8 EMRK ergibt. Das verbleibende Interesse überwiegt das öffentliche an der Verweigerung der Niederlassungsbewilligung auch dann nicht, wenn die doch schon recht lange Anwesenheit in der Schweiz von gesamthaft rund 13 Jahren - im Verlauf von 15 Jahren - mitberücksichtigt wird. Damit erweist sich die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung als begründet und verhältnismässig.
b) Es fragt sich somit einzig, ob dem Beschwerdeführer 2 in Anwendung von Art. 8 EMRK eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist. Der Familienschutz, wie er in dieser Bestimmung gewährleistet wird, kann zwar unter Umständen einer Entfernungsmassnahme wie einer Ausweisung - und damit einer zwangsweisen Trennung von Angehörigen - entgegenstehen, wenn dadurch die Fortführung des Familienlebens verunmöglicht oder stark beeinträchtigt wird. Art. 8 EMRK vermittelt jedoch nicht ein absolutes Recht auf Einreise und Aufenthaltsbewilligung von Familienmitgliedern (BGE 122 II 289 E. 3b), namentlich wenn ein Ausländer selbst die Entscheidung getroffen hat, von seiner Familie getrennt in einem anderen Land zu leben (BGE 119 Ib 81 E. 4a; 118 Ib 153 E. 2b).
Auch wenn Art. 8 EMRK unter anderem die familiäre Beziehung getrennt lebender Eltern zu ihren Kindern schützt, räumt die Bestimmung grundsätzlich nicht demjenigen Elternteil ein Recht auf Nachzug eines Kindes ein, der freiwillig ins Ausland verreist ist, ein weniger enges Verhältnis zum Kind hat als der andere Elternteil oder sonstige Verwandte, die für das Kind sorgen, und seine bisherigen Beziehungen zum Kinde weiterhin pflegen kann. In solchen Fällen gibt es keinen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug des Kindes durch den in der Schweiz lebenden Elternteil. Ein entsprechendes Recht setzt vielmehr voraus, dass das Kind zum hier ansässigen Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug als notwendig erweist. Dabei kommt es zwar nicht nur auf die bisherigen Verhältnisse an, sondern es können auch nachträglich eingetretene oder künftige Umstände wesentlich werden. In der Regel ist dafür aber zunächst der privatrechtliche Weg zu beschreiten, d.h. es ist die rechtlich verbindliche Zuteilung des Sorgerechts anzustreben. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen klare Anhaltspunkte für neue familiäre Abhängigkeiten oder für eine wesentliche Verlagerung der Beziehungsintensitäten bestehen (BGE BGE 118 Ib 153 E. 2b). Die Verweigerung einer Bewilligung lässt sich somit jedenfalls dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Verhältnisse keine überwiegenden familiären Interessen bestehen bzw. sich ein Wechsel nicht als zwingend erweist und die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 119 Ib 81 E. 4a und b; 118 Ib 153 E. 2c und d).
c) aa) Der Beschwerdeführer 1 hat die Türkei freiwillig verlassen und dabei die Mutter seines ersten Kindes (des Beschwerdeführers 2) mit diesem zusammen in der Türkei zurückgelassen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, kümmerte er sich bis 1988 kaum um seinen Sohn. Seit diesem Zeitpunkt, seitdem das Kind also rund acht Jahre alt war, hat er immerhin mehrfach versucht, es in die Schweiz nachzuziehen. Seit nunmehr rund drei Jahren, nach der illegalen Einreise im Jahre 1993, leben sie tatsächlich auch zusammen. Im übrigen können sie aus diesem Umstand indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten, haben sie den entsprechenden Zustand doch unrechtmässig herbeigeführt. Im Vordergrund haben daher die tatsächlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der illegalen Einreise des Sohnes in die Schweiz zu stehen.
bb) Ein Nachzug des Beschwerdeführers 2 würde zu einer höheren Belastung der Fürsorge führen, was durch die unrechtmässige Einreise im übrigen bereits geschehen ist. Wieweit dies - angesichts einerseits der bereits erheblichen Fürsorgeabhängigkeit der Familie, anderseits der letztlich eher bescheidenen zusätzlichen Belastung - den Ausschlag geben kann, ist umstritten, kann aber dahingestellt bleiben (vgl. dazu im übrigen BGE 122 II 1 E. 3c; BGE 119 Ib 81 E. 2d und e).
cc) Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist der Beschwerdeführer 2 bis zum 13. Lebensjahr in der Türkei aufgewachsen, wobei er immerhin acht Jahre bei seiner Mutter lebte. Erst als diese im Jahre 1988 ihre Einwilligung zu einer Ausreise ihres Sohnes in die Schweiz gab, übersiedelte er zunächst zu einem Onkel und später zu den Grosseltern väterlicherseits. Dass diesem Wechsel eine Verlagerung der Beziehungsintensitäten zugrunde lag, ist genausowenig nachgewiesen wie der Umstand, dass in der Türkei niemand mehr für den Beschwerdeführer 2 sorgen könnte. Das Verwaltungsgericht hat im Gegenteil festgestellt, die Grosseltern seien noch relativ jung und ihre mit ärztlichem Zeugnis dokumentierten Krankheiten liessen die Betreuung eines Knaben oder jungen Mannes nicht als ausgeschlossen erscheinen. Auch ist nicht einzusehen, weshalb nicht die Mutter sich erneut um ihren Sohn kümmern könnte. Im übrigen ist fraglich, ob das Schreiben der Türkischen Botschaft vom 16. Januar 1996 den Beweis dafür erbringt, dass das Sorgerecht einzig mit der notariell verurkundeten Zustimmung der Mutter und der Übersiedlung in die väterliche Verwandtschaft auch zivilrechtlich auf den Vater übergegangen ist; ein eigentliches Gerichtsurteil liegt nämlich nicht vor. Wie es sich damit verhält, kann indessen offenbleiben.
Grundsätzlich gilt im Verwaltungsverfahren die Untersuchungsmaxime. Diese wird jedoch relativiert durch die Mitwirkungspflicht der Parteien, welche namentlich insoweit greift, als eine Partei das Verfahren durch eigenes Begehren eingeleitet hat oder darin eigene Rechte geltend macht (vgl. dazu ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Zürich 1993, Rz. 1285, S. 304; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. II, Bern 1991, N. 2.2.6.3, S. 176; vgl. auch Art. 20 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege und - für den Bund - Art. 13 VwVG). Die Mitwirkungspflicht gilt naturgemäss gerade für solche Tatsachen, welche eine Partei besser kennt als die Behörden und welche diese ohne ihre Mitwirkung gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben können. Im vorliegenden Zusammenhang trifft das insbesondere auf die von den Beschwerdeführern behaupteten persönlichen Umstände in ihrer Heimat zu; solche Tatsachen lassen sich erfahrungsgemäss von den schweizerischen Behörden, wenn überhaupt, so nur mit erschwertem Aufwand abklären (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 1996 i.S. C.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht, das die von den Beschwerdeführern eingereichten Beweise berücksichtigt hat, den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt (vgl. E. 2), indem es (sinngemäss) annahm, diese Beweise belegten die Behauptungen der Beschwerdeführer nicht. Es ist damit davon auszugehen, dass sich die Pflegebedürfnisse bzw. Beziehungsintensitäten - jedenfalls vor der illegalen Einreise des Beschwerdeführers 2 in die Schweiz - nicht massgeblich verlagert haben und dass für ihn in der Türkei weiterhin angemessen gesorgt werden kann. Schliesslich machen die Beschwerdeführer gar nicht geltend, ihre persönlichen Beziehungen, wie sie sie vor der Einreise des Sohnes in die Schweiz gepflegt haben, würden behördlich verhindert. Im Gegenteil haben sie im Verlauf des vorliegenden Verfahrens selbst auf regelmässige Besuche und weitere Kontakte hingewiesen. So lebte sogar der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführer 1 und 3 während längerer Zeit (d.h. rund zwei Jahren) bei seinem Halbbruder in der Türkei.
dd) Demnach ist im vorliegenden Fall die Familientrennung von den Betroffenen selbst freiwillig herbeigeführt worden; weder bestanden sodann für die Änderung der bisherigen Verhältnisse überwiegende familiäre Interessen, noch ist ersichtlich, dass ein Wechsel zunächst von der Mutter zur väterlichen Verwandtschaft in der Türkei und danach von dieser zum Vater zwingend war; und schliesslich wird die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert. Damit hält die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung an den Beschwerdeführer 2 vor Art. 8 EMRK stand.
Unter diesen Umständen stellt sich die Frage der Zumutbarkeit einer Ausreise der Familienangehörigen in die Türkei an sich nicht (vgl. BGE 119 Ib 81 E. 4b S. 91 am Ende). Immerhin kann, da die Beschwerdeführer eine entsprechende Rüge erheben, ergänzend festgehalten werden, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 beide längere Zeit in der Türkei gelebt haben; es ist daher nicht einzusehen, weshalb ihnen eine Ausreise dorthin unzumutbar sein sollte. Anders mag es sich bei der Stiefmutter (der Beschwerdeführerin 3) sowie beim Halbbruder verhalten. Der zweite hat zwar ebenfalls schon längere Zeit in der Türkei gelebt, die erste hingegen - was das Verwaltungsgericht offensichtlich falsch festgestellt hat - nicht. Die Frage der Zumutbarkeit einer allfälligen Ausreise in das Heimatland eines späteren ausländischen Ehegatten mag sich wohl im Zusammenhang mit der Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung an diesen selbst (vgl. BGE 122 II 1 E. 2 und 3d) oder allenfalls an gemeinsame Kinder stellen; es bedeutet aber nicht auch, dass einem ausländischen Kind des Ehegatten, das nicht aus der gemeinsamen Ehe hervorgegangen ist, eine Anwesenheitsbewilligung erteilt werden muss, weil es dem Ausländer allenfalls unzumutbar sein könnte, in das Heimatland seines Stiefkindes auszureisen. Das gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als kein zwingender Grund ersichtlich ist, weshalb das Kind überhaupt von seiner leiblichen Mutter getrennt wurde, ausser es sei bereits damals eine bessere Zukunft in der Schweiz beabsichtigt worden.
d) Zu diesem Ergebnis hält das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid fest, es vermöge nicht zu befriedigen, dass die Verweigerung einer Bewilligung vor allem den heute noch nicht sechzehnjährigen Beschwerdeführer 2 treffe. Seit zweieinhalb (heute: rund drei) Jahren lebe er nunmehr in der Schweiz, lege ein gutes Schulzeugnis vor und dürfte hier besser integriert sein als sein Vater. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Kanton Bern rechtlich nicht verpflichtet ist, ihm eine Anwesenheitsbewilligung zu erteilen. Nur das hat das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren zu prüfen. Es hat sich daher auch nicht zu anderen Rechtsinstituten zu äussern. Im übrigen haben die Beschwerdeführer die heutige Lage durch den illegalen Nachzug des Kindes (des Beschwerdeführers 2) selber mitverursacht. Schliesslich weist das Bundesamt für Ausländerfragen zwar darauf hin, dass nach dessen Weisungen Entfernungsmassnahmen gegenüber Kindern, die noch der Obhut bedürfen, ausser Betracht fielen, wenn nicht gleichzeitig auch Entfernungsmassnahmen gegen die Eltern ergriffen werden können. Was dies im vorliegenden Fall bedeutet, hat das Bundesgericht aber nicht zu beurteilen, da die Wegweisung seiner Überprüfung entzogen ist (vgl. E. 1d). Das schliesst immerhin nicht aus, die bernischen Behörden im Hinblick auf den Vollzug der verfügten Wegweisung auf die Problematik aufmerksam zu machen.